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Umweltvertr�gliche Produktion von Printmedien � ein Ratgeber

Die grafische Industrie hat sich in den letzten Jahren schweizweit zu einer der umweltfreundlichsten gewandelt. Die CO2-Emissionen und deren Äquivalente zu kompensieren, ist Tagesgeschäft der Druckdienstleister. Das Mass an Umweltfreundlichkeit wird jedoch von der Konzeption, der Gestaltung und der Auswahl der Produzenten bestimmt.

Mark Reuter Über die Zunahme von Treibhausgasen wie CO2 und die Veränderung des Klimas spricht jeder. Weniger ist uns die schleichende Verschmutzung der Luft mit Schadstoffen bewusst.

Schadstoffe werden über die Verbrennung von Kehricht, der Gesamtheit aller nicht recycelbaren Abfälle, in unsere Atemluft emittiert. Der Schadstoffanteil von Produkten und die Menge der CO2-Emissionen werden bei der Konzeption und der Materialbeschaffung festgelegt.

Die Gewinnung von Frischfasern und die Herstellung von Papier benötigen sehr grosse Mengen Wasser und Energie. Der Einsatz von Recyclingfasern schont die Ressourcen Wald, Wasser sowie Energie und vermindert den Schadstoffeintrag.

Es gilt zu handeln – nicht nur aus ethischen Überlegungen. Der Grundsatz, alle Ressourcen so schonend wie möglich zu behandeln respektive zu verwenden und damit nachfolgenden Generationen ein Leben frei nach deren Wunsch und ohne Einschränkung durch fehlende Ressourcen zu gewährleisten, gebietet eine bestmögliche nachhaltige, umweltfreundliche Produktion. Der Prozess «Produktion» beginnt in der Produktkonzeption, im Wald und im Zellulosewerk.

Eine umweltverträgliche Produktion wird nachhaltig, wenn in allen Prozessschritten CO2-Emissionen so stark wie konzeptionell und technisch möglich vermieden oder reduziert werden. Die Produktion ist klimaneutral, wenn nicht reduzierbare CO2-Emissionen mit Zertifikaten kompensiert werden.

«Nachhaltig» wird heute inflationär für ein Sammelsurium von Begriffen benutzt. «Nachhaltig» wird in diesem Beitrag im Sinne des Begriffsschöpfers Hans Carl von Carlowitz sowie im Sinne des modernen Drei-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit (Ökologie – Ökonomie – Soziales) verwendet.

Konzeption und Gestaltung

Nationale und internationale Unternehmen bekennen sich zunehmend öffentlich zu einer Strategie der Nachhaltigkeit. Eine nachhaltige Konzeption und Gestaltung (EcoDesign) prägen das umweltfreundliche, schadstoffarme sowie klimaneutrale Printprodukt. Ökologie und Ökonomie werden mit gutem Design vereint – das Ergebnis ist ein originelles Druckprodukt, welches auffällt.

Papierwahl – bilanzentscheidend

70 bis 80 Prozent der CO2-Emissionen eines Printproduktes werden in der Regel vom Papier verursacht. Die Wahl einer emissionsarmen Sorte kann den Anteil des Papiers an der CO2-Bilanz auf 30 bis 40 Prozent senken. Die Papierwahl ist demzufolge für die Umweltfreundlichkeit des Produktes entscheidend.

Papier wird aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und lässt sich gut recyceln. Aus und mit nachhaltigen Quellen erzeugt, ist Papier umweltfreundlich. Eine Kreislaufwirtschaft innerhalb von Zellstoff- und Papierkonzernen sowie Labels wie FSC und Blauer Engel zeugen davon.

PCF-Recyclingpapier (siehe Seite 40 oben) erfüllt im Vergleich zu Frischfaserpapier den Anspruch der Nachhaltigkeit vollumfänglich und ist daher zu bevorzugen.

Gibt es keine produkt- und produktionstechnischen Gründe zur Verwendung eines Frischfaserpapieres, ist das Printprodukt mittels Ausgleich der CO2-Emissionen zwar klimaneutral gestellt, begibt sich jedoch an den Rand des Greenwashing. Der Grundsatz, umweltbelastende Faktoren so weit wie möglich zu vermeiden und ausschliesslich den Rest, jene nicht reduzierbaren CO2-Emissionen, zu kompensieren, wurde missachtet.

Nachhaltig und chlorfrei

Neben dem Zeichen des Forest Stew­ardship Council (FSC) gibt es derzeit kein vergleichbar anspruchsvolles Forstzertifizierungssystem. Paritätisch steht Der Blaue Engel für schadstofffreie und emissionsarme Recyclingpapiere.

