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Farben, Schriften, Manuals � wer benutzt was?

Farben und Hausschriften sind mittlerweile fester Bestandteil von Firmen-Identities. Wer verwendet was? Gibt es Trends? Was macht die Firmenoptik aus? Und was genau gilt es zu beachten?

Günter Schuler Mit dem Er­scheinungsbild von Firmen sind eine Reihe von Berufsgruppen befasst. Über Grafikdesign und Typografie hinaus sind folgende Metiers mit involviert: die Farbpsychologie (welche Farben und welcher Typo-Cocktail «passt» zu Branche, Zielkundschaft und Firmenaussage?), die Mitarbeitermotivation (soll die Corporate Identity über die anvisierte Aussenwirkung hinaus auch firmeninternes Know-how bündeln?), die Werbung (wie erziele ich einen möglichst optimalen Alleinstellungseffekt?) sowie das Infodesign (wie setze ich Farben und Schriften möglichst zielgenau und ohne Informationsverluste ein?). Bereits diese Felder sind ein Haufen Holz. Darüber hinaus gilt es zu unterscheiden, ob eine neue CI entwickelt, eine bestehende relauncht oder lediglich eine bereits vorhandene umgesetzt werden soll.

Was ist eine CI, woraus besteht sie? Normalerweise kommen einem zuallererst die Logos bekannter Firmen in den Sinn – das Logo beispielsweise der Suchmaschine Google oder das einer Partei (beliebiges Beispiel: die bundesdeutschen Grünen). In Wirklichkeit ist das Logo-Design jedoch nur ein Part unter mehreren, auch wenn das Firmensignet das Aushängeschild ist – die Visitenkarte sozusagen, welche die Firmenmessage auf den Punkt bringen soll. Ob das Unternehmen eher mittelständisch orientiert ist und nur wenige Mitarbeiter hat oder ein grosser, international agierender Konzern, ist bei der «Erkennungsmarke» ziemlich gleich. Regel eins: Erlaubt ist vieles; passen sollte es aber schon. Regel zwei: Die Sache mit dem Aushängeschild sollte man ruhig wörtlich nehmen. Switchen zwischen unterschiedlichen Varianten nach dem Motto «Ich kann mich nicht entscheiden, die sehen doch alle irgendwie gut aus» wird im Zweifelsfall dadurch bestraft, dass die optisch eindeutigere Konkurrenz vorbeizieht.

Auch rechtliche Aspekte sind beim Arbeiten mit Corporate Designs stets im Auge zu behalten, beispielsweise bei Farbmarken. Farbmarken – zumindest im geschützten Zustand – kommen in der Designpraxis zwar nicht so oft vor. Falls doch, schlägt das meist grössere Wellen. Furore machten beispielsweise Auseinandersetzungen um das Magenta der Deutschen Telekom. Aktuell jedenfalls ist das Telekom-Magenta, zumindest in Deutschland, als Farb-CI geschützt. Allerdings ist auch Farbmarkenschutz nicht absolut, sondern nur relativ – ein Wink mit dem Zaunpfahl sozusagen für Mitbewerber mit der Botschaft «Wenn ihr schon unbedingt konkurrieren müsst, dann benützt bitte eine andere, unterscheidbare Farbe».

Einleitend zu klären wäre schliesslich noch der Unterschied zwischen Corporate Identity und Corporate Design. Obwohl der Fachbegriff Corporate Identity (beziehungsweise das griffige Kürzel CI) mittlerweile geläufiger ist als die präzisere Bezeichnung Corporate Design, geht es in der Medienproduktion meist doch hauptsächlich ums Design. Genauer: die grafische Ausgestaltung von Unternehmenskommunikation. Zwei wesentliche Bestandteile davon sind Farben und Schrift.

