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Bildbearbeitung zum Staunen

Die Retusche von Bildfehlern gehört zum Photoshop-Alltag. Inzwischen bietet das ­Programm jedoch viele Funktionen, bei denen sich selbst erfahrene Anwender ver­wundert die Augen reiben. Man sollte aber auch die Grenzen des «Zauberns» kennen.

Sven Fischer Kaum ein Bild ist von Haus aus optimal, vor allem im Redaktionsalltag hat man es nicht immer mit perfekt aufgenommenen Fotos zu tun. Abgesehen von Korrekturen an Farbe, Helligkeit und Kontrast, sind oft auch kleine Bildfehler zu retuschieren.

Das können Fussel auf dem Objektiv sein, Flecken, Regentropfen bis hin zu Teilen eines Bildmotivs, die aus ästhetischen Gründen stören und die man gerne eliminiert haben möchte. Es geht also auch um inhaltliche Veränderungen an Bildern, die möglichst nicht auffallen sollten.

Für solche Aufgaben bietet Adobe Photoshop inzwischen ein ganzes Arsenal an Helferlein, mit teilweise erstaunlichen Fähigkeiten.

Inhaltsbasiert skalieren

Beginnen wir mit einer Funktion, die oft übersehen wird, aber schon seit Version CS 4 in Photoshop enthalten ist. Das Inhaltsbasierte Skalieren ist zu finden im Menü Bearbeiten. Dieser Befehl ist sehr praktisch, um ein Bild beispielsweise in der Breite zu verändern, damit es in ein Spaltenraster besser hineinpasst. Im Extremfall lässt sich sogar ein Hochformat in Querformat wandeln (was jedoch nicht immer gelingt).

Üblicherweise wird beim Transformieren in Breite oder Höhe der Bildinhalt gestreckt oder gestaucht. Das bekommt den wenigsten Bildern gut. Der Befehl Inhaltsbasiert Skalieren nimmt hingegen eine Berechnung des Bildinhaltes vor und stellt dabei fest, welche Bildobjekte nicht skaliert werden dürfen. Bildbereiche mit hohen Kontrasten bleiben meist unverändert, stattdessen werden die restlichen, kontrastarmen Bildinhalte interpoliert.

In den meisten Fällen funktioniert das auch erstaunlich gut. Aber es gibt auch Bilder, bei denen diese intelligente Skalierung zu keinen vernünftigen Ergebnissen kommt.

Dann kann man mithilfe von Alpha-Kanälen bestimmte Bildbereiche festlegen, die nicht skaliert werden dürfen. Die betreffenden Bereiche werden also ausgewählt und die Auswahl als Alpha-Kanal gespeichert.

Im Optionsmenü der inhaltsbasierten Skalierung kann man dann den betreffenden Alpha-Kanal auswählen, um Bildbereiche vor der Skalierung zu schützen. Meist sind die Ergebnisse dann deutlich besser. Auch gibt es eine Option, um speziell Hauttöne von der Skalierung auszunehmen. In diesem Fall berücksichtigt das Programm automatisch Partien mit Hauttönen und verändert diese bei der Skalierung nicht.

Wenn man mit Alpha-Kanälen arbeitet, sollte man darauf achten, zum Bild­rand hin genug Platz zu lassen, da Photoshop ja von irgendwoher die Informationen zur Berechnung nehmen muss und dazu Bildteile heranzieht, die ausserhalb des gerade ausgewählten Bereiches liegen. Also beispielsweise lieber mehrere kleinere Bereiche erstellen als einen grossen.

Reparaturpinsel

Für lange Zeit gab es zum Korrigieren von Bildfehlern nur den Korrekturstempel. Dieser kopiert Bildteile an eine andere Position. Das Einfügen kann auch auf einer anderen Ebene oder sogar in einer anderen Bilddatei stattfinden.

Der Stempel funktioniert so lange gut, wie es im Bild Bereiche gibt, deren Farbe und Struktur der auszubessernden Stelle sehr stark ähneln. Ist dies nicht der Fall wird die Korrektur mühselig bis unmöglich.

Für schwierige Fälle gibt es seit geraumer Zeit zusätzliche Werkzeuge, die auch Anpassungen an Farbigkeit und Struktur vornehmen können, sodass die Korrektur oft visuell kaum zu erkennen ist.

Dazu gehört vorrangig der Reparaturpinsel. Er arbeitet ähnlich wie der Kopierstempel, das heisst, mit gedrückter ALT-Taste wird eine Struktur im Bild aufgenommen und anschliessend an die auszubessernde Stelle kopiert. Dort wird dann eine farbliche Anpassung vorgenommen.

Ausbessern-Werkzeug

Die gleiche Vorgehensweise lässt sich auch mit ausgewählten Bildteilen bewerkstelligen. Dazu dient das Ausbessern-Werkzeug. Hier wird mit dem Werkzeug ein Bildbereich ausgewählt und die Auswahl an die zu korrigierende Bildstelle gezogen. Bei diesem Werkzeug hängt allerdings die Qualität der Korrektur auch noch in hohem Masse davon ab, wie ähnlich der ausgewählte Bildbereich und die Korrekturstelle sind. Auch ist das Ergebnis weniger zufriedenstellend, wenn der ausgewählte Bereich recht gross ist.

