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Fototipps f�r die Praxis

Photoshop kann (fast) alles. So die gängige Meinung. In Wirklichkeit entscheidet sich beim Drücken auf den Kameraauslöser, ob ein Bild gelungen oder misslungen ist. Dieser Foto-Crashkurs verrät, was es zu beachten gilt.

günter schuler Die nackte, un­geschminkte Wahrheit: Photoshop als Nachbearbeitungssoftware ist super. Wahrheit, Teil zwei: Die meisten Bildfehler entstehen, bevor die Bilddatei das erste Mal in Photoshop geöffnet wird. Nämlich bei der Aufnahme. Faustregel hier: Mittels Photo­shop lässt sich zwar vieles korrigieren oder zumindest optimieren. Herbe Patzer indes lassen sich softwareseitig entweder gar nicht oder nur mittels unvertretbarem Aufwand korrigieren. Der beste Gefallen, den man sich selbst tun kann, ist also gleich richtig zu fotografieren.

Was jedoch ist «richtig»? Die Fotoszenerie hat sich seit dem Aufkommen der ersten Digitalkameras dramatisch verändert. Einen zusätzlichen Schub hin in Richtung Amateurisierung löste das Internet mit seinen Social Networks und Fotocommunities aus. Andererseits war es noch nie so einfach wie heute, technisch zufriedenstellende Aufnahmen zu produzieren. Das gilt sowohl für die Hardware- als auch für die Software-Seite. Hardwareseitig hat in den letzten Jahren eine weitere Revolution stattgefunden: weg von den klassischen Kameratypen, hin zu Consumerkameras, Smartphone-Fotografie und mobiler Bildbearbeitung via Notebook. Die medialen Workflows sind ähnlichen Umwälzungen unterworfen. Zu den klassischen Standfotos gesellen sich Videoclips, Audiotöne und Animationen. Eine Auswirkung dieser Entwicklung ist, dass in Workflows zur Mediengestaltung Fotodateien unterschiedlichster Güte weiterverarbeitet werden.

Ein weiterer Punkt, der sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren drastisch verändert hat, sind die ästhetischen Geschmäcker und Anforderungen. Und natürlich die Möglichkeiten, eine Aufnahme via Photoshop aufzubrezeln. Lediglich eine Regel gilt bis heute unverändert: Ein gutes Foto ist ein gutes Foto. Zumindest ein Aspekt, wo man nicht vollends umlernen muss. Die wesentlichen Gestaltungsregeln haben sich seit dem Zeitalter der Renaissance nur wenig verändert. Der Rest ist Technik. Aller modernen Features ungeachtet ist Fotografie das geblieben, was sie seit ihren Anfängen war: Malen mit Licht. Konkret bedeutet dies: Rein technisch gesehen entsteht ein Bild durch eine ganz spezielle Mixtur – eine Kombination aus Lichtmenge, Belichtungszeit und Aufnahmefeinheit.

Foto-Einmaleins: Kameratyp, Blende, Verschlusszeit

Die grundlegende Frage beim Erstellen von Fotos ist zunächst die, mit welchem Kameratyp man arbeitet. Zwar hat sich hier in den letzten Jahren eine Menge verschoben. Nach wie vor ist es jedoch so, dass im Profisegment vorwiegend Spiegelreflex-Kameratypen von eingeführten Markenanbietern wie Canon, Nikon oder Pentax eingesetzt werden. Technisch gesehen sind die Unterschiede zwischen Spiegelreflex­kameras (im Fachjargon abgekürzt mit SLR) und Kompaktkameras zwar markant. Der entscheidende: SLRs sind nach dem Baukastenprinzip erweiterbar – vor allem durch eine Vielzahl unterschiedlicher Objektive. Der wichtigste dürfte allerdings die dahintersteckende Do-it-yourself-Philosophie sein – nach wie vor das wesentliche Alleinstellungsmerkmal dieses Kamera­typs. Obwohl Spiegelreflexkameras mehr Equipment benötigen, schwerer sind und in der Handhabung (etwas) komplizierter, sind sie im Profisegment bis heute klarer Favorit. Weitere Vorteile: Auch in Sachen Auflösung haben SLRs weiterhin die Nase vorn. Darüber hinaus liefern nur sie hyperrealistische Bilddaten im RAW-Format und mit entsprechender Farbtiefe.