Papier aus 100 Prozent TCF-Zellstoff (totally chlorine free) garantiert eine chlorfreie Papierproduktion sowie Abwässer, Abluft und Abfälle ebenfalls frei von Chlor und verschleppt keine Chlorverbindungen in das Recyclingpapier.

Recyclingpapier aus 100 Prozent PCF-Fasern (process chlorine free) garantiert eine chlorfreie Bleiche des Recyclingzellstoffs. TCF-Recyclingpapier ist nicht möglich, da chlorfreie und chlorhaltige Papiere bei der Altpapiersammlung nicht getrennt werden können.

Für ECF-Zellstoff (elemental chlorine free) werden in der Produktion chlorhaltige Verbindungen verwendet. Die ECF-Produktion kann Flüsse, Abluft, Abfälle und Recyclingpapier mit Chlor belasten.

Unabhängige Organisationen wie der WWF gewähren mit Paper Profiles eine transparente Bewertung der Nachhaltigkeit eines Papiers.

Einzig die Bewertung der Transportwege und Transportmittel bis zur Druckerei müssen vom Nutzer von Sorte zu Sorte gegeneinander abgewogen werden.

Material und Produktion

  • Farbe: Nachwachsende Rohstoffe und die Vermeidung von Schadstoffen sind auch hier umweltrelevante Aspekte. Schadstoffe und Öle gelangen über Altpapier in die Recyclingware und schliesslich durch Migration in Lebensmittel. 2011 wurde in Nudeln Mineralöl, aus der Recyclingverpackung stammend, festgestellt.
  • Lack: Dispersions- und UV-Lack benötigen zur Trocknung grosse Men­gen Energie. Infolgedessen erhöht Lack die CO2-Negativbilanz des Drucks wesentlich. Jeder Lack erschwert oder verunmöglicht den Recyclingprozess, schleppt unter Umständen kanzerogene Stoffe wie beispielsweise Kobaltverbindungen (Trockenstoffe) in die Recyclingmasse ein. Vollflächig aufgetragen verändert Lack die Wirkung des Papiers in Haptik und Optik bis zur Unkenntlichkeit der Papiersorte.

Vollflächiger Lack als Schutz ist sinnvoll, wenn durch Erhöhung der Produktlebensdauer eine Ersatzproduktion vermieden wird – eine Alternative zur Laminierung. Eine Spotlackierung, geschickt als gestalterisches Mittel eingesetzt, sollte sparsam und mit geringem Flächenanteil erfolgen.

  • Veredeln: Wenn nicht aufgrund einer höheren Response-Rate die Auflage gesenkt oder auf eine Nachauflage infolge der Erhöhung der Produkt­lebensdauer verzichtet wird, sollte eine Veredlung vermieden werden.

Laserstanzung ausgeschlossen, be­steht bei jedem Verfahren die Gefahr, dass mit den Materialien Schadstoffe in das Produkt eingebracht und diese in den Recyclingstoff verschleppt werden.

Papier oder Karton mit Laminierung kann nicht recycelt werden und hinterlässt bei der thermischen Verwertung je nach Material der Laminierung Schadstoffe.

  • Binden: Eine Bindung soll nicht länger, aber auch nicht weniger lang halten als die vorgesehene Lebensdauer des Produktes. Entscheidend für Umwelt und Recycling ist, dass die Bindung schadstofffrei ist, sich unproblematisch löst, Bindungsbestandteile leicht abgeschieden werden können und nicht den Recyclingprozess stören.

Drahtbindungen erfordern in der Produktion geringen energetischen Aufwand, sind sehr haltbar und lassen sich im Recyclingprozess gut der Pulpe (Faserbrei bei der Stoffaufbereitung) entnehmen. Bei einer Fadenheftung ohne Klebstoff verhält es sich ähnlich. Alle Bindungen mit Klebstoff erfordern im Recycling einen höheren Aufwand, da die Reste der Bindung von der Pulpe aufwändig getrennt werden müssen sowie die Gefahr einer Verstopfung der Filter besteht.

Produktion

Nachhaltiges Drucken ist nur mit optimiertem Produktionsprozess (PSO) glaubwürdig. Erst Energieeffizienz, zertifizierte Umwelt- und Qualitätsmanagementsysteme und Papiere aus nachhaltiger Forstwirtschaft machen klimafreundliches Drucken bei Kunden zu einem glaubwürdigen Angebotsvorteil. Das «Integrale Management-Handbuch» des VSD ist die Basis für die wichtigsten Zertifizierungen, welche die Nachhaltigkeit eines Unternehmens sicherstellen.

