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Farbkontraste in der Praxis

Das Festlegen passender Farbkontraste ist eine Kunst für sich. Zu beachten sind die Zielgruppe, das Medium als solches, Kontrast- sowie Psychologiefragen. Dieser Beitrag zeigt, wie sich verschiedene Aspekte auf das spätere Design auswirken.

günter schuler Ob Foto für eine doppelseitige Automobil-Anzeige, ein eher nüchtern-textlastiges Design wie bei der «Neuen Zürcher Zeitung» oder der Webauftritt eines Wellness-Anbieters im Internet: Auch die Farbzuweisung folgt letztlich der bekannten Designer-Grundregel «Form Follows Function». Die Regel, dass die Funktion eines Mediums seine äussere Erscheinungsform bestimmen sollte, gilt selbstverständlich auch bei der Auswahl der Farben. Welche Regeln sind dabei zu beachten ? In vielen Fällen ist die Farbgebung bereits vorab festgelegt – etwa bei den Farb-CIs bekannter Firmen, Parteien, Institutionen oder Organisationen. In anderen Fällen ist sie, um im Bild zu bleiben, offen wie ein weisses Blatt Papier. Oft wird die kreative Freiheit allerdings von externen Faktoren eingeschränkt: etwa der Papierfarbe (beispielsweise bei Zeitungspapier), Erfordernisse des Drucks (Beispiel: Rotationsdruck für hohe Massenauflagen) oder der visuellen Ergonomie. Negativbeispiel hier: die Monitorfarbe Aqua – aufgrund ihrer türkisfarbenen Leuchtkraft nicht nur das Paradebeispiel für eine trashig-­grelle Computerfarbe, sondern in höherer Dosierung unangenehm für die Augen.

Technik und Physis mögen zwar die eine oder andere Einschränkung nötig machen. Gretchenfrage bleibt jedoch: Welche Farben wendet man sinnvollerweise an ? Bezieht man die technisch-physischen Einschränkungen mit ein, spielen letztlich vier Faktoren eine Rolle:

  • Die Präsentation von Farben in Anwendungsprogrammen,
  • farbpsychologische Momente einschliesslich der Wahl einer Farbkombination, die zur Zielgruppe passt,
  • die Frage des Farbkontrastes. Hier haben der Anwender und die Anwenderin die Auswahl zwischen unterschiedlichen Kontrasttypen. Beispiele: eher monochromfarbene Kontraste oder eher bunte,
  • medienspezifische sowie physische Beschränkungen wie oben aufgeführt.

Geltungshoheit beanspruchen die aufgeführten Grundaspekte übrigens nicht nur beim Anlegen passender Dokumentfarben – also den Farben für Farbflächen, Hintergrundfonds oder die Typo. Den aufgeführten Farb­regeln unterliegt auch das ausgewählte Foto-, Grafik- und Illustrationsmaterial. Beispiel: die zahlreichen knackigen Schwarzweissaufnahmen in Hochglanzmagazinen. Um einen tieferen, satteren Eindruck zu erzeugen, sind diese zwar oft «getunt» – etwa durch die Beigabe von CMY-Farben beim Druck. Optisch kommen diese Bilder jedoch in klassischem Black & White. Der Grund für diese Beschränkung: die edel-klassische Anmutung, die Schwarzweissbilder vermitteln. Ein Nebeneffekt dabei: die Erhöhung des Seitenkontrasts im Layout – ein Effekt, der durch diese Art der Bildfarbgebung oft mitbefördert wird.

Farbe in der digitalen Mediengestaltung

Auf den ersten Blick geniesst Farbe in Anwendungsprogrammen einen recht unterschiedlichen Stellenwert: Während Photoshop und Illustrator recht oppulente Farbpaletten im Angebot haben, präsentieren sich Layout- und Textanwendungen zunächst einmal eher spartanisch. Dies heisst: InDesign- und XPress-User müssen ihre Anwendungen und Dokumente erst einmal mit den passenden Farbfelder-Sets bestücken. Die Creative-Suite-Applikationen machen es dem Anwender hier recht einfach. Ein einfacher Weg ist der, Photoshop- oder Illustrator-Farbtabellen im ase-Austauschformat zu exportieren und die entsprechenden Sets in InDesign zu laden. Zusätzlich enthalten die aufgeführten Programme umfangreiche Farbbibliotheken von Pantone sowie anderen bekannten Farbanbietern: Töne, die sich nicht nur als Zusatz-, sondern auch als Prozessfarbe nutzen lassen.

