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Erste Schritte in der Kreativ-Wolke

Mit der Creative Cloud kommt ein neues Softwaremietmodell in die Publishingwelt. ­Software monatlich oder jährlich mieten, Entwürfe auf dem Tablet beginnen, online ­austauschen und auf dem Desktop weiterbearbeiten. Geht das so reibungslos? Und wie sieht der Arbeitsablauf am Beispiel von Adobe Ideas und Photoshop Touch aus?

Heike BURch Zuerst einmal steht die Entscheidung an, ob Sie monatlich für 99 Franken oder jährlich (65 Franken pro Monat) abonnieren. Innerhalb der Cloud ist dann das Angebot gross, für fast jeden Publishingbedarf stehen Programme zum Download bereit. Die Mitgliedschaft in der Creative-Cloud ist jeweils an eine aktuelle Adobe-ID gekoppelt.

Installation der Desktop-Apps

Zu beachten: Sind Sie Cloud-Member, also haben Sie die Adobe Creative Cloud gebucht, besteht die Möglichkeit, sämtliche Programme als Desktop-Apps herunterzuladen. Die Software wird also wie bisher auf dem Rechner installiert und darauf betrieben. Das Speichern aller Dateien erfolgt lokal oder im eigenen Netzwerk. Automatisch wird vorerst nichts in der Cloud gespeichert.

In der Übersicht unter creative.Adobe.com/apps findet sich jedoch ein Creative-Cloud-Connection-Tool (bei Drucklegung noch inaktiv), welches vermuten lässt, dass damit auch direkt in die Cloud, also den 20 Gigabyte gros­sen Platz, gespeichert werden kann.

Beim Download bedient sich Adobe eines Application Manager, der direkt anzeigt, welche der Programme bereits installiert wurden und welche noch zu installieren sind bzw. installiert werden können.

Die Dienste der Creative Cloud

Zu den momentan aktiven Diensten gehört ein Speicherplatz von 20 GB für sämtliche Dateiarten, Business Catalyst und Typekit.

1. Creative Cloud Files. Der Browser unter creative.Adobe.com/files kann derzeit jedoch nur einige Dateiformate anzeigen, im Moment einfach die wichtigsten fürs Publishing: .psd, .indd, .ai, .png, .jpg, .gif, .tif, .nef, .pdf, .eps und die Formate der Touch-Apps wie .idea (Ideas-Touch-App) und .psdx (Photo­shop-Touch-App). Leider sind für die neuen Programme wie Muse (.muse) und Edge (.edge) noch keine Vorschauen möglich. Wenn die Cloud zu einer Datendrehscheibe werden soll, wären Vorschauen für Office-Dateien, Austauschformate wie .idml oder auch eine HTML-Vorschau wünschenswert.

2. Business Catalyst umfasst die Dienste und Werkzeuge rund um das Publizieren im Web: Content Management, Analyse von Besucherverhalten, Datenbanken und Marketing. Business Catalyst ist in Dream­weaver und Muse integriert und von dort heraus auch steuerbar.

3. Typekit erlaubt es, aus einer Vielzahl von Schriften auszuwählen und diese in die eigene Website oder eine Tablet-App einzubinden. Im HTML-Code eingebunden und online jeweils abgerufen, besteht die Möglichkeit, gestalterisch und typografisch etwas mehr aus einer Website zu machen. Die Schriften sind auf allen gängigen Browsern und Geräten nutzbar.

Adobe Touch-Apps

Die Touch-Apps wurden speziell für Tablets entwickelt. Die Idee dahinter ist, dass unterwegs oder «eben mal schnell» ein Entwurf auf einem Android-Tablet oder auf dem iPad skizziert wird und diese Idee dann per Cloud-Upload für die weitere Verwendung zur Verfügung steht. Am Desktop-Rechner wird dann verfeinert, präzisiert und finalisiert.

Die Touch-App-Familie – bestehend aus Photoshop Touch, Kuler, Debut, Ideas, Proto und Collage – ist für den Android-Markt schon komplett, im iTunes Store warten wir noch auf Kuler und Debut. Interessant hierbei ist, dass mindestens drei der Touch-Apps im App Store bezahlt werden müssen und Adobe den Kunden mit einem Cloud-Freimonat entgegenkommt. So sind die Touch-Apps sozusagen auch im Preis der Adobe Creative Cloud «inbegriffen».

