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Farbstimmung � Farbstich

Farbbalance oder Graubalance sind oft aufgeführte Fachbegriffe in der Reproduktion. Dieser Eigenschaft versuchen viele Fachleute zwischen Szene und Druckmaschine Herr zu werden.

RALF TURTSCHI Die Realität ist die: Wo man hinschaut, hält die Natur Stimmung bereit. Ob in der blauen Stunde, bei einem Sonnenaufgang, im Schlafzimmer oder am Nordkap: Es sind unterschiedliche Lichtquellen die auf unser Auge wirken. Sogar das Licht der Sonne wird je nach Zeit und Standort anders empfunden, morgens und abends wärmer, um die Mittagszeit kälter. Künstliche Lichtquellen wie Blitz-, Glüh-, Spar- oder Neonlampen, Kerzenlicht oder andere haben alle eine bestimmte Farbtemperatur, das heisst, sie emittieren unterschiedliche Wellenlängen. Die Farbtemperatur wird in Grad Kelvin (K) gemessen, der thermodynamischen Einheit, vergleichbar mit der Celsiusskala (°C). Für Fotografen, Reprofachleute und Drucker ist eine normierte Lichtquelle von grosser Bedeutung. Man hat sich deshalb international auf ein genormtes Tageslicht verständigt, welches 5000 K beträgt. Unter 5000 K-Lichtbedingungen werden reproduzierte Bilder abgemustert oder der Bildschirm wird auf eine solche Farbtemperatur eingestellt. Somit herrschen im ganzen Workflow «geeichte», das heisst einheitlich beschriebene Lichtbedingungen, die, um es auch zu sagen, nicht beim Betrachten von Druckerzeugnissen zu Hause oder unterwegs zur Anwendung gelangen. Wer unter kontrollierten Lichtbedingungen im Studio fotografiert, weiss vom Segen des normierten Lichtes. Farbstiche werden eliminiert und die Farben werden einfacher von vorn bis hinten durchgereicht.

Farbstimmung

In der Natur ist die Lichtkontrolle nicht möglich, eventuell sogar kontraproduktiv, weil viele Bilder geradezu von der Farbstimmung leben. Moderne Kameras können heute auf die Farbtemperatur eingestellt werden, es finden sich Sonnen-, Wolken- oder Regensymbole für die empfohlene Einstellung, oder man kann auch die Kelvinzahl direkt eingeben. Mit einem Weissabgleich wird eine vermeintlich weisse Fläche wie eine Hausmauer oder ein Blatt Papier mit der Kamera anvisiert und fotografiert. Daraus errechnet die Kamera eine weisse Referenzfarbe und eicht die folgenden Aufnahmen. In der Fotografie wird also bestimmt, welche Farbstimmung im Bild herrscht. In Photoshop kann diese Stimmung weiter beeinflusst, eliminiert oder verstärkt werden. Im Nachhinein ist es nicht möglich, festzustellen, ob die Farbstimmung tatsächlich jener auf dem gedruckten Bild entsprach, oder ob in Photoshop nachgeholfen wurde.

Farbstich

Aus der Sicht der Druckrepro gilt es herauszufinden, ob ein Bild einen Farbstich aufweist oder ob es sich um eine Farbstimmung handelt. Eine Farbstimmung ist gewollt und erwünscht, ein Farbstich ist gleichsam die Übertreibung der Farbstimmung. Ein Farbstich wird als fehlfarbig wahrgenommen. Die Abgrenzung ist fliessend. Dabei kommen Stiche im Blau-, Grün-, Rot-, Gelb- und Cyanbereich vor und sie haben unterschiedliche Ursachen. Saisonlang hängende Plakate in den Skigebieten zeigen zum Beispiel einen Cyanstich. Alte Farbfotos zeigen oft einen Gelbstich und viel gewaschene Wäsche einen Grauschleier – es gibt also auch im Unbuntbereich Stiche.

