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Fontformate und Lizenzen

Die meisten Anwender gebrauchen Schriften, die sich auf ihrem Desktop tummeln, ­ohne lange zu fragen. Schrift ist zum Allgemeingut geworden, und ohne Schrift lässt sich kein PC und kein Mac bedienen. Hier lesen Sie, was Sie ausserhalb der gestalterischen Aspekte wissen sollten.

Ralf Turtschi Mit dem Macintosh wurden 1986 dem breiten Publikum Schriften mitgegeben, die in Konkurrenz mit den Schreibmaschinenschriften standen. Sie hies­sen Avant Garde, Bookman, Century Schoolbook, Chicago, Courier, Geneva, Helvetica, Helvetica Narrow, Palatino, Symbol, Times, Zapf Chancery und Zapf Dingbats. Von diesen Schriften gab es zwei Dateien, eine vorgerasterte für die Bildschirmdarstellung (Piktogrammköfferchen), eine zweite Datei enthielt die Vektorangaben für die Ausgabegeräte.

Diese Fontdateien basierten auf der Seitenbeschreibungssprache PostScript, die Adobe 1984 entwickelte. Die Glyphen wurden mit den Umrissen beschrieben und mit PostScript Type 1 (PS) bezeichnet. Nicht zu verwechseln mit PostScript Level 1, 2 und 3, welche die Ausgabeseite der Belichter und Digitaldrucker noch heute betrifft. PostScript-fähige Ausgabegeräte sind in der Lage, die Umrisse (Outlines) der Buchstaben mit ihrem Raster Image Processor (RIP) in die feine Pixelstruktur ihres Auflösungsvermögens umzurechnen. Man konnte durch diesen Trick die kubischen Bézierkurven der Type-1-Fonts in jeder beliebigen Grösse randscharf und unverpixelt ausgeben. Die zusätzlich nötige Software Adobe TypeManager verbesserte die Darstellung von Type-1-Fonts auf dem Bildschirm, sie ermöglichte die Ausgabe auf nicht PostScript-fähigen Druckern und man konnte damit Schriften verwalten.

TrueType

Adobes Patentpolitik führte dazu, dass Apple 1991 das TrueType-Format herausbrachte, das 1992 von Microsoft lizenziert und in Windows 3.1 integriert wurde. TrueType (englisch für «echte Schrift») ist ein Fontformat zur Schriftdarstelllung auf Bildschirmen und Druckern, die beiden Fontdateien der PostScript-Schriften wurden vereint. TrueType (Dateiendung .ttf) ist sowohl in die Betriebssysteme Mac OS als auch Windows integriert. Man benötigt jedoch zwei verschiedene Fontformate für Mac und Windows, einen Macfont konnte man nicht einfach so auf Windows installieren und umgekehrt. Auch TrueType ist aus Vektoren aufgebaut, so genannten B-Splines, deren mathematische Beschreibung sich von PostScript unterscheidet, was für Anwender jedoch keinerlei Auswirkungen hat, sich aber bei der weiteren Entwicklung bemerkbar macht. In den Neunzigerjahren galten in Desktopkreisen TrueType-Schriften als minder und der Windows-Office-Welt zugehörig, wohl deshalb, weil die PostScript-Ausgabegeräte der Druckindustrie damit nicht richtig klarkamen. Oder ganz einfach, weil die Schriftqualität der Win­dows-TrueType minderwertig war und sich nicht mit der Designqualität der PostScript-Schriften messen konnte. Ein «echter» Desktopper rümpfte auf jeden Fall die Nase, wenn er TrueType hörte.

OpenType

1996 veröffentlichte Microsoft zusammen mit Adobe das neue Fontformat OpenType (OTF). Mit OpenType wurden die Grenzen der älteren Schriftformate überwunden, verbunden mit folgenden Vorteilen:

Plattformübergreifend gibt es heute nur noch eine Fontdatei für Mac und Windows, die alle Fontressourcen be­inhaltet. Die genau gleiche Fontdatei kann sowohl auf einem Mac als auch auf einem PC installiert werden. OpenType-Fonts basieren auf der Unicode-Zeichentabelle, sie können heute über 65 000 Glyphen beinhalten. PostScript ermöglicht nur 256 Zeichen.

