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Test: Olympus C-1000L und Agfa ephoto 1280

Mit der Digitaltechnik werden ganz unerwartete Gerätedesigns möglich – doch nicht alle Hersteller setzen auf Science Fiction. Agfa stylt ihre neue Kamera, als ob der Jahrtausendwechsel schon hinter uns läge, währenddem Olympus auf traditionelles Aussehen setzt. Gute Bilder liefern aber sowohl ePhoto 1280 als auch Camedia C-1000L.

Mit der Digitaltechnik werden ganz unerwartete Gerätedesigns möglich – doch nicht alle Hersteller setzen auf Science Fiction. Agfa stylt ihre neue Kamera, als ob der Jahrtausendwechsel schon hinter uns läge, währenddem Olympus auf traditionelles Aussehen setzt. Gute Bilder liefern aber sowohl ePhoto 1280 als auch Camedia C-1000L.

Die Optik liess den Kamerabauern bis anhin keine grosse Wahl: Das Licht musste durchs Objektiv auf den Film fallen können und dabei ein scharfes Bild ergeben und basta. Doch seit CCDs anstelle von Zelluloid die Bilder fangen, sind viele Beschränkungen hinfällig: Nicht mehr die Physik ist der beschränkende Faktor, sondern die Fantasie der Gerätedesigner. Und die verlangt nach über einem Jahrhundert der Unterdrückung mit Vehemenz ihr Recht. So bei den Minolta-Entwicklern: Sie verpassten der Dimâge V ein abnehmbares Objektiv, mit dem es sich um die Ecke linsen lässt – Spione, Paparazzi und Väter kamerascheuer Töchter waren entzückt!

Klappe auf – Affe lebt!

Auch die Agfa-Ingenieure liessen ihrem Einfallsreichtum freie Bahn: Ihre neueste Digitalkamera ePhoto 1280 gleicht entfernt einer Pocketkamera – aber nur auf den ersten Blick. Die Kamera besteht ungewöhnlicherweise aus zwei Elementen , die sich an einer Achse gegeneinander verdrehen lassen. Den linken, schmalen Teil bilden Objektiv und Blitz. Der rechte Teil enthält Display, Batteriefach, Auslöser und Bedienungselemente.

Fotografische Hüftschüsse

Damit fotografiert es sich natürlich ganz anders als mit einer herkömmlichen Kamera:

Man hält sich das Gerät nicht vors Auge, sondern trägt die Kamera meist relativ weit vom Körper weg. Die Kamera auf Bauchhöhe zu halten, ist angenehm, praktisch und erst noch unauffällig. Man kann sie aber auch hoch über den Kopf halten und sieht dank des Farb-LCD-Displays trotzdem genau, was man vor der Linse hat – eine Fotografiertechnik, die sich für Backstreet Boys-Fans eignet, die trotz ihrem Platz in der hintersten Reihe ein Bildli der Idole erhaschen möchten. Da die Verbindung zwischen Display und Objektiv flexibel ist, kann man diverse Körperhaltungen ausprobieren, um bequem in fast alle Himmelsrichtungen zu schiessen – sogar Selbstportraits sind bei freiem Blick auf das Bildschirmchen möglich. Diese Freiheit macht schon bald enormen Spass – auch wenn die Umwelt derlei Experimente gelegentlich mit gerunzelter Stirn quittiert.

Die Bedienelemente an der ePhoto 1280 beschränken sich aufs Minimum (etwas hochtrabend «EasyPilot-Einknopf-Benutzeroberfläche» genannt) und ihr Zweck erschliesst sich dem Digital-Novizen nicht immer auf den ersten Blick. Beispielsweise war ich ganz überrascht, nachdem ich gemerkt hatte, dass es sich bei dem «+» und «–»-Knöpfchen neben dem Display um ein Zoom handelt. Ich hatte sie für Navigationsbuttons gehalten...

Vertraut: Optischer Sucher

Die Olympus Camedia vermittelt dagegen ein vertrauteres Fotografiergefühl. Man blickt durch den optischen Sucher aufs Motiv, und hat dabei zwei Leuchtdioden im Blickwinkel, die über korrekte Schärfe und Aufnahmebereitschaft Auskunft geben. Nachdem die Aufnahme im Kasten ist, erscheint sie auf dem Display, wo man eine grobe Beurteilung der Qualität vornehmen kann – unscharfe oder verwackelte Aufnahmen sind allerdings in diesem «Thumbnail»-Format schlecht zu erkennen, Fehlbelichtungen bemerkt man aber sofort und kann reagieren.

