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F�r die Wettermacher

Wetterprognosen werden heute in jedem aktuellen Medium durch Übersichten und Piktogramme visualisiert. Eine Kurzanalyse von Ursache und Wirkung.

Ralf Turtschi «Dreht mehrmals sich der Wetterhahn, so zeigt er Sturm und Regen an.» Wo früher Bauernregeln das Wetter erklärten, sind heute Satelliten und Computermodelle für Prognosen zuständig. In der Freizeitgesellschaft darf die Wetterprognose in keinem Medium fehlen. Es findet weniger in Form von Text, sondern immer mehr in Form von animierten Filmen oder von Visualisierungen statt.

Dabei stellen sich verschiedene Hürden. Sämtliche Wetterprognosen zeigen ein Land oder eine Region aus der Satellitensicht, senkrecht von oben, die unsichtbaren Grenzen werden mit Linien nachgezogen. Nun gibts ein Problem mit der Sonnendarstellung, denn die Sonne liegt nie zwischen Satellit und Erde. Beim Fernsehen SRF lässt man sie deswegen in der Prognose für den nächsten Tag einfach weg. Tendenziell sieht es bei SRF in der Schweiz immer sonnenlos, neblig oder wolkig aus – selbst in den Sonnenstuben –, wer da bloss nicht in Stimmungstief verfällt …

So entsteht eine Hintergrund-Schweiz, die manchmal auch Gewässer, Berge, Talverläufe oder Städte aufweist. Je mehr solcher Informationen auf den Hintergrund aufgebracht werden, je kontrastreicher und detaillierter die Schweiz dargestellt wird, desto schwieriger wird es, die eigentlichen Wetterdaten darzustellen. Zumal das Wetter in der kleinräumigen Schweiz in Bern und Aarau kaum Unterschiede aufweisen wird.

Mut zur Lücke

Eine Informationsgrafik lebt von der schnellen Übersicht. Die Kunst besteht darin, nur so viel Information anzubieten, dass der Zweck gerade erfüllt wird. Alles Überflüssige soll weggelassen werden. Man kann sich gut orientieren, wenn der Umriss der Schweiz gezeigt wird und die markanten Seen zusätzliche Orientierung geben. SRF machts vor. Auf einem kontrastreichen Hell-dunkel-Wechsel im Hintergrund (für Berge und Täler) kann keine Schrift (für Städte oder Temperaturen) leserlich dargestellt werden. Deshalb ist weniger mehr.

Wetterinformationen

Auf der Wetterkarte interessiert in dieser Reihenfolge: Sonne und Bewölkungsgrad, daraus folgend der Niederschlag und die Wahrscheinlichkeit/Häufigkeit des Niederschlages. Weiter sind die Temperaturen wichtig. Die Informa­tionen sind vor allem tagsüber interessant, für die schlafende Mehrheit sind nächtliche Bewölkung, Temperaturen und Niederschläge so wenig relevant wie Mondphasen, die ja auch nicht in den Wetterkarten auftauchen. Wenn man also visuell abspecken kann, dann sicher bei der Nacht. Oder ist es etwa nicht logisch, dass die Nachttemperaturen tiefer ausfallen als tagsüber? Weniger ist mehr.

Der Zeitpunkt

Auch hier muss man ein gewisses Verständnis haben für die zeitliche Entwicklung des Wetters. Morgens, mittags oder abends kann das Wetter umschlagen. Wie stellt man so etwas auf einer einzigen Wetterkarte dar? Man sieht für dieses Problem verschiedene Ansätze.

Symbole

Bei Wetterkarten geht es um Visualisierungen von der Sonne, von Wolken und Niederschlag, die unterschiedlich gestaltet sein müssen, weil wolkig, bewölkt, bedeckt oder Hochnebel etwas anderes sind. Die Abgrenzung der Form vor dem Hintergrund ist das eigentliche Problem. Eine gelbe Sonne auf Zeitungspapier grenzt sich schlecht ab. Wenn die Sonne statt gelb nun orange gestaltet wird, sieht es besser aus. Andere gestalten die Sonne mit einer schwarzen Kontur, inklusive schwarze Strahlen, eine eher befremdliche Geschichte. Wenigstens sollten die Strahlen dann möglichst fein sein.

Bei den Wolken findet man ähnliche Probleme. Die schlichte Grafik hat gegenüber der fotorealistischen Nachbildung Vorteile. Sie wirkt als Piktogramm schneller und grenzt sich klarer vom Hintergrund ab. Verläufe in Wolken sehe ich eher senkrecht als waagrecht, dies entspricht dem natürlichen Sehen eher.

Regen und Schnee unterscheiden sich in Form und Farbe. Grafisch umgesetzter Regen sieht eher aus wie schräge Striche als wie echte Tropfen. Schnee kann mit Punkten oder Sternchen visualisiert werden, die unregelmässig aus den Wolken fallen. Tropfen bei Regen und Sterne bei Schnee sind schlecht auseinanderzuhalten. Wer die Sonne konturiert, kann dies bei den Sternen nicht auch tun, die Formen sind zu komplex. Man muss auch hier klar der Einfachheit den Vorzug geben.

Die Darstellung des Windes wird im Fernsehen animiert möglich, meist mit Pfeilen, die einen Verlauf aufweisen. Die Windanimation bei SRF ist mit Hundertschaften von weissen Pfeilen so gestaltet, dass die Winde und Lüftchen jeweils im Boden verschwinden. Hier wäre ebenfalls weniger mehr.

Gesetz von Figur und Grund

Wetterkarten bieten hervorragenden Anschauungsunterricht für das Figur-Grund-Gesetz. Man kann eine Karte derart mit Symbolen vollstopfen, dass wie bei einem Basar nichts Wichtiges mehr gesehen wird. Solche «Trouvaillen» sind zum Beispiel Wassertemperaturen der Seen im Winter. Oder das Eindecken der Schweiz mit Blitzen, sobald ein einziger Blitz mit einer geringen Wahrscheinlichkeit möglich ist. Offenbar sehen Blitze einfach cool aus. Am tollsten wird die Wetterkarte, im April, wenn die Prognosen alles offen lassen: Schnee, Regen, Blitz und Sonnenschein. Dann stellt sich die Frage, wie ein Piktogramm eine solche Prognose transportieren kann (siehe Abbildung «Tages-Anzeiger»).

Die Beispiele auf der rechten Seite zeigen vier Zeitungen mit der Wetterprognose vom 21. 3. 2013. Es wird deutlich, dass die Gestaltung zu völlig unterschiedlichen Schlüssen führt, von freundlich über gleichgültig bis zum Vorhof zur Hölle.

Der Autor

Ralf Turtschi ist ehemaliger Schriftsetzer, polygrafischer Techniker HF und dipl. PR-Berater. Er führt in Adliswil die Agenturtschi, visuelle Kommunikation. Als Autor von Fachbüchern und Typografieexperte hat er sich international einen Namen gemacht.