Green Logistic

Emissionen aus Transportwegen kennzeichnen die CO2-Bilanz eines Produktes.

Logistik beginnt bei der Entscheidung über eine zentrale oder dezentrale, verteilte Printproduktion und ist Teil des gesamten Planungs- und Produktionsprozesses. Daher ist die Frage der Logistik bereits während der Konzeption zu stellen.

Kompensation

Die Kosten für CO2-Zertifikate betragen 0,5 bis 2 Prozent der Gesamtkosten eines Druckauftrages.

Die Kompensation stellt eine umweltfreundliche Produktion klimaneutral. Eine klimaneutrale Produktion wird jedoch erst durch die Integration anderer Aspekte des Umweltschutzes glaubwürdig: Dazu gehören Energieeffizienz, Papiere aus Recyclingfasern oder aus nachhaltiger Forstwirtschaft sowie zertifizierte Umwelt- und Qualitätsmanagementsysteme.

Die Kompensation erfolgt als Zertifikat je Tonne CO2. Der entsprechende Geldwert wird für Projekte eingesetzt, welche CO2-Emissionen durch Reduzierung oder Speicherung von CO2 – oft mittels regenerativer Energie oder Aufforstung – vermeiden.

Projekte, die gemäss dem Gold Standard zertifiziert sind, werden empfohlen, da bei diesen der soziale Aspekt – eine Grundsäule der Nachhaltigkeit – garantiert ist. Der Gold Standard wurde unter Mitwirkung des WWF entwickelt.

Für Projekte in Schwellen- oder Entwicklungsländern besteht aufgrund steigender CO2-Emissionen und eingeschränkter finanzieller Möglichkeiten strukturschwacher Gegenden dringend Handlungsbedarf. Der soziale Aspekt von Zertifikaten kommt dort, beispielsweise durch eine verbesserte Versorgung der Landbevölkerung mit Strom, zum Tragen.

Swiss Climate, myClimate, Climate­Friends Schweiz sowie ClimatePartner bieten Schweizer Unternehmen Beratung im Bereich nachhaltiger Prozesse und geben Unterstützung bei der Wahl eines Kompensationsprojektes. Druckereien, deren Produktion mit «Klima­neutrales Drucken» auditiert wurde, haben Zugriff auf Kompensationszertifikate.

Fazit

«Klimaneutrales Drucken verändert die Medienlandschaft nachhaltig. Immer mehr Unternehmen fordern verantwortungsvoll hergestellte Druckprodukte. Mit nachhaltigen und klimafreundlichen Druckprozessen bietet sich Druckereien die Chance, einen hochwertigen Kundenkreis effizient anzusprechen. Der Klimawandel ist eines der dringlichsten Themen unserer Zeit. Politik, Wirtschaft, Nationen, Institutionen und Unternehmen – Klimaschutz bewegt alle. Die Notwendigkeit, die CO2-Emissionen weltweit zu reduzieren, ist unstrittig. Die Chancen, sich zu engagieren, sind gegeben, ebenso wie der Nutzen über die Emissionsreduzierung hinaus, etwa in der Unternehmens- und Marketingkommunikation», resümiert René Theiler, der Umweltverantwortlichebeim VSD.

Indikatoren nachhaltiger Printmedien

EcoDesign:
  • optimale Erfüllung des gewünschten Nutzens
  • exzellentes Design
  • minimaler Einsatz von Ressourcen, Energie und Fläche
  • Minimierung des Schadstoffeinsatzes und -ausstosses
  • Minimierung der Abfälle
  • Lebenszyklusdenken von der «Wiege bis zur Bahre» (Cradle to Grave) und von der «Wiege bis zur Wiege» (Cradle to Cradle)
Papier:

