Cover_19-6_gruen_low

Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


Heft-Archiv >> 2013 >> Publisher 1-13 >> Publishing >> �Nicht Wachstum ist unser Ziel, sondern Ver�nderung!�

�Nicht Wachstum ist unser Ziel, sondern Ver�nderung!�

Heinz Eberle hat zusammen mit seiner Frau Claudia die Geschäftsstrategie der Fröhlich Info AG von Anfang an nicht auf Umsatzmaximierung ausgerichtet. Wie unser Jubiläums-Interview zeigt, schaffte dies viel Freiraum für Innovation und Nachhaltigkeit.

martin spaar Im Jahr 1993 er­schien die erste Ausgabe des Publisher; damals noch unter dem Titel UGAP-Bulletin, also als Publikationsorgan der User Group for Aldus Products. Wir nehmen das 20-Jahr-Jubiläum zum Anlass, in die Pionierzeit des Desktop Publishing zurückzublicken. Wir starten diese Serie mit einem Interview mit Heinz Eberle von der Fröhlich Info AG, welche auch das Cover dieser Ausgabe produziert hat (siehe Seite 44).

Heinz Eberle war einer der wichtigsten Partner, als ich im Frühling 1993 mit diesem Zeitschriftenprojekt startete. Ich hatte ihn über die Postscript Interest Group Switzerland (PIGS) kennengelernt. Als ich ihm von meinem Projekt erzählte, war er nicht nur bereit, als Drucker des Magazins in jeder Ausgabe ein Inserat zu schalten, sondern er zeigte sich auch in der Lage, unsere auf Windows-PCs produzierten Daten in seinen Prepress-Workflow einzuspeisen. Damals in der vom Apple Mac­intosh dominierten grafischen Industrie alles andere als eine Selbstverständlichkeit!

Velokurier statt Internet

Der Workflow sah so aus, dass wir die Bilder mit Aldus PhotoStyler bearbeiteten und das Layout mit dem damals brandneuen PageMaker 5.0 erstellten. Am Schluss exportierten wir mit einem Lintotype-300-Druckertreiber Postscript-Daten und schrieben diese auf 88-MB-Syquest-Datenträger. Per Velokurier gingen diese von unserer Redaktion an der Flüelastrasse in Zürich-Albisrieden zu Fröhlich Info in Zollikon. Dort wurden die Postscript-Daten auf einer Next-Workstation ausgeschossen und anschliessend auf einem Scangraphic-Belichter auf Film ausgegeben. Gedruckt wurde auf einer 5-Farben-Heidelberg – die erste Ausgabe mit einem Umfang von 24 Seiten in einer Auflage von 2500 Exemplaren.

Martin Spaar: Ich hatte die Fröhlich Info AG bei meinem Start im Jahr 1993 als innovativste Druckerei im Bereich Desktop Publishing und Prepress wahrgenommen. Unsere Zusammenarbeit bestätigte dann, dass dies nicht nur gutes Marketing eurerseits war. Ihr konntet bezüglich DTP und IT-Know-how wirklich mehr bieten als andere, die dafür vielleicht modernere Druckmaschinen hatten. Wie ist es damals zu dieser Ausrichtung mit starkem Fokus auf eine moderne Vorstufe gekommen?

Heinz Eberle: Ich bin durch meine Heirat mit Claudia Fröhlich als Quereinsteiger in die grafische Industrie gekommen. Zuvor hatte ich bei einer Firma für Halbleiterentwicklung ge­arbeitet und bei einer Bürogrätefirma den PC-Support aufgebaut. Ich sah das Potenzial der Personal Computer im Publishing und hatte 1984, als der erste Mac in den USA auf den Markt kam, gleich selbst eine solche DTP-Wundermaschine importiert. Dann ging es Schlag auf Schlag: Es kam der Macintosh II, der als erste erschwingliche Workstation galt. Dazu als Postscript-Belichter zuerst eine Linotronic 200, dann schon bald darauf eine Linotronic 300, mit der wir sogar schon Vierfarbensätze belichten konnten. Die DTP-Technik hatte mich als Elektroingenieur einfach fasziniert. Ich war, was man heute einen Freak nennen würde, und viele meiner Druckerkollegen meinten wohl hinter vorgehaltener Hand: Der Eberle spinnt! Auch in unserer Firma waren nicht immer alle begeistert von meinen Ideen.