In Sachen Farbauswahl sind Anwender also bestens versorgt. In Bezug auf den Farbmodus sowie das zugrundeliegende Farbmodell sind Medienproduktionsprogramme ebenfalls äusserst vielseitig. Photoshop etwa unterstützt neben den Branchen-Standards RGB und CMYK auch das medienneutrale Lab-Farbmodell. Intern stehen darüber hinaus die beiden Farbmodelle HSB und HSL zur Verfügung. Flankierend hinzu kommen die Module zur Steuerung des Farbmanagements. Einerseits ist die digitale Medienproduktion also von einer hohen Auswahl-Vielfalt geprägt. Andererseits hat die Art und Weise, wie Computerprogramme Farbe(n) organisieren, auch ein paar Tücken. Beispiel: die beiden Standard-Farbmodelle RGB und CMYK. Beide basieren auf dem Farbkreis – einem Modell, dessen Grundzüge bis in die Renaissance zurückreichen. RGB und CMYK offerieren jeweils drei Rein­farben: Farben, die ohne die Beigabe einer weiteren Farbe reproduzierbar sind. Bei RGB sind dies Rot, Grün und Blau, bei CMYK Cyan, Magenta, Gelb sowie die Druck-Zusatzfarbe Schwarz, welche im CMYK-Farbmodell eine Schlüsselfunktion erfüllt («K» für Key = Schlüssel). Gemischt ergeben die drei Primärfarben drei weitere Sekundärfarben. Bei RGB sind dies Cyan, Magenta und Gelb, im CMYK-Farbmodell Rot, Grün und Blau – also jeweils die Grundfarben des anderen Modells.

Die beschriebene Entsprechung ist allerdings nur theoretischer Natur. Aufgrund der höheren Leuchtkraft von RGB-Farben entspricht RGB-Cyan eher einem kalten Türkiston – dem eingangs aufgeführten, in der Praxis eher unangenehm wirkenden Aqua. Das Leuchtgrün des RGB-Modus hat ebenfalls wenig mit dem Vollgrünton von Drucken zu tun. Umgekehrt wirkt Vollblau in Drucken – also der Auftrag von 100 Prozent Cyan und 100 Prozent Magenta – eher wie Blauviolett. Ein leuchtender Blauton ist mit CMYK-Farben nicht umsetzbar. Möchte man einen solchen trotzdem, muss man auf eine einschlägige Sonderfarbe zurückgreifen – beispielsweise Pantone 286 C oder HKS 44. Auch in Sachen Übergänge zwischen benachbarten Farben ist der Farbkreis der RGB- und CMYK-Farbmodelle nicht ganz unproblematisch. Nimmt man zu den sechs Grundfarben Rot, Grün, Blau, Cyan, Magenta und Gelb die sechs Mischfarben Orange, Camparirot (ein Mittelton zwischen Magenta und Rot), Violett, Himmelbau (ein Mittelton zwischen Blau und Cyan), Türkis und Gelbgrün hinzu, fällt bei der Anordnung im Farbkreis ein optisches Missverhältnis auf: Während die Tonunterschiede zwischen Rot, Camparirot und Magenta auffällig gering ausfallen, sind die Sprünge zwischen Gelb und den beiden Nachbarfarben Gelbgrün und Orange fast dramatisch.

Ursache dieser optischen Farbsprünge ist die Tatsache, dass Farb-modelle Farben nicht nach ästhetisch-visuellen Kriterien organisieren, sondern nach technischen. Legte man optisch-visuelle Kriterien zugrunde, würden die Mischverhältnisse der zwölf Beispielfarben anders ausfallen: Camparirot würde komplett entfallen. Der Unterschied zwischen Rot und Magenta ist so gering, dass eine Zwischenfarbe bei zwölf Abstufungen nicht zu rechtfertigen ist. Bei einer optisch ansprechenden Aufteilung nähme man stattdessen einen zusätzlichen Gelborange-Ton hinzu. Im Bereich der Blautöne stünden ebenfalls andere Abstufungen an. Hinzu käme ein blauähnlicher Blauviolett-Ton. Anstelle des klassischen Blau nähme man ein dunkleres, blaulastigeres Himmelsblau. Konsequenz einer optisch bereinigten Farbkreisaufteilung: optisch ansprechendere, weil besser zum Pendant passende Komplementärfarben. Komplementärfarbe von Gelb wäre nicht wie bisher das klassische Vollblau, sondern ein violettlastigerer Ton. Magenta hätte nicht wie bisher Vollgrün als Sparringspartner, sondern vielmehr ein bläulicheres, stärker ins Türkis gehendes Grün.

