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Zu vermieten: Adobe Illustrator CC

Die neueste Version von Illustrator ist in der Adobe Creative Cloud als erzwungenes Mietobjekt verfügbar. Da und dort wurden Detailverbesserungen vorgenommen, die überarbeiteten Musterpinsel und die Textfunktionen stechen dabei besonders hervor.

Andreas Burkard Während In-Design CC und Photoshop CC kaum oder wenige Neuerungen zu verzeichnen haben, hat Adobe in das vektor­basierte Zeichnungsprogramm zahlreiche Verbesserungen und ein paar praktische Neuerungen eingefügt. Verbesserungspotenzial hat das Programm aber nach wie vor.

Neuerungen im Verknüpfen

Im Umgang mit Bildern sind etliche Neuerungen ausfindig zu machen. Bilder kann man verknüpft oder eingebettet platzieren. Neu ist in Illustrator, dass man eine Einbettung von Bildern wieder aufheben kann, auch wenn die Bilddatei nicht mehr vorhanden ist. Illustrator CC entnimmt dabei die Bilddatei dem Dokument, wandelt diese in ein Photoshop- oder optional in ein Tif-Format um.

Neu ist auch, dass Illustrator CC die Mehrfachplatzierung beim Bildimport unterstützt. So können mehrere Bilder ausgewählt werden. Man kann mit den Pfeiltasten wie in InDesign durch die Bildauswahl gehen. Mit der ESC-Taste wird ein Bild von der Auswahl entnommen. Letztlich kann man die Bilder direkt in einer gewünschten Grösse platzieren. Das ist zwar alles ganz praktisch, doch es hätte auch weiter gehen können. In InDesign kann man im Kontaktabzug platzieren, also mit den Pfeiltasten Unterteilungen machen, sodass alle ausgewählten Bilder in die Rahmenzellen platziert werden. Diese hilfreiche Funktion fehlt leider (noch) in Illustrator CC.

Illustrator CC hat tiefer gehende Verknüpfungsoptionen als die Vorgängerversionen, welche ähnlich wie in InDesign direkt im Bedienfeld Verknüpfen gut sichtbar aufgeführt werden. Hilfreich ist dabei, dass Illustrator CC die Auflösungsinformationen eines Bildes preisgibt. So kann man immer die aktuelle Auflösung eines Bildes kontrollieren. Auch nicht proportionale Skalierungsinformationen werden nun aufgelistet.

Illustrator CC platziert auch Bilder mit Ebenenmasken. Die Ebenenmasken werden im Bedienfeld Verknüpfungenunterhalb des verknüpften Bildes aufgeführt.

Daneben kennt Illustrator CC nun auch den Befehl Verpacken für die sichere Dateiweitergabe und die Archivierung. Damit werden Schriften und alle platzierten Bilder zusammen mit dem Illustrator-Dokument automatisch in einen Verpackungsordner kopiert.

Das schnelle und kreative Bild­rahmenkonzept von Objekt und Inhalt aus InDesign wurde leider nicht in Illustrator eingeführt. Illustrator kennt dazu das umständliche Maskenprinzip.

Pixelpinsel

Die wohl herausragendste Verbesserung hat Adobe in Illustrator CC bei den Pinseln vorgenommen. Neu ist es möglich, Pixelbilder in Pinsel miteinzubeziehen. Das liest sich vielleicht nach wenig, doch dadurch entstehen ganz neue kreative Möglichkeiten.

Erweiterte Bildpinsel

Um einen Pixelpinsel zu erstellen, platziert man in Illustrator CC als Erstes ein Bild. Man kann dazu alle gängigen Bildformate als Bildpixel verwenden. Bilder müssen aber eingebettet sein, um als Pinsel Verwendung zu finden. Das Einbetten von Bildern kann seit vielen Illustrator-Versionen direkt im Platzieren-Fenster vorgenommen wer­den. Dazu deaktiviert man dort die Option Verknüpfen. Alternativ kann man Bilder in den Optionen des Be-dienfeldes Verknüpfen mit dem Befehl Eingebettete Bilder einbetten.

Bilder mit Ebenenmasken können nicht als Bildpinsel verwendet werden. Hingegen kann ein Bild auf einem transparenten Hintergrund liegen und als Pinsel verwendet werden, wie dies beispielsweise bei einem Freisteller im Photoshop- oder Tif-Format der Fall ist.

Das eingebettete Bild zieht man danach ganz einfach in das Bedienfeld Pinsel. Nun stehen verschiedene Pinselarten mit unterschiedlichen Op­tionen zur Auswahl. Beim Bildpinsel wird mit dem Pinselwerkzeug, dem Buntstift oder dem Pfadwerkzeug das Bild entlang des Pfades aufgetragen. Wählt man in den Optionen des Bildpinsels Proportional skalieren, so erhält man bei unterschiedlichen Pfadlängen grosse und kleine Objekte entlang des Pfades. Aktiviert man An Konturlänge anpassen, wird das Objekt abhängig von der Pfadlänge verbreitert oder verschmälert.