Durch die digitale Signatur kann der Fonthersteller die Authentizität der Schrift nachweisbar machen, was für die Durchsetzung der ordentlichen Lizenzierung nicht ganz ohne Bedeutung ist.

Nun können aus den dargelegten Gründen alte PostScript-Schriften nicht einfach mit einem Upgrade in OpenType-Fonts umgewandelt werden. Die kontinuierliche Erneuerung der gesamten Fontbibliothek ist im professionellen Umfeld längst ein Gebot der Stunde.

Unterschiede .ttf und .otf

Trotz OpenType existieren die früheren Beschreibungen von PostScript und TrueType weiter. Die OpenType-Spezifikation legt sich wie eine Art Mantel um die alten Algorithmen. Daher gibt es OpenType-Fonts in zwei Ausprägungen (engl. flavours, «Geschmacksrichtungen»):

  • PostScript flavoured (.otf)
  • TrueType flavoured (.ttf)

Der Unterschied liegt in der mathematischen Beschreibung der Schriftkurven (engl. outlines), die im TrueType-Format als quadratische Splines und im PostScript-Format als kubische Splines eingebettet sind.

In der Druckqualität unterscheiden sich .ttf- und .otf-Fonts nicht, wohl aber im Verhalten am Bildschirm und in den Programmen. PostScript-fla­voured OpenType-Fonts (.otf) bringen von Hause aus eine bessere Textdarstellung am Bildschirm mit, während TrueType-flavoured Fonts (.ttf) zusätzlich mit Instruktionen versehen werden müssen (engl. hints), um am Monitor gut lesbar zu erscheinen. Diese Fonts nutzen den in Mac OS X oder Windows XP integrierten TrueType-Rasterizer und TrueType-Hinting für die Anzeige und die Druckausgabe. In der typischen Office-Umgebung (Word, Excel, PowerPoint) sind .ttf-Fonts praktisch eine Voraussetzung für zuverlässiges Verhalten bei den Laufweiten (Buchstabenabstände, Kerning) und der Einbettung in Dokumente (v. a. PowerPoint). Der Windows Terminal Server unterstützt nur .ttf. Es handelt sich also um technische Merkmale, in der Praxis ist aus den Endungen keine zwingende Folgerung für besseres oder weniger gutes Lesen am Bildschirm abzuleiten.

Hinting und bildschirm-optimiert – was steckt dahinter?

Um einen Font auf das Papier zu bringen, braucht es in der Fontdatei Informationen, welche jeden einzelnen Buchstaben mit Vektoren beschreiben. Darunter versteht man Ankerpunkte mit Richtungsvektoren. Je nach Lage und Richtung der Punkte und Vektoren können so alle beliebigen Kurven, die in Buchstaben vorkommen, beschrieben werden.

Screens aller Art basieren auf einer Pixelstruktur. Man kann sich dies vereinfacht als Fläche vorstellen, die in kleinste quadratische Einheiten unterteilt ist. Die kleinste darstellbare Einheit ist der Pixel, in der Fernsehtechnik spricht man auch von Bildpunkten. Zum Beispiel ist die gängige VGA-Auflösung 1024 × 768 Pixel gross.

Die Buchstabenbeschreibungen, die Vektoren, müssen also auf die Bildschirmstruktur der Pixel umgerechnet werden. Dabei treten in allen Schriftgrössen Probleme auf. Der Bildschirm muss entscheiden, ob ein Pixel schwarz oder weiss dargestellt wird (vereinfacht ausgedrückt). Bei nicht bildschirmoptimierten Schriften kann dies zu folgenden Problemen führen: Die Abstände der Abstriche sind nicht regelmässig, die Abstriche sind unterschiedlich dick oder die Füsschen unten fallen weg. Diese Probleme treten vor allem in Schriftgrössen des Lesetextes und kleiner auf (

Hinting

Der Begriff Hinting bedeutet, dass Schriften dem Bildschirm angepasst werden, um die oben beschriebenen Probleme zu vermindern. Der automatische Hintingprozess ist heute allen modernen Schriften mitgegeben. Er ist günstig und reicht für die meisten Bedürfnisse. Wenn die Schrift perfekt auf den Bildschirm angepasst werden soll, dann kommt das manuelle Hinting zur Anwendung, welches als Dienstleistung kostenpflichtig ist. Dabei kann man einzelne Schriftschnitte und Grössen manuell hinten, zum Beispiel die meistgenutzte Grundschrift in der Office-Umgebung.