Aufhellen oder abdunkeln

Die Krux: Erstellen lässt sich ein derartiges Schema lediglich mit manuellem Aufwand. Ein weiterer Fallstrick beim Erstellen zueinander passender Farbkombinationen ist die unterschiedliche Hell/Dunkel-Wirkung reiner Farben. Bei der Titelbildgestaltung von Magazinen ist diese Wirkung durchaus bedacht. Gelb entfaltet zusammen mit Schwarz die grösste Signal- und zugleich Kontrastwirkung; rein aufgetragen wirkt Gelb fast wie ein Leuchtmarker. Cyan und Magenta haben zwar ebenfalls eine grosse Leuchtkraft. Satter wirken allerdings Voll-Grün und Voll-Rot. Von der Helligkeitswirkung her liegen Cyan, Magenta, Rot und Grün im Mittelbereich. Die stärkste Kontrastwirkung entfaltet Gelb in Kombination mit Blau. Helle Farben – dunkle Farben: Problematisch ist dieser Aspekt insofern, als dass es zur hellsten und zur dunkelsten Grundfarbe keine reinfarbenen Äquivalente gibt. Beispiel Gelb, Cyan und Blau. Hellt man alle drei Farben gleichermassen auf, erscheint Pastell-Blau wahrnehmbar dunkler gegenüber Pastell-Cyan und dramatisch dunkler gegenüber Pastell-Gelb. Einen ähnlichen Effekt erhält man beim gleichmässigen Hinzufügen von Schwarz. Farben: ein schmutziggrauer Goldton, ein schmutziggraues Cyanblau und schliesslich einen fast ins Anthrazit gehenden Schwarzblau-Ton. Möchte man einen ähnlichen Helligkeitseindruck erhalten, muss man die drei Beispielfarben unterschiedlich aufhellen oder abdunkeln.

Zusätzlich zu den reinen Farben des Farbkreises, deren Nuancen durch Beigaben der benachbarten Grundfarbe entstehen, gibt es eine Unzahl von unreinen Farben. Fachterminologisch spricht man hierbei von Sättigung. Auch in der professionellen Medienproduktion sind die meisten Farbtöne weniger gesättigt. Das Spektrum reicht dabei von fast gesättigt (Beispiel: ein minimal gedimmtes Blaucyan wie etwa beim Sommerblau-Himmel auf einem Urlaubs-Werbefoto) bis hin zu dezenten Grautönen mit leichtem Farb-Beiklang. Gut veranschaulicht wird der Unterschied zwischen gesättigten und ungesättigten Farben in den beiden Farbmodellen HSB und HSL. Beide unterscheiden nach Farbe an sich (Begriff: Hue; wobei die Farbe, wie im Farbkreis, kreisförmig angeordnet ist und die Sprünge in Grad-Werten erfolgen), der Sättigung einer Farbe (Begriff: Saturation) und schliesslich ihrer Helligkeit (Begriffe, je nach Modell: Brightness und Lightness). Intern arbeitet beispielsweise das Photo­shop-Tool Farbton/Sättigung nach den aufgeführten Unterscheidungen. Allerdings unterscheiden auch HSB und HSL nicht zwischen hellen Reinfarben und dunklen Reinfarben. Wichtig für die Orientierung im Farbdschungel ist die Feststellung, dass reine Farben in drei Richtungen verändert werden können: durch Aufhellung (also die Zugabe von Weiss), durch Abdunkelung (die Zugabe von Schwarz) und durch Entsättigung. Beim letzten Vorgang werden Anteile der jeweiligen Komplementärfarbe hinzugegeben. Ist der Mischanteil beider Farben gleich, entsteht ein neutraler, farblich nicht mehr zu differenzierender Grauton.

