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Digitaler Publisher � neues Medium, neues Design

Ende September ist die erste Publisher-App erschienen. Damit ist der Publisher das erste digitale Publishing-Fachmagazin im deutschen Sprachraum und weltweit die vierte App, die mit den Digital-Magazine-Publishing-Tools von Adobe realisiert wurde.

ROMEO HUTTER Neue Geräte eröffnen neue Möglichkeiten. Mit dem seit Mai erhältlichen iPad steht ein Gerät zur Verfügung, das die Mediennutzung revolutionieren könnte. Könnte deshalb, weil einerseits die zur Bereitstellung der digitalen Inhalte notwendigen Technologien neu sind und sich noch in Entwicklung befinden, und andererseits zusätzlicher Aufwand entsteht, der auch mit zusätzlichen Einnahmen finanziert werden muss.

Vorgespräche für die Realisierung der ersten Publisher-App zeigten, dass sich die Umsetzung der Print-Ausgabe in ein digitales Magazin mit vernünftigem Aufwand bewerkstelligen liesse. Das waren allerdings Vorgespräche, die den tatsächlichen Aufwand nur ansatzweise erahnen liessen.

Ohne Partner geht nichts

Bis dahin hielten die Beteiligten des Publisher-Redaktionsteams lediglich ein iPad in Händen und schauten sich unzählige, bereits verfügbare Apps an, um sich damit die Möglichkeiten der Publisher-App vor Augen zu führen. Nicht immer erkennbar ist dabei, ob es sich um eine von Grund auf programmierte oder eine mit Layout- und anderen Hilfsprogrammen erstellte App handelt. Mit der ulrich-media GmbH und der Topix AG fanden sich zwei Partner, die bereits Erfahrungen bei der Produktion von Apps sammeln konnten. Haeme Ulrich setzte bereits das Redaktionssystem Woodwing Enterprise ein, und die Topix AG war an der Realisation des «CS bulletin» über das Redaktionssystem vjoon K4 beteiligt. Dieses setzt auf die in Entwicklung befindlichen Digital-Magazine-Publishing-Tools von Adobe. So wurden wir von Adobe in das Prerelease Programm «Digital Magazine Publishing» aufgenommen, wodurch wir Zugang zu den unverzichtbaren Werkzeugen und Diensten erhielten.

Ingredienzen für Publisher-App

Es existieren bereits verschiedene Möglichkeiten zur Erzeugung einer Tablet-App. In unserem Fall waren nachfolgende Bausteine unerlässlich:

  • Apple Developer Account für mobile Geräte (iPad, iPhone),
  • InDesign CS5,
  • Adobe Digital Magazine Publishing Prerelease Program mit den Tools Content Bundler, Interactive Overlay Creator, InDesign-Plug-in, Adobe Digital Content Preview Tool,
  • Unterstützung bei der Produktion,
  • Layoutkonzept und -Volagen,
  • Manpower,
  • viel Geduld …
  • Ohne diese Ingredienzen geht nichts oder würde sich Ernüchterung schnell breitmachen.

    Anderes Medium, anderes Design

    Die Print-Ausgabe hätte 1:1 in die Pub­lisher-App überführt werden können. Damit würden wir aber dem neuen Medium mit all seinen Vorteilen nicht gerecht. Mit der agenturtschi konnten wir uns einmal mehr auf die Kompetenz und die langjährige Erfahrung in der Gestaltung von Kommunikationsmitteln verlassen.

    Ralf Turtschi und Sibylle C. Bösch entschieden sich für ein völlig neues Design, das sich stark von demjenigen der Printausgabe abhebt. Dieses soll den Möglichkeiten des neuen Mediums Rechnung tragen. Grosser Wert wurde auf die Lesbarkeit gelegt. Mit der Schrift Clan sind die Artikel angenehm zu lesen, da sie eine breite Laufweite und offene Buchstabeninnenräume aufweist. Die Serifenschrift Soho heben Titel und Lead vom Lauftext ab.

    Lediglich das App-Icon enthält den Publisher-Schriftzug als Wiedererkennungsmerkmal, allerdings in abgewandelter Form. Orange als Leitfarbe wurde aufgrund der hohen Signalwirkung gewählt. Zusätzliche Farben lassen sich in einer App mit grosser Freiheit realisieren, so wird beispielsweise Grün zur Kennzeichnung der Step-by-Step-Beiträge eingesetzt.

    Eine App im Hoch- und Querformat bedeutet quasi doppelten Aufwand. Mitunter aus diesem Grund haben wir uns entschieden, die Publisher-App lediglich im Hochformat zu produzieren. Für Videoinhalte, wo das Querformat sinnvoll ist, kann das iPad dennoch gedreht werden, sodass Videos im Vollbild betrachtet werden können.

    Das Grundlayout der Beiträge der Publisher-App ist zweispaltig. Bei den Tipps und Tricks wird jedoch ein dreispaltiges Layout eingesetzt, da kurze Artikel mit diesem flexibler gestaltet werden können.

