Cover_19-6_gruen_low

Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


Dossiers >> Large Format Printing >> Fachartikel >> Bei Wind und Wetter � der Druck h�lt

Bei Wind und Wetter � der Druck h�lt

Im Aussenraum sind digital gedruckte Grossformatanwendungen besonders spektakulär: riesige Banner, verhüllte Häuser und Brücken. Doch damit die Drucke den Elementen auch zuverlässig trotzen, müssen Tinten und Material genau aufeinander abgestimmt werden.

SONJA ANGERER Seit den spä­ten Neunzigern prägen sie das Strassenbild: Aussenanwendungen im Megaformat wie etwa die Verhüllung kompletter Häuser während der Umbauphase. Doch auch das Bild im Strassenverkehr hat sich gewandelt: Busse, Bahnen und andere Fahrzeuge sind heute viel farbenprächtiger als noch vor wenigen Jahren – der grossformatige Inkjetdruck macht es möglich. Im Aussenraum sind die Anforderungen an das Material jedoch enorm. Tinten und Druckmedium müssen nicht nur Sonne, Wind und Wetter standhalten, sie dürfen auch auf Luftverschmutzung und Dreck nicht allzu empfindlich reagieren. An Fahrzeugen kommt noch hinzu, dass die etwa für Busse und Bahnen vielfach übliche Säuberung mit einem Hochdruckreiniger nicht eben schonend ist, und selbst die wöchentliche Wasch­strasse ist eine Strapaze für das Material. Es waren die Aussenanwendungen, die einen entscheidenden Teil zum Siegeszug des grossformatigen Inkjetdrucks beitrugen. Denn dieses Verfahren machte etwa fotorealistische Bilder in Hausgrösse oder rasch wechselnde Fahrzeugwerbung erst wirtschaftlich sinnvoll.

Lösemitteldrucker – Pioniere im Aussenraum

Die ersten grösseren Inkjetsysteme mit lösemittelhaltigen Tinten tauchten in den frühen Neunzigern in Europa auf, nicht allzu lange, nachdem die Tintenstrahler auch in den Büros immer populärer wurden. Lösemittelhaltige Farben wurden vorher schon im Siebdruckverfahren eingesetzt, denn sie bieten einen Vorteil, der nicht leicht zu schlagen ist: Lösemittel greifen Vinyl­oberflächen an. Sie quellen dadurch auf, sodass die Farbe oder Tinte ein Stück weit einziehen kann und sich untrennbar mit dem Material verbindet. Dadurch ergibt sich eine sehr hohe Haltbarkeit auf PVC. Wird der Druck noch mit einem passenden Laminat geschützt, können sich in Mitteleuropa Aussenhaltbarkeiten von fünf Jahren und mehr ergeben. Selbst wenn die Folien gebogen oder verzogen werden, wie das etwa bei Sicken und Nieten in der Fahrzeugverklebung der Fall ist, bleibt das Motiv lange Zeit intakt, die Tinte springt auch bei starker Belastung nicht ab. Das robuste Verhalten der Tinten auf PVC war es, das letztendlich dem digitalen Grossformatdruck den Weg in die Aussenwerbung und die Werbetechnik ebnete. Denn in der Anfangszeit waren kaum spezielle Digitaldruckmedien auf dem Markt. Was zum Einsatz kam – vor allem gegossene und kalandrierte Selbstklebefolien auf PVC-Basis, Mesh-Material aus Polyestergewebe mit PVC-Beschichtung sowie PVC-Planen –, war ursprünglich für den Siebdruck, den Folienschnitt oder auch völlig andere Bereiche wie den Automobil- oder den Bausektor gedacht. Gerade Mesh wurde vor den grossformatigen Inkjets nur selten mit anderen Verfahren bedruckt. Erst als extreme Grossflächen wie Gebäudeverhüllungen und Riesenposter zunahmen, wurde das Material entdeckt, um mit seinen luftigen Gittern die entstehenden riesigen Windlasten an Gebäuden und Aufhängungen zu mindern. Allerdings beschränkt sich das gute Druckbild der lösemittelhaltigen Tinten auf PVC-Medien. Zwar werden sie auch von anderen Kunststoffen wie Polypropylen (PP) und Polyester aufgesaugt, doch das Ergebnis bleibt ungenügend: zu flau, zu streif, zu wenig brillant. Mit wachsender Verbreitung weckten die extragrossen Bilder aus den Lösemittelinkjets bald auch das Interesse von Messe- und Ladenbauern. Bei geringem Betrachtungsabstand offenbaren Lösemitteldrucke allerdings ihre grösste Schwäche: Obwohl die in der ersten Pionierzeit üblichen airbrushähnlichen oder Countinuous-Flow-Verfahren zur Jahrtausendwende auf breiter Front von qualitativ hochwertigeren Piezoinkjets abgelöst wurden, konnte die Bildqualität auf unbeschichteten Medien ein gewisses Mass nicht übersteigen. Denn indem sich die Tintentropfen im PVC «festkrallen», verschwimmen sie auch, sodass vor allem feine Details und Schriften nicht klar dargestellt werden können.