Farbpsychologie und Zielgruppen

Natürlich bedeuten Farben weit mehr als Prozentwerte in Computerprogrammen. Wirkungstechnisch sind Farben pure Emotion. Rot beispielsweise ist die Farbe der Liebe und der Leidenschaft. Gleichzeitig entfaltet Rot eine fast unvergleichliche optische Signalwirkung. In ähnlicher Form gilt dies auch für Blau. Anders als Rot wirkt Blau eher distanziert und kühl. Umgekehrt vermittelt es Zuverlässigkeit und technische Präzision. Möglicherweise alles Gründe, weswegen Blau vor allem bei grossen Konzernen, Banken und Versicherungen zur CI-Farbe Nummer eins avanciert ist. Im Unterschied zum «konservativen» Blau steht Grün für Naturverbundenheit, Harmonie und Ruhe. Ähnlich übrigens wie Braun, wobei hier zusätzlich der Faktor Gemütlichkeit zum Tragen kommt. Gelb wiederum steht für Wärme, Sommer und Glamour, Orange für Genuss und Cyan für Zuversicht, Mitgefühl sowie Humor. Farbpsychologisch am umstrittensten ist Pinkmagenta. Stärker noch als Rot symbolisiert es Erotik und (weibliche) Leidenschaft. Andererseits gilt es als exklusive, exotische Farbe. Da es in der Natur selten vorkommt, wirkt es in jedem Fall künstlich. Aus diesem Grund sollte man Magenta nur in dosierten Mengen als Gestaltungsfarbe verwenden.

Schwarz, Weiss und Grau sind farbpsychologisch gesehen ebenfalls nicht neutral. Allenfalls gilt dies für Grau – eine Farbe, der eine neutral-sachliche Wirkung sowie eine starke Affinität zu technischen Dingen nachgesagt wird. Schwarz steht einerseits für (politischen) Konservativismus. Zusätzlich assoziiert Schwarz Geheimnisse; darüber hinaus ist Schwarz in Mode und Kunst stark nachgefragt. Weiss schliesslich steht für Reinheit und Unschuld, aber auch für Eleganz. Darüber hinaus ist es in der Mode ebenfalls stark verbreitet. An den beschriebenen Zuordnungen orientiert sich auch die Werbebranche. Cyan­graue Töne beispielsweise sind in der Automobilwerbung fast ein Standard – ähnlich wie die hellgrauen Hintergrundflächen bei der Präsentation von Apple-Gerätschaften oder anderen Technik-Produkten. Blaue Töne mit gelben Einsprengseln wiederum sind im konservativen Umfeld stark verbreitet. Ein gutes Beispiel für die Weiterführung der Farbenlehre im politischen Bereich sind die Grundfarben der bundesdeutschen Liberalen: Tiefblau und Gelb. Die politische Farbenlehre ist im europäischen Raum zwar länderübergreifend etabliert. So gilt Rot als die Farbe des Fortschritts; im engeren Sinn ist sie mit sozialdemokratischen oder sozialistischen Parteien assoziiert. Allerdings gibt es auch Beispiele, wo das politische Blau-Rot-Schema anders zur Anwendung kommt. In den USA ist Rot beispielsweise die Farbe der Republikaner, Blau die der Demokraten. Eine weitere bekannte Symbolfarbe: Grün, die Farbe des Islam.

Die Beliebtheit der aufgeführten Farben schwankt. Während Rot und vor allem Blau in der Publikumsgunst weit oben stehen, rangieren andere eher unter «ferner liefen» oder sind – siehe Magenta, aber auch Türkis – mehr oder weniger umstritten. Werbe­branchen-Konventionen wie Autowerbung = immer cyangrau können zwar bewusst übergangen werden. Mitunter werden Regelbrüche bewusst in Szene gesetzt. Nehmen wir als Anschauungsbeispiel eine Automobilwerbung, die unkonventionellerweise auf die Farben Magenta und Braun setzt anstatt das klassische Cyangrau. Das Hervorkehren der Attribute Leidenschaft und Erdverbundenheit wäre in dem Fall zwar unüblich. Mit dem Hintergedanken, neue Zielgruppen anzusprechen (beispielsweise Frauen, Studenten sowie ökologisch bewusste Konsumenten), würde eine solche Kampagne eventuell sogar Sinn ergeben. Aufgrund der aus dem Rahmen fallenden Gestaltung wäre ihr auf jeden Fall eines sicher: ein gesteigerter Aufmerksamkeitsfaktor. Auch am Zeitschriftenkiosk ist Aufmerksamkeit ein begehrtes Gut. Folge: Einerseits sind rote Titel mit weisser Schrift immer noch der Aufreisser Nummer eins. Andererseits versuchen Magazine immer wieder, mit einer ungewöhnlichen bis unkonventionellen Farb-Optik Aufmerksamkeitspunkte zu ergattern.

