Neuerungen im Giesskannenprinzip
CreativeSync soll für reibungslose Abläufe sorgen und Adobe Stock liefert Inhalte.Für eigennützige Clouddienste werden teils sonderbare Verwendungszwecke propagiert.Dagegen zeigt sich die Innovation in InDesign, Illustrator und Photoshop bescheiden.
Andreas Burkard Das in den Ohren noch nachhallende Zirpen der Zikaden aus den Ferien im Süden wird diesen Sommer abrupt gestoppt. Lautstark kündigte Adobe die neue Creative Cloud 2015 an. Das lässt aufhorchen. Denn laut Hersteller ist dies ein Riesending mit so vielen Neuerungen wie nie zuvor.
Der Hersteller forciert auch in diesem Update vehement die cloudbasierenden Prozesse. Adobe kommt damit dem unausgesprochenen Ziel der völligen Einbindung in die Cloud einen guten Schritt näher. Anhänger der Adobe Cloud können jetzt schon der lokalen Datenverwaltung Ade sagen. Die Lösung nennt sich CreativeSync.
Nach Adobe sind die heutigen Anwender kaum mehr in der Lage, ihre Dateien lokal selbst zu verwalten. In CreativeSync arbeitet man nicht mehr mit Dateien, sondern mit Assets. Diese Assets garantieren, gemäss Zitat auf der Adobe-Website, einen reibungslosen Ablauf für den Kreativprozess. Als Pluspunkt wird erwähnt, dass durch CreativeSync riesige Bilder oder Video-Clips auf dem Smartphone bearbeitet werden können, ohne dass sich die Originaldatei auf dem Gerät befinden muss.
Alle Grafiken können jetzt in der Creative Cloud Library verknüpft werden. Bei einer Änderung erhält der einzelne Anwender oder ein Team die Möglichkeit, diese über sämtliche Projekte in Illustrator CC, Photoshop CC oder InDesign CC zu aktualisieren. Adobe CreativeSync regelt den Workflow mit den Bibliotheken und sorgt laut Hersteller für einen «reibungslosen» Arbeitsablauf, indem «sämtliche Daten stets aktuell und direkt verfügbar gehalten werden». Alle Projekte sollen so immer auf dem neuesten Stand sein.
Adobe hatte zu frühen Zeiten der Creative Suite bereits ein Foto-angebot. Dieses wurde vor allem wegen Interessenskonflikten bald wieder aufgehoben. Mit der Creative Cloud 2015 wird ein neuer Versuch bestartet. Dazu hat Adobe die Firma Fotolia übernommen, einen vor allem in den USA bekannten Anbieter von digitalen Fotos.
Zu Adobe Stock gelangt man in CC 2015 direkt über die Programme InDesign, Illustrator und Photoshop oder über die Website von Adobe Stock. Zurzeit werden dort über 40 Millionen lizenzfreie, hochwertige Fotos, Illustrationen, Grafiken und bald wohl auch Videos angeboten. Lizenzfrei heisst aber nicht kostenlos.
Der Bezug der Bilder, Illustrationen oder Grafiken erfolgt einzeln oder über ein Abonnement, welches dem Creative-Cloud-Abo hinzugefügt wird. Ein einzelnes Bild kostet zurzeit 13 Franken. Der Bezug für 10 Bilder pro Monat liegt ohne Rabatt bei 65 Franken. Mit Rabatt im ersten Jahr zahlen Kunden der Creative Cloud 39 Franken. 750 Bilder pro Monat kosten derzeit 209 Franken. Die Bilder werden in abgestuften Auflösungen und im unkomprimierten JPEG-Format angeboten. Die Inhalte sind erstaunlich professionell und die Trefferquoten von Suchanfragen sind erfreulich hoch.
Eine niedrig aufgelöste Vorschau eines Bildes kann man für Designzwecke direkt in der CC-Bibliothek speichern und mit eingefügten Adobe-Stock-Wasserzeichen verwenden.
