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Fotomalen in Cinque Terre

Mit drei Nikon-Kameras eine Woche lang an der ligurischen Küste das südliche Licht einfangen und fotografische Eindrücke sammeln. Ein Reisebericht.

RALF TURTSCHI Die Vorhersage für die zweite Maiwoche versprach kein Bilderbuchwetter – es sollte anders kommen. Zum Glück, denn blauer Himmel ist fotografisch gesehen einiges langweiliger als ein Mischwetter mit einem tüchtigen Wolkenbruch dazwischen. Cinque Terre (www.5terre.de) ist ein Kleinod an der ligurischen Küste etwa eineinhalb Autostunden nach Genua gleich vor La Spezia. Die fünf malerischen Dörfer Monterosso al Mare, Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore kleben wie Schwalbennester an der Steilküste, sind durch eine schmal gewundene Strasse mit wenigen Parkplätzen erschlossen, besser per Zug oder Schiff erreichbar. Der etwa 10 km lange Küstenstreifen wurde über die Jahrhunderte terrassiert und mit Reben oder Olivenbäumen bepflanzt. Cinque Terre ist für eine sanfte Tourismusentwicklung bekannt, und Wandervögel kommen hier voll auf ihre Kosten. Gegen La Spezia hin liegt das pittoreske Portovenere, UNESCO-Weltkuturerbe, welches ebenfalls einen Besuch lohnt, und das bekannte Portofino liegt eine Autostunde entfernt im Norden. Als Basislager diente das «Laguna di Marzo» (www.albergoluna dimarzo.com) in Volastra, ein kühn über dem Meer thronendes Familienhotel, von wo aus wir unsere fotografischen Erkundungstouren starteten.

Als Equipment stellte Nikon drei Kameras zur Verfügung, die für Amateure und Semiprofessionelle empfohlen werden: eine Spiegelreflexkamera D90, die Bridgekamera Coolpix P100 und die Pocketkamera Coolpix S8000 (s. Kasten). Es ist von vornherein klar, dass die Kameras in unterschiedlichen Ligen spielen und auch preislich weit auseinanderliegen. Wäre kein Unterschied sichtbar, würden sich die besseren Kameras wohl kaum verkaufen lassen. Wobei für den Hausgebrauch, sprich Fotobuchqualität, bis zu einer Bildgrösse von etwa A6 bis A5 genügen alle Kameras. Eventuelle Bildfehler kommen sowieso erst bei einer relativ starken Vergrösserung zum Vorschein. Zudem fallen die von Fotografen gemachten Fehler wie Verwackeln, falsche Einstellungen oder schlechte Motivwahl meist mehr ins Gewicht als die technische Leistungsfähigkeit. Mit anderen Worten: Wer nicht fotografieren kann, wird eher eine «Billiglösung» bevorzugen, der Ambitionierte eher die teurere.

Auf der Wanderung begleiten mich entweder die Coolpix P100 oder die Coolpix S8000, die von Gewicht und Grösse her ideal mitgeführt werden können. Bei Besichtigungstouren ohne Rucksack nehme ich lieber die D90 zur Hand, weil damit mehr Einstellungsmöglichkeiten und Komfort bestehen und die Bildqualität für meine Bedürfnisse, die bis zu einer A3-Vergrösserung mit 300 ppi gehen, optimal ist. Wie bei allen mir bekannten Digitalkameras ist auch bei Nikon der Dynamikumfang zu wenig gross, um ohne Umwege viele Naturszenen abzulichten. Bei kontrastreichen Motiven wie «grünem Vordergrund/Wolken/Himmel» oder Gegenlichtsituationen bringt man einfach nicht vom hellsten bis zum dunkelsten Ton alles ideal belichtet auf den Chip. Oft wird der Himmel bleich ausgefressen, die Wolkenzeichnung wegbelichtet oder der Vordergrund ist zu dunkel. Ich belichte deswegen vielfach mit einer Minuskorrektur von 0,7 bis 2,0 Blenden. Auf dem Display festzustellen, wie das Motiv eingefangen wurde, ist nicht ganz einfach. Belichtungsreihen von 3 bis 4 Bildern mit unterschiedlichen Belichtungsvarianten sind hier komfortabel – bei der D90 ist eine solche Einstellungsmöglichkeit vorhanden. Gute Fotos kommen so oder so nicht um eine Postverarbeitung in Photoshop herum, das gehört heute einfach zur Digitalfotografie dazu. Der Wettlauf um die Anzahl Megapixel geht aus meiner Sicht in die falsche Richtung, denn mit 12 Megapixel kann der Hobbyfotograf und Publisher mit 300 ppi ein Bild von 36 × 24 cm drucken. Das reicht locker für A3-Formate, in bester Qualität. 14 Megapixel erzeugen nur grössere Datenmengen. Bei meinen Gehversuchen schafft die Coolpix S8000 trotz 14 Megapixel nicht die gleiche Qualität wie die D90 mit «nur» 12,3 Megapixel. Ich fotografiere prinzipiell mit der besten Qualitätsstufe – was man hat, hat man. Die HDR-Fotografie (High- Dynamic-Range Image) ist zwar auch möglich, ist mir aber zu aufwändig. Das einzelne JPG-Bild kommt so auf gut 6 MB.