Zieht man ein Pixelbild in das Bedienfeld Pinsel und wählt Spezialpinsel, so wiederholt sich das Pixelbild entlang der Pfadform und ist abhängig von der Pfadlänge.

Verbesserter Musterpinsel

Auch ein Musterpinsel kann nun aus einem Pixelbild bestehen. Musterpinsel tragen ein aus einzelnen Musterelementen bestehendes Muster auf, welches sich entlang des Pfades wiederholt. Das Knifflige bei Musterpinseln sind die Ecken. So können Musterpinsel bis zu fünf Musterelemente enthalten: für die Kanten, die innere Ecke, die äussere Ecke, den Anfang und das Ende des Musters.

Neu ist, dass sich nun die Kanten selbst bilden können. Bei den Ecken und Längen kann man jetzt die Auswirkungen der Musterelemente in einer Vorschau sehr gut verfolgen. Die neue Option Automatisch generierte Eckmusterelemente einblenden > Automatisch zentrieren hilft bei geometrischen Objekten, die Eckanschlüsse harmonisch einzufügen. Diese Verbesserung hilft tatsächlich, die anspruchsvollen Musterpinsel mit logischen Eckenmustern zu gestalten.

Punkt- und Flächentext

Ein Klick mit dem Textwerkzeug genügt, um Text zu schreiben. Diese Methode nennt man Punkttext. Das Aufziehen eines Rahmens macht Flächentext. Man kann auch ein Rechteck oder andere Formen in einen Textrahmen unterteilen. Dazu kennt Illustrator das Flächentext-Werkzeug. Einen solchen Rahmen kann man auch in Zeilen und Spalten unterteilen. Hier verwendet man aus dem Menü Schrift > Flächentextoptionen. Das war in Illustrator zwar immer schon so, stiftete jedoch oft Verwirrung. Ein unbedachtes Ziehen am Rahmen eines Punkttextes skaliert und staucht die Schrift. Bei einem Flächentext bewirkt ein Ziehen am Rahmen, dass sich nur der Rahmen in der Grösse ändert.

Neu ist, dass Illustrator CC einen Punkttext mit einem Doppelklick auf ein auf der rechten Seite befindliches Kreissymbol in einen Flächentext konvertieren kann. Der Flächentext kann über ein gefülltes Kreissymbol in einen Punkttext umgewandelt werden.

Diese Methode ist nützlich und fügt sich zeitsparend in einen Arbeitsprozess mit Texten ein.

Tanzender Text

Ein neues Werkzeug, das Touch-Type-Werkzeug, erlaubt es, jeden Buchstaben eines Textes zu skalieren und zu drehen. Text bleibt Text. Doch bei einer neuen Texteingabe gehen die individuellen Buchstabentransformationen verloren. Das Werkzeug zeigt einmal mehr, wie Adobe durch viele Detailverbesserungen die Anwender bei der Stange zu halten versucht. All diese Texteffekte konnte man bereits relativ einfach in den Vorgängerversionen machen. Man konnte Text in Pfade umwandeln oder auch einzelne Buchstaben verwenden, um solche Spielereien zu erstellen. Das hatte erst noch den Vorteil, dass man sich vorgängig in der Regel ein paar Gedanken machen musste, ob das überhaupt Sinn macht. Je einfacher eine Methode, desto unbedachter wird diese angewandt. Unpassende Touch-Type-Werkzeug-Effekte werden uns wahrscheinlich noch oft vor Augen geführt. So ermüdet folglich dann dieser Effekt sehr schnell. Dann doch besser erst konzeptionell nachdenken …

Weitere kleine Optionen runden den an sich positiven Gesamteindruck im Umgang mit Text ab. Generell lässt sich feststellen, dass die Arbeit mit Text spürbar schneller geworden ist.

Erweitertes Transformieren

Im Menü Objekt > Transformieren stehen die Transformationsvorgänge in Dialogfenstern zur Verfügung. Diese besitzen zwar alle eine Vorschau, doch sie hemmen oft den Arbeitsfluss. So hat Adobe im neuen Illustrator CC das aus früheren Versionen stammende und an sich nutzlose Werkzeug Frei transformieren komplett modernisiert. Die neuen Werkzeuge sind in vergrös­serter Form vorhanden, sodass diese auch gleich noch für Touch-Geräte zur Verfügung stehen.

Die neuen Transformationswerkzeuge können ausgewählte Objekte an jedem der vier Eckpunkte des Begrenzungsrahmens frei transformieren. Man kann ein Objekt perspektivisch verzerren, scheren, verschieben oder anhand eines frei definierbaren Drehpunktes drehen. Liebhaber von Tastenkurzformen können mit dem aktuell ausgewählten Transformierenwerkzeug auch alle anderen Transformationen ausführen. Vektorgrafik auswählen, die E-Taste drücken – los gehts …

Auch daran wurde gedacht …

In Illustrator ist es möglich, Webseiten zu gestalten. Neu können in einem CSS-Bedienfeld die Eigenschaften ausgewählter Objekte ausgeben werden.

