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Digitalfotos auf Zeitreise

Die Looks vergangener Fotografieperioden sind in der Digital­fotografie zunehmend gefragt. Welche Kontraste und Farben sind typisch für die Sechziger, Siebziger, Achtziger und Neunziger? Dieser Beitrag zeigt, wie sich Retro-Effekte umsetzen lassen.

GÜNTER SCHULER Ob Farbstylings, künstliche Alterungseffekte oder die Wiederkehr der klassischen Schwarzweissaufnahme – kaum eine Farb- und Effektgestaltung, die sich mit Photoshop nicht bewältigen liesse. Der «Mercedes unter den Bildbearbeitungsanwendungen» hat nicht nur alle Tools, die man als digitaler Farbstylist so benötigt. Technisch-farbneutrale Bildoptimierung ist ebenso wenig ein Problem wie das Forcieren bestimmter Farblooks oder Effekte. Geht es um das Thema Retro, ist kritisches Hinterfragen im Vorfeld allerdings nicht verkehrt. Denn: Nicht jede Farbverschiebung über Farbbalance ist gleich ein Retro-Effekt.

Was sind Retro-Effekte?

Kurz beantwortet kann man sagen: Bildaufbereitungen, die darauf zielen, ein Foto so aussehen zu lassen, als wäre es in einer bestimmten historischen Periode aufgenommen, nachbearbeitet oder verlayoutet worden – beispielsweise in den Sechzigern, Siebzigern oder Achtzigern. Die Begriffe Aufnehmen, Nachbearbeiten und Verlayouten verraten bereits, dass der Begriff Retro sich nicht nur auf einen bestimmten Fotolook bezieht, sondern ebenso auf die Art und Weise, wie das Endergebnis damals dem Betrachter präsentiert wurde. Selbstverständlich nehmen Fotofarben und Fotokontrast dabei eine zentrale Stellung ein. Wichtig ist jedoch, zu wissen, dass Fotogestaltung bereits früher ebensoviel mit Geschmack zu tun hatte wie mit bestimmten Verarbeitungsverfahren. Die Einstellung zu Farbe und Kontrast etwa hat sich in den letzten fünfzig Jahren erheblich verändert. Waren möglichst viele sichtbare Bilddetails (und eine entsprechende Ausleuchtung beim Fotoshooting) bis weit in die Sechziger ein wichtiges Kriterium für ein gutes Bild, waren die Achtziger und Neunziger die grosse Zeit des Weglassens und der harten Kontraste – zumindest in der Werbefotografie.

Stylings nach Periode

Der Farbgeschmack schwankte ebenso. Farbstiche etwa wurden bis in die Achtziger hinein mehr oder weniger achsel­zuckend hingenommen. Ästhetisch dominierte bis weit in die Sechziger eine stark reduzierte Farbgebung. In den Folgejahrzehnten schlug das Pendel zum Teil in die entgegengesetzte Richtung aus. Entsprechende Abzüge, vor allem von Filmen des japanischen Herstellers Fuji, sind selbst für heutige Ausgabeverfahren eine He­rausforderung. Retro sind sie mittlerweile ebenso sehr wie die kreativen Dunkelkammer- und Entwicklungs­experimente der Sechziger bis Achtziger – etwa die in der kreativen, jungen Fotografie aktuell stark zur Anwendung kommenden Cross-Effekte. Die aufgeführten Beispiele zeigen allerdings, dass der Fotozeitgeist einer bestimmten Periode nicht nur von bestimmten ästhetischen Kriterien geprägt war, sondern ebenso von bestimmten Foto- und Verarbeitungsverfahren. Praktische Frage: Welche Stylings lassen sich welcher historischen Periode zuordnen? Hier eine kurze, stichwortartige Aufstellung:

Vor 1950 Schwarzweissbilder als Standard, Sepia-Färbung (ein Ablagerungseffekt, oft einhergehend mit weiteren Abnutzungsspuren wie lokal unterschiedliche Intensität der Sepia-Färbung), Vignettierung der Bildränder, künstliche Vignetten als Schmuckgestaltung, grobes Filmkorn. Farbgestaltung: entsättigte Pastelltöne.