Die Olympus bietet ein praktisches On-Screen-Menü, mit dem man die Optionen wie Bildgrösse, Blitzverhalten wählen und das Löschen von einzelnen oder allen gespeicherten Fotos veranlassen kann. Bequem auch das Dreifach-Zoom, das man mit dem Auslöse-Finger leicht bedienen kann; ein Wipp-Ring erlaubt das Näherholen des Motivs in Videokamera-Manier.

Bildqualität:

Für viele Bereiche gut

Beide Kameras sind zwar mit 850 000, resp. 810 000 Pixel pro Bild unter der magischen Millionengrenze, welche für professionelle Kameras als Schallmauer gilt, die Bildqualität ist aber dank Autofocus, Belichtungsautomatik, elektronischem Verschluss sehr gut. Allerdings lässt sich ePhoto 1280 von Gegenlicht eher aus der Ruhe bringen als die Olympus, welche in diesem Fall den Aufhellblitz aktiviert und die Aufnahme rettet. Fotografiert man in der XVGA-Auflösung (1024×768 Pixel), dann hat man brauchbare Qualität auch für kleinformatige Reproduktionen. Die Agfa ePhoto bietet auch einen «Mega»-Mode mit 1,228 Millionen Pixel (1280×960), wobei man sich bewusst sein muss, dass hier interpoliert wird. Physikalisch ist bei XVGA Schluss.

Überstrahlte Konturen: Unvermeidbar?

Gewisse typisch digitale Störungen treten allerdings auch bei dieser neuen Gerätegeneration auf. Erscheinen sehr helle Objekte im Bild, dann überladen sich die CCD-Elemente an dieser Stelle und überstrahlen angrenzende Bereiche. Das macht sich beispielsweise bemerkbar, wenn man in einem dunklen Zimmer gegen das Fenster fotografiert: Die Konturen – beispielsweise eines Gesichts bei einer Portraitaufnahme – werden auf unschöne Weise überstrahlt. Dies ist aber kein Problem der zwei getesteten Kameras, sondern eine Prinzip-bedingte Erscheinung.

Die beiden Zugriffsprogramme unterscheiden sich nicht wesentlich; und bieten ähnliche Features. Der Download der Bilder klappt problemlos via serielle Schnittstelle, dauert aber bei beiden Kameras seine Zeit. Beide Programme können ausserdem «live» auf die Kamera zugreifen und sie in allen Funktionen fernsteuern. Das Agfa-Programm «PhotoWise» hat die Nase dank der Funktion «JPEG Enhancer» vorn. Diese verspricht, typisch digitale Störeffekte, wie sie auch durch die JPEG-Komprimierung hervorgerufen oder vestärkt werden, zu entfernen – wieweit dadurch Verpixelung, stufige Ränder und Posterisierung wirklich eliminiert werden, haben wir allerdings nicht getestet.

Software: Agfa leistet sich eine Frechheit

Den eben erworbenen Bonus verspielt das Agfa-Programm aber sogleich wieder durch eine unverzeiliche Frechheit: Es hat die unangenehme Eigenschaft, die Endung JPG für sich in Beschlag zu nehmen – und zwar nicht nur bei der Installation, sondern bei jedem Programmstart. Möchte man JPEG-komprimierte Bilder aber standardmässig mit Photoshop oder einem schnellen Viewer wie «IrfanView» öffnen, dann muss man das mit PhotoWise vergessen.

Mit Agfa ePhoto ausgeliefert wird «PhotoVista», welches dazu dient, Panoramabilder bis 360 Grad anzufertigen, sowie das Bildbearbeitungsprogramm «LivePix SE».

Die beiden Kameras sind zu unterschiedlich, als dass man die eine zur Siegerin erklären könnte. Beide leisten ordentliches; für welche man sich entscheidet, wird nicht unwesentlich davon abhängen, ob man sich eher zum futuristischen oder zum konventionellen Design hingezogen fühlt. Und beide Kameras leiden ausserdem an der bekannten Krankheit, extrem viel Batterien zu schlucken (vier Stück halten unter widrigen Umständen für zehn Bilder oder weniger). Die Kamera, welche diesen Missstand behebt, wird ein Verkaufsschlager werden, keine Frage.

Autor des Artikels ist Matthias Schüssler