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Die Gestaltgesetze

Uralte �berlieferungen, typografische Regeln und Gesetze machen das Gestalten nachvollziehbar, einleuchtend und wenig beliebig. Die wichtigsten Gestaltungsgesetze sind im neuen Band �Bild�gestaltung� der Reihe �TypoTuning� festgehalten.

RALFTURTSCHI Die Praxis hat die Einzeldisziplinen Entwurf, Grafik, Satz, Layout und Reproduktion auf denselben Arbeitsplatz konzentriert. Die früheren «Schmalspurgestalter» sind heute nicht mehr gefragt. Breites Wissen von der Sprachkompetenz über die Kreativität und Typografie bis hin zur Bildkompetenz wird von den Kunden erwartet. Die Breite und die Dichte der Informationen in einer Lehrzeit zu erlernen, ist fast unmöglich geworden. Orientiert sich der Lehrstoff in die Breite, geht die Tiefe verloren und umgekehrt. Mit atemberaubender Geschwindigkeit schreitet die Technik voran, gestern Gelerntes ist morgen bereits veraltet. Zwischen Theorie und Praxis klafft eine immer grössere Lücke. Viele heute noch gültigen gestalterischen Regeln in der Formenlehre oder in der Typografie gründen auf Gestaltgesetze, die sich auch auf Bilder anwenden lassen. Gerade in unserer medialen Welt, die zunehmend durch Bilder geprägt wird, ist das Grundwissen, wie Bilder funktionieren, unabdingbar. Wie soll man Bilder einsetzen, wenn man nicht weiss, wie Bilder funktionieren? Das würde sich so anfühlen, wie Arabisch zu setzen und die Sprache nicht zu kennen. Gewohnheiten in der Wahrnehmung dürfen nicht einfach so ignoriert werden, es gibt Regeln und Gesetze – wer sie kennt, kann sie nutzen.

 

Was leisten Bilder?

Bilder, so weit ist man sich wohl einig, sind für den schnellen und emotionalen Informationstransport besser geeignet als Texte. Bilder werden vor den Texten «gelesen», sie wirken durch den Bauch, man muss sich nicht minutenlang damit auseinandersetzen, um Bilder zu verstehen. Unser Sehapparat ist so konditioniert, dass wir Bilder ohne schulisches Wissen interkulturell sehen und verstehen können. Der Pole versteht das Bild eines Friedhofes genauso wie der Sizilianer. Bilder sollten gezielt und dem Text gleichberechtigt eingesetzt werden, denn es gibt Inhalte, die lassen sich besser mittels Text transportieren (Jahresbericht eines Unternehmens), und solche, die lassen sich besser über Bilder vermitteln (Eisbär Knut). Ohne Bilder wäre Knut wohl nie zum Medienstar geworden. Trotzdem ist Bildkompetenz kein gewichtiges Lehrfach, weder bei Grafi­kern noch bei Poly­grafen.

 

Die Gestaltgesetze

Auf dem Weg, Wahrnehmungs- und Bildkompetenz zu erlangen, stösst der Suchende auf die so genannten Gestaltgesetze, die sich aufgrund verschiedener Untersuchungen herausgeprägt und überliefert haben. Zum Teil sind die Gesetze über 100 Jahre alt und in vielen Büchern dokumentiert. Oft sind im Internet zum Thema grafische Abbildungen zu sehen, welche die Theorie erläutern. Der praktische Nutzen bleibt jedoch bescheiden, weil die Brücke zur heutigen gesamtheitlichen Sicht der Gestaltung fehlt. Das heisst, die wenigsten Grafiker verstehen die Gestaltgesetze, die meisten sind nicht in der Lage, sie in ihrer täglichen Arbeit bewusst anzuwenden. Weshalb wohl werden so viele schlechte Plakate aufgehängt, die auf Distanz nicht funktionieren? So viele textdominante Anzeigen? Mit dem vierten Band «Bildgestaltung» kommt Bildkompetenz auf den Desktop. Diese Doppelseite zeigt einen Auszug aus den Gestaltgesetzen im Buch, das Werk ist auf Seite 78 vorgestellt.