Cyangrau für Technikfreaks, Gelb für sonnenhungrige Urlauber ? Ganz so einfach funktioniert Farbgestaltung selbst in der Werbung nicht. Unabhängig von der Wahl eines optisch stimmigen Kontrasttyps ist die Frage zu beantworten, welche Farben und Farbtöne genau man miteinander kombinieren will. Einerseits ist gerade das Miteinander-Kombinieren unterschiedlicher Farben zu einem stimmigen Ganzen eine kreativ gesehen interessante Aufgabe. Branchen- und zielgruppenabhängig haben sich allerdings auch hier die unterschiedlichsten Konventionen etabliert. Beispiele: Konservativ-konventionell ausgerichtete Publikationen oder Websites bevorzugen oftmals dezente Blautöne sowie eine optisch wenig auffällige Farbgebung. Grund: Pastellblau beruhigt, wirkt frisch und nicht zu emotional. Die Yellow-Press hingegen kommt auch in den Innenteilen gerne bunt. Auffällig, neben der Verwendung der üblichen Signalfarben hier: die vielen Pastelltöne. Bei grossen Zeitschriftenverlagen ist ein derartiges Design sicher kein Zufall. Eher dürfte sie der Erkenntnis geschuldet sein, dass die schwerpunktmässig aus älteren Jahrgängen bestehende Hauptzielgruppe Pastelltöne favorisiert. Anders fallen Gestaltungen für ein urban-jugendliches Publikum aus. Die Club- und Musikkultur beispielsweise hat ihre eigenen Regeln in Bezug auf die Anwendung bestimmter Farben. Auch hier gibt es Differenzen und Konventionen, die es zu beachten gilt: Wo im Bereich Independent-Musik etwa gern düstere, entsättigte Töne in Kombination mit einer vorherrschenden Signalfarbe zur Anwendung kommen, bevorzugt man es anderswo gern farbenfreudiger – etwa im Bereich Heavy Metal, wo Rot, Schwarz, Orange und Gelb oft in Kombination für die richtige Highway-to-Hell-Farbstimmung sorgen.

Farbkontraste

Was ist der Unterschied zwischen Farbpsychologie und Farbkontrast ? Zugespitzt formuliert, ist der Psychologie die Art und Weise, wie Farben genau miteinander kombiniert werden, egal. Umgekehrt verhält sich die Kontrastfrage völlig neutral gegenüber ihrem Gegenstand. Der Kontrast ist lediglich der zielorientierte Berater, der unterschiedliche Angebote für die Umsetzung einer bestimmten Idee unterbreitet. Allerdings gibt es einen bedeutsamen Berührungspunkt zwischen beiden: die Unterscheidung zwischen kalten und warmen Farben. Kalte Farben – also das Spektrum zwischen Grün und Blau – wirken optisch ferner; der niedrigen Kelvin-Temperatur entsprechend wirken diese Farben kühl oder kalt. Die kälteste Wirkung entfaltet übrigens Türkisgrün – beziehungsweise sein Computerfarben-Äquivalent, das bereits aufgeführte Aqua. Warme Farben – also Rot, Orange und Gelb, aber auch Magenta und Purpur – wirken hingegen warm: ein Grund vielleicht, warum sie psychologisch gesehen eher für aktive Komponenten stehen.