Logo-Design und Farb-CI

Auch wenn man es eher nicht glauben möchte, Schriften spielen im Logo-Design keine herausragende Rolle. Sicher – in den meisten Firmenlogos ist irgendwo auch etwas Text präsent, in der Regel der Name der Firma. Wichtiger für den Wiedererkennungswert ist allerdings das Signet – ein Piktogramm oder Zeichen, das bereits optisch signalisiert «Hier befindet sich ein McDonald’s», «Hier ist man für meinen BMW zuständig». Automarken treiben den Verzicht auf Buchstaben-Beiwerk oft auf die Spitze. Beim BMW-Logo etwa sind die drei Buchstaben B, M und W dezent in den griffigen Erkennungsbutton integriert. Ähnlich Fiat und VW. Die italienische und die deutsche Automobilmarke zeigen allerdings auch, dass Markensignet und Firmensignet zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind. Während die Buttons der beiden beliebten Marken knuffig-dreidimensional rüberkommen und unverhohlen auf den mit dem Kauf verbundenen Statusgewinn spekulieren, präferieren die Fiat-Gruppe und die Volkswagen AG zurückhaltend-neutrale Schriftzüge in leuchtendem Blau und Grau.

Schriften spielen im Logo-Design zwar keine herausragende Rolle, was allerdings nicht heissen will, dass hier das Beliebigkeitsprinzip am Werk wäre. Beispiele wären etwa die FF Dax im Schriftzug der norisbank oder die Gotham im Signet des österreichischen TV-Senders ORF eins. Die von dem US-amerikanischen Typedesigner Tobias Frere-Jones entworfene Serifenlose ist insbesondere in der internationalen Parteienlandschaft sehr beliebt, beispielsweise wird sie für das Logo des Nuovo Centrodestra, einer Abspaltung von Silvio Berlusconis Il Popolo della Libertà, oder für dasjenige der italienischen Liberalen um Mario Monti verwendet. Bekanntester politischer Auftritt der Gotham war allerdings die «Change»-Kampagne von Barack Obama 2009.

Sorgfalt bei der Auswahl der Signetschrift lässt man übrigens auch bei gemeinnützigen Organisationen wal-ten. Beispiel hier ist etwa das Logo der Internetenzyklopädie Wikipedia. Bis 2010 war der Wikipedia-Schriftzug unter dem bekannten Puzzleteil-Globus in der Hoefler Text gehalten, einer weiteren Schrift von Frere-Jones. Die Hoefler Text, eine auch von Apple verwendete Serifenschrift, wird aber kommerziell vertrieben – offensichtlich war das mit den Prinzipien des Wikipedia-Trägers nicht zu vereinbaren. So wechselte man auf die Linux Libertine, eine freie Schrift, welche die Philosophie des nicht kommerziellen Internetlexikons offensichtlich besser zum Ausdruck bringt.

Wichtiger als die Wahl der Schrift ist allerdings die Wahl der Farbe. Die meisten Firmen, Institutionen oder Organisationen präferieren hier ein gestaffeltes Konzept. Im Logo dominiert meist eine, maximal zwei Farben. In der allgemeinen Firmenkommunikation hingegen – also in Anzeigen, auf Werbeflyern oder bei Webauftritten – kommt ein erweitertes Set mit Farben zum Tragen. Welche Farben bevorzugen Firmen genau? Vorzugsweise Blau und Pantone. Der Website grafiker.de zufolge liegt Blau mit 33 Prozent klar vorne, gefolgt von Rot mit 29 und Schwarz mit 28 Prozent. Was für ein Blau soll es sein? Die Blautöne mögen in den Nuancen variieren, der Hersteller nicht. Der Versicherungskonzern Allianz präferiert den Blauton Pantone 293, die Deutsche Bank Pantone 287, Softwarehersteller Adobe ein knalliges Rot in Pantone 485. Fazit: Im Bereich der visuellen Unternehmenskommunikation nehmen Pantone-Töne eine nachgerade unverzichtbare Stellung ein – wofür mehrere Gründe sprechen. Zum einen ist der Farbton bei Pantone-Farben stets normiert. Zum andern ermöglichen Pantone-Sonderfarben eine Leuchtkraft, die mit herkömmlichen CMYK-Farben meist nicht zu erzielen ist.