Weniger Lösemittel, mehr Bildqualität

Das Problem lässt sich beheben, indem man spezielle Digitaldruckmedien mit veredelter Oberfläche verwendet. Für hochauflösende Drucke mit wasserbasierenden, also vor allem im Innenraum eingesetzten Tinten, sind ohnehin praktisch seit Beginn des Inkjetdrucks beschichtete Medien im Einsatz. Das Trägermaterial wird dabei mit einer Tintenaufnahmeschicht versehen. Dabei handelt es sich um zum Teil komplexe mehrlagige Gebilde. Sie sorgen dafür, dass die Tinte eingeschlossen wird, aber die einzelnen Tröpfchen nicht zu stark verlaufen. So wirken nicht nur die Farben brillanter, sondern auch die Auflösung feiner. Ausserdem können auf diese Weise auch Substrate verwendet werden, die sonst nicht nutzbar sind: Beim Trägermedium Papier etwa wird die Wellenbildung durch den Flüssigkeitsauftrag verhindert, indem hauchdünne Barriereschichten, typischerweise aus PE, zwischen Papierkörper und Aufnahmeschicht aufgebracht werden. Dadurch lassen sich neben Folien auch auf Papier basierende Medien wie Fotopapier und outdoorfähige Plakatqualitäten (Blue Back) bedrucken.

Ab 2003 stieg der Bedarf an beschichteten outdoorfähigen Medien vor allem durch die Einführung der lösemittelreduzierten Eco-, Low- und Mild-Solvent-Tinten. Durch deren geringeren Lösemittelgehalt können in entsprechend bestückten Maschinen nur noch wenige ausgesuchte Medien ohne Beschichtung eingesetzt werden. Mit den Eco-Solvent-Maschinen wurde der aussenraumtaugliche Inkjetdruck auch für kleinere und mittlere Unternehmen interessant. Denn mit Laminat können Eco-Solvent-Tinten bis zu drei Jahren im Aussenraum überdauern, ohne Laminat immerhin rund ein Jahr. Die Drucker selbst sind deutlich kleiner und kostengünstiger als die auf industrielle Fertigung ausgelegten Produktionsdrucker. Zudem ist die Geruchsbelästigung durch den geringeren Gehalt an VOCs (volatile organische Lösemittel) deutlich reduziert, sodass viele Geräte auch zur kostengünstigen Aufstellung in Büroumgebungen verkauft werden.

Die steigende Nachfrage, aber auch die wachsende Zahl der Hersteller von Digitaldruckmedien und eine immer hochwertigere Beschichtungstechnologie erschlossen im Laufe der Zeit weitere Trägermedien für den Inkjetdruck, etwa hochklare Polyesterfolien für Backlit-Anwendungen und Fensterfolien, oder Qualitäten mit guter Planlage und Steifigkeit für Roll-up- und Pop-up-Displays. Heute werden zum Teil auch reissfestes Polypropylen und Tyvek als Alternativen für den Bannerdruck eingesetzt.

