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Auf Weiterverarbeitung versiert

Photoshop leistet bei der Realisierung kleinauflagiger Produktverpackungen nützliche Dienste. Die 3D-Funktionen der Extended-Variante bedienen hingegen eher das Vorfeld – etwa den Bereich der Produktvisualisierung sowie die Grafik- und Bildgestaltung.

GÜNTER SCHULER Der Publishing-Workflow bewegt sich immer stärker in Richtung medienübergreifendes Publizieren. Der Publisher problematisierte die aktuelle Situation im letzten Jahr unter dem Stichwort «Publishing 3.0». Ob man sich mit dem Schlagwort anfreunden mag oder die Veränderungen in einzelnen Teilbereichen der Medienproduktion eher auf pragmatische Weise wahrnimmt: Programmübergreifendes Arbeiten, multimediales Aufbereiten von Inhalten, flexible, kleinauflagige Drucke mit neuen Digitaldruck-Technologien, die immer weiter voranschreitende Präsenz von Internet-Inhalten – all diese Entwicklungen bringen Veränderungen mit sich, die über die klassischen, herkömmlichen Prozederes im Print-Publishing hinausgehen.

Auch in den Creative-Suite-Programmen schlagen sich diese Veränderungen immer stärker nieder. Zwei Schwerpunkte der aktuellen Extended-Variante von Photoshop sind die Bereiche Animation und 3D. Während ein Teil der Animations-Funktionen auch in der normalen Programmvariante enthalten ist (siehe Publisher 09-3), haben die Programmentwickler den 3D-Sektor in Photoshop Extended komplett umgebaut. Enthielt CS3 lediglich ein Menü sowie einige darumgebaute Funktionen, wartet die aktuelle Programmversion mit einem eigenen Bedienfeld für die Feineinstellungen auf.

Die Hauptfrage lautet natürlich: Wie 3D-fähig ist Photoshop generell? Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Vollwertige 3D-Anwendungen wie etwa 3ds Studio Max, Cinema 4D oder Maya kann Photoshop CS4 Extended keinesfalls ersetzen. Das gilt insbesondere für den Bereich des Modellierens – also das Erstellen von Figuren und Szenen. Photoshop Extended offeriert zwar ein paar Funktionen zum Erzeugen einfacher Körper. Flankiert werden diese von einem Befehl zum Generieren von 3D-Reliefs aus Graustufenbildern. Im Vordergrund steht allerdings der Faktor Weiterver­arbeitung – also das Ende der 3D-Kette. Importieren lassen sich 3D-Objekte über den Öffnen-Dialog. 3D-Ebenen können via Drag&Drop auch in andere Photoshop-Dokumente hinein gezogen werden. Für das Modifizieren der Objekt-oberflächen sowie der 3D-Ansicht liefert Photoshop dann ein ausdifferenziertes Funktionsequipment.

Zu beachten ist eine wichtige Einschränkung: Ohne moderne Hardware – Grafikkarte mit OpenGL-Unterstützung – greift Photoshop auf softwarebasiertes Rendering zurück. Ein Prozess, der mit einer Warnmeldung angezeigt wird und ein vergleichsweise zähflüssiges Arbeitstempo zur Folge hat. Ohne OpenGL-Unterstützung sind die 3D-Funktionen nur bedingt nutzbar. Wie sehen die Weiterbearbeitungsmöglichkeiten für 3D-Inhalte konkret aus? Welche Möglichkeiten bestehen in Bezug auf die Erstellung Photoshop-generierter 3D-Inhalte? Und wie lassen sich 2D- und 3D-Inhalte miteinander verquicken?

Der 3D-Funktionssektor

Die 3D-Funktionen von Photoshop CS4 Extended konzentrieren sich in insgesamt fünf Programmsektoren: dem Menü 3D (bereits in der Vorversion enthalten), dem gleichnamigen Bedienfeld, im Bedienfeld Ebenen, in der Werkzeug- und schliesslich in der Optionenleiste. Das Menü 3D beinhaltet vor allem allgemeine Steuerungs- und Zuweisungsbefehle. Die oberste Befehlsgruppe dort enthält auch Funktionen zum Umwandeln normaler Ebenen in 3D-Ebenen. Das eigentliche Finetuning von 3D-Ebenen – also das Gestalten der dreidimensionalen Objekte – findet im neuen Bedienfeld 3D statt. Da Photoshop 3D-Inhalte in einem speziellen Ebenen­typ präsentiert, ist auch die Ebenen-Palette ein zentraler Bestandteil von 3D-Workflows. Für das Verändern von Position und Ansicht, für das Skalieren sowie einige weitere Bearbeitungsprozesse enthält die Werkzeugleiste zwei spezielle 3D-Werkzeuggruppen. Eine Gruppe für das Verändern der 3D-Szenerie selbst, eine weitere für das Verändern der Ansichtsposition. Zusätzliche Optionseinstellungen finden sich wie bei anderen Werkzeugen auch in dem Werkzeugoptionen-Bedienfeld direkt unter der Menüleiste.