Mit der Folge, dass die Farbfächer des Herstellers aus dem US-amerikanischen Bundesstaat New Jersey in der Branche längst den Status einer Bibel haben. Mitbewerber hatten bislang das Nachsehen, zum Beispiel die HKS-Farben – obwohl das Matching System des deutschen Herstellers, anders als das von Pantone, auf spezielle Papierarten hin abgestimmt ist. Die marktbeherrschende Stellung der Pantone-Farben fiel letztlich sogar auf den Erfinder selbst negativ zurück, als die Firma mit Pantone Goe ein neues, verbessertes Farbsystem zu etablieren versuchte. Pantone Goe gilt mittlerweile allgemein als tot, der mittlerweile auf 1755 Sonderfarben angewachsene Bestand des PMS (Pantone Matching System) hingegen ist weiterhin das A und O der Farbkommunikation. Abweichungen von diesem Branchenstandard leistet man sich lediglich im öffentlichen Bereich – dort, wo das deutsche RAL-System seine traditionelle Hochburg hat. So ist RAL 1015 in Deutschland die Normfarbe für Taxis, RAL 5005 die für Hinweisschilder, RAL 3020 Markierungsfarbe für Verkehrsschilder. Als einer der wenigen grossen Konzerne blieb übrigens die Deutsche Telekom dem RAL-System treu – die Kennzeichnung des als Farbmarke geschützten Telekom-Magenta lautet RAL 4010.

Manuals und Style Guides

Was passiert, wenn beispielsweise das Logo der Lufthansa in den Druck geht? Der Mediengestalter ahnt: Ohne zusätzliche Spezifikation ist vieles möglich. Da die beiden CI-Farben (RAL: 5022 und 1028, Pantone: 293 C und 1235 C) im CYMK-Druck nur annäherungsweise umgesetzt werden können, sind Farbabweichungen geradezu vorprogrammiert. Um Freiflug bei Farben, beim Schrifteinsatz oder allgemein bei der Umsetzung von Corporate Designs nach Möglichkeit auszuschliessen, kommen so genannte CI-Manuals oder Style Guides zum Zug. Wie zugänglich diese sind, wie verbreitet, wie dezidiert oder offen, hängt vom konkreten Unternehmen oder der involvierten Organisation ab.

In der Regel kümmern sich Werbe­agenturen um Erstellung und Verbreitung der nötigen Infos. Wie breit gestreut Style Guide A oder B ist, hängt unter anderem vom Unternehmenstyp ab. Ebenso seiner Grösse. Während bei mittelständischen Firmen die Wege meist gut nachvollziehbar sind, sind sie bei Branchengrössen schon aufgrund der Grösse kaum zu überblicken. Unterschiedlich gehandhabt wird auch der Faktor Restriktivität. Während der Guide für Unternehmen A frei verfügbar ist, hütet Unternehmen B die Umsetzungsrichtlinien für sein Corporate Design wie ein Staatsgeheimnis.

Was genau ist in Style Guides enthalten? In den meisten Fällen mehr oder weniger umfangreiche Richtlinien im Hinblick auf die Verwendung der einzelnen Corporate-Design-Elemente. Infos für Layoutgestaltungen sind ein wesentlicher Teil davon. Darüber hinaus beinhalten sie Spezifikationen für den Einsatz der Hausschriften sowie der Corporate-Farben. Meist gesellt sich zu den CI-Farben im engeren Sinn eine Palette zusätzlicher Farben oder Farbabstufungen. Als Beispiel dient hier der im Internet zugängliche Style Guide von Luzern. Wie sollen die Publikationen der Stadt genau gestaltet werden? Grundfarbe ist ein mittlerer Blauton aus der Pantone-Palette – abgeleitet aus den heraldischen Farben des Stadtwappens. Der Guide beinhaltet unterschiedliche Spezifikationen für den Druck auf gestrichenem und ungestrichenem Papier, für den CMYK-Druck (100/45/0/0) und für die Auswahl des genauen Web-Farbtons (#3366CC). Entsprechende Angaben enthält der Style Guide auch für Silbergrau, die zweite CI-Farbe. Weitere grundlegende Farben sind Schwarz und Weiss.