Adobe Stock sorgt sicherlich noch für viele Diskussionen unter Fotografen und Bildagenturen. Der Hersteller von Kreativsoftware ist nun auch Anbieter von Inhalten für den kreativen Prozess. Zwar können Fotografen und Bildagenturen bei Fotolia.com einen Account eröffnen, ihre Bilder hochladen und versuchen, sie gegen eine Kommission über die Adobe-Plattform zu verkaufen. Hier muss sich ein Anbieter jedoch erst mit globalisierten Kommissionsmodellen anfreunden und sich mit vielen Mitbewerbern auseinandersetzen.
Die herausragendste Neuerung in InDesign CC 2015 sind die Absatzschattierungen. Der Ausdruck Absatzschattierungen wurde wohl von Microsoft Word übernommen und meint die farbliche Hinterlegung der Zeilen innerhalb eines Absatzes. Wollte man in früheren Versionen ein solches Design, so mussten auf unflexible Art Flächen hinterlegt werden.
Zu den Absatzschattierung gelangt man über ein neues Symbol in der Steuerung. Wie üblich erhält man mit gedrückter Alt-Taste die entsprechenden Optionen. Ansonsten sind diese in den Optionen der Steuerung, ganz rechts, zu finden. Die Optionen sind vielseitig ausgebaut und mit eingeschalteter Vorschau gut nachvollziehbar.
Bis auf die Option Breite, denn diese ist irreführend und nicht komplett. Breite besitzt zwei Auswahlmöglichkeiten. Stellt man die Breite von Spalten auf Text um, so erwartet man eigentlich, dass sich die Schattierung auf unterschiedliche Breiten der Zeile bezieht, eben auf die Textbereite, ähnlich wie man dies mit der Zeichenformatierung Unterstreichung, der angepassten Stärke, der Farbe und einem Minusversatz machen kann. Die Absatzschattierung Text geht jedoch von der breitesten Zeile im Absatz aus und erzeugt dann alle Schattierungen im Absatz analog dieser Breite. Eine dritte Auswahlmöglichkeit der Breitensteuerung von Schattierungen, welche sich nur auf die individuellen Textbreiten pro Textabschnitt auswirkt, wäre durchaus angebracht.
Die Absatzschattierungen unterliegen nicht dem Zeilenabstand. Eine Absatzschattierung hinterlegt immer den gesamten Textabschnitt in dessen Höhe mit der entsprechenden Farbe. Hier unterscheidet sich diese neue Methode noch deutlicher von Unterstreichungen mit den entsprechenden Optionen.
Experimentierfreudige Anwender können Absatzschattierungen mit Unterstreichungen oder gar Durchstreichungen kombinieren. Absatzschattierungen greifen auf die Farbfelder zu und können einen Farbton aufweisen. Sie können jedoch nicht transparent sein.
Platzierte man in den Vorgängerversionen ein Bild in eine Tabellenzelle, so erweiterte in der Regel das Bild die Zelle. Das war unschön und umständlich. Ganz grosse Bilder mussten deshalb meist vorgängig über Photoshops Bildgrösse auf Zellengrösse heruntergerechnet oder in InDesign verkleinert platziert, dann ausgeschnitten und in die Zelle eingefügt werden. Nun erlaubt InDesign CC 2015 das platzieren von Bilder in Tabellenzellen, ohne nachträgliche Skalierung. Die Zelle gibt jetzt die Grösse vor.
Dieses neue Platzierungsverhalten ist sinnvoll. Doch statt von einer Neuerung müsste man wohl eher von einer überfällige Überarbeitung einer mangelhaften Funktion sprechen.
Bei der Installation von CC 2015 werden mit den Standardeinstellungen die Vorgängerversionen CC und CC 2014 deinstalliert. Eine gut verborgene Einstellung kann dies verhindern.
Der Verlust der Vorgängerversionen kann unschöne Folgen haben. Beispielsweise für Anwender, welche mit Programmerweiterungen arbeiten oder gar in eine Redaktionslösung eingebunden sind. Oder für Anwender, welche digitale Magazine mit InDesign erstellen und über den Folio Builder hochladen. Denn den gibt es vorerst nicht mehr und der Folio Overlay bleibt stumm.