    Produktion der App

    Für das Layout wird wie gewohnt InDesign eingesetzt. Eine grundlegende Umgewöhnung ist die Arbeit auf Pixelbasis. Eine Seite ist nicht mehr 210 Millimeter, sondern 768 Pixel breit, eine Schrift nicht mehr 10 Punkte, sondern die entsprechenden Pixel gross. Interessant wird die Arbeit im Bereich Interaktivität, wo InDesign mit der neuesten Version eine Fülle von Möglichkeiten bietet, leider aber nicht alle für die Erstellung einer iPad-App genutzt werden können. Erschwerend ist hier der Umstand, dass Flash auf dem iPad nicht unterstützt wird.

    Ein grosser Teil der interaktiven Elemente der Publisher-App konnten direkt in InDesign erzeugt werden. Die Funktion Objektstatus erlaubt schier unbegrenzte Möglichkeiten, die teilweise leider (noch?) nicht für die Integration in eine App umgesetzt werden können. Bei der Erstellung musste ein Artikel immer wieder auf dem iPad getestet werden, um herauszufinden, ob er auch wirklich funktioniert.

    Wo ein Film den Artikel begleitet, kommtder so genannte Interactive Overlay Creator ins Spiel. Mit diesem wird eine Referenzdatei zum eigentlichen Videofile erstellt und in InDesign platziert.

    Von der Issue-Datei zur App

    Ist ein Artikel oder letztlich die ganze Ausgabe fertiggestellt, wird sie über den so genannten Content Bundler in eine Issue-Datei exportiert. In diesem Programm werden auch sämtliche Metadaten wie Titel, Artikelbeschreibung oder der Autor erfasst. Diese Elemente werden in der App innerhalb der von Adobe vorgegebenen Navigation dargestellt. Die Issue-Datei kann über das Adobe Digital Content Preview Tool auf dem iPad mit vollem Funktionsumfang getestet werden und dient der Redaktion als «Gut zum Tablet».Die finale Issue-Datei wurde schliesslich von Adobe in eine iPad-fähige App kompiliert und durch das Publi­sher-App-Icon und den Startbildschirm ergänzt. Einige Zeit später erhält man die signierte App zurück und übermittelt diese via iTunes Connect an Apple, wo diese geprüft und schliesslich freigeschaltet wird. Seit dem 23. Sep­tember steht die Publisher-App im iTunes Store gratis zum Download bereit. Wie nicht anders erwartet, ab vier Jahren freigegeben.

    Viel Arbeit, dann warten

    Von der Übergabe der Issue-Datei an Adobe bis zur Freischaltung durch Apple vergingen mehr als drei Wochen. Drei lange Wochen, wenn man die eigene Arbeit endlich auch veröffentlicht wissen will. Da sich die Tools von Adobe noch in Entwicklung befinden, und Apple faktisch allein am Markt agiert, überrascht das nicht weiter.

    Wenn sich die Technologien zur Erstellung digitaler Magazine etablieren und das iPad hoffentlich bald nicht mehr das einzige Tablet für digitale Inhalte ist, wird die Realisierung wohl vereinfacht und die Wartezeiten werden damit kürzer. Auch wird heute noch ein Apple-Rechner vorausgesetzt, um die Developer-Ressourcen voll nutzen zu können. Dies im Gegensatz zu den Adobe-Tools, die unter Mac OS X und Windows laufen.

    Neue Tablets, neue Herausforderung

    Wenn sich weitere Tablets durchsetzen, entsteht zwar ein gesunder Wettbewerb, gleichzeitig wird die Produktion einer App auch erschwert. Denn wie bei verschiedenen Webbrowsern oder Mobiltelefonen verlangt das jeweilige Tablet eine optimierte Aufbereitung der App. Jeder Gerätetyp hat eine individuelle Bildschirmabmessung und Kompatibilität zu bereits bestehenden Formaten und Technologien. Dies wird wohl die mehrfache Ausgabe der App in verschiedenen Formaten zur Folge haben. Ob es auch Auswirkungen auf das Layout haben wird, ist noch nicht absehbar. Adobe verspricht zumindest, mit einer Issue-Datei sämtliche Tablets bedienen zu können.

    Es werden aber sicherlich findige (Dritt-)Hersteller in die Bresche springen und mit Plug-ins und anderen Tools für eine Vereinfachung sorgen. Seit der IFRA Expo bietet das Publishing-System vjoon K4 6.3 die automatischeund individuell konfigurierbare Um­rechnung von Layouts. Dies eingebettet in ein prozessgesteuerten und automatisierten Workflow.

    App als Entscheidungshilfe

    Mit der ersten Publisher-App sammelten wir Erfahrungen bei der Produktion eines digitalen Magazins. Mit diesem Showcase erhoffen wir uns nun ein reges Feedback der Leser, welches dann die Entscheidung für eine regelmässig erscheinende Publisher-App mittragen wird.

    Wenn alle Faktoren stimmen, werden wir basierend auf der ersten Print-Ausgabe 2011 die zweite und erste regulär erscheinende App mit dem Publishing-System vjoon K4 und voll integrierter Adobe Digital Magazine Solution Technologie.

