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Ist Papier wirklich so geduldig?

Die Digitaldrucktechnologien können das eingesetzte Papier über seine Geduld strapa­zieren. Papier für Inkjetsysteme oder solche mit Trocken- oder Flüssigtoner müssen auf das jeweilige Verfahren abgestimmt sein, damit die Endqualität stimmt.

josef inauen Als der Offsetdruck Einzug in die ersten Druckereien fand, gab es für dieses Druckverfahren noch fast keine Papiere. Der Buchdruck stand in voller Blüte und konnte auf eine Menge unterschiedlicher Druckträger zugreifen. Wir alle wissen, der Buchdruck hatte keine Chance, sich gegen das neue Druckverfahren zu behaupten und wurde vollständig verdrängt. Die Papierhersteller passten sich schnell dieser Veränderung an und begannen, dem neuen Verfahren angepasste Papiere herzustellen. Der Offsetdruck wurde zum Massendruckverfahren.

Nun steht die grafische Branche wieder am Scheideweg. Das einst belächelte, teilweise ignorierte Druckverfahren Digitaldruck hat sich etabliert und ist aus vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken. Nur, die Papiermenge, welche heute im Digitaldruck eingesetzt wird, bewegt sich, verglichen mit dem Offsetdruck, noch im hohen einstelligen Prozentbereich. Und wieder passiert genau das Gleiche wie vor einigen Jahrzehnten. Die Papierproduzenten konzentrieren sich in der Produktentwicklung und in der Produktion auf die Massenware Offsetpapiere. Dies ist weiter nicht verwunderlich, denn mittlerweile sind kleine, flexible Produktionseinheiten auf Seiten der Papierhersteller Mangelware. Man hat sich zu stark auf die Massenware eingestellt und ist festgefahren. Kleine Papierproduzenten, welche die nötige Flexibilität gehabt hätten, wurden entweder von den grossen Konzernen geschluckt oder mussten mangels Rentabilität ihre Produktion einstellen.

Papier ist geduldig

Das bekannte Sprichwort bezieht sich aber nur auf den Informationsgehalt, welcher dem Papier mitgegeben wird. Beim Aufbringen dieser Informationen auf die Papieroberfläche kann die Geduld des Papiers in nicht unerheblichem Masse überstrapaziert werden. Die Konsequenz: Schlechte Drucksachen und daraus resultierend ein fragwürdiges Image des Digitaldrucks.

Schlecht heisst nicht nur schlecht gedruckt, auch wird in der Weiterverarbeitung – in Unkenntnis der Stolpersteine – eine ausgezeichnet gedruckte Drucksache zu einem schlechten oder schadhaften Gesamtwerk gemacht.

Mit dem ProzessStandard Digitaldruck (PSD) ISO 15311 respektive 15311-2 wurden in diesem Jahr verbindliche Richtlinien für eine Standardisierung vorgestellt. In der Praxis sieht es allerdings noch düster aus. Ob der Endkunde einen Digitaldruck von Druckerei A oder von Druckerei B bezieht, ist nicht das Gleiche. Es wäre ein purer Zufall, wenn beide Produkte gleich aussehen würden. Mit ein Grund sind die unterschiedlichen Farben im Digitaldruck, aber auch die verschiedenen Übertragungsverfahren auf den Druckträger.

Unterschiede in Farbe und Übertragungsprozess

Die drei wichtigsten Farben und deren Übertragungsprozesse im Digitaldruck stellen sich wie folgt dar:

Trockentoner besteht aus mikroskopisch kleinen Teilen, welche aus Farbpigmenten, Harzen und Steuerelementen zusammengesetzt sind. Die Farbpigmente sind der sichtbare Teil auf dem Papier. Die Steuerelemente dienen dem Transport der Tonerpartikel und der Harz zur Fixierung auf der Papieroberfläche. Um die Farbpigmente auf dem Papier zu fixieren, müssen die Harzelemente mit Temperaturen zwischen 100 und 200 Grad Celsius angeschmolzen werden, um danach auf die Papieroberfläche «geklebt» werden zu können. Selbstverständlich reagiert das Papier auf diese teils hohen Temperaturen.