Die Typo, die zum Zug kommen soll, ist im Manual ebenfalls präzise festgelegt: Frutiger in den Schnitten Roman, Italic, Bold und Bold Italic. Darüber hinaus enthält der Guide detaillierte Angaben über die Gestaltung von Musterbriefen, für die Bürokommunikation allgemein und für die Gestaltung von städtischen Publikationen und Dokumentationen. Kurzum, ein Corporate-Bauplan, der fast alle gängigen Einsatzzwecke abdeckt. Dabei steht die Grossstadt in der Zentralschweiz noch vergleichsweise überschaubar da. Anders die Deutsche Forschungsgemeinschaft, abgekürzt DFG: Der von Bund und Ländern finanzierte Verband offeriert in seinem Manual neben den drei Grundfarben DFG-Blau, DFG-Grau und DFG-Silber eine Blauton-Palette mit Sekundärfarben, vier zusätzliche Farben für die Ausgestaltung des Wissenschaftsbereichs und eine zusätzliche Auszeichnungsfarbe. Insgesamt normales Grafikdesign, das Sinn ergibt, allerdings festgelegt im Hinblick auf die Herstellung einer grösstmöglichen Einheitlichkeit.

Fazit: Ohne Style Guides ist die Umsetzung von Corporate Designs kaum noch denkbar – zumindest bei grösseren Firmen. Bei politischen Organisationen legt man zwischenzeitlich ähnlichen Wert auf Umsetzungsgenauigkeit, zum Beispiel bei der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP). Neben einer Primärfarbe, Pantone 185 C als Rot, kommen zwei Blaugrautöne als Sekundärfarben zum Zug. Schriftvorgaben sind die Lineto Replica als Logotype und Titelschrift, die URW Nimbus Sans als Textschrift und schliesslich die Verdana für die Verwendung in Onlinemedien.

Nur, wo findet man als interessierter Anwender (oder einfach nur Neugieriger) derartige Informationen? Im Internet. Im Web stehen mittlerweile unzählige Style Guides zur Verfügung – Guides von bekannten Unternehmen und Organisationen ebenso wie solche von mittelständischen Betrieben. Bei den Formaten halten sich HTML und PDF die Waage – wobei die Formate auch etwas über die Philosophie aussagen. PDF ist kompakt, auch im Layout genau bis auf den i-Punkt, potenziell umfangreich und sozusagen echte «old school». HTML hingegen ist barrierearm, modern und sozial. Was soll man empfehlen? Wer wirklich sichergehen möchte, publiziert seine Style Manuals in beiden Formaten.

Hausschriften – mehr als nur Frutiger

Welche Schriften werden von Unternehmen, Bildungseinrichtungen, Me-dienkonzernen, städtischen Einrichtungen und Parteien präferiert? Designer und sonstige Typobegeisterte sollten vor dem Weiterlesen sicherstellen, dass sie gut sitzen, denn die Antwort lautet: Frutiger, Helvetica und Univers. Einer Auflistung der Typowebsite typografie.info zufolge liegen die drei genannten Schriften mit grossem Abstand vorne. Absoluter Favorit ist die Frutiger. Von den 472 aufgelisteten Firmen verwenden sie sage und schreibe 38. Helvetica und Univers rangieren mit 29 beziehungsweise 28 Einträgen zwar ein gutes Stück dahinter. Allerdings liegen sie immer noch Längen vor neueren Schriften. Spitzenreiter bei den Typo-Newcomern ist, in ihren unterschiedlichen Ausformungen, die Thesis. Die vier Sippenableger Sans, Mix, Serif und Antiqua B schaffen es zusammen auf 12 Einträge. Weitere beliebte Schriften der letzten zwei, drei Jahrzehnte sind die bereits erwähnte FF Dax, die Rotis sowie der Sans-Allrounder aus dem Haus Adobe, die Myriad.

Unterschiede gibt es im Detail. Während die Frutiger vor allem im öffentlichen Bereich konkurrenzlos dasteht, sind Helvetica und Univers bei den Firmen bestens aufgestellt. Die Frutiger kommt bei den Leitsystemen unterschiedlicher Flughäfen zum Zug, ebenso – in der Spezialabwandlung ASTRA-Frutiger – bei den schweizerischen Verkehrsschildern, dem Schweizer Kursbuch sowie der Österreichischen Bundesbahn. Unterschiedliche Ausprägungen der Helvetica verwenden unter anderem BASF, «BILD» (als Headline-Schrift), Fiat, die Stadtwerke Hannover sowie die Internetunternehmen Twitter und YouTube. Die Univers kommt unter anderem bei Audi, der Deutschen Bank, der ehemaligen Swissair sowie dem Zustellungsdienstleister FedEx zum Zug. Meta und Thesis hingegen sind vor allem in der Medienlandschaft sowie im Bildungsbereich gefragt. Die Meta etwa ist Hausschrift des WDR und der Uni Paderborn. Die Thesis ist bei einer Reihe von Bildungseinrichtungen fester typografischer Bestandteil, ebenso als Hausschrift der ARD.