1. Recyclingpapier, 100% PCF

  • Blauer Engel
  • FSC Recycling

2. Frischfaserpapier, 100% TCF

  • FSC
Offsetdruckfarben und Drucklack:
  • auf Basis nachwachsender, pflanzlicher Rohstoffe (100 Prozent mineralölfrei)
  • nachwachsende, pflanzliche Rohstoffe in keiner Konkurrenz zu Lebens­mitteln – keine Flächenkonkurrenz
  • frei von kanzerogenen Bestandteilen wie beispielsweise Schwermetallen und Kobaltverbindungen
  • frei von VOC
Lack:
  • kein vollflächiger Lack zur Vereinfachung des Druckprozesses
  • ausschliesslich zur Erhöhung der Produktlebensdauer
  • zur Erhöhung der Response-Rate und damit zur Senkung der Auflagenhöhe
Veredlung:
  • ausschliesslich zur Erhöhung der Produktlebensdauer
  • zur Erhöhung der Response-Rate und damit zur Senkung der Auflagenhöhe
Bindung:
  • entsprechend Produktlebensdauer (Haltbarkeit nicht kürzer oder länger)
Printdienstleister:
  • Integrales Management-Handbuch (ISO 14001, ISO 9001, PSO, FSC-Zertifizierung, klimaneutrales Drucken, EKAS 6508)
  • IPA-arme (
  • VOC-freie Reinigungs- und Hilfsmittel
  • Prozesswärmerückgewinnung
  • Nutzung von Erd- und Solarwärme
  • Strom aus regenerativen Quellen
  • Wärmeisoliertes Gebäude, beispielsweise nach Minergie-Standard
  • Lichtmanagement
  • Schnellcheck:

  • VSD Öko-Portal Print: www.vsd.ch/de/das-angebot/umweltschutz/oeko-portal-print/
  • Green Logistics:
  • dezentrale, verteilte Printproduktion (Vermeidung von Emissionen durch Transportwege)
  • Transport- und Logistik-Unternehmen mit Zertifizierung nach EMAS oder ISO 14001, welche klimakompensiert agieren
  • Fuhrpark nach EURO6-Norm, Verwendung von Biodiesel, Hybridantrieb, Elektromobilität
  • Verlagerung auf die Schiene
  • Sendungsbündelung/Distributions- beziehungsweise Verteilungs­optimierung
  • Bevorzugung von Mehrwegsystemen gegenüber Einwegverpackungen
  • Minimierung von Verpackungsgrössen, Wegfall von Füllmaterial
  • Nachhaltige und glaubwürdige Kompensationszertifikate und -projekte:
  • extern geprüft (SQS, TÜV Süd u.ä.) nach anerkannten Standards
  • geprüfte CO2-Einsparung des Projekts
  • keine Doppelzählung der kompensierten CO2-Menge (vgl. regionale Projekte)
  • sichergestellte Stilllegung/Einlösung der Zertifikate
  • Gewährleistung der Additionalität – das Projekt kann nur mithilfe der zusätzlichen Finanzierung durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten umgesetzt werden.

1. Wahl: Recyclingpapier

  • besteht aus einer regionalen Rohstoffressource.
  • erfordert keine oder eine gering­fügige Abholzung von Bäumen.
  • spart im Vergleich zu Frischfaserpapier bis zu 60 Prozent Energie und bis zu 70 Prozent Wasser.
  • verursacht deutlich weniger Schadstoff- und CO2-Emissionen, verringert Abfälle und benötigte Chemikalien.
  • reduziert die Abwasserbelastung um bis das Zehnfache.
  • schützt unter anderem indigene Völker, denen die Nutzung des Rohstoffs Holz ihr wertvolles und über­lebensnotwendiges Land und ihre kulturelle Identität raubt.
  • ist heute vergleichbar mit Frischfaserpapier. Moderne Aufbereitungs- und Herstellungstechnologien garantieren gute Runability, Print­ability, Opazität, Reissfestigkeit und hohen Weissegrad.

Informationen

EcoDesign (Literatur) PapierSchweizer Hersteller, produzierte Sorten Papierprofile zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Papiersorten Beschreibung und Vergleich von Labels

www.fups.ch/papierlabels.php

Empfehlung des «Media Mundo Beirat für nachhaltige Medienproduktion»

Facts

  • Zeitunglesen erzeugt gemäss einer Studie 20 Prozent weniger CO2 als das Lesen der gleichen Inhalte im Internet. (Quelle: BVDM)
  • 54 Prozent der von der europäische Papierindustrie verbrauchten Energie stammen aus regenerativen Energiequellen. (Quelle: CEPI)

Ein Kilogramm bedrucktes Papier

Ungefähr zwei Kilogramm CO2 werden in einem optimierten Produktionsprozess beim Bedrucken von einem Kilogramm Papier emittiert. Das entspricht ungefähr:

  • 10 bis 15 Kilometern Fahrt mit einem Pkw
  • 1 Rindssteak Schweizer Herkunft

Der Autor

Mark Reuter ist Dipl.-Ing. (FH) für Druck- und Medientechnik. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die nachhaltige Produktion. Er hat für unterschiedliche Printdienstleister – KMU und Konzerne – Prozesse nachhaltig optimiert und ist Co-Autor eines Ratgebers für umweltfreundlichen Offsetdruck.