Das heisst, du musstest in eurem Betrieb viel Überzeugungsarbeit leisten?

Ja, denn die gegautschten Drucker und Setzer standen dem Treiben des «Schwiegersohns» eher skeptisch gegenüber. Da galt es viel zu missionieren. Wenn das nichts half, brauchte es da und dort etwas sanften Druck. Als ich zum Beispiel sah, welches Potenzial die DTP-Software Ventura Publisher für die Vorstufe bot, konnte ich keinen meiner Setzer dafür begeistern. Wir zogen dann einfach eine Mitarbeiterin aus dem KV-Bereich nach und schickten diese in einen Ventura-Kurs. Da kamen unsere Jünger Gutenbergs dann schon etwas in Zugzwang. Und beim definitiven Umstieg von Fotosatz auf den Mac ging es auch nicht ganz freiwillig. Als das Fotosatzsystem mit einem kleinen Defekt ausfiel, wurde einfach der Servicetechniker nie aufgeboten …

Die Technikbegeisterung eines Freaks ist das eine, die betriebswirtschaftliche Kalkulation das andere. Hat sich diese Pionierrolle für euch auch bezahlt gemacht?

Auf jeden Fall. Wir konnten viele Kunden im Bereich Banken, Versicherungen und Industrie gewinnen, weil wir IT-mässig deren Sprache sprachen. Speziell bei Industrie-Unternehmen konnten wir viele Lösungen mit Datenbank-Anbindungen für Kataloge und Preislisten realisieren. Der Publisher half zusätzlich, uns in diesem Segment zu etablieren. Wir schalteten Anzeigen, in denen wir uns als «die Informatiker unter den Druckern» positionierten und hatten sehr schöne Erfolge damit.

Euer Engagement für den Publisher war für euch also auch eine Investition ins Marketing?

Der Publisher war das richtige Medium zur richtigen Zeit. Das Ventura-Magazin, welches auch wir produziert hatten, war kurz davor eingestellt worden. So half uns der Publisher, die DTP-Schiene voranzutreiben und uns in diesem Bereich weiter zu profilieren. Und mit dem DTP-Pionier Aldus, welcher schon ein Jahr nach deinem Start mit Adobe fusionierte, hattest du auf das richtige Pferd gesetzt. Von dieser Seite kamen damals die Publishing-Innovationen: Von Postscript ging es weiter zu PDF und von PageMaker zu InDesign. Und Photoshop liess ohnehin alle Konkurrenten hinter sich!

Trotz dieser strategischen Ausrichtung auf die zukunftsweisenden Technologien ist eure Firma in den letzten 20 Jahren kaum gewachsen. Wir mussten euch nach acht Jahren verlassen, weil der Publisher mit dem gewachsenen Umfang und der höheren Auflage nicht mehr auf eure Druckmaschine passte. Habt ihr da nicht einige Chancen verpasst?

Wenn man es alleine unter dem Wachstumsaspekt betrachtet, haben wir sicher viele Chancen verpasst – das aber ganz bewusst. Als wir im Jahr 1990 das Geschäft von den Eltern meiner Frau übernahmen, entwickelten wir unsere eigene Firmenstrategie. Und die sah so aus, dass wir auf Innovation setzen wollten; also ganz bewusst nicht auf Wachstum, sondern auf Veränderung! Es hätte auch das Szenario gegeben, Zollikon zu verlassen und auf der grünen Wiese einen Neubau zu erstellen, so wie das damals viele andere Druckereien getan haben. Wir haben uns bewusst anders entschieden. Und auch als der Internet-Boom kam, hätten wir mit unserem IT-Hintergrund voll darauf setzen und stark wachsen können. Das entsprach aber nicht unseren Zielen.