Muss es immer eine der aufgeführten acht sein? Keinesfalls. In der Breite sind Unternehmen Schrift-aufgeschlossener, als man denkt. Die Newcomer-Serifenlose Proxima Nova ist in der Aufstellung bei typografie.info ebenso mit dabei wie die US-amerikanische Interstate, FF Officina, Eurostile oder FF Scala. Die Scala kommt beim Sender Deutschlandradio zum Zug, die Officina beim Onlinebuchversand Amazon und bei der Messe Düsseldorf GmbH. Die eckig-unverwechselbare Eurostile schliesslich ist vor allem beim Labeln von Unterhaltungskulturprodukten fast so was wie State of the Art.

Auch Serifenschriften haben in der Grossunternehmenslandschaft durchaus ihren Platz. Hochburg sind, wie zu erwarten, die Medien, insbesondere die klassischen Printmedien. Die Walbaum zum Beispiel wird von der «Berliner Zeitung», einer der grossen deutschen Tageszeitungen, als Headline-Schrift verwendet, die «Berner Zeitung» setzt sie als Grundschrift ein. Ein weiteres Beispiel für die Verwendung einer Serifenschrift ist die FF Celeste – CI-Schrift bei der Klassik Stiftung Weimar. Nichtsdestotrotz sind im Bereich der CI-Kommunikation zwei Trends unübersehbar. Trend eins: nüchterne, neutral wirkende Serifenlose. Trend zwei: Schriftsippen, also mehr als ein Grundstil in einer Schrift. Wobei eine Schriftsippe – die Daimler-Hausschrift Corporate A-C-E –, was die Verwendungshäufigkeit anbelangt, der Thesis nicht nur das Wasser reichen kann, sondern sogar als CI-Schrift entstanden ist.

Wie exklusiv muss nun eine Hausschrift sein? Viele Firmen greifen nicht auf Standardmodelle einer bestimmten Schrift zurück, sondern lassen sich sozusagen eine massgeschneiderte Hausvariante anfertigen, zum Beispiel die Kabel Unit bei Kabel Deutschland, die auf die FF Unit von Erik Spiekermann zurückgeht. Weitere Beispiele derartiger Abwandlungen sind etwa die hausinternen Varianten von Minion, Frutiger und Eurostile für das Thüringer Optikunternehmen Zeiss, die CDU Kiewit (basierend auf der FF Kiewit) oder die Lufthansa-Variante der Helvetica. In einigen Fällen begnügen sich Unternehmen nicht mit der Abwandlung einer bereits vorhandenen Schrift, sondern geben gleich eine exklusive Hausschrift in Auftrag. Lohnt sich das? Einerseits fällt es sicher auch finanziell ins Gewicht, einen Typedesigner mit der Entwicklung einer Exklusivschrift zu beauftragen. Andererseits sind auch die Lizenzen für normale Schriften ein nicht unbeträchtlicher Posten in Firmenbudgets. Zwar offerieren alle grossen Schrifthersteller entsprechend günstige Serverlizenzen. Je nach Fall ist allerdings immer einzukalkulieren, welche Mitarbeiter genau am Ende Zugang haben sollen zu den Schriften, die das Corporate Design ausmachen. Nur die Grafikdesigner? Oder alle Angestellten in Unternehmen X oder Behörde Y? Bezieht man diese Dimensionen in Kalkulationen mit ein, ist nicht unbedingt gesagt, dass eine Exklusivschrift in jedem Fall teurer ist.