Mit der Option Quelle wird der ausgewählte Bildbereich durch den Bildteil ersetzt, an den die Auswahl gezogen wird. Mit der Option Ziel wird der Bildbereich ausgebessert, an den die Auswahl gezogen wird. In jedem Fall werden Anpassungen an Farbigkeit und Untergrundstruktur vorgenommen.

Mithilfe der Option Alle Ebenen kann man Ausbessern-Retuschen auch auf eine eigene Ebene legen. Dazu sollte man die Ebene bereits vor der Korrektur anlegen.

Bereichsreparaturpinsel

Der Bereichsreparaturpinsel war bislang mit den Standardoptionen nicht wirklich brauchbar, da er versucht, mit Näherungswerten Bildteile zu ersetzen. Das führt meist zu eher kuriosen Ergebnissen. Man kann bei diesem Werkzeug leider nicht mit einem ALT-Klick bestimmen, woher die Korrekturpixel genommen werden sollen. Die Anwendung ist somit eher ein Lotteriespiel.

Glücklicherweise gibt es für den Bereichs­reparaturpinsel aber auch eine inhaltssensitive Option, die gerade bei komplexen Strukturen zu erstaunlichen Ergebnissen führen kann.

Da sich dieses Werkzeug wie ein Pinsel verhält, wird die Empfindlichkeit und damit auch die Genauigkeit durch die Grösse der Pinselspitze beeinflusst. Je grösser die Pinselspitze ist, desto grösser ist auch die Chance, zu ungenauen Ergebnissen zu kommen. Vor allem wenn es um feine Strukturen geht, die man ausbessern möchte, ist es notwendig, mit einer möglichst kleinen und weichgezeichneten Pinselspitze zu arbeiten. Am besten passt man sie an die Grösse der auszubessernden Struktur an.

So lassen sich nicht nur störende Stromleitungen beseitigen, die quer durchs Bild laufen, sondern auch Anpassungen an komplexe Strukturen, wie etwa ein Rautenmuster, vornehmen.

Inhaltsbasiert Füllen

Richtig interessant ist die Retuschearbeit auch mit der Option Inhaltssensitive Füllung. Dazu wird der betreffende Bildbereich ausgewählt und die Auswahl dann mit dem Befehl Füllen > inhaltssensitiv aus dem Menü Bearbeiten gefüllt. Das Ergebnis ist in vielen Fällen verblüffend.

Die inhaltliche Analyse des Motivs, die diesem Befehl zugrunde liegt, berücksichtigt nicht nur Umgebungsstrukturen, sondern auch Schatten- und Lichtkanten. Wie im Beispiel zu sehen, funktioniert das inhaltsbasierte Füllen auch mit komplexen Mauerstrukturen einwandfrei. Diese Funktion lässt sich hervorragend einsetzen, um Aufnahmefehler zu kaschieren, beispielsweise eine Häuserecke, die am Standort des Fotografen in das Bild hineinragte oder auch der Kopf eines Passanten, der im letzten Moment noch durchs Motiv huscht.

Wichtig ist auch hier, dass um den ausgewählten Bereich, der verändert werden soll, genügend Platz vorhanden ist, aus dem Photoshop die benötigten Strukturen errechnen kann.

Inhaltsbasiert Verschieben

Dieses in CS 6 neu hinzugekommene Werkzeug ermöglicht es, Bildteile an andere Positionen zu verschieben und sowohl an der Zielposition Anpassungen vorzunehmen als auch an der Originalposition die Lücke entsprechend nahtlos auszubessern. Man wählt den fraglichen Bildteil aus und verschiebt die Auswahl dann mit dem Inhaltsbasiert Verschieben-Werkzeug.

Das Werkzeug besitzt zwei verschiedene Modi sowie fünf verschiedene Anpassungs- und Berechnungsmethoden. In den meisten Fällen ist die mittlere Anpassungsgenauigkeit ausreichend. Ist das Ergebnis dennoch nicht zufriedenstellend, kann man eine genauere Anpassung wählen, die allerdings auch eine erheblich längere Berechnungszeit erfordern kann. Auch die Bildauflösung hat natürlich erheblichen Einfluss auf die Dauer der Berechnung.

Fazit

Mit den inhaltssensitiven Photoshop-Werkzeugen sind umfangreiche oder auch detaillierte Retuschen von Bildfehlern in den meisten Fällen unproblematisch und schnell zu erledigen. Solange es um ästhetische Aspekte geht, ist das sicherlich hilfreich. Problematisch wird es unter dem Gesichtspunkt dokumentarischer Bildinhalte. Denn handwerklich gut gemachte Bildmanipulationen sind selbst für Profis meist kaum noch zu erkennen. Da bleibt dem Betrachter heutzutage wohl nur noch die Erkenntnis: «Traue nur dem Bild, das du selbst gefälscht hast.»

Der Autor

Sven Fischer ist seit mehr als 25 Jahren als Prepress-Trainer und -Berater unterwegs. Er ist Adobe Certified Instruc­tor und führt neben firmenspezifischen Trainings auch Schulungen für den Verband Druck und Medien durch.

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