Flüssigtoner ist ähnlich aufgebaut wie Trockentoner, die Farbpigmente werden aber, wie der Name schon verrät, in einer Flüssigkeit transportiert und gelangen mit dieser bis auf die Papieroberfläche. Zurzeit bekannte Flüssigtoner-Digitaldruckmaschinen verwenden zum Transport der Farbpigmente Öl. Das Druckbild wird als hauchdünner Film auf das Gummituch aufgebracht und von diesem auf die Papieroberfläche übertragen. Und hier spielt die Papieroberfläche, ob glänzend oder matt, rau oder fein, eine entscheidende Rolle.

Seit Neustem wird das Inkjet-Verfahren auch für grafische Erzeugnisse eingesetzt. Der Druck von Büchern, Zeitungen, Mailings und einfacheren Akzidenz-Drucksachen ist bereits möglich. Dies selbstverständlich wie im Digitaldruck üblich, mit Individualisierung und Personalisierung in Bild und Text. Im Inkjet-Verfahren werden flüssige Farbstoffe oder in Flüssigkeit (wässerige- oder lösemittelhaltige Substanzen) gebundene Pigmente durch feine Düsen direkt auf das Papier gespritzt. Wer das System aus dem Bürodrucker-Bereich kennt, weiss, dass damit fotorealistische Reproduktionen hergestellt werden können, die Qualität also theoretisch ausreichen würde, um einen guten Offsetdruck zu simulieren. Diesen Systemen wird das Potenzial zugetraut, um dereinst die Dominanz des Offsetdrucks ins Wanken zu bringen. Aber auch hier entscheidet das Papier über die Qualität der Drucksache.

Qualität im Digitaldruck

Hier gelten genau die gleichen Ansprüche, wie sie auch im Offsetdruck an ein Druckgut gestellt werden. Registergenauer Druck, die Farben müssen stimmen, die Farbstabilität über die gesamte Auflage muss gewährleistet sein, eine akzeptable Scheuerfestigkeit wird erwartet. Die Farben müssen lichtecht sein, also nicht nach kurzer Zeit bereits ausbleichen. Das Druckbild wie auch die Auflösung muss Offsetstandard erreichen. In der Weiterverarbeitung wird meist mit den bereits vorhandenen Installationen gearbeitet. Auch hier besteht die Erwartungshaltung der Drucker, dass sich die gedruckten Bogen problemlos verarbeiten lassen: Die absolute Planlage der Bogen nach dem Druck ist ein Muss. Kein Abscheuern der Farbe im Weiterverarbeitungsprozess, kein unnötiges Brechen der Farbe im Falz werden vorausgesetzt. Bei Produkten, welche Klebegebunden werden, soll sich die Farbe mit dem eingesetzten Klebstoff «vertragen». Und nicht zuletzt sollen digital bedruckte Bogen auch veredelt werden können (Lackieren, Laminieren, Prägen, Folienprägen usw.). Auch im Digitaldruck gilt es zu beachten, dass nicht so gut wie möglich, sondern so gut wie nötig gedruckt wird.

Papiereigenschaften

Die grundsätzlichen Charaktereigenschaften von Papier spielen hier eine zentrale Rolle. Papier enthält Wasser, je nach Anforderung zwischen drei und fünf Prozent. Wasser ist ein wichtiger Bestandteil, welcher für den Zusammenhalt (Wasserstoffbrücken) und die Geschmeidigkeit des Papierbogens verantwortlich zeichnet. Zu trockenes Papier neigt dazu, zu stauben –Zell- und Füllstoffe lösen sich von der Oberfläche und den Schnittkanten. Zu wenig Wasser fördert auch das Brechen im Falz. Aber zu viel Wasser hat ebenfalls negative Auswirkungen.

Papier hat verschiedenartige Oberflächen. Natur- oder Offsetpapiere weisen eine unbehandelte Oberfläche auf, können aber in sehr unterschiedlichen Oberflächenstrukturen hergestellt werden. Von feinen (satiniert/geglättet) bis ganz rauen und sogar zusätzlich geprägten Oberflächen ist alles erhältlich. Die zweite wichtige Kategorie wird als gestrichene Papiere bezeichnet. Diese sind auf der Oberfläche mit einem Strich versehen, welcher die Aufgabe hat, die nach der Produktion des Papiers recht raue Oberfläche zu egalisieren. Dies kann dazu führen, dass bei gestrichenen Hochglanz-Papieren der reine Papierkörper nur noch 50 Prozent der Papierstruktur ausmacht. Diese Papiertypen wurden speziell dem Offsetdruckverfahren und dessen Farben angepasst und weisen in der Regel keine Anpassungen an moderne Digitaldruckverfahren auf.