3D importieren oder erstellen

Bevor sich 3D-Inhalte weiterverarbeiten lassen, müssen sie entweder importiert oder erstellt werden. Da Modelling im eigentlichen Sinn in Photoshop nicht möglich ist, ist die Importschnittstelle die einzige Möglichkeit, komplexere 3D-Figuren in Photoshop weiterzuverarbeiten. Neben einigen spezielleren 3D-Formaten unterstützt Photoshop auch das weitverbreitete Format 3ds, welches sich in vielen 3D-Anwendungen via Export erzeugen lässt. Der Import von 3D-Inhalten geschieht, wie bereits erwähnt, über den Öffnen-Dialog. Das Ergebnis ist eine (neue) 3D-Ebene im Bedienfeld Ebenen. Ist die importierte 3D-Ebene ausgewählt, erscheinen im Bedienfeld 3D auch die bereits aufgeführten Finetuning-Möglichkeiten. Da die beiden Bedienfelder 3D und Ebenen bei dieser Art von Arbeit im Vordergrund stehen, liefert Photoshop werkseingestellt einen speziellen Arbeitsbereich mit: Fenster > Arbeitsbereich > Erweitertes 3D.

Neben dem Importieren bereits vorliegender 3D-Arbeiten ermöglicht Photoshop auch das Erstellen einfacher 3D-Objekte. Die Befehle hierfür finden sich, wie bereits erwähnt, in der oberen Befehlsgruppe im Menü 3D. Da ihre Anwendung nur in Zusammenhang mit normalen Ebenen einen Sinn ergibt, sind sie lediglich dann zugänglich, wenn normale Ebenen aktiviert sind. Neue 3D-Postkarte aus Ebene ist ein recht einfacher Befehl. Wie der Name bereits nahelegt, wandelt er eine Bildebene in eine 3D-Ebene um. Diese wiederum lässt sich mit den 3D-Werkzeugen im Raum positionieren oder aber anderweitig bearbeiten (beispielsweise durch die Zuweisung von Lichtquellen, wie im nächsten Absatz näher ausgeführt). Die Neue Form aus Ebene-Befehle darunter wickeln Bild beziehungsweise Ebenen-Inhalte um die im Untermenü aufgeführten Formen wie zum Beispiel Würfel, Zylinder oder Ring. Kreativ recht interessant ist der dritte Befehl, Neues Mesh aus Graustufen: Er übersetzt die Graustufeninformation einer Ebene in ein dreidimensionales Höhenrelief.

3D-Werkzeuge

Das (Neu-)Positionieren von 3D-Objekten oder die Veränderung der Ansicht darauf ist beim Bearbeiten von 3D-Inhalten ein elementarer Vorgang. Hierfür liefert Photoshop zwei separate Werkzeuggruppen. Die obere davon dient dem Modifizieren der 3D-Objekte selbst. Sie enthält fünf Werkzeuge zum Drehen, Rollen, Ziehen, Zoomen und Skalieren. Wichtig ist, dass die mit dieser Werkzeuggruppe getätigten Veränderungen stets die 3D-Szenerie als solche betreffen. Drehen im dreidimensionalen Raum etwa bewirkt stets eine wirkliche Positionsveränderung der 3D-Objekte, die in der Ebene enthalten sind, Skalieren eine wirkliche Vergösserung oder Verkleinerung. Die Werkzeuge der Werkzeuggruppe darunter beinhalten teilweise zwar ähnliche Vorgänge, ihre Betätigung tangiert allerdings lediglich die aktuelle Ansicht auf die Szene. Die 3D-Objekte an sich bleiben unverändert.

Spezielle Konstruktionsansichten sind in Photoshops 3D-Workflow nicht vorgesehen. Ist eine OpenGL-Unterstützung vorhanden, offeriert das Programm jedoch ein paar nützliche Orientierungs- und Bearbeitungshilfen. Die wichtigste ist das Achsenkreuz, dessen Grösse und Position sich ebenfalls regulieren lassen. Das Achsenkreuz liefert für die wichtigsten Parameter im 3D-Raum – die drei Achsen x, y und z – drei griffige Anfasser, über die sich Modifikationen gezielter vornehmen lassen. Ein weiteres Hilfsmittel ist die Grundebene – ein Gitternetz, dass sich bei Bedarf als Bezugspunkt einblenden lässt.