Hinting bei Linotype (XSF)

XSF-Fonts (Excellent Screen Fonts) von Linotype sind OpenType- oder TrueType-Fonts, die auch bei kleiner Darstellungsgrösse oder niedriger Auflösung ausgezeichnet lesbar sind. Sie wurden eigens geschaffen und optimiert, um der steigenden Nachfrage nach hervorragend lesbaren Bildschirmschriften unter Windows gerecht zu werden. XFS entspricht einem manuellen Hinting.

Eine weitgehend unbekannte Tatsache: Fast alle Systemschrift­arten unter Windows wie die Arial wurden mit grossem Aufwand manuell bearbeitet, um den hohen Ansprüchen an die Lesbarkeit digitaler Bürokommunikation gerecht zu werden. Ebenso fallen die neuen Schriften, die mit Windows Vista eingeführt wurden, in diese Kategorie: Segoe UI (die neue Windows-Betriebssystemschrift, die die Arial abgelöst hat), Calibri, Candara, Calisto, Constan­tia, Consolas und Corbel. Alle diese Schriften sind hervorragend leserlich am Bildschirm, leider verfügen sie aber nur über die vier Schriftschnitte Regular, Italic, Bold und Bold Italic. Damit sind sie als reine Officefonts zu deklarieren.

Lizenzen

Schriften unterliegen dem Immaterialgüterrecht, das heisst, sie gelten urheberrechtlich als Werk und geniessen Schutz. Die Schrift «gehört» so immer dem Vertreter, der das Urheberrecht besitzt, in der Regel sind dies die Schriftanbieter, die mit dem Verkauf der Schriften die eigentlichen Schriftgestalter entschädigen. Der «Verkauf» wiederum besteht aus einer Lizenzierung, ähnlich jener bei der Software. Gewöhnlich wird für eine Schrift eine normale Lizenz für fünf Arbeitsplätze vergeben. Auf fünf Arbeitsplätzen darf der Anwender die Schrift für seine kommerziellen Zwecke einsetzen. Er darf die Schriften für seine Kommunikationszwecke benützen, er darf sie hingegen nicht verändern oder weiterverkaufen, unterlizenzieren usw.

Schriften abändern

Wenn an einer Schrift irgendetwas massgeschneidert angepasst oder ergänzt wird, z. B. Bildschirmoptimierung, ein Logo, die Breite von Ziffern usw., dann muss die Schrift zwingend umbenannt werden, damit auf dem Markt Missverständnisse vermieden werden. In Eigenregie und ohne Einverständnis des Lizenzgebers Schriften abzuändern, ist unzulässig.

Weitergabe von Schriften

Inzwischen gestatten einige Schriftenhäuser die Weitergabe von Schriften zu Ausgabezwecken, darunter Linotype, URW und FontShop. Voraussetzung ist, dass die weitergegebenen Dokumente plus Schriften lediglich gedruckt, geplottet oder anderweitig ausgegeben werden. Die belieferten Dienstleister dürfen mit den Schriften keine Änderungen an den Dokumenten vornehmen beziehungsweise neue Dokumente mit den Fonts erstellen.

Webfonts

Bei dieser Option geht es darum, eine Hausschrift auf der Website darzustellen. Dazu müssen die OpenType-Fonts in ein Webformat (WOFF/EOT) konvertiert werden.

Die Lizenzierung von Webfonts wirdbei Linotype nicht nach Usern berechnet,sondern mit einer einmaligen Grundgebühr und zusätzlich nach Page Views der Besucher. Die Abrechnung läuft im Hintergrund automatisch. Linotype stellt dafür monatlich Rechnung. Bis 25 000 Page Views monatlich: gratis. Bis 250 000 Page Views monatlich: CHF 13.–/Monat und Schriftschnitt. Bis 2 500 000 Page Views monatlich: CHF 128.–/Monat und Schriftschnitt. Für all diese Spezialfälle fragt man am besten beim Schriftenhersteller an.

Der Autor

Ralf Turtschi ist Typograf und dipl. PR-Berater. Er führt in Adliswil die Agenturtschi, visuelle Kommunikation. Der Verfasser von Büchern, Broschüren und zahlreichen Fachartikeln tritt auch als Referent und Schulungsleiter auf.