Was genau jedoch sind Farbkontraste ? Die Gestaltungslehre kennt ungefähr ein Dutzend unterschiedliche Kontrastarten. Über die genaue Anzahl und über das, was als eigenständiger Kontrasttyp durchgeht, gibt es unterschiedliche Ansichten. Allgemein gebräuchlich sind folgende: Hell-Dunkel-Kontraste, Kalt-Warm-Kontraste, Bunt-Kontraste oder Farbe-an-sich-Kontraste, Komplementärfarben-Kontraste, Qualitäts- oder Sättigungs-Kontraste sowie Bunt-Unbunt-Kontraste. Ergänzend hinzu kommen Kontraste, die aus einem der bereits aufgeführten ableitbar sind. Beispiel: Monochrom-Kontraste als besondere Variante von Hell-Dunkel- oder Sättigungs-Kontrasten. Eine weitere Untergruppe sind Farbkontraste, die auf unterschiedlicher Materialbeschaffenheit basieren. Beispiel: Glanz-Matt-Kontraste. Andere basieren auf optischen Täuschungen. Simultankontraste zum Beispiel bauen auf der Erkenntnis auf, dass Farben durch umliegende Farben beeinflusst werden. Ein gelber Text auf einer roten Hintergrundfläche wirkt leicht gelbrot, derselbe Text auf einer grünen Hintergrundfläche hingegen leicht gelbgrün. Im Grunde genommen sind auch Bildraster nichts anderes als technisch perfekte Umsetzungen des Simultankontrast-Prinzips. Wohninterieur- und Textilgestalter machen sich dieses Prinzip ebenfalls regelmässig zunutze. Gestaltungselement: eine Fläche, die sich aus kleineren, farblich unterschiedenen Gestaltungselementen zusammensetzt. Wirkung: Aus der Ferne betrachtet, ergibt sich ein einheitlicher Farbeindruck; Die unterschiedlichen Details gibt erst der Blick aus genügender Nähe preis. Eng mit dem Simultankontrast verwandt ist der Qualitäts- oder Mengenkontrast. Platziert man vereinzelte Farbspots in eine weniger farbige Umgebung, wirken die Farbspots umso auffälliger – obwohl sie mengentechnisch wenig ins Gewicht fallen. Klassisches Beispiel: Signalfarbene Logo- oder Headline-Message in Schwarzweiss gehaltener Bildumgebung.

Die Mehrzahl der klassischen Farbkontraste geht auf den bekannten Bauhaus-Gestalter Johannes Itten zurück. Einige der aufgeführten stammen nicht von ihm; ob der Simultankontrast oder der Mengenkontrast Farbkontraste im eigentlich Sinn des Begriffes sind, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Welcher Kontrast für was gut ist, hängt von der anstehenden Aufgabe ab. Regel Nummer eins: Nicht jeder Kontrast eignet sich für alle Publikationen. Beispiel Hell-Dunkel-Kontrast: Im Rahmen von Layouts tendiert diese Form der Kontrast­gestaltung fast zwangsläufig zu klaren Ansagen. Da dies fast immer auch eine polarisierende Wirkung zur Folge hat, ist dieser Kontrasttyp für Schöngeistiges beziehungsweise Besinnliches weniger geeignet. In Form des Schwarz–Weiss-Kontrastes hat dieser Kontrast seine Domäne übrigens nach wie vor in der Texttypografie. Eine weitere Variante des Hell-Dunkel-Kontrastes ist der Glanz-Matt-Kontrast. Die drei geläufigsten Farbkontraste dürften der Komplementär-, Monochrom- sowie der Kalt-Warm-Kontrast sein. Die Prinzipien sind einfach: Während bei komplementären Farbkontrastgebungen Farben ausgewählt werden, die sich im Farbkreis gegenüberstehen (also: Blau und Gelb, Rot und Cyan, Magenta und Grün), beschränkt man sich bei monochromen Kontrasten bewusst auf Nuancen einer Hauptfarbe. Merkmal von Kalt-Warm-Kontrasten ist, wie der Name schon sagt, das bewusste Gegenüberstellen von kalten und warmen Farben. Oft anzutreffen ist diese Kontrastform im Bereich Esoterik, wo generell oft das Regenbogenfarben-Spektrum zur Anwendung kommt.