In Illustrator CC kann man nun auch im Farbwähler nach Farben suchen.

Hilfslinien können direkt per Doppelklick in das Lineal auf die Zeichenfläche platziert werden. Drückt man dazu die Shift-Taste, werden die Werte auf gerade Masswerte gesetzt.

Die Separationsvorschau dient zur Kontrolle von Farbauszügen und Überdruckeneigenschaften. Optional einstellbar werden neu nur die verwendeten Volltonfarben angezeigt. In den Vorgängerversionen wurden alle angelegten Volltonfarben angezeigt. Im Menü Datei > Dokument einrichten kann eingestellt werden, ob Weiss überdrucken in Ausgabe ein- oder ausgeblendet werden soll. Wie auch in der Vorgängerversion hilft ein Warnsymbol im Bedienfeld Attribute, solche Objekte ausfindig zu machen.

Der Export zu AutoCAD wurde durch aktuelle Versionen erweitert. Mit gedrückter Alt-Taste kann man, wie in InDesign, temporär das Handwerkzeug zum Verschieben der Ansicht nutzen. Und das aufdringliche Perspektivenraster lässt sich mit der ESC-Taste ausblenden.

… und daran nicht

Illustrator ist ein erstaunlich weit entwickeltes Zeichnungsprogramm. Man arbeitet in einer von Adobe stetig weiterentwickelten und absolut hochwertigen Benutzerführung. Potenzial zu Verbesserungen ist aber dennoch vorhanden.

Die Ebenen sollten sich per Aktion wie in Photoshop ganz einfach ein- und ausblenden lassen. Dies liest sich vielleicht nach einer Bagatelle. Doch genau im Automatisierungsbereich fehlen solche Dinge. Sie behindern ganz empfindlich eine effiziente Lösungssuche.

Im Menü Objekt > Verlaufsgitter erstellen kann man einen Verlauf in ein Gitterobjekt mit verschiebbaren Gitterpunkten umwandeln. Illustrator CC macht wie die Vorgängerversionen aus einem Farbverlauf bloss ein schwarzes Gitterobjekt. Die Gitterpunkte sind aktuell nicht fähig, die Farben eines Verlaufs zu interpretieren.

Dann ist noch dieser Dauerbrenner: die veraltete Diagrammfunktion. Nichts, aber auch gar nichts wurde seit ganz vielen Version in diese Funktion investiert, dies obwohl hier ein grosses Bedürfnis besteht. Die Auslagerung zu einem eigenständigen Programm oder eine Diagrammintegration in InDesign wäre von ganz vielen Anwendern begrüsst worden. Stattdessen baut Adobe die Creative Cloud mit Produkten und Diensten aus, bei denen selbst eingefleischte Anwender nicht mehr recht wissen, wozu das Zeug da ist. Dies und die Tatsache, dass nur noch gemietet werden kann, trübt die grundsätzlich positive Weiterentwicklung.

Mietware

Ein mulmiges Gefühl überkam mich, als ich die ersten Cloud-Dokumente speicherte. Was ist mit meinen erstellten Dateien, wenn die Programmlizenz abläuft, nicht funktioniert oder wenn ich das Abo einmal nicht weiterpflege ? Ich empfinde Unbehagen, weil ich ohne Entscheidungsfreiheit in einen Prozess eingebunden werde, welchen ich nicht will. Viele Anwender und Entscheidungsträger aus ganz unterschiedlichen Bereichen möchten nach wie vor «greifbare» Produkte.

Die jetzige cloudbasierende Lizenzverwaltung ist der Beginn zu einer neuen Arbeitsweise. Eine grosse Herausforderung von Adobe ist es, mit ausgereiften Produkten den Erwartungen zu entsprechen. Für das börsengetriebene Unternehmen Adobe ist die Cloud ein hoffnungsvoller Nährboden zu stetig mehr Umsatz. Im ersten Schritt geht es Adobe vor allem darum, mit ihren vielen verlängerten Armen, die Anwender rasch in die Cloud zu kriegen. Die diversen gebührenpflichtigen Dienste werden dann zügig ausgebaut. In fünf Jahren oder mehr wird es uns nicht mehr möglich sein, unsere Dateien lokal zu speichern. Danach ist gar ein Modell denkbar, das die Verwendung unserer Daten kostenpflichtig macht. Dass an solchen Szenarien gearbeitet wird, daran zweifle ich keine Sekunde. Die zentrale Frage ist eigentlich nur noch, ob und wie sich Adobe selber entwickeln kann.

Funktional betrachtet ist Illustrator ein faszinierendes Programm. Emotional gesehen habe ich mich jedoch von Illustrator CC verabschiedet.

Der Autor

Andreas Burkard arbeitet in der Mediengestaltung und in der Ausbildung. Er macht individuelle Trainings und Beratung rund um das Thema Publishing für Print und Tablets sowie PDF-Lösungen. Er ist Kursleiter und Fachbereichsleiter Publishing der Digicomp Academy AG in Zürich, Bern, Basel, St. Gallen und Luzern.www.BurkardPublishing.ch