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Als die Bilder laufen lernten

Postkarten mit «animierten» Bildern zu drucken, ist eine relativ alte Technologie. Mit demDigitaldruck sind heute auch kleine Auflagen möglich. Hier eine Anleitung für das nächste Printprodukt mit dem Hinguckereffekt.

RALF TURTSCHI Der Begriff Lentikulardruck fasst eine Technik zusammen, die es ermöglicht, ein Wackelbild oder 3D-Bild auf eine Karte zu drucken. Der Effekt ist verblüffend, denn mit dem Blickwinkel ändert sich das aufgedruckte Bild. Die hin und her bewegte Karte zeigt einen animierten Druck. Die Technik wurde 1903 vom Engländer Ives als «Parallax-Stereogram» patentiert und in den 80er-Jahren durch die 3D-Fotografie ergänzt. Die meisten Anwendungen sind heute eher kleinformatig, dennoch sind Abbildungsgrössen von über 2 Metern im Displaybereich möglich.

Die durchsichtige Lentikularfolie besteht aus einer flachen und einer geriffelten Oberfläche (s. Kasten). Die Folie wird im Offset- oder Digitaldruck rückseitig bedruckt. Die feinen streifenförmigen Erhebungen wirken dabei wie eine Linse, die Teile des Druckes darunter vergrössern. Lentikular kommt von linsenförmig, der Riffelabstand und die Linsenwirkung bestimmen im Wesentlichen den Brechungswinkel und den Effekt, der entsteht. Eine stark gekrümmte Riffelstruktur hat einen anderen Brechungswinkel als eine weniger konvexe. Je nach Betrachtungswinkel werden andere Bildstellen vergrössert, ein Wackelbild entsteht. Bewegte Bilder fesseln stärker als stehende Bilder, deshalb sind Lentikulardrucke garantierte Hingucker, man kann sich ihnen nicht entziehen. Wo aber die Aufmerksamkeit gross ist, ist auch ein höherer Herstellungspreis gerechtfertigt.

Die Anwendungsbreite von Wackelbildern:

  • CD- und DVD-Covers
  • Promotionsartikel
  • Postkarten
  • Displays und POS-Artikel
  • Magnetknöpfe
  • Mailings
  • Mausmatten
  • Die Effekte sind:

  • Zoom, z. B. kleines Logo wird vergrössert
  • 3D, z. B. dreidimensionale Darstellung eines Fahrzeugs, mittels einer 3D-Kamera fotografiert.
  • Morphing, z. B. menschliches Antlitz verwandelt sich in Schädel
  • Bewegung, z. B. Filmszene oder Animation
  • Wechsel, z. B. ein lächelndes Gesicht wechselt mit einem traurigen
  • Wackelbild-Postkarte als Praxisbeispiel

    Im Herbst letzten Jahres erhielt die Agenturtschi, visuelle Kommunika­tion, den Auftrag, eine Wackelbild-Postkarte zu kreieren, die als Begleitung von Korrespondenz oder als kleines Gadget dienen kann. Der Kunde, Polke, Ziege, von Moos AG, Zürich, ist ein Ingenieurunternehmen für Gebäudetechnik. Das Motiv sollte eines der Elemente Feuer, Wasser, Eis oder Luft transportieren. Die Umsetzung eines Lentikularbildes ist nicht ganz so einfach, es braucht ein gutes Vorstellungsvermögen für die «Bewegung», die nicht simuliert werden kann. Ein Storyboard hilft zwar, zeigt aber nicht auf, wie der Effekt wirken wird.

    Der Entscheid fiel auf den hier abgebildeten Wassertropfen. Als Grundlage diente ein Filmchen von Getty Images, welches im Internet in Low-Res-Qualität heruntergeladen wurde. Dieser Clip diente dazu, den Kunden von der Idee zu überzeugen. Der Lentikulardruck begnügt sich jedoch nicht mit 72 ppi, er benötigt die Volldaten, also mindestens 300 ppi. Der Clip in hoher Auflösung ist kostenpflichtig, der Listenpreis dafür Fr. 625.– für 9 Sekunden.

    Mit dem Programm QuickTime Pro (kostenpflichtig) kann der Clip in Einzelbilder (s. Abb.) zerlegt werden. ­Dies ergab 270 einzelne JPG-Bilder, die über die Bridge aufgereiht wurden. Die Einzelbilder hatten bei ­einer Auflösung von 72 ppi eine Grösse von 45 × 36 cm, was nach der Interpolation auf 300 ppi eine Grösse von 11× 9 cm ergab, genügend für den Druck einer A6-Postkarte. Die Selektion von 11 Bildern für den Lentikulardruck erfolgte nach visuellen Kriterien am Bildschirm. Der Unterschied von Bild zu Bild sollte wahrnehmbar sein, sodass der Animations­effekt bei der Bewegung der Karte erhalten bleibt. Die Druckerei schlug vor, davon nur 5–6 Bilder auszuwählen, was für die Bewegung genügen würde. In Gebieten, in denen man sich nicht täglich bewegt, ist man gut beraten, auf die Druckerei zu hören und sich vor dem Herstellungsprozess schlau zu machen. Für das Gut zum Druck wurden ein paar Muster in Originalgrösse auf eine Lentikularfolie mit einem Tintenstrahldrucker angedruckt. Der Druck der Kartenrückseite erfolgte im Offset auf ein gestrichenes weis­ses Papier, welches auf die Lentikularfolie aufkaschiert wurde. Die Kartenrückseite bleibt somit für allfällige Grussadressen beschreibbar.

    Die Druckpreise sind natürlich marktabhängig, es werden oft Sammelformen angestrebt, welche die relativ hohen Gestehungskosten aufteilen. So sind auch kleinere Auflagen ab 500 Expl. durchaus möglich. Die Lieferzeit beträgt 3–4 Wochen. Die Marktpreise differieren enorm, 1000 A6-Postkarten können zwischen 1600 und 7600 Franken kosten. Mehrere Anfragen, auch in Deutschland, lohnen sich.

    So funktionierts

    Im Lentikulardruck sind mindestens 2 Bilder beteiligt. Man spricht auch von Phasen. Es können bis 11 Phasen gedruckt werden.

    Die Bilder werden durch eine spezielle Software horizontal oder vertikal in bestimmten Abständen zerschnitten. Die Pitch-Abstände entsprechen den Linsenabständen der Folien, die verwendet werden.

    Die zerlegten Bilder werden passgenau nebeneinander auf eine Folie gedruckt.

    Es gibt verschiedene Typen von durchsichtigen Lentikularfolien, die oben leicht geriffelt sind. Die Erhebungen der Spezialfolie wirken dabei wie lang gestreckte Vergrös­serungslinsen. Was unter der Linse liegt, wird vergrös­sert dargestellt. Die Erhebungen und die Abstände bestimmen das Funktionieren der Bildeffekte.

    Je nach Sichtwinkel auf den Druck wird das Licht so gebrochen, dass der vergrösserte Teil des Druckes sichtbar wird. In diesem Querschnittmodell werden 5 in Streifen zerlegte Bilder verwendet.