Im Unterschied zu den bisher besprochenen spielen die restlichen Kontrasttypen nicht mit dem Gegensatz zwischen Hell und Dunkel sowie der Anordnung von Farben im Farbkreis, sondern mit der unterschiedlichen Leuchtkraft. Eine Sonderrolle nehmen dabei Bunt-Kontraste ein. Typisches Merkmal von Bunt-Kontrasten ist ihr farbenfroher Eindruck. Bunt-Kontraste wirken mondän, optimistisch und ausdrucksstark. Umgekehrt wohnt dieser Kontrastform jedoch unbestreitbar eine Tendenz zum Kindlichen inne. Bunt-Unbunt-Kontaste hingegen, also Kontraste zwischen gesättigten und ungesättigten Farben, eignen sich für ein äusserst breites Gestaltungsspektrum. Die Spotfarbe in der schwarzweissen Werbeanzeige gehört ebenso in diese «Kontrastschublade» wie Plakate für Club-Konzerte oder Publikationen in farblich eher gedeckten Tönen. Da der gemeinsame Nenner sehr weit gefasst ist, kann mit dieser Art Kontrast sowohl eine bewusst urbane als auch eine bewusst bodenständige Wirkung anvisiert werden. Die Mehrzahl aller Gestaltungen lässt sich nicht eindeutig auf einen Kontrasttyp zurückführen, sondern ist – mehr oder weniger – das Ergebnis eines Kompromisses. Form follows Function: Im Zweifelsfall ist die Hauptregel des Gestaltens wichtiger als die Eins-zu-eins-Umsetzung eines theoretischen Konzepts nach dem Motto: «Ich möchte unbedingt einen Komplementärfarbenkontrast aufbauen.»

Möglichkeiten und Beschränkungen

Auch programmseitig ist der Anwender beim Zusammenstellen harmonischer Farbkombinationen nicht ganz auf sich allein gestellt. Die Creative-Suite-Programme enthalten seit einigen Versionen eine Farbhilfe, welche es ermöglicht, Farbfelder-Sets nach farbharmonischen Kriterien zusammenzustellen. Die Kuler-Extension ist nicht nur in InDesign, Photoshop und Illustrator präsent, sondern auch im Web. Ähnlich aufgebaute Farbhilfen findet man auch anderswo in Internet. Farbhilfen können zwar bei der Anwendung der im letzten Abschnitt besprochenen Farbkontraste nützliche Dienste leisten. Die Frage, welche Farbkombination für welchen Anlass und für welche Zielgruppe geeignet ist, vermögen sie allerdings (noch) nicht zu beantworten. Was tun ? In vielen Fällen hilft einfache Neugier – der Blick auf vergleichbare Publikationen und Websites. Das Indizieren von Bildfarben sowie das Extrahieren entsprechender Farbfelder-Sets können unter Umständen ebenfalls dazu beitragen, kreative Blockaden aus dem Weg zu räumen.

Fazit

Signalrot, nach Standardrezept angemischtes Reinblau (100 C + 100 M = Blauviolett) sowie unterschiedliche Abstufungen von Neutralgrau müssen nicht die einzigen «Ideen» sein, wenn es darum geht, eine Publikation mit Farben anzureichern. Allerdings geht nicht jede Farbe in jeder Situation. Die wichtigsten Beschränkungen betreffen die Farbgestaltung von Text – genauer: Text in Grundschrift-Grössen. Die Regel «schwarzer Text auf weissem Untergrund» ist nicht nur den Zeiten geschuldet, als Druck in schwarzer Farbe die einzige (erschwingliche) Option war. Schwarz auf Weiss ist auch der denkbar grösste Kontrast. Da es beim Lesen zuvorderst auf eine möglichst unabgelenkte, verlustarme Aufnahme des Textinhalts geht, hat sich diese Konvention nicht nur im Print-Bereich weitestgehend erhalten. Auch Webseiten präsentieren ihre Textinhalte meist in schwarzer Schrift. Der Untergrund dabei muss nicht zwingend reinweiss sein. Aus leseergonomischer Sicht ist leicht angegilbtes, also beigefarbenes Papier, wie man es von Büchern kennt, besser als stark lichtreflektierendes, reinweisses Papier. Dasselbe gilt auch für die Darstellung von Sites auf Bildschirmen. Umgekehrt gilt jedoch der Erfahrungswert, dass Farbkontraste auf gestrichen-weissem Papier kaum zu toppen sind. Noch besser sieht es mit Gestaltungen aus, die vorwiegend oder ausschliesslich für den Monitor bestimmt sind. Vorteil hier: die insgesamt bessere Leuchtergonomie von Monitoren. Kaum noch vonnöten sind heutzutage Paletten mit websicheren Farben. Da Bildschirme in Sachen Farbdarstellung heute weitaus differenzierungsfähiger sind als frühere Modelle, dürfen auch Gestalter richtig Gummi geben.