Der Übertragungsprozess

In elektrofotografischen Systemen muss das Papier eine klar definierte Leitfähigkeit aufweisen. Die eigentliche Herausforderung bei solchen Systemen ist die Fixierung des Trockentoners auf der Papieroberfläche. Durch die hohen Fixiertemperaturen wird Wasser im Papierkörper verdunstet, welches mit hohem Druck aus der Papieroberfläche austritt und den Vorgang des «Aufklebens» der Tonerpartikel beeinträchtigt. Bei gestrichenen Papieren kann dies zum so genannten Blistering, dem Abstossen von Strichbestandteilen aus der Papieroberfläche, führen. Die negativen Auswirkungen sind Verschmutzungen in der Druckmaschine, ungenügend fixierte Farbpigmente, welche bei mechanischer Belastung abscheuern und im Falz wegbrechen, sowie wolkige Druckbilder und ungleichmässige Vollflächen. Das ausgetrocknete Papier weist in der Auslage eine schlechte Planlage auf und ist dementsprechend schlecht weiterzuverarbeiten. Die dem Papier durch den Hitzeschock mitgegebenen Spannungen lösen sich nie mehr ganz und beeinträchtigen das fertige Druckgut.

Bei Drucksystemen mit Flüssigtoner sind es andere Stolpersteine. Da hier ein hauchdünner Farbfilm ab Gummituch auf das Papier übertragen wird, aber keine grosse Hitzeeinwirkung im Spiel ist, spielt die Papieroberfläche eine zentrale Rolle. Zu raue Papieroberflächen können den Farbfilm auf dem Gummituch verletzen und damit für eine unvollständige Übertragung verantwortlich sein. Der Farbfilm baut eine schlechte Haftung zu rauen Oberflächen auf und scheuert entsprechend schnell ab. Um diesen negativen Effekt zu verhindern, können Naturpapiere mit einer Primerlösung vorbehandelt werden, was ihre Eignung für diese Systeme wesentlich verbessert, aber selbstverständlich auch den Preis beeinflusst. Der Einsatz von gestrichenen Papieren ist fast uneingeschränkt möglich, da diese eine ideale Oberflächenstruktur aufweisen, um den Farbfilm vollständig zu übertragen und die Farbe nachhaltig zu fixieren. Beachtung gilt dem Trägermaterial der Farbpigmente, nämlich Öl. Ein Teil davon muss vom Papierkörper aufgenommen werden können, soll sich nach dem Druck aber innert nützlicher Frist verflüchtigen. Dies ist mitbestimmend für die Trocknungszeit der Farbe, also für die Wartezeit bis zur Weiterverarbeitung. Bei geeigneten Papieren handelt es sich hier um Minuten, bei weniger geeigneten Papieren kann sich diese Zeit durchaus auf einige Stunden erhöhen. Wartet man zu wenig lang, können Probleme in der Weiterverarbeitung auftreten.

Inkjet-Drucksysteme für den Akzidenzdruck entwachsen erst langsam den Kinderschuhen. Auf diesen Druckern wird selbstverständlich vorwiegend Papier eingesetzt, welches wiederum gewisse Gesetzmässigkeiten erfüllen sollte. Die Farbe (Ink), welche aus den winzigen Düsen auf das Papier gespritzt wird, weisst eine tiefe Viskosität auf, ist also dünnflüssig und daher fliessfähig. Normale Naturpapiere sind nur bedingt für die Aufnahme solcher Farbstoffe ausgestattet, weil sie für Offsetfarben optimiert sind. Offsetfarben weisen eine höhere Viskosität auf, sind also dickflüssiger (pastöser). Die dünnflüssigen Inkjet-Farben verlaufen im Papierkörper einerseits in die Breite, was zu einer starken Punktverbreiterung respektive zu einer schlechten Auflösung führt. Ebenso negativ ist das Eindringen der Farbe in die Tiefe des Druckträgers. Damit werden die eigentlichen Farbpigmente nicht mehr an der Oberfläche gehalten, sondern versinken im Papierkörper. Flaue Druckbilder und ein Durchdringen der Tinte, bei dünnen Papieren bis auf die Rückseite des Papiers, sind die Konsequenz. Papiere die zu stark komprimiert oder zu stark geleimt sind, bewirken das Gegenteil. Die Tinte kann nicht mehr in die Papieroberfläche eindringen und trocknet nur langsam ab, was wiederum bei hohen Produktionsgeschwindigkeiten (Rolle zu Rolle) nicht vorkommen darf. Hier die richtige Balance zu finden, ist papiertechnisch gesehen schon fast eine Kunst und kann nur auf langsam laufenden Papiermaschinen umgesetzt werden. Durch eine langsame Produktion steigt bekanntlich der Preis. Standardgestrichene Papiere aus dem Offsetdruck sind absolut ungeeignet für dieses Verfahren. Um dieses Manko zu beheben, wurden Oberflächenbeschichtungen entwickelt, welche für die Aufnahme tiefviskoser Farben ausgelegt sind und bereits sehr gute Druckresultate zulassen. Diese Papiere sind aber in der Regel um einiges teurer als herkömmliche Naturpapiere. Mit der Verbreitung dieser Drucktechnik wird auch die Menge an hergestellten Spezialpapieren zunehmen, wodurch sich die Preise im Laufe der nächsten Jahre auf einem auskömmlichen Level einpendeln werden.