Wenn man voll auf Innovation setzt, kann es schon mal vorkommen, dass man zu früh einsteigt und eine Fehlinvestition macht. Ist euch das auch passiert?

Leider – und zwar mehr als ein Mal.Da war zum Beispiel die DEC-Workstation mit dem Alpha-Prozessor, der mit seiner zukunftsweisenden Architektur alles andere in den Schatten stellte. Das musste ich einfach haben! Microsoft unterstützte das System mit einem speziell angepassten Windows NT. Jedoch wurden die wichtigen Publishing-Anwendungsprogramme nie auf diese Plattform portiert, sodass wir diese Workstation nie als solche nutzen konnten. Sie taugte aber immerhin als Server.

Einen «gröberen Schuh herausgezogen» hatten wir mit der Investition in eine digitale Offsetdruckmaschine Karat 46. Das Konzept mit der Direktbebilderung der Platten in der Druckmaschine hatte zwar seinen Charme, aber wirklich praxistauglich war das Ganze mit dem damit verbundenen wasserlosen Offsetdruck nicht. Noch schlimmer hätte es uns allerdings ein paar Jahre früher mit der Indigo erwischen können. Da man von diesen ersten Digitaldrucksystemen immer zwei aufs Mal kaufen musste, wollte ich den Schritt zusammen mit einer Partnerdruckerei wagen. Zum Glück ist uns damals ein Mitbewerber zuvorgekommen. Als wir sahen, wie das bei denen lief – oder eben nicht lief – waren wir von diesem Virus schnell geheilt!

Wir haben viel über die Vergangenheit gesprochen. Wenn wir nun nach vorne blicken, wie siehst du die Zukunft der grafischen Industrie?

Ich glaube nicht, dass in der Zukunft alles digital sein wird. Print hat auch eine Zukunft. Trotzdem wird es bei den Druckereien eine starke Marktbereinigung geben. Wie stark die ausfallen wird, hängt von der wirtschaftlichen Entwicklung in der Schweiz ab. Diesbezüglich sehe ich in der Ökologie eine grosse Chance. Wenn die Schweiz diese packt, wird auch die grafische Industrie profitieren. Diese lebt nun mal fast zu hundert Prozent vom Binnenmarkt.

Was ist in dieser schwierigen Situation der Marktbereinigung dein Wunsch an die grafische Industrie?

Ich wünsche mir, dass trotz hartem Konkurrenzkampf die Ethik nicht ganz auf der Strecke bleibt. Auf der Verkaufsseite ist diese heute schon ziemlich im Keller. Da werden zum Teil sehr unschöne Mittel eingesetzt, wenn es darum geht, an Aufträge heranzukommen. Dazu gehören Dumping-Preise, die man als unseriös bezeichnen muss. Hier wäre mehr nachhaltiges Denken angesagt.

Letzte Frage: Was ist dein Wunsch an den Publisher?

Ich wünsche mir, dass ihr auch künftig so innovativ seid wie in den letzten Jahren und dass ihr euer hohes fachliches Niveau beibehält und auch immer mal wieder kritisch gegenüber den Herstellern auftretet.

Weisch no?

In der ersten Ausgabe der Zeitschrift Publisher, erschienen im Oktober 1993 unter dem Titel UGAP-Bulletin, war der neue PageMaker 5.0 das grosse Thema. Mit dieser Version hatte die Firma Aldus ihr Desktop-Publishing-Paradepferd wieder einigermassen auf Augenhöhe mit dem Konkurrenten QuarkXPress gebracht. Zu den wichtigen Neuerungen gehörten die Farb­separation, die ausgebauten typografischen Funktionen und die Kontrollpalette, welche exaktes Arbeitet mit nummerischer Eingabe erlaubte. Von dieser war ich besonders angetan. Und auch heute noch arbeite ich mit Adobe InDesign im althergebrachten PageMaker-Stil, indem ich die Steuerungs-Leiste am unteren Bildschirmrand platziert habe. Die Macht der Gewohnheit …