    E-Paper-Apps aus Verlagssicht

    Von der Chance in die Zwickmühle

    Martin Spaar Während sich im Internet eine Medien-Gratiskultur etabliert hat, bieten die App Stores der Tablets den Verlagen die Chance, für ihre redaktionellen Inhalte wieder Geld zu verlangen, und sich damit eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle zu erschliessen. Denn die Web-Portale bringen zwar etwas an Banner-Einnahmen, müssen in der Regel aber noch auf absehbare Zeit durch die Print-Schwestermedien quersubventioniert werden.

    Auch wir vom Publisher fahren im Web eine Gratis-Strategie: Seit 1997 sind die ganzen Inhalte der Zeitschrift frei im Web verfügbar, und zwar sowohl als HTML als auch als PDF. Wir wissen nicht, was wir dadurch an potenziellen Abonnenten verlieren. Wir sind aber der Meinung, dass es nicht wirklich Spass macht, den Publisher regelmässig im Webbrowser am PC zu lesen. Unsere Umfrage vom Frühling dieses Jahres zeigt, dass unsere Abonnenten auch dieser Meinung sind: Nur 4,1% der Publisher-Leser konnten sich vorstellen, unsere Zeitschrift nur als E-Paper zu lesen.

    Ich bin aufgrund meiner eigenen Erfahrung mit dem iPad davon überzeugt, dass sich das mit den elektronischen Magazinen für Tablets (E-Magazine) grundlegend ändern wird. Das Lesen auf dem Tablet kommt vom Komfort her dem des Printmediums sehr viel näher als das Lesen am PC. Wie unsere Publisher-App zeigt, bietet das elektronische Magazin gegenüber dem Printmedium mit den Möglichkeiten der Interaktivität und den eingebundenen Videos sogar noch einen deutlichen Mehrwert.

    Damit bringen die Tablets und die E-Magazine respektive E-Paper-Ausgaben der Zeitungen die Verleger in die Zwickmühle: Man hat zwar auf der einen Seite die Chance, elektronische Inhalte zu verkaufen und damit anders als im Web auch mit dem Content direkt Umsatz zu generieren. Auf der anderen Seite läuft man jedoch mit E-Magazinen viel mehr Gefahr, die Print-Abos zu kannibalisieren. Dies schränkt den Spielraum bei der Preisgestaltung stark ein. Das zeigt zum Beispiel auch die iPad-Version der NZZ, welche seit Anfang Oktober verfügbar ist. Das Jahresabo der E-Paper-Version kostet CHF 368.00 und ist damit alles andere als ein Schnäppchen. Auch die September-Ausgabe des «Preismonitor E-Magazines» von Kirchner + Robrecht (www.kirchner-robrecht.de) zeigt, dass E-Paper meist ähnlich viel kosten wie die Printausgabe. Bei der Mehrheit der 97 untersuchten Titel ist der Preis identisch, dort, wo das E-Paper billiger ist, beträgt die Ermässigung in der Regel 30%.

     

    Finanzierung über Inserate

    Auch wir beim Publisher kalkulieren unser E-Magazin-Projekt mit einem Preis von CHF 6.60 pro Ausgabe. Ob sich das rechnet und wir im Jahr 2011 wirklich mit einer regelmässigen Publisher-App starten können, hängt stark vom Feedback unserer Inserenten ab. Weil wir die App in das bestehende AboBold für CHF 90.00 pro Jahr kostenlos integrieren wollen, müssen wir einen grossen Teil der Kosten für die Produktion über Inserate im E-Magazin decken können. Für Inserenten bietet die Interaktivität attraktive Möglichkeiten, und wir bekommen sehr positive Signale von dieser Seite.

    Eine wichtige Erfahrung mit unserer Showcase-App ist die Erkenntnis, dass sich eine App als «Pull-Medium», das vom Leser aktiv heruntergeladen werden muss, nicht von selbst verkauft. Apples App Store ist zu wenig gut strukturiert, als dass ein iPad-Nutzer beim Schmökern auf den Publisher stossen würde. Ganz vorne im Store landen nur Titel, die ein breites Publikum ansprechen. Eine Fachzeitschrift wird in der Liste der beliebtesten Apps immer weit hinten rangieren. Wir müssen unsere App also zwingend über andere Kanäle promoten, um potenzielle Leser zu erreichen. So zeigt die Download-Statistik im App Store immer dann einen Ausschlag nach oben, wenn eine solche Push-Aktion lief.

    Partner

    Die erste Publisher-App entstand mit tatkräftiger Unterstützung von Partnern, bei welchen wir uns herzlich bedanken:

    agenturtschi
    Layoutkonzept: Ralf Turtschi und Sibylle C. Bösch
    www.agenturtschi.ch

    ulrich-media
    Schulung und technische Unterstützung: Haeme Ulrich
    www.ulrich-media.ch

    Topix
    Projektbegleitung: Dieter Herzmann und Raphael Wicker
    www.topix.ch

    Adobe
    Ingo Eichel, Timothy Brand 

    Produktionsunterstützung
    Peter Nadler, Andreas Ruoff