Fünfziger und Sechziger Die Studio-Schwarzweissfotografie (insbesondere die bei Porträtaufnahmen) ist von einer Detailhaltigkeit geprägt, an deren Grundgedanken erst heutige HDR-Verfahren wieder anknüpfen. Hochzeit der Pin-up- und Hollywood-Kultur. Dominierende Fotofarben: stark entsättigte Rottöne, Cyantürkis beziehungsweise Babyblau und, als Ergänzungsfarbe, ein fahles Pastellgelb. Farben changieren zwischen entsättigter Farbgebung (die Farbfotografie war damals noch nicht so weit wie heute) und gelegentlichen Bonbonfarben hin und her. Weitere Farbstylings der Epoche: Schwarzweiss mit unterlegten Farbflächen (Beispiel: die Plattencover des legendären Jazz-Labels «Blue Note») und Duplexeffekte (Achtung: gelten heute eher als «zeitneutral»).

Siebziger Psychedelic Colours, naturale, farbharmonisch wirkende Farben. Kontraste und Bildgestaltung: Grobkorn und/oder hamiltonsche Weichzeichnung. Generell eher moderate Kontraste, oft einhergehend mit der Betonung hellerer Bildtöne. Kontrapunkt im Low-End-Bereich: Polaroidbilder mit stark gesättigten, verwaschenen Farben sowie hohem Kontrast. Sonstige Effekte: Crossent­wicklungslooks.

Achtziger Farblich dominieren die Modefarben des New Wave: Pink, Cyanblau, helles Gelb. Starke Kontraste, gesättigte bis ultragesättigte Farben.

Neunziger In der Werbung gibt es ein Comeback der Schwarzweissfotografie. Kennzeichen: betonte, starke Kontraste inklusive der Hervorkehrung lokaler Kontraste. Farbgebung: Halbmonochrom-effekte, vorwiegend im Cyanblau- und Blaugrün-Bereich (bekanntestes Beispiel, bis heute gängig: Automobilwerbung). Sonst noch: High-Key- und Low-Key-Bilder.

Seit 2000 im technischen Bereich stärkere Akzentuierung auf neutrale Farbwirkung. Kontrast hier: Neutralgrautöne versus Farbe. Rest: Trend zurück zur Bilddetailhervorkehrung sowie zu naturaleren, stärker entsättigten Farben. Digitale Retro-Fotolooks wie Cross-Effekte, Schwarzweiss, Duplex und Sepia.

Vorgaben zur Stapel­verarbeitung

In Sachen Effekterstellung haben Photoshop-User die grosse Wahl. Die überwiegende Mehrzahl der aufgeführten Looks lässt sich sowohl in Camera Raw als auch in Photoshop erstellen. In Camera Raw bietet sich bei wiederkehrenden Looks das Abspeichern der entsprechenden Einstellungen als Vorgabe an. In Photoshop selbst lassen sich viele Retro-Effekte als einfache Vorgaben anlegen – beispielsweise als spezielle Cross-Effekt-Vorgabe für den Befehl Gradationskurven. Einstellungsebenen funktionieren wie fast überall flexibler. Serielle Look-Zuweisungen können zum einen via Drag & Drop vorgenommen werden (Einstellungsebene resp. -ebenen von Bild A in Bild B hinüberziehen). Bei stärker ausdifferenzierten Effektgestaltungen, etwa mit bildspezifischen Ebenenmasken, empfiehlt sich das Anlegen spezieller Effekt-Aktionen. Seriell angewandt werden können diese entweder durch das Auslösen der einzelnen Aktion oder aber als Stapelverarbeitung. Um die Möglichkeiten in der Praxis aufzuzeigen, im Folgenden eine Effekt-Zeitreise durch die einzelnen Fotolook-Jahrzehnte.

Retro-Effekte in der Praxis

Die gute Nachricht: Die meisten der vorgestellten Effekte lassen sich auch von weniger erfahrenen Photoshop-Anwendern leicht erstellen. Weil der Schwierigkeitsgrad niedrig ist und bei den meisten Bildern eher die Frage anstehen dürfte, welchen Effekt man genau nimmt, sind die Beschreibungen knapp gehalten.

