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Editorial: Adobe und Microsoft auf Kollisionskurs

Adobe und Microsoft auf Kollisionskurs

Während mehr als zwanzig Jahren konnte Adobe im PC-Softwaremarkt prosperieren, ohne dem Branchenprimus Microsoft in die Quere zu kommen. Als dann Microsoft vor gut einem Jahr ihre Pläne offenlegte, mit dem neuen Windows Vista einen eigenen Dokumentenstandard einzuführen, war klar, dass es mit dem einvernehmlichen Nebeneinander bald ein Ende haben würde. Das von Microsoft zusammen mit Global Graphics entwickelte XPS (XML Paper Specification, ursprünglicher Codename «Metro») verspricht Layouttreue durch Einbindung von Schriften, Bildern und Vektorgrafik und soll darüber hinaus auch Verläufe, Transparenzen und ICC-Farbmanagement unterstützen. Mit anderen Worten: XPS ist ziemlich unmissverständlich als Alternative zu PDF konzipiert!

Microsoft überraschte dann im letzten Oktober zusätzlich mit der Ankündigung, Office 2007 mit einer PDF-Exportfunktion auszuliefern. In der Ende Mai freigegebenen Public Beta von Office 2007 findet sich der PDF-Export interessanterweise im selben «save as»-Menü wie der XPS-Export. Damit wollte sich Microsoft wohl von vornherein gegen Wettbewerbsklagen bezüglich einer einseitigen Bevorzugung des eigenen Standards absichern.

Anfang Juni liess Microsoft dann zur Verblüffung der ganzen IT-Banche eine erste kleine Bombe im Kampf um die Vorherrschaft bei den Dokumentenstandards platzen: Office 2007 soll Ende Jahr ohne PDF-Export ausgeliefert werden. Und zwar, wie Microsoft gegenüber dem «Wall Street Journal» äusserte, weil Adobe mit einer Kartellklage gedroht habe, wenn Office 2007 mit Werkzeugen zur PDF-Erstellung ausgeliefert werde. Adobe habe verlangt, diese Funktion nur gegen Aufpreis anzubieten. Da man sich mit Adobe nach monatelangen Verhandlungen nicht habe einigen können, werde man – so Microsofts Darstellung – die PDF-Funktion weglassen, um eine termingerechte Auslieferung des Office-Paketes nicht zu gefährden.

In einschlägigen Foren, Blogs und Online-Magazinen wurde Adobe daraufhin mit Häme übergossen. Da habe man jahrelang PDF als einen für alle offenen Standard propagiert und jetzt lege man Microsoft Steine in den Weg, um mit Acrobat weiterhin selbst Kasse zu machen! Kurze Zeit später sickerte dann über den Blog eines Microsoft-Entwicklers durch, dass Microsoft den PDF-Export für Office nun doch anbieten werde, und zwar über einen Gratisdownload. Diese Funktion sei ein echtes Bedürfnis der Anwender und man wolle sich da von Adobe nicht in die Knie zwingen lassen: Adobe hat es, zumindest bis zur Drucklegung dieser Zeitschrift, verpasst, eine eigene Darstellung dieser Auseinandersetzung zu liefern.

Die erste Runde geht damit klar an Microsoft. Was hinter den Kulissen wirklich lief, weiss man nicht, aber das, was am Schluss herausschaut, dürfte perfekt in Microsofts Strategie passen: Man wird mit Windows Vista und Office 2007 «out-of-the-box» XPS-Dokumente erstellen können – nämlich über den Druckertreiber des Betriebssystems –, PDFs dagegen erst nach Download und Installation einer Erweiterung. Und an dieser für PDF nachteiligen Situation ist niemand anderer Schuld als Adobe selbst! Im Fussballjargon würde man hier wohl von einem Abprallereigentor zur 1:0-Führung der Mannschaft aus Redmont sprechen …

Mit dem für Ende Jahr angekündigten Acrobat 8 bietet sich für Adobe die Chance, dieses Resultat zu korrigieren: mit einer erweiterten Funktionalität, die dem Newcomer XPS definitiv den Schneid abkauft und einer Preispolitik, welche für die grosse Masse der Office-Anwender keine Hürde darstellt, das Original zu wählen.

Martin Spaar