3D-Bedienfeld

Das wichtigste Arbeitsmittel für die Feinbearbeitung von 3D-Inhalten ist das neue Bedienfeld 3D. Die obere Hälfte beinhaltet eine Liste und vier Buttons. Letztere beinhalten Filter, mittels derer sich die Anzeige in der Listendarstellung einschränken lässt. Die Liste selbst ermöglicht den Zugang zu den einzelnen Elementen, aus denen sich eine 3D-Szenerie zusammensetzt. Neben den eigentlichen 3D-Objekten, die aus Polygonen bestehen und in Photoshop unter dem Begriff Mesh firmieren, enthält eine 3D-Szenerie unterschiedliche Texturen zur Festlegung der Oberflächeneigenschaften (zum Beispiel Farbe, Spiegelung oder Transparenz) und schliesslich Lichtquellen, welche die 3D-Szenerie beleuchten. Vor allem die beiden letzten Faktoren lassen sich auf vielfältige Weise beeinflussen. Abhängig von der in der oberen Liste angewählten 3D-Komponente erscheinen im unteren Bereich des 3D-Bedienfelds unterschiedliche Parameter. Die aufgeführten Lichtquellen etwa lassen sich hinsichtlich der Eigenschaften Intensität, Farbe und Weichheit beeinflussen. Zusätzlich zur Verfügung stehen unterschiedliche Lichtquelle-Typen (Spot, Punkt und Gerichtet) sowie eine Box zum Aktivieren von Schattenwürfen. Auch die Position von Lichtquellen ist keinesfalls statisch: Aktiviert man bei angewählter Lichtquelle einen der Buttons links, wird nicht die Position des Objekts verändert, sondern lediglich diejenige der Lichtquelle. Ganz praktisch ist auch der unterste der fünf Lichtquellen-Buttons: Er sorgt dafür, dass das Objekt aus der Ansichtsposition heraus beleuchtet wird – also für eine Frontalbeleuchtung.

Noch komplexer sind die Beeinflussungsmöglichkeiten für die Material­eigenschaften. In der Liste im oberen Bedienfeldbereich erscheinen sie zunächst unter der Bezeichnung «de-fault». Einstellbar sind elf Material­parameter – angefangen von Glanz-, Umgebungs- und Diffuslicht bis hin zu Deckkraft und Spiegelung. Hinzu kommt ein Material zum Erzeugen relief­artiger Strukturen (Bump). Die mit dem Begriff «default» ausgewiesene Standardtextur ist allerdings nur eine Hilfskonstruktion. Im strengen Sinn enthält sie überhaupt keine Textur: Doppelklickt man auf den entsprechenden Eintrag im Bedienfeld Ebenen, erscheint eine mit dem Formatkürzel .phb gekennzeichnete Hilfs-Bilddatei mit einer leeren Ebene. Das Zuweisen von Textur-Dateien mit speziellen Bildinhalten (zum Beispiel einer Holztextur oder einem Grafikmotiv, welches auf die 3D-Oberfläche projiziert werden soll) ist jedoch durchaus möglich. Zuweisen lässt sich eine Textur zum einen über die Buttons rechts neben der jeweiligen Materialeigenschaft. Alternativ kann jedoch auch der Inhalt der default-Datei verändert werden – indem etwa ein bestimmter Bildinhalt in diese hineinkopiert wird oder durch Füllen mit einer Farbe und Bearbeiten mit Filtern.

Finale Bearbeitung von 3D-Objekten

Für das Importieren von Objekten und einfachen Szenen, die in 3D-Spezialanwendungen erstellt wurden, offeriert der 3D-Sektor von Photoshop Extended die Möglichkeit, das Finalisieren einfacher 3D-Szenen (inklusive Rendering) direkt im Bildbearbeitungsprogramm vorzunehmen. Der Vorteil: Liegen 3D-Objekte bzw. 3D-Szenen in einem unterstützten Format vor, wird die Erzeugerapplikation nicht mehr zwingend benötigt. Zusätzlich zum Tragen kommen hier Photoshops spezielle Möglichkeiten bei der Nachbearbeitung – beispielsweise über Ebenenmasken, Einstellungsebenen und so weiter. Praktisch ist diese Art von Workflow insbesondere dann, wenn 3D-Objekte in 2D-Bildumgebungen integriert werden sollen. Als Beispiel dient eine in einer 3D-Anwendung erzeugte Couch, die in ein Foto hineinarrangiert werden soll. Dabei wird folgendermassen vorgegangen:

Die 3D-Datei mit der Couch wird als eigenständige 3D-Ebene über der Fotoebene angeordnet. Im Anschluss wird das 3D-Objekt passend positioniert, skaliert und mit den zur Szene passenden Material- und Beleuchtungsattributen ausgestattet. Im dritten Schritt werden Bild und 3D-Objekt mit Einstellungsebenen und anderen Eingriffen visuell aneinander angeglichen. Vierter, finaler Schritt ist schliesslich das Aufrendern der 3D-Ebene in eine normale Bildebene – ein Vorgang, der über den Punkt Für endgültige Ausgabe rendern im Menü 3D ausgelöst wird.