Fünfzigerjahre-Schwarzweiss Für die versiertere Schwarzweissumsetzung empfiehlt sich in den meisten Fällen eine Einstellungsebene Schwarzweiss. Vorteil: Eine Reihe Vorgaben für die Umsetzung sind von Werk aus bereits vorhanden. Eine gute Alternative ist auch der Lab-Helligkeitskanal im Lab-Farbmodus. Generell ein gutes Tool für die Herausarbeitung von mehr Bilddetails ist Tiefen/Lichter. Eine gute Ausgangseinstellung für die Tiefenkorrektur: jeweils 20 Prozent für Stärke und Tonbreite und einen Radius von 80 bis 150 Pixeln. Alternative: Bild in Camera Raw öffnen, Graustufenumwandlung aktivieren (Reiter Nummer vier) und Details mit den Reglern Aufhelllicht und Klarheit hervorarbeiten. Abschliessende Behandlung: Gesamtkontrastgebung nachrichten (Tonwertkorrektur oder Gradationskurven).

Sepia einfach Eine einfache Sepia-Tönungsfunktion ist im Befehl Schwarzweiss bereits enthalten. Weitere geeignete Tools sind: Fotofilter, Gradationskurven, Farbbalance und Verlaufsumsetzung. Erforderlich ist allerdings eine vorherige Graustufenumwandlung, etwa über eine Einstellungsebene Schwarzweiss. Mit Ausnahme des Fotofilters ermöglichen die aufgeführten Features auch mehrfarbige Duplex-Farbgebungen – etwa indem die Tiefen stärker rot, die Lichter hingegen stärker fahlgelb eingefärbt werden. Farbe bei klassischem Sepia ist ein warmer, eher dezent gesättigter Ockerbraunton.

Sepia komplexer Lokale Sepia-Ausfleckungen, innerhalb derer das Sepiagelb intensiver vorhanden ist (zur zusätzlichen Betonung des Abnutzungseffekts), erreichen Sie durch eine einfache Lassoauswahl mit weicher Auswahlkante (60 bis 200 Pixel). Alternativ ist auch das Ausmalen einer schwarzen Ebenenmaske mit einer weichen Pinselspitze möglich. Bei aktivierter Auswahlkante kann eine neue Einstellungsebene mit denselben oder ähnlichen Einstellungen angelegt werden (Schwarzweiss, Farbbalance etc.). Die Auswahl wird beim Anlegen der Ebenenmaske berücksichtigt. Abschliessende Massnahme: Zuweisen der Füllmethode Weiches Licht und eventuell Reduzierung der Deckkraft, oder, wenn die Sepia-Intensivierung durch eine zweite Einstellung erzielt wurde: Normal.

Filmkornebene für unterschiedliche Looks Vorgehensweise: über dem Effekt (Sepia, Schwarzweiss oder auch Einfaches Farbbild) neue, leere Ebene anlegen und mit 50 Prozent Grau füllen. Ebenenmodus auf Ineinanderkopieren stellen. Graue Fläche mit dem Rauschfilter Rauschen hinzufügen filtern. Anschliessend geringfügig weichzeichnen (Radius: 1). Optional: anschliessende Verstärkung des Korns durch Filtern mit Unscharf maskieren (Stärke: variabel; Radius: 1 bis 2). Gröberes, fleckigeres Korn: Bilddatei duplizieren, Auflösung reduzieren, Korneffekt erstellen, Auflösung auf alten Wert hochinterpolieren, Ebene mit Korn in Originalbilddatei einsetzen und Füllmethode einstellen. Alternative Vorgehensweise: Körnung über fx-Reiter in Camera Raw implementieren.

Abnutzungsstruktur für unterschiedliche Looks Am besten eignen sich hierfür dezente Werkstofftexturen – beispielsweise fleckiges Papier, das man entweder als Original einscannt oder aber abfotografiert. In das Bild implementiert werden diese Abnutzungstexturen als separate Ebene. Mögliche Deckkraft- und Füllmethodeneinstellungen: Weiches Licht oder auch Normal plus Deckkraftreduzierung; am besten ausprobieren. Durch Malen mit einem weichen Pinsel in einer zusätzlich angelegten Ebenenmaske kann die Sichtbarkeit der Textur auf bestimmte Bildbereiche begrenzt werden.

Abdunkelungsvignette Die luxuriösesten Möglichkeiten bietet hier Camera Raw. Die Technik können Sie auch bei normalen Tiff- und JPEG-Bildern nutzen – indem Sie sie über den Bridge-Befehl Datei > In Camera Raw öffnen (Befehlstaste + R) importieren. Die Vignettierungsfunktion befindet sich in der unteren Hälfte des fx-Reiters. Das Reduzieren der Stärke in den negativen Wertebereich hinein entspricht klassischen Abdunkelungsvignetten. Passend sind diese bei allen Fotolooks, die Perioden simulieren, in denen das Mittel der digitalen Vignettenentfernung noch nicht vorhanden war.