Wichtige Details

Schnell lässt die Cloud Goldgräberstimmung aufkommen. Hier noch ein paar Details, die Sie beachten sollten: Bei der aktiven Arbeit müssen Sie einmal alle 30 Tage die Software mit dem Internet verbinden, um die Lizenzierung zu prüfen. Wird das Abo einmal gekündigt, stehen Software und Onlinedienste nicht mehr zur Verfügung. Allein ein reduzierter Cloud-Speicherplatz (2 GB) bleibt erhalten. Es ist möglich, die Software während der Abolaufzeit von Windows auf Mac zu ändern; es gibt die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Sprachinstallationen zu wechseln; und es besteht Grund zur Hoffnung, dass allfällige Verbesserungen direkt in die Cloud integriert werden.

Ebenso ist eine Team-Cloud in Planung. Was diese jedoch im Detail beinhaltet, müssen wir in einer späteren Ausgabe nachreichen. Laut Adobe steht derzeit nur der Preis von 70 US-Dollar fest.

Praxis: vom Tablet in die Cloud

Die Touch-Apps sind installiert, die Cloud abonniert (evtl. erst einmal als 30-Tage-Testversion), die Desktop-Applikationen warten auf dem Rechner auf ihren Einsatz.

Adobe Ideas: Auf dem Tablet starten Sie Adobe Ideas. Die Anmeldung mit Ihrer Adobe-ID und ein Zugang zum Internet sind hier Voraussetzungen für den Datenaustausch. Ohne Anmeldung bleibt Ideas einfach ein Werkzeug zum vektorbasierten Skizzieren von Ideen. Allerdings ein praktisches und umfangreiches: Denn Ebenen, Farben, Pipette, Bildintegration und andere Funktionen sind nutzbar.

In Ideas ist es möglich, ein leeres Projekt zu beginnen, mit einem Bild aus der Cloud, aus der Bilderbibliothek oder mit einem bestehenden Ideas-Projekt zu arbeiten. Jetzt wird skizziert, radiert, gezoomt, gedreht, Ebenen verschoben und mit der Deckkraft experimentiert. Ist Ihr Entwurf fertig, senden Sie die Datei als PDF per E-Mail oder Sie fügen diese als .idea-Datei per Cloud-Upload dem Album hinzu. Hier wäre es wünschenswert, einen Zielordner in der Cloud angeben zu können.

Photoshop Touch: Nach erfolgreicher Installation und Anmeldung mit Ihrer Adobe-ID erstellen Sie ein neues Projekt. Dazu wählen Sie lokale Fotos auf dem Tablet oder Dateien aus der Cloud. Ebenso möglich sind Importe aus Google und Facebook sowie Bilder aus der jeweiligen Kamera-App.

Während die Browseransicht auf creative.Adobe.com/files zusätzlich .nef und .tiff zulässt, lassen sich in der Photoshop-Touch-App nur noch .psd, .png, .jpg und .gif öffnen. Interessant ist allerdings, dass eventuell vorhandene Ebenen und andere Elemente übernommen werden und direkt mit in das Projekt einbezogen werden können. In Photoshop Touch finden sich Ebenen ebenso wieder wie Korrektureinstellungen, Auswahlwerkzeuge, Filter, Textwerkzeuge und Verläufe. Wer bisher schon in Photoshop gearbeitet hat, wird sich recht schnell in der Touch-App zurechtfinden. Die in Photoshop Touch erstellte Datei ist ein Projekt, wird also als Projektdatei (.psdx) in die Cloud gelegt.

Schaut man sich nun die Projekte in der Cloud, also im Browser, an, sind Zusatzinformationen zu entdecken: Dateiinformationen wie Datum, Grösse, Typ, verwendete Farben und Schriften, Kommentare (falls schon vorhanden), Ebenen (diese lassen sich sogar online ein- und ausblenden) und Freigabeinformationen.

Von der Cloud auf den Rechner

Solange die Creative Cloud Connection noch auf sich warten lässt, bleibt nur der Weg über das Cloud-Download-­Panel im Browser. Datei für Datei müssen die Projekte auf den Rechner geladen werden. Ordnerweise wäre auch hier wünschenswert. Was jedoch erfreut, sind die verschiedenen Möglichkeiten der Dateivarianten.