Präsentation von ­Verpackungsdesigns

Die unter Neue Form aus Ebene ansteuerbaren Grundformen ermöglichen unter anderem das Visualisieren einfacher Box-Verpackungsdesigns. Das Design wird dabei über die Textur zugewiesen. Da beim Anlegen des Würfels konkrete Grössenproportionen zu berücksichtigen sind, wäre eine denkbare Option, die Würfelform für das Verpackungsdesign aus einem 3D-Programm zu importieren. Der Nachteil bei dieser Lösung ist allerdings, dass sich Texturen nur auf die Gesamtform auftragen lassen. Die unter Neue Form aus Ebene aufgelisteten Grundformen sind hier flexibler. Auch numerisches Skalieren der einzelnen Seiten ist möglich – über entsprechende Werte in den Feldern für x, y und z in der Optionenleiste bei angewähltem 3D-Objekt-skalieren-Werkzeug. Der grundlegende Vorteil bei der Photoshop-internen Art der Boxerstellung besteht darin, dass die sechs Texturen für Vorder- und Rückseite, die Seiten sowie oben und unten in der Komponentenliste des Bedienfelds 3D mit aufgeführt sind. Auch im Bedienfeld Ebenen sind die sechs Texturen mit aufgelistet. Um sie durch die vorgesehenen Seiten einer Verpackung zu ersetzen, gibt es zwei Wege. Der erste besteht darin, die gewünschte Textur zu laden, und zwar über die Textur laden-Befehle hinter den Buttons der Materialeigenschaften. Das entsprechende Material muss dabei in der Liste ausgewählt sein. Der zweite und womöglich einfachere Weg ist der, durch Doppelklick auf das im Bedienfeld Ebene aufgelistete Material die Texturdatei zu öffnen, die vorgesehene Textur dort einzukopieren, Breite und Höhe dieser temporären Arbeits-Bilddatei gegebenenfalls anzupassen und die Textur zu sichern.

3D-Reliefs

Der Befehl Neues Mesh aus Graustufen offeriert eine spezielle Möglichkeit, aus 2D-Inhalten (den Graustufeninforma­tionen der jeweiligen Ebene) 3D-Inhalte zu erzeugen. Hierbei werden die Helligkeitsinformationen einer Ebene in ein 3D-Relief umgesetzt. Grundsätzlich möglich ist auch die Erzeugung dreidimensionaler Schriftzüge. Vorgehensweise: In einem ersten Schritt wird in einer Textebene der vorgesehene Schriftzug erstellt. Dabei sollte eine helle Farbe verwendet werden. Da die Relieferstellung einen Helligkeitsunterschied für die Erstellung der Extrusion benötigt, wird der Schriftzug mit einer äusseren Kontur versehen – diesmal in einer dunkleren Farbe. Abschliessend wird die Textebene in eine 3D-Ebene transferiert – über das Untermenü Neues Mesh aus Graustufen und die Option Ebene. Das Ergebnis ist ein dreidimensionaler Schriftzug, dessen Position und Grösse mit den 3D-Werkzeugen verändert werden können und dessen Oberfläche sich über die Textur- und Materialeigenschaften weiter finetunenn lässt.

Fazit

Als einsatztauglich erweisen sich die aktuellen 3D-Funktionen von Photoshop Extended in den Bereichen Szenenansicht-Generierung, Texturierung und Erstellen einfacher 3D-Effekte. Ein Manko in der Extended-Variante des Bildbearbeitungsklassikers sind die lediglich rudimentär vorhandenen Konstruktionselemente. Hier wären zusätzliche Ansatzpunkte mit Sicherheit hilfreich. Auch die im letzten Abschnitt beschriebenen Höhenrelief-Extrusionen von Schriftzügen funktionieren im Vergleich zu entsprechenden Funktionen in professionellen 3D-Anwendungen eher mittelprächtig.

Brauchbar sind die 3D-Features der aktuellen Extended-Programmversion in den Bereichen Weiterverarbeitung, Finetuning und Szenen-Rendering. Das Konstruieren von Modellen hingegen ist in echten 3D-Anwendungen nach wie vor besser aufgehoben. Dies gilt übrigens auch für das Schriftzug-Beispiel, bei dem eine extrudierte Erzeugung in einer 3D-Software sicher der bessere Weg ist. Praktisch sind Photo­shops 3D-Funktionen bei der einfachen Weiterverarbeitung importierter 3D-Objekte sowie beim Kombinieren von 2D- und 3D-Inhalten.