Schmuckvignette Funktioniert wie die Abdunkelungsvignette. Da es sich hier tendenziell eher um eine Freistellung beziehungsweise ein Verblassen der Bildränder handelt, wird der Stärke­regler in die entgegengesetzte Richtung gezogen. Breite und Weichheit der Übergangsvignette werden über die restlichen Regler gesteuert. Tipp: Da Schmuckvignetten (mit oder ohne Filmkorn) vor allem bei Sepia-Färbungen ein beliebtes Gestaltungsmittel sind, ist zu überlegen, ob man nicht die gesamte Gestaltung in Camera Raw vornimmt beziehungsweise sogar eine geeignete Vorgabe abspeichert (Camera-Raw-Menüpunkte rechts aussen neben Reitername; dort unter dem Punkt: Einstellungen speichern).

Duplex einfach Die Vorgehensweise bei Duplex-Effekten entspricht derjenigen von Sepia-Effekten. Unterschied ist die Zweitfarbe, die zum Zug kommt. Als Standardfarbe wird oft Cyanblau eingesetzt. Mehrfarbige Tönungen lassen sich besonders gut über eine Einstellungsebene Verlaufsumsetzung mit zwei oder mehreren Verlaufsfarben erzeugen. Einblendmethode bei klassischem Duplex: Farbe. Andere sind jedoch ebenfalls möglich. Ein weiteres Tool ist der Duplexmodus, dessen Einsatz allerdings eine vorherige Graustufenumwandlung voraussetzt.

Blue-Note-Effekt Farbig unterlegte Schwarzweissfotos sind vor allem bei Zeitgeistmagazinen und in trendbetonten Werbeanzeigen zeitlos beliebt. Vorgehensweise: Graustufen­outfit erzeugen (Einstellungsebene Schwarzweiss oder auch Kanalmixer im Monochrom-Modus), anschliessend Einstellungsebene Farbfläche darüberlegen, Farbton wählen und als Füllmethode abschliessend Multiplizieren einstellen. Ist die Gesamtwirkung aufgrund der gewählten Farbe zu dunkel, kann das Bild durch eine unter der Farbebene liegende Einstellungsebene Gradationskurven aufgehellt werden. Bei hochwertigen Printversionen empfiehlt es sich, diese Art Effektgebung in CMYK anzulegen, um die Tiefschwarzmodulierung besser kontrollieren zu können.

Sechzigerjahre-Look Haupterkennungsmerkmal sind die reduzierten, entsättigten, von Fahlrot, Beigegrau und Grautürkis geprägten Bildfarben. Das Nachstellen dieser Farbgebung ist etwas komplizierter. In Kurzform hier ein Rezept: Bild in CMYK umwandeln, anschliessend eine Ebenenkopie der Hintergrundebene erstellen und Befehl Bild > Kanalberechnungen aufrufen. Hier Kanal Cyan (Quelle 1) und Kanal Magenta (Quelle 2) miteinander verrechnen. Füllmethode für Quelle 2 ist Weiches Licht. Das in einem neuen Alpha-Kanal gesicherte Ergebnis wird anschliessend in den Gelb-Kanal der oberen Bildebene einkopiert. Das Bild kann bei Bedarf in RGB rückgewandelt werden. Zusätzliche Bearbeitung für den so erzeugten Rot-Cyan-Farbstich: eine Einstellungsebene Farbbalance zur Erzeugung eines zusätzlichen Gelbstiches (Mitteltöne leicht in Rot- und Gelbbereich verlagern, Lichter in Gelbbereich) und eine Einstellungsebene Farbton/Sättigung. Letztere dient zum einen dazu, die Farbsättigung insgesamt zu reduzieren. Zusätzlich modifiziert werden auch die über die zweite Aufklappliste oben aufrufbaren Cyan- und Rottöne. Vorgehensweise: bei Cyantönen Wert für Helligkeit reduzieren (–20 bis –40); bei Rot­tönen Sättigung erhöhen und Helligkeit abdunkeln (Werte: jeweils zwischen 20 und 40).