Alternative UV-Inkjets

Zwar bietet der Druck mit lösemittelhaltigen Tinten auf beschichteten Medien zum Teil eine sehr hochwertige Bildqualität. Doch der stetig wachsende Preisdruck auf das Endprodukt führt vielen Dienstleistern den Nachteil beschichteter Medien vor Augen: Bedingt durch den aufwändigen Produktionsprozess sind sie kostspieliger als unbeschichtetes Material. Zudem gibt es noch viele Materialien für Outdoor-Anwendungen, bei denen sich die Beschichtung wegen kleiner Abnahme­mengen nicht lohnt oder dies schlicht nicht möglich ist. Dazu gehören etwa Metall, Glas und Stein, aber auch manche Verbund- und Kunstoffplatten. Ausserdem wächst seit Mitte der Nullerjahre das Bewusstsein für die Gefahren durch VOCs.

Es waren die Durst Phototechnik AG und die Zünd Systemtechnik AG, die 2001/2002 mit dem Durst Rho 160 und dem UV-Jet 215 die ersten, im Vergleich zu heutigen Modellen noch sehr langsamen Inkjetdrucker mit UV-härtenden Tinten auf den Markt brachten. Auch hier war der Siebdruck, bei dem UV-härtende Farben schon seit Mitte der Achtzigerjahre bekannt sind, Vorbild. Da die Tintentröpfchen mithilfe starker UV-Lampen unmittelbar nach dem Auftreffen auf dem Substrat verfestigt werden, sind im UV-Inkjet sehr feine Auflösungen möglich. Zudem haftet die Tinte auf praktisch allen Materialien – diese müssen noch nicht einmal, wie beim Lösemitteldruck, plan liegen: Auch Wellpappe und -blech, ja sogar ganze Türblätter lassen sich ohne Vorbehandlung bedrucken. Auch werden bei UV-härtenden Tinten keine VOCs mehr freigesetzt, weshalb der Prozess als umweltschonender gilt.

Anfängliche Materialprobleme

Bei der Materialauswahl tun sich allerdings neue Probleme auf. Da wieder auf Substraten gedruckt wird, die nicht speziell für den Inkjetdruck gedacht sind, folgte der Experimentierfreude vor allem in der Anfangsphase nicht selten Ernüchterung: Die ersten UV-Tinten produzierten auf Flachglas zwar durchaus ansprechende Bilder, doch diese liessen sich mithilfe von haushaltsüblichem Glasreiniger auch oft genug ohne Mühe wieder abwischen. Auch bei den im Digitaldruck und in der Werbetechnik durchaus üblichen Materialien gab es zunächst Schwierigkeiten. Verbund- und Kunststoffplatten, die bislang nur beklebt worden waren, sorgten durch statische Aufladung für Irritationen am Druckkopf. Die energiereichen UV-Lampen überhitzten zudem dünnere Folien und beschädigten diese. Zudem waren die ersten Tintenrezepturen sehr starr, sodass es auf biegsamen Medien beziehungsweise auf Rollenmaterial zu Weissbruch und sogar zu einem Absplittern ganzer Farbpartien kam. Die Tinten bilden nur eine Schicht auf der Oberfläche und dringen nicht wie beim Lösemitteldruck in diese ein. Dieses Problem bekam als erstes NUR (heute ein Teil von HP Scitex) in den Griff. Das Unternehmen brachte 2004 den UV-Rollendrucker Expedio auf den Markt und läutete damit die langsame Ablösung des Lösemitteldrucks in den meisten Anwendungsbereichen ein.

Heute kommen von westlichen Herstellern kaum mehr neue Modelle mit stark lösemittelhaltigen Tinten (Hard Solvents) auf den Markt. Dafür entwickelt sich der UV-Inkjet beständig weiter: Viele aktuelle Druckermodelle bieten die Möglichkeit, mit weissen Tinten auch auf farbige Folien oder durchsichtiges Material wie Acryl deckend zu drucken. Hersteller wie Roland setzen bei kleineren Modellen bereits auf Energie sparende LED-Lampen zum Fixieren der Tintentröpfchen. Gerber Scientific verwendet für seine Solara-Ion-Serie so genannte kationische UV-Tinten. Diese werden mit relativ geringem Energieaufwand aktiviert und härten dann in einer Kettenreaktion ohne weitere Energiezufuhr aus. Das benötigt nicht nur weniger Strom, sondern ermöglicht auch die Verwendung von wärmeempfindlichem Material wie Papier oder dünnem Polystyrol.

