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Segoe vs.?Open Sans

An dieser Stelle wurde schon viel gegen die Arial geschrieben. Bei Microsoft ist längst die Segoe UI als die neue Hausschrift eingeführt, die auch die Benutzeroberfläche der Office-Programme ziert. Es gibt eine Alternative: die Open Sans.

Ralf TurtschiDie Segoe UI (UI steht für User Interface – wird in folgenden Nennungen weggelassen) wurde ab 2000 für Agfa Monotype von Steve Matteson gezeichnet, von Microsoft übernommen und 2004 herausgebracht. Die Segoe wurde vom europäischen Harmonisierungsamt in Alicante als Plagiat der Frutiger beurteilt – es besteht demzufolge kein Werkschutz. Die Schrift wird aber nicht zum Download angeboten, sie gelangt mit dem Kauf von Microsoft-Produkten auf die Rechner der Anwender und kann von dort aus verwendet werden. Nicht alle Produkte auf Mac und Windows werden dabei gleich mit Fonts ausgerüstet, sodass ein Dokumentenaustausch wegen fehlender Schriften risikoreich bleibt. Die Ähnlichkeit zur Frutiger macht die Segoe zur Office-Schrift für alle, welche die Frutiger als Corporate Font verwenden. Und das sind nicht wenige: Post, UBS, Kantonalbank, Raiffeisen usw. Die Frutiger wird im Schriftsatz und bei Beschriftungen verwendet, die Segoe in Word, Excel und PowerPoint. Eigentlich eine Traumkombination – wenn da nicht ein paar Unstimmigkeiten wären.

Auf den Punkt gebracht, verfügt die Segoe über ein Zuviel an fremdsprachlichen und ein Zuwenig an heimischen Zeichen. Zudem ist sie etwas flickenartig mit Schriftschnitten bestückt: Mit Light, Regular, Semibold und Bold stehen beim Mac vier Stärken zur Verfügung – bei den Kursiven gibts nur die Italic und die Bold Italic. Dann existieren noch eine Condensed Regular und eine Condensed Bold. Die Black und Black Italic wurden auch gezeichnet, ebenso Varianten wie Segoe Mono, ­Segoe Print und Segoe Script. Als brennender Typo­graf wird man mit einem solchen Angebot nicht sehr komfortabel bedient. Mit Typo­grafie-Features ist Microsoft noch nie aufgefallen – warum sollte man von der Segoe anderes erwarten? Bei der alten Arial konnte man in Offerten und Rechnungen die Zahlenkolonnen in Regular und Bold noch untereinander ausrichten. Die Bold-Ziffern sind dort gleich breit wie die Regular-Ziffern. Bei der Segoe ist diese Feinheit weg. Ziffern gibt es in einer einzigen Variante. Versalziffern und Mediävalziffern (je tabellarisch und proportional) existieren nicht. Brüche? ¼, ½, ¾, ?, ?, ? und ? sind als Glyphen vorhanden, alle anderen Brüche bastelt man mit hoch- und tiefgestellten Ziffern zusammen, was nicht wirklich berauschend aussieht.

OpenType-Features? Soll es laut Internetrecherche geben – bei mir funktioniert solches nicht. Ich will hier kein Segoe-Bashing betreiben – als Typografie-Fan fragt man sich schon, weshalb hier eine an sich schöne und Erfolg versprechende Schrift nicht besser ausgebaut wurde. Die kostenpflichtige Frutiger als Corporate Font in Ergänzung mit der «freien» Segoe als Office-Variante? Zu schön, um wahr zu sein.

Open Sans

Von etwas anderem Zuschnitt ist die Open Sans, die auch von Steve Matteson 2011 im Auftrag von Google für Android gezeichnet wurde. Sie vereint einen ähnlichen Zeichensatz wie die Segoe – mit den ähnlichen Mängeln. Die Open Sans kann über eine Open-Source-Lizenz bei ­diversen Portalen gratis herunter­geladen werden und steht auch in der ­Adobe-Type­kit-Bibliothek zur Verfügung. Sie trägt Züge der Droid Sans, die Matteson für Android-Handys entwickelte. Es gibt fünf Strichstärken, gerade stehend und kursiv: Light, Regular, Semibold, Bold und Extrabold. Dazu die Condensed-Schnitte Light, Light Italic und Bold. Wohltuend, dass Matteson auf die ultradünnen Stärken verzichtete: Ultra Thin oder Thin sind auf dem Handy nicht lesbar. Genauso wenig wie Fat oder Ultra­bold.

Bei Typografie-Features wird man aber auch hier nicht fündig. Bruchziffern? Wie bei der Segoe grosses Jammern. Immerhin sind hier die Ziffern in Regular und Bold gleich breit, sodass sie untereinander stehen können. Wer den Zeichenumfang der Segoe oder Open Sans mit jenem der neuen Publish­er-Grundschrift Equip von Dieter Hofrichter vergleicht, stellt einen gewaltigen Unterschied fest. Hier nur das Nötigste, da alles Wünschbare.

Im Unterschied zur Segoe sind die Versalien breiter gehalten, sonst sind die Proportionen von Versalhöhe, Mittellänge und Oberlänge fast gleich. Auch die Strichstärke der Segoe Regular gleicht jener der Open Sans Regular. Auffällig ist der Buchstabe g, der bei der Open Sans unten geschlossen, bei der Segoe offen ist. Die Laufweite der Open Sans ist etwas weiter gehalten, was sie allgemein auf kleinen Handybildschirmen besser lesbar macht. Die Kursive ist in der Stärke generell etwas feiner und schmaler gehalten, wofür es eigentlich keinen Grund gibt. Kursiv ist die traditionelle Auszeichnungsart – das Hervorheben mit einer dünneren Strichstärke, die den Grauwert verändert, wieder zunichtezumachen, erscheint mir nicht ganz logisch. Insgesamt ist mir die Open Sans als Font für crossmediale Produkte mit Fokus aufs Handy ans Herz gewachsen. Sie ist Siegerin in diesem persönlichen Vergleich. ↑

Ralf Turtschi ist Typograf, Grafikdesigner, Fotograf und Buchautor. Er hat sich durch seine Publikationen rund um das Thema Gestaltung, Fotografie und Publishing im deutschsprachigen Raum einen Namen geschaffen. Am Bildungszentrum Baden unterrichtet er im Diplomlehrgang Foto­grafie und an der Höheren Fachschule für Fotografie. turtschi@agenturtschi.ch