Bonbonfarben Ein weniger oft vorkommender Sixties-Look sind übersteuerte, wie koloriert wirkende Bonbonfarben. Ursache: die Farbsättigungssteuerung damaliger Kleinbildfilme, die, verglichen mit später, noch in den Kinderschuhen steckte. Erzeugen lässt sich dieser Effekt durch eine Vereinheitlichung der Farbsättigung. Vorgehensweise: Einstellungsebene Farbfläche anlegen, eine relativ gesättigte Farbe auswählen und als Füllmethode Sättigung einstellen. Die Deckkraft sollte anschliessend der gewünschten Wirkung angepasst werden. Zusätzlich feinsteuern lässt sich die Farbwirkung durch eine Einstellungsebene Dynamik oder Farbton/Sättigung. Ziel hier ist, eine undifferenzierte Übersättigung zu vermeiden.

Farbeffekt über Gleiche Farbe Fürdas Erzeugen spezieller Farblooks «nach Vorgabe» hat Photoshop ein recht interessantes Tool in petto: den Befehl Bild > Korrekturen > Gleiche Farbe. Als Farbreferenz geladen werden kann hier entweder ein weiteres geöffnetes Bild oder aber eine abgespeicherte Statistikdatei. Effekt: Die Farbgebung der Quelle wird auf das aktuelle Bild übertragen; die Feinsteuerung erfolgt mit den drei oben liegenden Reglern. Vorteil: Die Bildqualität der Quelle muss nicht zwingend hoch sein; ein Screenshot von einem Internetbild im Sixties-Look etwa genügt vollends. Möchte man eine entsprechende Referenz öfters verwenden, bietet sich das Abspeichern der jeweiligen Statistikvorgabe an. Vorteil: Der gewünschte Farblook muss künftig nur noch über Statistik laden aufgerufen werden.

Cross-Effekt In den analogen Zeiten entstanden Cross-Effekte dadurch, dass man Fotofilme mit der falschen Chemie entwickelte. Genauer unterscheidet man zwei: C41 zu E6 und E6 zu C41. Die dabei entstehenden Falschfarben sind bis heute äusserst beliebte Farbeffekte. Hat man kein Drittanbietermodell wie zum Beispiel das Cross-Effekt-Modul aus der Nik-Color-Efex-Reihe zur Hand, ist die Erstellung etwas knifflig. Eine Möglichkeit: unter Gradationskurven die drei Kurven für Rot, Grün und Blau so verändern, dass der gewünschte Crossfarblook entsteht. Vorteil: Das Ergebnis kann als Vorgabe abgespeichert und ohne weiteres Zutun auf Folgebilder angewandt werden. Ein crosstaugliches Kurvenbeispiel ist zur Illustration auf der folgenden Seite abgebildet.

Siebzigerjahre-Look Weiche, pastellfarbene Farbübergänge in Türkisblau, Sepiagelb, Violett und Erdbraun sind typisch für diese Epoche. Der Effekt lässt sich gut über eine Einstellungsebene Verlauf mit entsprechend reduzierter Deckkraft und einer geeigneten Füllmethode wie zum Beispiel Weiches Licht einrichten. Gesamtfarbsättigung sowie Bildkontraste (eher hell und licht) sollten an die Gesamtwirkung angeglichen werden. Als ergänzende Mittel gut geeignet sind Filmkorn, übergelegte Texturfragmente sowie der im Anschluss beschriebene hamiltonsche Weichzeichnungsschleier. Ein alternativer, an Kodak- und Fuji-Filmen orientierter und insgesamt stärker gesättigter Seventies-Farblook kann über den Befehl HDR Tonung umgesetzt werden.

Hamiltonscher Weichzeichnungsschleier Der Effekt eignet sich vor allem bei nicht allzu stark gesättigten, in den Erdfarbenbereich hineingehenden Bildfarben. Vorgehensweise: als Erstes Bildebene kopieren und weichzeichnen (Radius je nach anvisierter Wirkung zwischen 10 und 50). Im zweiten Schritt kann die Deckkraft der Weichzeichnungsebene modifiziert werden – entweder über den Deckkraftregler oder aber über die Fülloptionen der Ebene. Doppelklickt man auf diese, erscheinen im Ebenenstil-Feature unten zwei Regler mit jeweils zwei Anfassern für Tiefen- und Lichter­endpunkt. Zieht man mit gehaltener Optionstaste an der inneren Hälfte dieser Anfasser, kann der Übergang zwischen voll deckend und transparent variabel gestaltet werden. Eine zusätzliche (und am besten auf einer weiteren Ebenenkopie anzuwendende) Technik ist das Erzeugen von Irisflecken mit dem Weichzeichnungsfilter Tiefenschärfe abmildern. Der ausgefleckte Bereich hier wird vor allem über den Regler Schwellenwert gesteuert. Modus zum Einblenden dieser Ebene: Aufhellen. Deckkraftwert: nach Geschmack.