Es gab bis Ende Juli 2015 in InDesign CC 2015 nur noch das Bedienfeld Overlays mit dem Vermerk, dass «demnächst» Adobe Publish veröffentlicht wird. Seit August zeigt das Bedienfeld Overlays immerhin wieder die bekannten HTML5-kompatiblen interaktiven Befehle. Da der Folio Builder gar nicht mehr verfügbar ist, können Anwender nun zuwarten und einen Kunden mit seinem Projekt auf «demnächst» vertrösten. Ein solches Gebaren eines Herstellers wirft unweigerlich die Frage nach dem Umgang mit seinen Kunden auf.
Was digitale Magazine für iPad & Co. angeht, spürt man eine deutliche Ernüchterung. Völlig unverständlich aus Anwendersicht war der Entscheid, die auf das Abo der Creative Cloud bezogene Single Edition aufzuheben. Damit konnten seitens Adobe kostenlos Magazine als App fürs iPad veröffentlicht werden. Viel wichtiger war jedoch, dass damit ein echter Anreiz geschaffen wurde, überhaupt digitale Magazin zu erstellen und die Kunden auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen. Das momentane Stummschalten der DPS erschüttert das Vertrauen in die Firma Adobe. Die ständigen Strategieänderungen sind für viele ihren Kunden verpflichtete Anwender nicht mehr nachvollziehbar.
Die Frage stellt sich mittlerweile, ob Adobe überhaupt die richtige Wahl für digitale Magazine ist. Reicht dazu bloss die Beliebtheit von InDesign? Vorbei sind die Zeiten, als Adobe mit PostScript ein unumgänglicher Partner und visionärer Pinonier für die Druckausgabe war. Heute scheint die US-Firma Adobe zu weit von den mobilen Geräten entfernt zu sein. Die Entscheide werden längst von anderen Firmen gefällt. Diese wiederum geben den eigenen Lösungen den Vorrang.
Wer heute beispielsweise digitale Magazine, Werbemittel, Lehrmittel oder Bücher fürs iPad machen möchte, hat mit dem kostenlosen iBook Author von Apple eine sehr gute Alternative. Die gestalterischen Mittel sind gut ausgebaut und was die interaktiven Möglichkeiten betrifft, so ist iBook Author InDesign mit seinen aufgesetzten Interaktionen weit voraus und wird dies mit grosser Wahrscheinlichkeit auch in einer kommenden DPS 2.0 sein. Vor allem fallen mit den direkten Lösungen der Gerätehersteller keine zusätzlichen Kosten an, so wie Adobe dies mit seinen für den typischen KMU zu teuren Veröffentlichungsmodellen praktiziert.
Wie man dies schon lange in InDesign kennt, kann nun auch Illustrator Dateien bei einem unvorhergesehenen Beenden des Programms wiederherstellen. Ein so genannter abgesicherter Modus versucht mit einer Diagnose den Fehler ausfindig zu machen.
Das Buntstift-Werkzeug überlässt das automatische Schliessen des Pfads nun einer Werkzeugvoreinstellung.
Diverse kleinere Verbesserungen betreffen die Stift- und Touchgeräte. Die Verfügbarkeit wurde ausgeweitet auf Windows Surface 3 und alle Tablets unter Windows 8.
Angekündigt ist eine neue Erstellung von Diagrammen. Diese befindet sich momentan noch im Aufbau und wird als cloudbasierter Dienst angeboten. Bei endgültiger Verfügbarkeit wird darüber näher berichtet.
Illustrator ist ein sehr weit entwickeltes Zeichnungsprogramm. Dennoch ist Potenzial für praxisrelevante Verbesserungen vorhanden. So könnte beispielsweise die angestaubte 3D-Funktion mit dem nicht zeitgemässen Funktionsumfang und etlichen Berechnungsfehlern dringend verbessert werden.
Ansonsten wurde Illustrator CC 2015 mit einer 10fach höheren Zoomstufe ausgestattet. Doch dies hilft bei der Suche nach relevanten Neuerungen auch nicht wirklich.