Last but not least hat auch der Bereich Hausschriften seine eigenen Historien, Schrift-Brands und Trends hervorgebracht. Einer wurde durch die zitierte Auflistung bestätigt: Firmen agieren typografisch eher konservativ. Nutzen steht vor Schönheit, Bekanntes wie Frutiger, Helvetica und Univers vor dem Experiment. Darüber hinaus hat das Metier die Geschichte einiger Schriften beflügelt. Manchmal sogar auf entgegengesetzte Weise. Wie bereits erwähnt, entstand die Corporate A-C-E beispielsweise als Hausschrift, ist aber schon lange nicht mehr exklusiv. Typografisch gilt sie als ein früher Exponent der heute so verbreiteten Schriftsippen. Eine entgegengesetzte Karriere machte die FF Meta. Ursprünglich konzipiert als Auftragsschrift für die Deutsche Post, scheiterte sie an der Post, kam jedoch auf dem freien Markt richtig gross raus. Das Schriftmetier steckt also voller Überraschungen, selbst da, wo man meinen würde, dass alles in besonders geordneten, vorhersagbaren Bahnen verläuft.

Fazit

Wie muss ein Corporate Design beschaffen sein? Kurzantwort: Am besten verwende man eine blaue Pantone-Sonderfarbe, nehme als Sekundärfarbe einen Hellgrauton dazu und verwende a) als Grossinstitution Helvetica oder Univers, b) als Behörde die Frutiger, c) als sonstiges Unternehmen eine von den dreien oder eine sonstige Serifenlose. Dazu kümmere man sich um Multilizenzen und erstelle einen Style Guide, in dem alle Eventualitäten detailliert festgelegt sind. Ob diese Welt langweilig ist, berechenbar oder einfach auskommenssichernd, muss jeder für sich entscheiden. Darüber hinaus gilt: Auch die Welt der Corporate Designs hat ihren Branchen-Gossip, ihre Skandale und Schlagzeilen. Ebenso ihre Blogs, Austauschforen und sonstigen Publikationskanäle. Dass auch Schriften mittlerweile gern ihre spezielle «CI» herauskehren, stellt die Website MyFonts.com unter Beweis – Montoypes zentrale Distributionswebsite für Schriften fast aller Hersteller. Hier fällt auf, dass das Artwork-Material vieler Schriften auf eine corporatedesignhafte Art und Weise durchgestylt ist. Ist das nun Selbstzweck oder Hilfe für den Anwender, die richtige Schrift zu finden? Vermutlich beides. Wie auch immer: Wer Alternativen zur allseits präsenten Helvetica sucht – am nicht vorhandenen Angebot liegt es sicher nicht.

CI-Farben, Style Guides, Hausschriften

Die im Hauptbeitrag aufgeführten Farben und Schriften von Unternehmen sind naturgemäss nur eine kleine Auswahl. Das Gleiche gilt für die aufgeführten Style Guides. Gut gegliederte, zum Teil recht umfangreiche Listen finden sich allerdings im Web. Beginnen wir mit den CI-Farben.

Unter der URL http://hansstol.totaldesign.nl/en/56.html verbirgt sich ein Corporate Identity Catalogue mit Angaben zu den Farb-CIs mehrerer Hundert Firmen, Institutionen und Behörden. Die Auswahl ist zwar stark auf die Niederlande fokussiert. Allerdings werden auch Leser aus der Schweiz, Deutschland und Österreich genügend bekannte Branchengrössen finden.

Nachschlageseiten zu den CI-Manuals bekannter Grössen gibt es gleich mehrere – und zudem in deutscher Sprache. URL Nummer eins ist www.ci-portal.de/styleguides/. Der Auftritt des Corporate-Identity-Portals offeriert nicht nur eine übersichtlich gegliederte Liste, sondern gleich auch die Links mit dazu.

Eine zweite Auflistung mit Style Guides gibt es bei www.designtagebuch.de/wiki/corporate-design-manuals/. Zusätzlich mit aufgeführt sind hier die involvierten Agenturen.

Wie sieht es in Sachen Typo aus? Beste Infoquelle in Sachen Hausschriften ist die im Hauptbeitrag erwähnte Site typografie.info. Die Hausschriftenaufstellung finden Sie unter der URL www.typografie.info/3/page/hausschriften.html. Eine weitere Aufstellung findet sich auf der Webseite http://typefacts.com/whatfont.

Ein letzter Tipp: Interessante Details finden sich gelegentlich auch in Wikipedia-Artikeln zu einzelnen Schriften.