Achtzigerjahre-Look Die achtzigertypischen Neonfarben Cyan, Magenta und Gelb erzeugt man am einfachsten über das bereits beschriebene Feature Gleiche Farbe, kombiniert mit einer entsprechenden Bildvorlage. Eine weitere Methode, den farblich satten und gleichzeitig etwas kühl wirkenden Eighties-Look zu erstellen: HDR Tonung anwenden, Stärke- und Schwellenwerteinstellungen ganz nach links schieben und Bildkontraste über die Gradationskurve unten restaurieren. Cyanblaue Grundstimmung: entweder Sättigung der Cyantöne über Farbton/Sättigung erhöhen oder Farbspektrum via Farbbalance leicht in den Cyanbereich hineinschieben.

Polaroid-Effekt Grundregel: Alles, was man in der High-End-Bildoptimierung eher vermeiden sollte, darf bei der Erzeugung dieses Effekts bedenkenlos zur Anwendung kommen. Vorgehensweise: deutliche Kontrasterhöhung (Gradationskurven), Zurücknahme des Zuviels an Farbsättigung über Farbton/Sättigung und schliesslich Forcierung des Farbstiches (in der Regel: Rot bis Magenta) über Farbbalance. Je nach Endformatgrösse ist eine minimale Weichzeichnung (Gaussscher Weichzeichner, Helligkeit interpolieren) ebenfalls nicht verkehrt. Das Ergebnis darf und sollte ruhig etwas überkontrastig, farbgesättigt und farbstichig sein – wobei die Entsättigung in Kombination mit der Farbforcierung für eine genügend uneindeutige, dafür jedoch bunte Farbwirkung sorgen sollte. Achtung, Bildformat: Es gibt unterschiedliche Polaroidformate grundsätzlich tendiert das Seitenverhältnis jedoch stark zum Quadrat.

Neunzigerjahre-Schwarzweiss. Vorgehensweise: Einstellungsebene Schwarzweiss, anschliessend Einstellungsebene Gradationskurven mit einer kontrastbetonenden S-Kurve. Die lokalen Kontraste können über den Filter Unscharf maskieren betont werden. Hierbei wird die Bildebene mit einem niedrigen Stärkewert und einem vergleichsweise hohen Radius (30 bis 100) scharfgezeichnet.

Halbmonochrom Grundvariante: Bildfarben via Einstellungsebene Farbton/Sättigung entsättigen, anschlies­send Farbbalance-Einstellungsebene darüberlegen und Töne im kalten Farbbereich betonen. Um die komplementär angesiedelten Rottöne mehr zur Geltung zu bringen, empfiehlt sich folgende Abschlussbehandlung: Bild­ebene auswählen, über Auswahl > Farbbereich mit einem hohen Toleranzwert (150 oder mehr) Rottöne im Bild auswählen, die ausgewählten Bildbereiche mit dem Shortcut Befehlstaste + J (resp. Ctrl + J unter Windows) auf eine eigene Ebene stellen, dieser eine abdunkelnde Füllmethode wie Multiplizieren zuweisen und die zusätzliche Ebene abschliessend ganz nach oben stellen. Das Ergebnis – eine kühl wirkende Farbgebung mit dunkelroten Kontrastspots – kann abschlies­send über eine Einstellungsebene Dynamik finegetunt werden.

High Key und Low Key Zwei Effekt­arten, die im Zuge des Revivals der Fotografie in den letzten Jahren wieder populär wurden. Grundlage sind zunächst einmal geeignete, sprich im hellen beziehungsweise im dunklen Bereich liegende Bildtonwert-Spektren. Forciert werden können diese über Ebenenkopien, die je nach Effekttyp mit Negativ multiplizieren oder Multiplizieren eingeblendet werden, über Gradationskurven, Tonwertkorrektur oder ähnliche Features. Das den Schwerpunkt bildende Tonwertspektrum kann entweder über Tiefen/Lichter (Photo­shop) oder aber den Klarheitregler in Camera Raw optimiert werden.