In einer Woche entstanden 1422 Bilder mit insgesamt 5,2 GB Daten. Als Speichermedium verwendete ich 8-GB-SDHC-Karten. Die S8000 und die P100 erlauben, die Akkus der Kameras direkt via das übliche Downloadkabel aufzuladen, ohne dass ein spezieller Adapter nötig ist. Bei der D90 muss ein solcher mitgeführt werden. Die Akkukapazität der Kameras reicht etwa 1–2 Tage. Ein Grund für mich, die Coolpix S8000 als Reservekamera mitzuführen. Es ist einfach ärgerlich, wenn im besten Licht irgendetwas nicht funktionieren sollte.

Unterwegs mit den Leichten

 

Die P100 ist eine Zwischenform einer Spiegelreflex- und einer Pocketkamera. Sie ist 480 g leicht, liegt gut in der Hand, hat einen eingebauten Blitz und verfügt über einen digitalen Sucher, der bei Gegenlicht Hilfe leistet. Die Auslösung funktioniert schnell, und alle notwendigen Bildeinstellungen stehen sofort zur Verfügung, verschiedene Automatikfunktionen und Szenefunk­tionen wie Nachtaufnahmen, Porträt, Dämmerung, Schnee-, oder Bewegungsaufnahmen können voreingestellt werden, und auch die Full-HD-Movie-Funktion fehlt nicht. Überrascht hat mich die enorme Brennweite der P100. Das 26-fach optische Zoom entspricht im Kleinformat einer Brennweite von 628 mm. Trotz Anti-Shake-Einstellung funktioniert bei ausgefahrenem Teleskop nichts mehr ohne Stativ oder feste Auflage. Das Zoom lässt sich mit dem Zeigefinger auf einem kleinen Schalthebel etwas unpräzise steuern, es funktioniert für meine Fingermotorik etwas zu schnell.

Die Coolpix S8000 ist die ständige Begleiterin, die am Gurt nie fehlen sollte. Wer auf Sondereinstellungen verzichten kann, ist damit gut bedient. Sie braucht wie die P100 etwa 5 Sekunden, bis sie hochgefahren ist, wenn das Startbild aktiviert ist. Für schnelle Schnappschüsse sollte man deshalb das Startbild deaktivieren. Auch hier alle notwendigen Standardfunktionen vorhanden: Belichtungskorrektur, Farbsättigung, Selbstauslöser, Makro, HD-Movie, Blitz. Das 10-fach-Zoom ist etwa vergleichbar mit einer Kleinbildbrennweite von 300 mm.

Die D90 ist die ambitionierte Kamera mit vielen Zusatzeinstellungen, die mit dem 18–200er-Zoom 1,3 kg auf die Waage bringt. Beim Einschalten ist die Kamera sofort betriebsbereit. Für den optischen Sucher mit Dioptrieverstellung sind alle Lesebrillenträger dankbar, die mit Nur-Display-Kameras nichts anfangen können. In der von mir geliebten «blauen Stunde» vor dem Einnachten wird das berüchtigte Bildrauschen mit ISO 200 unterdrückt, das bei knappen Lichtverhältnissen die Fotos griessig erscheinen lässt.

Die Kameras haben alle ihre Vor- und Nachteile. Mit ihrem Funktionsumfang und ihrem Preis-Leistungs-Verhältnis visieren sie andere Zielgruppen an. Für meine Bedürfnisse zugeschnitten wäre die nur gerade 27 mm schlanke Coolpix S8000 für die Jackentasche, zusammen mit der D90 für perfekte Bildqualität. Ich stelle fest, dass auch Kleinstkameras heute sehr leistungsfähig sind. Die Kamera ist jedoch nur ein Werkzeug. Licht, Motiv, Perspektive oder Bildausschnitt sind kameraunabhängige Faktoren. So ist es im Hobbybereich vielleicht klüger, eine kleinere Kamera günstiger zu erstehen, mit dem Eingesparten dafür einen Fotokurs zu belegen. Ambitionierte Fotografen stören sich weniger am Preis oder am Gewicht, sie wollen rubuste langlebige Qualität.