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Bon App � Feinkost f�rs iPad

Welche Apps sind im kreativen Bereich von Nutzen und nicht nur eine unterhaltsame Spielerei? Eine Gestalterin berichtet von ihren Erfahrungen und gewährt Einblick in ihre Sammlung von aussergewöhnlichen Apps für den kreativen Alltag.

Andrea birkhofer Seit letztem Jahr gehöre ich auch zu den stolzen Besitzerinnen eines iPad 2. Es war ein Geburtstagsgeschenk und beim Auspacken hüpfte mein Herz vor Begeisterung. Da lag diese glänzende «Scheibe» in meinen Händen und gross war das Verlangen, sogleich alles auszuprobieren. Zuhause auf dem Sofa waren die nächsten Wochen ausgefüllt mit mailen, surfen, spielen, Fotosammlungen anschauen und dem Erledigen von kleinen Organisationsaufgaben.

Lange Zeit konnte ich nicht einschätzen, wofür dieses Gerät eigentlich nützlich ist. Die Neugier und Faszination waren etwas abgekühlt. Anfänglich blieb das iPad zuhause. Ich konnte mir nicht vorstellen, das edle Teil ständig mit mir rumzutragen. Obwohl alles dafür sprach. Es hat eine angenehme Grösse, ist leicht und einfach transportier- und nutzbar. Gelegentlich nahm ich es zur Arbeit ins Atelier mit, nur um damit meine iTunes-Musiksammlung über den Mac zu synchronisieren. Nebenbei ergab sich auch ein Besuch im App Store. Das Angebot war überwältigend. Ein Blick verrät: Es gibt für alles eine App! Brauche ich die alle? Soll ich jetzt bei diesem App-Hype auch mitmachen und dafür auch noch Geld ausgeben?

Immer wieder stand ich vor der Entscheidung, ob ich für eine App bezahlen soll oder nicht. Denn ich wollte nicht einfach möglichst viele Apps sammeln, sondern gezielt solche finden, die für mich persönlich und meine gestalterische Arbeit nützlich sein könnten. Die erste App für diesen Zweck war ein hübsches Notizbuch und es kostete nur einen Franken. Das war ein Kinderspiel. Apple ID eingeben und mit einem Klick war der Einkauf getätigt. Danach benötigte ich noch ein professionelles Farbfächertool, eine App zum Zeichnen und Malen, eine App, um Präsentationen zu erstellen, etwas zum Thema Design und Typografie usw. Unerwartet hat mich das «Appingfieber» erwischt. Ja, ich wurde zur Jägerin und Sammlerin! Vorbei war die Zeit des «ersten Ausprobierens». Und bereuen tue ich es auch nicht, denn inzwischen füllt sich mein iPad mit allerlei spannenden und brauchbaren «App-Leckereien».

Hohe Ansprüche

Der App Store erscheint mir wie ein grosser Suppentopf. Etwas tiefer unten findet man die leckersten Stücke. Da-für muss man genau wissen, was einem «schmeckt». Mir passiert es natürlich auch, dass ich eine App «rausfische», manchmal kostenpflichtig, und bald merke, es war ein Reinfall. Das ist jedes Mal eine kleine Enttäuschung. Jedoch eine, die schnell verdaut ist, denn es gibt diese tollen Momente der Freude, wenn die App genau den Erwartungen entspricht. Wenn sie mich anregt, etwas Neues auszuprobieren oder sich eine aussergewöhnliche Bildidee für ein typografisches Plakat ergibt.

Die Würze liegt bekanntlich im Detail. Darauf achte ich als Gestalterin besonders. Da sollten eine attraktive und liebevoll gestaltete Benutzeroberfläche, ein kluges Farb- und Formkonzept, sinnvolle Funktionen und Abläufe in der App mitenthalten sein.

Spannend sind solche Apps, die mir den Anstoss geben, meine Ideen auf eine andere Art und Weise auszuarbeiten als bisher. Ich achte darauf, viel Eigenständiges zu entwerfen. Immer öfter bereite ich Ideenskizzen und Rohentwürfe auf dem iPad vor und bearbeite das Material auf meinem Mac weiter. Kreative Prozesse lassen sich mit den entsprechenden Apps und den gewohnten Kreativprogrammen erstaunlich effizient erledigen.