Eine Eigenheit haben Drucksachen und Websites allerdings auch zukünftig gemein: Den Gesetzen des Qualitätskontrasts gemäss wirkt Negativschrift stets einen kleinen Tick fetter, als sie in Wirklichkeit ist. Typografisch gesehen bedeutet dies, dass man Negativsatz optimieren muss: durch eine leichte Erhöhung der Laufweite. Dies konterkariert den (zu) engen Eindruck, den die erhöhte Strahlkraft des hellen Textes auf dem dunklen Untergrund verursacht. Was den Faktor Aufmerksamkeitssteigerung durch Kontrasterhöhung anbelangt, ist Negativschrift ein beliebter Eyecatcher. Aufmerksamkeit bedarf schliesslich auch die Behandlung von zu geringen Kontrasten, konkret: farbiger Text auf farbigen Hintergründen. Als Faustregel gilt: Kleine Schriftgrade und Text in Farbe vertragen sich generell schlecht. Ansonsten gilt: Am besten funktioniert die Kombination Textfarbe plus Hintergrundfarbe dann, wenn eine der beiden Komponenten die Farbanteile der anderen mit enthält. Andernfalls ist die Chance gross, dass beim Druck überfüllt werden muss. An und für sich sind Überfüllungen zwar kein Beinbruch. Allerdings bewirken sie stets eine minimale Weichzeichnung des Textbildes. Gestalterisch gesehen sollte man sich so die Frage stellen: Bin ich bereit, diesen Qualitätsabstrich für eine spezielle Farbkombination in Kauf zu nehmen ? Bei Webdesigns spielen Überfüllungen naturgemäss keine Rolle. Allerdings sollte man auch bei Online-Texten zu kleingliedrige oder zu kontrastarme Farbkombinationen vermeiden.

Mit welchen Mitteln lassen sich Farbkontraste zusätzlich steigern ? Die Antwort: durch den Einsatz von Tiefschwarz (= durch zusätzliche CMY-Anteile angereichertes Druck-Schwarz), mit Spot-Lackierungen, unterschiedlichem Material, unterschiedlichen Beschichtungen, durch Stanzung, die Verwendung unterschiedlicher Materialien, durch den Einsatz alternativer Druckverfahren wie zum Beispiel Fünf- oder Sechsfarbendruck sowie das Hinzuziehen einer Sonderfarbe – beispielsweise aus der Pantone-Farbpalette. Entsprechende Techniken kommen übrigens bei der Gestaltung der Publisher-Titelseite regelmässig zum Zug. Der Einsatz zusätzlicher Druckfarben (beispielsweise eines leuchtenden Blautons) kann zwar die haptische Wirkung einer Drucksache deutlich erhöhen – ein Grund, warum derart hochwertige Verfahren vor allem in der Produktverpackung zum Zug kommen. Anwenden müssen Mediengestalter ihre Farbkontraste allerdings im Rahmen der Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen. Dass man auch mit nur zwei Druckfarben farblich ansprechende Publikationen gestalten kann, stellen zahlreiche Low-Budget-Grafikdesigns unter Beweis. Was zusätzlich die Regel bekräftigt, dass nicht nur die eingefahrenen Wege zum Ziel führen.

Farbmodelle

RGB

Beim RGB-Farbmodell (additive Farbmischung) handelt es sich um Lichtfarben. Grundfarben sind Rot, Grün und Blau; alle drei zusammengemischt ergeben Weiss. In der Bildbearbeitung ist RGB Standard.

CMYK

Anders als RGB ahmt das CMYK-Modell die Eigenschaften lasierender Druckfarben nach (subtraktive Farbmischung). Die Grundfarben Cyan, Magenta und Gelb ergeben zusammengemischt theoretisch Schwarz. Da dies in der Praxis nur unzulänglich funktioniert, behilft man sich mit der Zusatzfarbe Schwarz.

Lab (korrekt: CIE-Lab oder L*a*b)

Definiert Farben über die Faktoren Luminanz (Helligkeit) und Chrominanz. Letztere wird über zwei Farbkanäle bestimmt, die jeweils ein Komplementärfarbenspektrum enthalten (Magenta zu Grün und Gelb und Blau). Als Farbmodus spielt das Lab-Modell vor allem eine Rolle als medienneutraler Farbraum für Bilddaten.

HSB und HSL

Über die aufgeführten Modelle hinaus gibt es noch einige weitere Spezial-Farbmodelle wie zum Beispiel das XYZ- oder das YUV-Modell. Allerdings spielen sie bei der Gestaltung von Print-Publikationen oder Webseiten so gut wie keine Rolle.