Zu beachten

Um im Digitaldruck Qualitätsdrucksachen herstellen zu können, sind bewährte und zertifizierte Papiere einzusetzen. Legen Sie grossen Wert auf Kontinuität der Papierlieferungen. Die Herstellungstoleranzen für Offsetpapiere sind höher als im Digitaldruck «verträglich». Wenn Sie sich mit Investitionen in diesen Bereichen beschäftigen, beziehen Sie das Papier so früh wie möglich in den Evaluationsprozess mit ein. Was wollen Sie drucken? Welches Qualitätsniveau wollen oder müssen Sie erreichen? Welche Kundenaufträge wollen Sie mit dem Digitaldruck produzieren? Was darf das Papier kosten, um Ihre Kalkulation nicht gegen rot rutschen zu lassen?

Der Betrieb muss zwingend den neuen Anforderungen an den digitalen Workflow angepasst werden. Es kommt selten gut, wenn sich eine Offsetdruckerei mit bestehenden Strukturen entscheidet, «künftig halt auch noch digital zu drucken». Der «digitale» Auftrag verlangt definitiv nach einem anderen Workflow als die herkömmlichen Offset-Aufträge. Suchen Sie Gesamtlösungen und vertrauen Sie nur «Verkäufern», welche ein Gesamtkonzept vor Augen haben.

Was bringt die Zukunft?

Der Anteil des Digitaldrucks wird weiter zunehmen, ganz einfach, weil er dem Zeitgeist entspricht. Kleine Auflagen hoch individualisiert und personalisiert. In der heutigen Informationsflut wird es immer notwendiger werden, die Informationen so zielgerichtet und personalisiert wie möglich anzubieten.

Die Kanäle für die Verbreitung von Inhalten sind heute recht vielfältig: Smartphones, Tablet-PCs, Notebooks, Desktops, Fernsehen, Radio, Social Media, Drucksachen. In diesem Umfeld hat sich die gedruckte Information ihren Platz zu erkämpfen. Im Digitaldruck werden die Trocken- und Flüssigtonersysteme noch einige Zeit erhalten bleiben. Ganz einfach, weil sie ausgereift sind und auch künftig in kleinen Schritten verbessert werden. Die Zukunft wird aber wohl dem Inkjet-Druck gehören, er bietet am meisten Potenzial. Qualität und Geschwindigkeit können hier auf einen Nenner gebracht werden und Papierbahnbreiten von über einem Meter scheinen schon heute keine Probleme mehr zu bereiten. Demnach bietet das Verfahren genügend Potenzial, um dem klassischen Offsetdruck Marktanteile abzugraben.

Die Papierhersteller werden sich den veränderten Anforderungen stellen und eine grössere Auswahl bezahlbarer Papiere für diese Technologien bereitstellen müssen. Auch ihre Drucksache, ob als Endkunde, als Digitaldrucker oder als neuer Investor in diese Technologie, wird massgebend dazu beitragen, dass die Papierhersteller die Notwendigkeit erkennen, dem Markt die richtigen Kapazitäten für diese Technologien zur Verfügung zu stellen.