Ein Photoshop-Touch-Projekt (.psdx) zum Beispiel kann als Original oder als .psd, .pdf, .jpg oder .png geladen werden, beim Ideas-Projekt (.idea) stehen als Möglichkeiten das Original, .pdf, .png und .jpg zur Auswahl.

Das Weiterarbeiten in den Desktop-Applikationen wie Photoshop CS 6 oder Illustrator CS 6 ist nun denkbar einfach. Das Ideas-Projekt lässt sich in Illustrator öffnen und hält sofort alle Skizzen als Pfade zur weiteren Bearbeitung bereit.

Auf dem Tablet angelegte Farben, benannte, ein- und ausgeblendete Ebenen sowie Transparenzen sind uneingeschränkt nutzbar.

Gespeichert werden diese Dateien jeweils lokal im .psd- oder .ai-Format. Im Speichern-Dialog sucht man ver­gebens nach der Endung .psdx oder .idea. Das kann schon für etwas Verwirrung sorgen. Denn mit einem Mal bestehen zwei Dateien. Eine saubere Dateiverwaltung und Namensvergabe sind ab dieser Stelle Voraussetzung, um «in der Wolke» den Durchblick zu behalten.

Zurück in die Wolke

Ob ein Zurück in die Cloud zum weiteren Bearbeiten mit den Touch-Apps beabsichtigt ist, konnte ich noch nicht abschliessend beobachten. Denn während der Upload über das Browserfenster zwar sehr cool daherkommt (Drag&Drop aus dem Finder in das Browserfenster), ist es bis heute nicht möglich, ordner- oder projektweise Dateien abzugleichen. Ebenso das schnelle Verschieben von Files innerhalb der Cloud (bisher fehlt das sonst von Adobe bekannte intuitive Handling) oder das Freigeben von ganzen Ordnern steht bis heute auf der Wunschliste der Anwender.

In den oben beschriebenen Praxisbeispielen sieht es also leider so aus, dass erneut .ai oder .psd in die Cloud gespeichert werden und diese Dateien dann wieder in den jeweiligen Touch-Apps als Projekt angelegt und als solche erneut gespeichert werden müssen. Bei mehrmaligem Hin-und-her-Schieben kann es also zu einer Dateilawine kommen, die eben nur durch strukturiertes Vorgehen und sinnvolle Ordnerstrukuren beherrscht werden kann.

Wohin die Reise geht

Wenngleich die Möglichkeit jederzeit besteht, die einzelnen Creative Suites als Box zu kaufen, dürfen wir davon ausgehen, dass Adobe uns Anwender in Richtung Cloud führen wird.

Im Laufe der nächsten Wochen und Monate werden nach und nach Verbesserungen eingearbeitet, und Cloud-Abonnenten bekommen diese dann jeweils per Application Manager zur Verfügung gestellt.

Nach den ersten Cloud-Testläufen mit Illustrator und Photoshop sind einige Wünsche offengeblieben: an allererster Stelle eine bessere und intuitivere Dateiverwaltung (Ordnerstrukturen, Ansichten und Sortiermöglichkeiten). Aus Bridge, Lightroom oder InDesign, Photoshop und Illustrator wünscht sich der Anwender direktes Speichern in die Cloud. Und eine Desktop-App, mit der lokal und offline gearbeitet werden kann.

Mit der Adobe Creative Cloud sind alle Creative-Suite-Werkzeuge zugänglich. Hinzu kommen Muse, Edge, Typekit und die Touch-Apps für Tablets. Sie können immer die aktuellste Software auf verschiedenen Plattformen oder in unterschiedlichen Sprachversionen instal­lieren. Für zeitlich begrenzte Projekte buchen Sie das Abo einfach monatsweise. Und der Onlinespeicherplatz bietet mit 20 GB vorerst einen Rahmen zum Austausch von Dokumenten.

Bleibt also abzuwarten, womit Adobe uns Anwender noch erfreut und welche Cloud-Workflows sich durchsetzen werden.

Die Autorin

Heike Burch ist Grafikerin und Softwaretrainerin. Sie unterstützt Verlage, Integratoren und Agenturen bei der Umsetzung gestalte­rischer Konzepte, erstellt komplexe InDesign-Vorlagen und unterrichtet die Adobe Creative Suite.

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