Mit Latextinten zu neuen Ufern

Anfang 2008 stellte HP mit den Latextinten eine ganz neue Art von outdoorfähigen Tinten für Thermoinkjetköpfe vor. Diese werden als wasserbasierend bezeichnet, enthalten aber so genannte Co-Solvents, welche die Oberfläche des Druckmediums ganz leicht anlösen und für den Film aus Latexpolymerpartikeln und Pigmenten aufnahmefähig machen. Zwei starke Wärmestrahler sorgen dafür, dass die Farbpartikeln nicht ausbluten und der Druck trocken aus der Maschine kommt. Die Aussenhaltbarkeit der Prints liegt unlaminiert bei bis zu drei Jahren, entsprechend geschützt sogar bei fünf. HP setzt bei den bislang zwei Maschinen mit Latextinten, dem L65500 und dem kleineren L25500, für höchste Druckqualität stark auf eigene beschichtete Substrate sowie auf zertifizierte Medien von eingetragenen Entwicklungspartnern. HP selbst bietet 19 optimierte Medien an, darunter sieben recyclingfähige und mehrere PVC-freie Alternativen, sodass praktisch alle gängigen Anwendungen für Aussenwerbung und Werbetechnik abgedeckt werden. Im Zuge des «Planet Partners»-Programms werden verschiedene recyclingfähige Medien von HP kostenlos zurückgenommen und wiederverwertet. Derzeit wächst die Zahl der für Latextinten optimierten Medien von Drittanbietern rasant, da speziell nach dem Marktstart der kleinen, kostengünstigen L25500-Reihe Anfang 2010 mit einem enormen Zuwachs an Installationen gerechnet wird.

Zukunftsfaktor Medien

Für Druckdienstleister bedeutet die grosse Auswahl an heute verfügbaren Inkjetspezialmedien nicht nur die Möglichkeit, viele verschiedene Anwendungen herzustellen, sondern vor allem auch eines: einen enormen Kostenfaktor in der Lagerhaltung. Medienhersteller wie Neschen, Sihl und Regulus reagieren darauf, indem sie Produkte auf den Markt bringen, die sich für alle verbreiteten Outdoor-Tinten, also​(Eco-)Solvent, UV-härtende und Latextinten, gleichermassen eignen. Parallel dazu werden jedoch vor allem UV-härtende Tinten verstärkt auf Materialien wie Glas oder Metall eingesetzt. Die Drucke sind allerdings erst nach zum Teil intensiver Weiterbehandlung, etwa Einbrennen oder Überlackieren, im Aussenraum längerfristig beständig. Trotzdem wird vor allem in Märkten, die bislang vom technischen und industriellen Siebdruck geprägt waren, noch mit einem enormen Wachs­tumspotenzial für die Inkjettechnologie gerechnet. Dies gilt vor allem, wenn weitere Spezialprodukte wie etwa die von Durst angebotenen Glas- und Keramiktinten entwickelt werden. In den grafischen und werbetechnischen Märkten stehen die Zeichen in Mitteleuropa in den kommenden Jahren dagegen voraussichtlich eher auf Effizienzsteigerung, optimalen Materialeinsatz und nicht zuletzt auf Umweltschonung.

Teil 2, Innen-anwendungen

In der nächsten Ausgabe des Publisher wird die zweiteilige Serie zu Tinten und Medien im Large Format Printing fortgesetzt. Im zweiten Teil richtet die Autorin Sonja Angerer das Augenmerk auf Anwendungen im Innenraum und zeichnet auf, wie sich die Technologie entwickelt und und wie Tinten und Medien zusammenspielen.