PageMaker-Bug als Chance

Einen grossen Nutzwert konnten wir unseren Lesern mit unseren Tipps und Tricks liefern und da hatte uns Aldus zur Lancierung unserer Zeitschrift perfekt in die Hand gespielt. PageMaker 5.0 wurde nämlich in der Windows-Version mit einem gravierenden Bug ausgeliefert. Bei der Belichtung wurden alle Graustufenbilder viel zu dunkel ausgegeben – eine Katastrophe! Nun gab es damals kein Internet, über welches Aldus rasch ein Update bei allen Anwendern hätte einspielen können. Aber zum Glück für die Anwender gab es das UGAP-Bulletin! Wir betrieben eine Mailbox, über welche wir die fehlerbereinigten PPD-Files (Postscript Printer Definition) zum Herunterladen anboten. Und wer noch nicht über ein Modem verfügte, konnte die von ihm benötigte PPD-Datei mit der Beschreibung in unserer Zeitschrift selbst patchen, das heisst im DOS-Editor am richtigen Ort eine Korrekturzeile einfügen. Das waren noch Zeiten …

Einen grossen Nutzwert hatte damals auch unser Anbieterverzeichnis. Hier konnten Anwender in der Vorstufe einen geeigneten Dienstleister finden, um Filmbelichtungen oder Farbprints zu erstellen. Ein grosser Stolperstein war damals der Datenaustausch. Nur wenn Kunde und Dienstleister über die selben Laufwerke für das selbe Betriebssystem verfügten, konnten sie mit­einander ins Geschäft kommen. Disketten waren damals zwischen Macintosh und Windows PCs physikalisch inkompatibel. So konnte man in unserer Zeitschrift beispielsweise nachschlagen, wo es im Raum Basel einen Dienstleister gab, der 88-MB-Syquest-Laufwerke unter Windows unterstützte. Es waren gerade mal drei …

Auch der Veranstaltungskalender in unserer Erstausgabe gibt einen schönen Eindruck davon, was damals die grafische Industrie bewegte. Sehr aktiv war damals das grafische Forum Zürich. Da hatte man die Zeichen der Zeit richtig erkannt. «Technik verkaufen genügt nicht», war der Titel eines vom Forum organisierten Referates von Hans-Georg Wenke, das wie folgt ausgeschrieben wurde: «Die Druckindustrie wird sich spalten: in einerseits rein technisch orientierte Betriebe und andererseits ‹Medienunternehmen›. Dabei fällt die Entscheidung an, ob das reine Drucken oder die grafische Dienstleistung im Vordergrund steht.»

Photo-CD als Preisbrecher

Auch wir vom Publisher waren in diesem Bereich aktiv und boten eigene Workshops für unsere Leser an. Themen waren damals «Farbseparation mit PageMaker 5.0» und «Bildintegration mit Kodak Photo-CD». Letzteres nutzten wir beim Publisher selbst intensiv. Ein Farb-Trommelscan eines Dias kostete damals je nach Ausgabegrösse rasch einige Hundert Franken. Mit der Photo-CD kostete uns die Digitalisierung eines Dias über das Fotolabor nur noch knapp einen Franken und die Qualität war ganz passabel. Wir nutzten das erworbenen Know-how, um den Publisher über DTP-Dienstleistungen querzufinanzieren. So produzierten wir für ein grosses Reisebüro Flyer mit Last-Minute-Angeboten und konnten dabei einen guten Stundensatz verrechnen. Dank der Photo-CD waren wir dabei immer noch massiv günstiger als Mitbewerber, welche noch mit konventionellen Mitteln arbeiteten. Technik verkaufen genügt nicht, aber Technik beherrschen macht sich bezahlt. Das galt damals wie heute und wird wohl auch in Zukunft nicht anders sein!