Graubalance

Um eine Farbstimmung festzustellen, gehen wir einmal von einem Neu­tralgrau aus. Ein solcher Ton wird auf Medienkeilen zur Kontrolle der Farbbalance benutzt. Er setzt sich beispielsweise bei ISO coated v2 zusammen aus 45% Cyan und je 35% Magenta und Gelb, was einem 50%-Schwarzton entspricht. Bei genauem Druck sollte man keinen Unterschied feststellen:

Wenn im Mitteltonbereich die Farben in der Grauachse neutral auf ein weis­ses Papier gedruckt sind, empfindet das Auge das Bild als neutral. Eine Abweichung von der Grauachse wird als Farbverschiebung wahrgenommen. Es entsteht eine Farbstimmung oder ein Farbstich. Im nachfolgenden Beispiel ist links ein Gelbstich, rechts ein Grünstich vorhanden:

Bei digitalen Bildern kann die Farbstimmung anhand der Tonwertverteilung im Histogramm (in Photoshop Befehlstaste+L) angezeigt werden. Das Normalbild enthält alle Tonwerte von Schwarz bis Weiss. Man muss dazu aber alle einzelnen Farbkanäle RGB betrachten. Bei einem Stimmungsbild ist die Verteilung der Tonwerte in den einzelnen Farbkanälen unterschiedlich. Das heisst, es sind Defizite links und/oder rechts im Histogramm sichtbar, und zwar in den einzelnen Kanälen unterschiedlich. Im Histogramm sind rechts die hellen Töne vertreten; dort ist ein Farbstich am besten sichtbar. Natürlich kann ein Stich auch auf der linken Seite vorkommen, in den dunklen Tönen ist er aber weniger augenfällig. Das Auge kann zwischen schwarzviolett und schwarzbraun weniger gut differenzieren als bei lilaweiss oder gelblichweiss. In der Reproduktion gibt es auch einen mittebetonten Stich, in der Tablet-Version dieses Artikels werde ich darauf eingehen.

Wenn ein Histogramm links und/oder rechts in allen Kanälen gleiche Defizite aufweist, dann handelt es sich um ein Softbild. Beim Betrachten fällt es durch Kontrastarmut auf, es wirkt flau. Es sind keine ganz weis­sen und/oder keine ganz dunklen Töne vorhanden. Bilder können gleichzeitig sowohl Stimmungsbilder als auch Softbilder sein.

Stimmung beeinflussen

Eine solche Bildanalyse bezüglich Stimmungs- oder Softbild ruft nach einer entsprechend angepassten Nachbearbeitung in Photoshop. Eine automatisierte Aktionspalette in Photoshop hält PhotoQuickFinisher (www.pqf.ch)bereit, der die Farbe von der Eingabe (Kamera/Scanner) bis zur Ausgabe transportiert und Überlegungen wie hier aufgeführt einschliesst. PQF basiert auf den praktischen Erfahrungen von Walter Huber, der auch zur PDF-Erzeugung einfache und praktikable Lösungen bereithält.

Wie weit eine Stimmung verstärkt oder vermindert wird, ist von der anzustrebenden Wirkung abhängig. Störende Farbstiche sind zu eliminieren. Man darf beim «Neutralisieren» aber nicht so weit gehen, dass damit auch die Farbstimmung verloren geht. Umgekehrt kann einem faden und stimmungslosen Bild durch eine erhöhte Sättigung in einem oder mehreren Kanälen zu mehr Ausdruck und Sonne verholfen werden. Grüne Wiese und Natur wirken im Sonnenschein kontrastreicher und mit satteren Grüntönen durchsetzt. Im Schatten oder spätabends sind Farben kontrastloser, mit weniger Schattenzeichnung und weniger gesättigt. Bis zu einem gewissen Grad kann so aus einem Schatten- ein Sonneneindruck entstehen. Nur den Schattenwurf können die Kanäle nicht herbeizaubern. Besonnte Szenen liefern also andere Resultate als solche im Schatten. Dafür ist der Dynamikumfang oft überfordert, die Kamera kann nicht gleichzeitig die Licht- und Schattenzeichnung abbilden. Harte Schatten in Gesichtern sind störend, die Sonne sorgt da auch für verkniffene Gesichter. Die Fotografie als Grundlage ist das A und O, mit Photoshop kann man aber sehr viel nachhelfen.