Die neue Version überrascht mit einer interessanten Weiterentwicklung des Dokumenttyps. Man kann nun bei der Erstellung eines neuen Dokuments oder über ein neues Werkzeug, welches dem Verschieben-Werkzeug untergeordnet ist, mehrere Zeichenflächen erstellen und diese unabhängig voneinander gestalten.
Die Verwaltung der Zeichenflächen geschieht in Photoshop CC 2015 im Bedienfeld Ebenen. Dort sind beim entsprechenden Dokumenttyp Zeichenflächenebenen aufgeführt. Zeichenflächen können dupliziert oder neue mit dem entsprechenden Werkzeug angelegt werden. Die Grösse einer Zeichenfläche kann in der Optionsleiste eingestellt werden. Jede Zeichenfläche hat voneinander unabhängige Ebenen. Zeichenflächendokumente können als mehrseitige PDF-Datei exportiert werden. Für andere Exportformate einer ausgewählten Zeichenfläche wählt man im Menü Datei > Exportieren > Exportieren als.
Mit dem Dokumenttyp Zeichenfläche versucht Adobe vor allem Designer von Websites und Entwickler von Mobilanwendungen anzusprechen. Zeichenflächen ermöglicht es, verschiedene Layouts in unterschiedlichen Grössen in einem einzigen Photoshop-Projekt anzulegen.
In diesen Bereich zielt auch die neue Funktion Gerätevorschau, bzw. Device Preview, wie das entsprechende Bedienfeld effektiv heisst. Über USB oder WLAN kann man mehrere iOS-Geräte mit Photoshop verbinden. In Photoshop und in der mobilen App Adobe Preview CC erhält man somit auf mehreren iOS-Geräten eine Vorschau eines Photoshop-Designs. Änderungen, die man in Photoshop CC vornimmt, werden automatisch in Adobe Preview CC angezeigt. Mit einer Wischgeste kann man zwischen verschiedenen Zeichenflächen navigieren und diese auf tatsächlichen Geräten in der Vorschau anzeigen.
Ein Bedienfeld Glyphen, mit einer Übersicht aller Schriftzeichen einer ausgewählten Schrift und dem möglichen Einfügen aufgeführter Zeichen, ist nun auch in Photoshop CC 2015 vorzufinden.
Die Befehle der Weichzeichnergalerie wurden mit Rauschen erweitert, um an unscharfen Bereichen Verbesserungen anzustreben. Ausserdem bieten die Ebenenstile noch mehr Kombinationsmöglichkeiten.
Der für viele Anwender unentbehrliche Befehl aus dem Menü Datei > Für Web speichern wurde in Datei > Exportieren > Für Web speichern (Legacy) umbenannt und verschoben.
Nach dem Giesskannenprinzip wurden über die 29 Programme, die 10 Apps und die ebenso vielen cloudbasierten Dienste der Creative Cloud da und dort Neuerungen verstreut.
In den eigentlichen Programmen bietet einzig Photoshop wirklich neue Ansätze, mit denen vor allem versucht wird, den Herausforderungen des mobilen Designs zu begegnen.
Dagegen fällt in der neuen Creative Cloud insbesondere der Ausbau der cloudbasierten Prozesse auf, welche von Jahr zu Jahr aufdringlicher in unsere Arbeitswelt eingreifen. Merklich zugenommen hat auf der anderen Seite die Unzufriedenheit vieler Anwender. Adobe unterstützte in früheren Zeiten die kreative Branche mit neuen Werkzeugen und neuen Methoden, um Ideen und Kreativität zum Ausdruck zu verhelfen. Heute versucht Adobe die Anwender in die eigennützigen cloudbasierten Prozesse einzubinden und davon abhängig zu machen. Bald schon werden wir wohl unsere Daten bei Adobe ein- und auschecken, so wie dies in einem redaktionellen Umfeld der Fall ist. Die Creative Cloud 2015 setzt vor allem diesbezüglich wieder neue Massstäbe.