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Der Einstieg ins Digital Publishing

Vorabversionen der Werkzeuge aus der Adobe Digital Publishing Suite sind öffentlich verfügbar. Dieser Artikel erklärt die Grundlagen des Marktes und zeigt die Konzepte hinter der Adobe-Suite.

Haeme Ulrich Ende Oktober hat Adobe die Digital Publishing Suite für das zweite Quartal 2011 angekündigt. Damit lassen sich über InDesign interaktive Publikationen für elektronische Endgeräte wie Apples iPad erstellen. Vorversionen der Produktionswerkzeuge aus der Digital Publishing Suite sind bereits über Adobes Onlinelabor (labs.adobe.com) verfügbar.

Dieser Artikel führt Sie in das Digital Publishing ein. Dies aus den drei Perspektiven Markt/Definition, Herausforderungen und Übersicht über die neue Adobe Digital Publishing Suite. Natürlich werde ich ab jetzt an dieser Stelle regelmässig über Digital Publishing berichten und dabei immer mehr ins Detail gehen.

Druck ist nicht tot – Druck alleine schon

Leute, die durch Digital Publishing das endgültige Aus der Druckindustrie vorhersagen, sind aus dem gleichen Lager wie die, welche seit zwanzig Jahren vom papierlosen Büro schwärmen.

Nein, bei Digital Publishing geht es nicht darum, ein vorhandenes Medium zu ersetzen. Es geht um ein neues Medium, das gerade beginnt, seinen Platz im Alltag unserer Kunden einzunehmen.

Was wir in der grafischen Industrie lernen müssen: Es geht nicht um die Form, wie Inhalt aufbereitet wird, es geht um den Inhalt, um die Daten. Während Jahrhunderten war klar, dass Inhalt auf Papier serviert wird. Das hat sich geändert. Der Inhalt wird digital gehalten und dann für verschiedene Medien aufbereitet: Print, eBooks, Newsfeeds, Digital Publishing … Unsere Herausforderung ist nun, die Daten optimal zu verwalten, um damit alle notwendigen Medien bedienen zu können. Eben – Druck ist nicht tot, Druck alleine schon.

Klassifikation Digital Publishing

ePaper, eBooks, Newsfeeds, Blogs, Websites, Blätterkataloge, Apps, digitale Magazine – und jetzt noch Digital Publishing. Wovon sprechen wir eigentlich?

Abgesehen von Websites des World Wide Web lassen sich auf Internettechnologie basierende Medien in drei Kategorien aufteilen: Bücher, News und Magazine. Jedes dieser Medien hat seine besonderen Anforderungen. Bei Büchern geht es um die optimale Lesbarkeit auf unterschiedlichen Geräten. News müssen topaktuell sein und digitale Magazine sollen hohen grafischen Ansprüchen gerecht werden.

Bei Büchern hat sich nebst dem Amazon-eigenen Format das ePub-Format durchgesetzt. Übrigens, Amazon verkauft in Amerika heute bereits mehr digitale Bücher als gedruckte.

News finden ihren Weg über RSS-Feeds zum Konsumenten. Sobald der Verlag einen neuen Beitrag freigibt, erscheint er im RSS-Reader des Konsumenten. Viele RSS-Reader sind heute in Form von winzigen Progrämmchen (Apps) auf Smartphones und Tablets installiert. RSS-Feeds sind einfach gestaltet und erinnern optisch stark an Webdesign.

Die Magazine sind es, worum es bei Digital Publishing geht. Seitenbasierende, aufwändig gestaltete Layouts – die Qualität aus dem Druck auf modernen digitalen Endgeräten wie dem iPad. Sehen Sie den Begriff «Magazin» nicht zu eng. Auch gestaltete Bücher, Firmenpräsentationen, Geschäftsberichte oder Schulbücher gehören in den Bereich der digitalen Magazine.

Es gibt mehr als das iPad

Apples iPad hat die Gattung der Tablet-Computer auf einen Schlag bekannt gemacht. Bei Digital Publishing ist das Lesegerät aber sekundär. Was digital veröffentlicht wird, muss auf jedem aktuellen digitalen Endgerät dargestellt werden können. Beobachtet man die Entwicklung am Markt, erkennt man eindeutig den Trend zu weiteren Plattformen von Herstellern wie Google (Android OS), Microsoft oder RIM (Blackberry).

Apples iPad-Zahlen sind noch bescheiden: Man geht davon aus, dass aktuell in der Schweiz zirka 100 000 iPads verkauft wurden. In Deutschland waren es im Herbst 2010 erst 200 000.

