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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


Keine Frage, die Drupa 2012 wurde vom Digitaldruck dominiert. Doch innerhalb dieser Disziplin haben sich die Akzente markant verschoben. Bei den jetzigen Marktführern im klassischen, xerografischen Digitaldruck war kaum Neues zu sehen – da war höchstens Modellpflege angesagt. Die Musik spielte woanders: Im Bereich der Inkjet-Technologie waren die Neuankündigungen kaum mehr zu überblicken. Hier wimmelte es von Neuankündigungen, Prototypen und Konzeptstudien, welche für die Zukunft gewaltige Fortschritte versprechen. Am meisten vermochte Benny Landa mit seinem Inkjet-basierten Nanografie die Fantasie des Drupa-Publikums zu beflügeln.

Der Kontrast könnte also nicht grösser sein: auf der einen Seite Inkjet-Innovation ohne Ende, auf der anderen nicht ein einziges wirklich neues Toner-basiertes Produktionssystem. Zwanzig Jahre lang hat die Xerografie den Digitaldruck dominiert, jetzt scheint das Potenzial dieser Technologie ausgereizt zu sein.

Wir stehen somit an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter im digitalen Produktionsdruck. Die Zukunft gehört nicht mehr den aus der Office-Welt heraus gewachsenen und hochgezüchteten «Laserprintern», sondern den von Anfang an auf hochvolumige, industrielle Produktion ausgelegten Inkjet-Systemen. Damit bewegen sich diese anders als die Xerografie-Emporkömmlinge in jeder Beziehung auf Augenhöhe mit dem Offsetdruck.

Es ist bezeichnend für diesen Wandel, dass mit ihm auch eine neue Terminologie Einzug hält. Bei der Produktivität spricht man beim Inkjet nicht mehr von Office-mässigen A4-Seiten pro Minute, sondern von industriellen Bogen pro Stunde respektive Metern pro Minute. Das selbe gilt für die Kosten. Der aus der Office-Welt in die grafische Industrie übernommene «Klick» ist im Inkjet-Digitaldruck definitiv nicht mehr wie bei der Xerografie das Mass aller Dinge. Die Befreiung von dieser Fessel wird es dem Digitaldruck erst erlauben, in neue Dimensionen vorzustossen und dem Offsetdruck auf breiter Front das Wasser abzugraben.

Dass der Digitaldruck den Kinderschuhen entwachsen ist, haben wir an dieser Stelle schon vor Jahren festgestellt. Im Gefolge der Drupa 2012 präsentiert er sich jetzt an der Schwelle zum Erwachsenenalter. Die Zeichen stehen also mehr denn je auf Wandel, indem der Digitaldruck jetzt quasi seine Pubertät durchlebt. Und dies ist bekanntlich für das Umfeld nicht immer einfach, speziell nicht für die Eltern! Will heissen, die Platzhirsche des xerografischen Digitaldrucks werden durch die Inkjet-Technologie nicht minder gefordert sein als die Hersteller von Offset-Maschinen.

Martin Spaar