Erfolgreich suchen und finden

Das Angebot im App Store ist riesig, und monatlich kommen etwa 10 000 weitere Apps hinzu. Wer sich auf die Suche nach einer bestimmten Kreativ-App macht, wird wahrscheinlich viel Zeit damit verbringen, die richtige zu finden. Es fällt mir jedes Mal schwer, diszipliniert und zielgerichtet das Gewünschte zu suchen. Denn überall verlocken vielversprechende App-Icons zum Anklicken. Am erfolgreichsten bin ich mit der im App Store enthaltenen Schnellsuche. Im Suchfeld kann der gewünschte Themenbegriff eingegeben werden, und es erscheint eine App-Auswahlliste. Nun beginnt die Überraschungsparty mit Auswählen und Durchklicken, bis man zur entsprechenden Informationsseite der App gelangt. Dort erfährt man, was die Applikation zu bieten hat. Vor allem die abgebildeten Screenshots helfen mir bei der Entscheidung, ob es sich lohnt, die App zu «shoppen» oder nicht. Wenig Beachtung schenke ich den Bewertungen. Die sind mir oft nicht genug aussagekräftig.

Erfreulicherweise gibt es im Store immer wieder gute Gratis-Apps. Vermehrt können diese kostenpflichtig aufgerüstet werden. Es lohnt sich, ähnliche Apps untereinander zu vergleichen. Mit etwas Zeitaufwand und Glück findet man so seine idealen Tools. Die Hälfte meiner Sammlung besteht unterdessen aus gekauften Apps. Allesamt kosten nicht mehr als acht Franken.

In dieser und weiteren Publisher-Ausgaben präsentiere ich auserlesene Kreativ-Apps zu diversen Gestaltungsthemen.

Ich hoffe, Sie haben bereits grossen App(etit) bekommen. Viel Spass.

Drei Favoriten im Überblick

LetterMPress ist für Typoliebhaber genauso spannend wie für interessierte Leute, die das traditionelle Druckverfahren mit Holzbuchstaben «digitalisiert» ausprobieren möchten. Zur Auswahl stehen eine Vielzahl an alten Schriftlettern und Schmuckelementen sowie für den Hochdruck gebräuchliche Utensilien und Papiere. Druckfarben können selbst angemischt werden. Die gestaltete Vorlage druckt die Druckpresse auf das gewünschte Papier. Hier macht das Entdecken und Ausprobieren wirklich Spass. Fazit: Eine richtig gelungene App, jeden Franken wert. Unbedingt ausprobieren.

Plus- und Minuspunkte: + Grosser Lern- und Spasseffekt + Gute Auswahl an Formatgrössen−Erfordert Übung und Geduld, bis man alle Funktionen bedienen kann−Objekte können auf der Arbeitsfläche nicht direkt dupliziert werden

Store-Infos: CHF 6.–, iPad /Mac, Englisch

Mit PicFrame können Sie eigene Bilder in vorgefertigte Layout-rahmen einfügen. Es stehen 34 Rahmenlayouts zur Verfügung. Auf Wunsch können die Rahmenfarbe, der Rahmenhintergrund und die Rahmendicke verändert werden. Ausserdem gibt es für die Bildbearbeitung Basisfunktionen wie Skalieren, Spiegeln, Drehen und Einfärben. Fazit: Einfach und praktisch zu bedienen. Ein ideales Tool, um Bildkombi­nationen wirkungsvoll zu layouten und zu präsentieren.

Plus- und Minuspunkte: + Zahlreiche Layoutvorlagen+ Gute Auswahl an Formatgrössen+ Ideal für Portfolio- oder Präsentationsseiten−Keine Texteingabe möglich

Store-Infos: CHF 1.–, iPhone/iPad, Englisch

Visualator von den Machern des «Computer Arts Magazine» ist ein experimentelles Maltool, welches abstrakte Farbbilder erzeugt. Hier steht das Ausprobieren im Vordergrund. Es gibt zwei verschiedene Modi, Triangulate und Gradulate. Mit Triangulate kann man tolle ­geometrische Formen collagenartig erzeugen. Gradulate ist da eher eine etwas unkontrollierte Wischerei von Verlaufslinien. Fazit: Vieles geschieht per Zufall und ist nicht immer nachvollziehbar. Dennoch, die App macht Spass, inspiriert, und man kann in kurzer Zeit ein effektvolles Bild kreieren.

Plus- und Minuspunkte:+ Experimentell und inspirierend −Es fehlt die Funktion «Schritt zurück»−Die Bedienung der Farbregler ist etwas knifflig

Store-Infos: Kostenlos, iPhone/iPad, Englisch

Die Autorin

Andrea Birkhofer ist Visuelle Gestalterin HfG und unterrichtet im Bereich Desktop und Digital Publishing an der Migros Klubschule. Sie führt in Zürich ihr eigenes Atelier für Visuelle Gestaltung mit Schwerpunkt Typografie und Illustration.

www.andreabirkhofer.ch