Aber es geht erst los. Glaubt man den Prognosen von Gartner, sind bis 2014 bereits über 200 Millionen Tablets (alle Hersteller und Plattformen) weltweit im Markt.

Doch der Markt für Digital Publishing ist noch grösser. Warum nicht ein Magazin auf dem Laptop, Netbook, Desktop-Rechner oder dem Smartphone lesen? Der vollständige Durchbruch für das digitale Publishing wird dann kommen, wenn der durchschnittliche Fernseher im heimischen Wohnzimmer seinen Inhalt über das Internet bezieht. Google wie Apple haben entsprechende Produkte bereits im Markt. Spannendes Detail: Samsung-Fernseher können ab 2011 auch Flash-Inhalte abspielen.

Wie profitabel ist das?

Erste Verlage verdienen mit Digital Publishing bereits Geld. Das ist beeindruckend, wenn man bedenkt, dass der Hype erst im April 2010 mit Apples iPad losgetreten wurde. Wie jede neue Technologie ist auch Digital Publishing dem klassischen Hype-Zyklus unterworfen. Apples iPad war der technologische Auslöser. Im Moment befindet sich die Hype-Kurve auf dem Höhepunkt, Digital Publishing wird überschätzt. Die Ernüchterung folgt, wir fallen in das «Tal der bitteren Enttäuschung», bevor wir über den «Pfad der Erleuchtung» das «Plateau der Produktivität» erreichen. Nutzen Sie diese Kurve als «Brille» – nur so können Sie den Markt objektiv beurteilen.

Herausforderungen

Der erfolgreiche Einstieg in das digitale Publishing ist nicht mit dem schnellen Erlernen neuer Werkzeuge getan. Auch ist es kein Abfallprodukt der Printpublikationen! Digital Publishing ist ein Managemententscheid, gefolgt von sauberer Planung und konsequenter Umsetzung auf allen Ebenen. Hier eine kurze Auflistung einiger Fragen, die vor dem erfolgreichen Einstieg geklärt werden müssen. Sie sind nach Berufsgattung sortiert:

  • Entscheider/Verkauf Was soll das Produkt kosten? Welcher Inhalt macht Sinn? Wie findet die Distribution statt – über einen eigenen Onlinekiosk oder über Drittsysteme wie Adobe, Apple, Google? Wie verkauft man Anzeigen in digitalen Publikationen? Wie wird das Nutzerverhalten der Konsumenten analysiert?
  • Techniker Wie kann das digitale Publishing einfach in den bestehenden Workflow eingebunden werden? Wie werden Anzeigen von Kunden übernommen? Wo wird gehostet?
  • Kreative/Layouter Was ist eine logische Navigation? Hoch- und Querformat oder nur in einer Ausrichtung? Wie wird Audio- und Videoinhalt konvertiert und eingebunden? Wie funktionieren die interaktiven Werkzeuge von InDesign?
  • Fotograf Welche Bilder werden nicht gedruckt – braucht es digitale Bildstrecken? Wie macht man Videos? Heutige DSLRs erlauben es dem Fotografen, nebst Bildern auch Videos aufzunehmen.
  • Redaktion Gibt es Redaktoren, die sich mit Text, Bild, Audio und Video auskennen? Wird die pure Online­redaktion aufgelöst?
  • Fazit

    Sobald der Hype-Zyklus vorbei ist, gehört Digital Publishing in das Portfolio eines jeden Publishing-Dienstleisters. Weil das Design seitenbasierend ist, kann die grafische Industrie ihr Know-how in die neue Disziplin einbringen und sich einen entscheidenden Vorteil sichern.

    Adobe Digital Publishing Suite

    Technisch gibt es zwei Möglichkeiten, in das Digital Publishing einzusteigen: Entweder man programmiert eine eigene Lösung oder man greift auf Standardprodukte zurück. Der Trend zeigt klar auf die Standards, weil kaum ein Verlag die Ressourcen hat, mit der Entwicklung neuer Endgeräte und Möglichkeiten mitzuhalten.

    Bei den Standards, die auf Adobe InDesign basieren, haben die WoodWing-Lösung für digitale Magazine und die Adobe Digital Publishing Suite bereits etliche Referenzprojekte im Markt. Irgendwo stehen diese Lösungen in Konkurrenz, bei genauem Hinsehen jedoch trotzdem nicht wirklich. Denn WoodWing will nebst der eigenen Geschichte auch die Adobe-Formate unterstützen. Für Betriebe, die heute schon mit dem WoodWing-Redaktionssystem arbeiten, sind die entsprechenden Werkzeuge sicher sinnvoll. Andere Redaktionssysteme wie vjoon K4 haben die Adobe-Lösung voll integriert.

