In diese Richtung
Ralf Turtschi Pfeile werden heute als «Richtungshinweis» in praktisch allen Lebensbereichen eingesetzt: im Strassenverkehr, in öffentlichen Gebäuden wie Museen, Spitälern, Einkaufszentren, Flughäfen, Bahnhöfen, auf Verpackungen und digitalen Medien wie Websites, Games usw. Vom Alltag nehmen wir kaum mehr wahr, wie durchdrungen er von Pfeilen ist.
Der Pfeil als Piktogramm ist ganz offensichtlich so beliebt, dass er in separaten Zeichensätzen wie Wingdings, Symbol oder Zapf Dingbats tausendfach vorkommt. Seit es OpenType gibt, gehen Designer dazu über, sogar zur Schrift passende Pfeile direkt in den Fontdateien zur Verfügung zu stellen. Erstaunlich, dass dieses starke Zeichen noch keiner Norm unterliegt.
Wenn man sich die Pfeile in diversen Programmen ansieht, stellt man fest, dass sie in mehr oder weniger festen Formen vorliegen; die Gestaltbarkeit ist nur sehr beschränkt möglich. Man kann weder die Dicke des Fusses und des Kopfes separat einstellen noch den Winkel oder die Länge der Schenkel beeinflussen. Das ist bedauerlich, Gestalter wünschten sich hier mehr Freiheit, zumal viele der angebotenen Pfeilsorten nicht ganz den guten Geschmack treffen.
Dass eine Software wie Windows Office weit mehr Pfeilformen und Gestaltungsoptionen bereithält als die Adobe-Programme Illustrator, InDesign und Photoshop, wird die Profianwender frustrieren, derweil manche Office-Anwender die Features nicht zu nützen wissen. Dabei müssten die wenigen Gestaltungsparameter eigentlich locker unterzubringen sein. Was man an Pfeilen aller Art trotz riesigem Angebot schon selber in Illustrator zusammengebastelt hat, weil das Suchen länger dauert als das Selbstzeichnen!
Von den Pfeilarten bevorzuge ich persönlich zwei Formen: mit einem geschlossenen gleichschenkligen Dreieck an der Spitze und mit Schenkeln, die 45 Grad gewinkelt sind. Bei den unten abgebildeten Dreieckspfeilen sieht man sehr klar, dass die Strichstärke mit der Grösse der Spitze zusammenhängt. Die Pfeile 4 und 6 würde ich bevorzugen.
Das Dreieck an der Spitze ist in diesem Beispiel gleichseitig und spitzwinklig gewählt. Pfeile, die an der Spitze einen stumpfen Winkel aufweisen, empfinde ich als plump.
Bei der zweiten von mir bevorzugten Pfeilart stehen die Schenkel im 45-Grad-Winkel ab und bilden an der Spitze einen 90-Grad-Winkel. Auch hier spielen Dicke und Schenkellänge eine entscheidende Rolle, ob der Pfeil gut wirkt oder ob irgendetwas nicht ganz stimmig ist. Die Schenkellänge sollte dabei drei- bis viermal grösser sein als die Schenkeldicke. Diese Pfeilart lässt sich am besten in die übrige Typografie einbinden, die auch von Senkrechten und Waagrechten dominiert ist. Als Variante können dabei alle rechten Winkel gerundet sein, oder es lassen sich die beiden Schenkel derart coupieren, dass die Enden parallel zum Stil verlaufen. Einen solchen Pfeil verwenden die SBB in ihrem Logo. Er wirkt insgesamt etwas schnittiger und dynamischer als der Pfeil mit den rechtwinklig geschnittenen Schenkeln.
Die Pfeilform ist weniger eine Geschmacksfrage. Sie hat zu tun mit den unstrittigen Gestaltgesetzen der Formenlehre. Der persönliche Geschmack in Ehren, aber was für einen persönlich gilt, muss nicht für alle anderen ebenso gelten. Gestalter, die sich beruflich mit Typografie beschäftigen, sind besser qualifiziert, eine gute Auswahl zu treffen, als dies andere Berufsgruppen vermögen. Deshalb hier ein Tipp: Die einfache Form ist die bessere.
Andere Pfeilarten sind zu verspielt, zu auffällig, sie fügen sich schlecht in die übrige Typografie ein. Ich denke dabei vor allem an die Formen, die in Dingbats-Fonts vorkommen. Es ist so wie auf dem Trödelmarkt: die Trouvaillen sind selten, aber sie existieren. Ich hoffe, dieser Aufsatz möge dabei helfen, sie zu finden. Die Schwierigkeit für Laien liegt wohl darin, aus dem Tand die guten Stücke auszuwählen. Überspitzt gesagt, ist der Anfänger grundsätzlich einmal formverliebt. Er möchte möglichst viel aus dem Pfeil herausholen.
Es mag sein, dass es dafür spezielle Einsatzmöglichkeiten gibt, wie für die Beschilderung des Harley-Davidson-Shops. Wir sprechen hier jedoch von «Business-»Typografie, davon, welche Pfeile zum Beispiel in einer PowerPoint-Präsentation als Aufzählungszeichen eingesetzt werden sollen.
Hunderte von Schnickschnack-Pfeilen als Bullet Points? Will man mit Pfeilen glänzen oder mit Inhalt? Pfeile sind wie Fliegen: Je mehr, desto lästiger. Wenn Pfeile einfach und unauffällig gestaltet sind, dann werden sie angenehmer empfunden. So einfach gestrickt ist das.
Gerade in solchen Zeichensätze existieren die vorhin besprochenen guten Formen durchaus, hier ein paar Beispiele aus dem Zeichensatz Wingdings, die sich in der Typografie gut machen.
Ein Hinweis für Hardcore-IT-Spezialisten: Das Zusammenbasteln von Pfeilen mittels waagrechten Strichs und anderer Zeichen entspricht einer optischen Vergewaltigung eines Symbols. Das gehört genauso ins Schreibmaschinenzeitalter wie das Zusammensetzen eines Prozentzeichens mit Schrägstrich und Nullen. Was im Gebrauch von E-Mail oder SMS noch geht, ist in der Unternehmenskommunikation halt nicht richtig. Ich orte technische Probleme, die mit Konvertierung von Zeichensätzen zu tun haben, dies macht solche Basteleien entschuldbar, aber nicht richtig. Zudem ist die Leserlichkeit nicht in jedem Fall gegeben.
Pfeile sind mächtige Symbole, die unser ganzes Leben fast unbemerkt beeinflussen. Erstaunlich, dass sich noch niemand mit der Physiognomie der Pfeile beschäftigt hat, erstaunlich auch, dass Pfeile in Adobes Programmen ein Dornröschen-Dasein fristen. Sie hätten mehr Aufmerksamkeit verdient.
Der Autor
Ralf Turtschi ist gelernter Schriftsetzer, Buchautor und Publizist. Er ist Inhaber von Agenturtschi, visuelle Kommunikation, in Adliswil und schreibt im Publisher seit Jahren praxisbezogene Beiträge zu Themen rund um Desktop-Publishing.