Fujifilm-Extremsättigung Die einfache Variante ist: Sättigung erhöhen über Dynamik oder Farbton/Sättigung – entweder komplett oder für einzelne Farbspektren. Eine ein klein wenig aufwändigere Möglichkeit besteht darin, zwei übereinanderliegende Einstellungsebenen Farbton/Sättigung zu erzeugen, den Composite-Kanal jeweils in die Ebenenmaske zu kopieren, die Ebenenmaske der unteren Einstellungsebene zu invertieren und beiden Ebenen unterschiedliche Funktionen zuzuweisen. Die untere Ebene steuert dabei die Farbbrillanz und erhält die Füllmethode Farbe. Die obere fungiert als Polarisationsfilter und erhält zu diesem Zweck die Füllmethode Luminanz. Steuerung: Der «Polfilter» (oben) kann über alle drei Farbton/Sättigung-Regler gesteuert werden. Der Brillanzregler (unten) steuert die Farbsättigung in den hellen Farbbereichen. Ergebnis der beschriebenen Anordnung: eine Farbsättigungssteuerung, deren Ergebnis der Wirkung analoger Fuji-Farbfilme (oder der eines Polfilters an der Kamera) nahekommt.

Entsättigt-detailgetreu Die zurückgenommene Farbgebung und mit mässigen Kontrasten sowie guter Detaildarstellung kombinierten Looks aktueller Trendbilder kommt man mit leicht bis moderat angewendeten HDR-Verfahren (Befehl HDR Tonung – ausführlicher Beitrag in Publisher 1-11) ziemlich nahe. Alternatives Korrekturtool: Tiefen/Lichter. Die Farbsättigung lässt sich am umfassendsten über den klassischenBefehl Farbton/Sättigung steuern. Generell eine Alternative ist auch hier die Vorkorrektur in Camera Raw.

Passender Effekt

Wie im ersten Abschnitt bereits erwähnt, können die beschriebenen Effekte auf unterschiedliche Weise angewendet werden – als Vorgabe (falls nur ein einzelner Korrekturbefehl erforderlich ist), als per Drag & Drop übertragbares Set mit unterschied­lichen Einstellungsebenen, oder aber – falls der manuelle Aufwand etwas höher ist – als Aktion. Eine zusätzliche Option ist die, mit Smart-Objekten zu arbeiten. Last, but not least: Bei aller Freude bei der Bildgestaltung sollte man nicht vergessen, dass der Effekt sowohl zum Motiv als auch zur anvisierten Zielgruppe (beziehungsweise dem Publikationsmedium) passen sollte.

Zu beachten

Farb- und Kontrasteffekte können in Photoshop recht einfach erzeugt werden. Doch nicht jeder Effekt passt zu jedem Bild. Für Retro-Effekte gilt diese Feststellung verstärkt. Diese sind zeitabhängig, haben also etwas mit dem jeweiligen Zeitgeist zu tun. Informelle Freizeitkluft, wie sie heute gängig ist, passt mit Schmuckvignetten oder Sixties-Retro nur bedingt zusammen – es sei denn, man möchte den Stilbruch explizit in Szene setzen. Faustregel generell: Es sollte schon zusammen­passen. Entscheidenden Einfluss auf dieses «Passen» hat vor allem das Fotoshooting. Pin-up etwa – ein Retro-Style, der in den letzten Jahren zunehmend Anhänger gewinnt – erfordert von Model und Fotograf ein gewisses Einfühlungsvermögen in die Philosophie des Genres. Im konkreten Fall sind weibliche Rundungen sowie eine gewisse Portion Humor durchaus erwünscht; auch das Aussehen des Models muss keineswegs dem sonst gepflegten Ideal-Schönheitsbild entsprechen. Weitere wichtige Rollen spielen verwendete Requisiten sowie die bei der Aufnahme getragene Kleidung.

Ein weiterer wichtiger Tipp betrifft das Umfeld. Blue-Note- und Sixties-Look kommen vor allem dort gut, wo es von der Publikation oder Ausstellungsform her passt. Das kann eine Fotoausstellung in einem Eiscafé ebenso sein wie das Coverbild zu einer entsprechenden Audio-CD. Ebenso wichtig wie das Bild selbst ist das Layout, also das Drumherum. Rund gemacht werden Foto-Retro-Effekte erst durch das entsprechende Umfeld: also Farbpaletten, die in besagtem Jahrzehnt angesagt waren sowie entsprechende Schriften. Also: Bodoni Poster für feinstes Sixties-Retro, Template Gothic besser nur für die Neunziger.