    Vorteil bei Adobe ist, dass auch ohne Redaktionssystem digitale Publikationen erstellt werden können. Das ist vor allem für Agenturen mit kleineren Produktionsumgebungen interessant.

    Trennung Inhalt und Viewer

    Sie kennen es von PDF – das Datenformat und das Programm zum Anzeigen werden getrennt. Ein und dieselbe PDF-Datei kann auf unterschiedlichen Plattformen im Adobe Reader angezeigt werden. Die Adobe Digital Publishing Suite funktioniert ähnlich. Es gibt ein Programm zum Anzeigen des Inhalts, den Adobe Content Viewer, der auf allen wichtigen Plattformen läuft. Der Inhalt ist nicht PDF, sondern eine .folio-Datei (sprich «dot folio»). Der Adobe Content Viewer versieht die .folio-Datei mit einem standardisierten Benutzer-Interface zur Navigation. Dadurch ist ein grosser Teil der interaktiven Navigation bereits automatisch vorhanden. Laut Adobe wird die Spezifikation des .folio-Formates offengelegt, wie dies bei PDF vor der ISO-Normierung auch der Fall war.

    Die Betrachter merken von der Trennung von Inhalt und Viewer nichts. Für sie ist es eine App, die zudem ein Kiosksystem zum Beziehen neuer Ausgaben enthält.

     

    Die Services und die Kosten

    Die Adobe Digital Publishing Suite ist nicht eine zusätzliche Creative Suite. Sie ist ein Satz von Services, der sich an Verlage richtet. Ateliers, die mit aktuellen InDesign-Versionen Inhalte für digitale Publikationen erstellen, brauchen diese Services nicht zu mieten. Entsprechend ist auch das Preismodell für Verlage entwickelt worden.

    Die Suite gibt es in der Enterprise- und der Professional-Edition. Die Enterprise-Edition richtet sich an Grossverlage, welche die Konditionen individuell mit Adobe aushandeln. Die Preisberechnung basiert auf der Professional-Edition.

    Es gibt Fixkosten und Gebühren pro verteilten Exemplar. Pro Exemplar fallen nur dann Kosten an, wenn eine Publikation mehr als einmal (z. B. ein Magazin) erscheint. Die Fixkosten von 680 Franken je Monat sind einmal pro Verlag – also für alle Publikationen zusammen – zu entrichten. Dann fallen pro verteilte Publikation Kosten zwischen 17 und 30 Rappen an.

    Infos: http://www.adobe.com/products/digitalpublishingsuite/pricing/

     

    Rechenbeispiele

    Bei einem Magazin, das mit einer Auflage von 9000 Exemplaren alle zwei Monate erscheint, kommt das Exemplar auf rund 44 Rappen zu stehen. Im Vergleich dazu kostet die Printausgabe (Druck und Vertrieb) über 2 Franken pro Exemplar.

    Bei einer Zeitschrift, die wöchentlich mit einer Auflage von 50 000 Exemplaren erscheint, betragen die Kosten pro Exemplar rund 25 Rappen.

    Achtung: Diese Preise sind ein erster Wurf von Adobe (Ende 2010). Bis die Adobe Digital Publishing Suite im zweiten Quartal 2011 verfügbar sein wird, kann es noch Änderungen geben.

     

    Einstieg sofort

    Die Vorabversionen der Werkzeuge aus der Adobe Digital Publishing Suite können unter labs.adobe.com/technologies/digitalpublishing/kostenlos heruntergeladen und benutzt werden:

    Damit lassen sich .folio-Dateien erstellen, die im Content Viewer angezeigt werden.

    Wer jedoch eine digitale Publikation kommerziell vertreiben will, muss sich für das interne Betaprogramm anmelden: www.adobe.com/beta. Hier registriert man sich unter Produkte für das Digital Magazine Publishing.

    Der Autor

    Haeme Ulrich, ulrich-media, ist Trainer und Berater für Print- und Digital-Publishing.

    Unter www.ulrich-media.ch sind öffentliche ­Seminare zu Digital Publishing ausgeschrieben.

     

     

    Kostenloser Tricks-Blog:

    http://blogs.ulrich-media.ch