Die grundlegenden Aufnahmeparameter – Blende, Belichtungszeit und Trägerempfindlichkeit – kommen bei jedem Kameratyp zum Tragen. Kompaktkameras und andere Consumergeräte sind lediglich so nett, die technischen Parameter in anwenderfreundliche Aufnahmeprogramme, Real-Displays und weitere Aufnahmehilfen zu verpacken. Ob Landschaftsaufnahme oder Fotoshooting im Studio: Jede Aufnahme benötigt eine ganz spezifische, situationsabhängige Dosis an Licht. Wie hoch diese Dosis zum «Zeichnen» des aktuellen Motivs ist, hängt von der Helligkeit/Dunkelheit des Motivs ab beziehungsweise von den am Aufnahmeset herrschenden Lichtverhältnissen. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die mit der Aufnahme verbundene Lichtdurchzeichnung zuwege zu bringen: a) mit vergleichsweise wenig Licht und einer entsprechend längeren Belichtungszeit, b) mit knallig viel Licht und einer entsprechend kurzen Belichtungszeit.

Der zweite Aufnahmefaktor ist die Belichtungszeit – in der Regel Minibruchteile von Sekunden. Theoretisch gesehen ergeben sich für jedes Motiv so Hunderte unterschiedlicher Kombinationsmöglichkeiten: grosse Blende, kurze Belichtungszeit; mittlere Blende, mittlere Belichtungszeit; kleine Blende, lange Belichtungszeit. Eingeschränkt wird diese Wahl durch zwei Punkte: die Lichtverhältnisse vor Ort und die konkrete Absicht des Fotografen. Grund­regel eins: Möchte man knackig scharfe Aufnahmen, sind supergute Lichtverhältnisse die allerbeste Voraussetzung. Blende und Zeit ermöglichen noch weitere Differenzierungen: Während kleine Blendeneinstellungen mit wenig Lichtdurchlass eine scharfe Abbildung vom Vordergrund bis zum Hintergrund ermöglichen, fokussieren grosse Blendeneinstellungen selektiv – bis auf das Motiv ist der Rest unscharf.

In Bildbearbeitungsprogrammen erzeugte Schärfe und fotografische Schärfe sind übrigens zwei Paar Schuh’. Während Unscharf maskieren-Filter und Co. lediglich einen künstlichen Schärfeeindruck erzeugen, versteht man unter fotografischer Schärfe die Detailgenauigkeit und den Detailreichtum, der während der Aufnahme selbst eingefangen wird. Unerlässlich hierfür – die wichtigste Operation bei jeder Fotoaufnahme: das Fokussieren des Motivs und die damit verbundene Belichtungsmessung. Die Fokussierung respektive Scharfstellung kann sowohl manuell als auch automatisch erfolgen. Die manuelle Variante steht meist nur bei den technisch avancierteren Spiegelreflexkameras zur Verfügung. Die kamerainternen Programme zur Scharfstellung sind mittlerweile jedoch derart ausgeklügelt, dass sie in den meisten Standardsituationen zufriedenstellende Ergebnisse bringen.

Foto-Einmaleins: Objektive

Zweiter wichtiger Sparringpartner – neben der Kamera selbst – ist das Objektiv. Bei Kompaktkameras sind sie, wie gesagt, eingebaut. Objektivtypen gibt es im Prinzip wie Sand am Meer. Die wichtigsten sind: Weitwinkelobjektive (Fish­eye als Extremvariante), Normalweitenobjektive und Teleobjektive. All diese Formen gibt es in Form von Festbrennweiten- und Zoom-Objektiven. Variabel einsetzbare Zoom-Objektiv sind zwar insbesondere bei den consumerfreundlichen Kompaktkameras Standard. In Sachen Spiel bei den grossen (und entsprechend Belichtungszeit-kurzen) Blenden haben Festobjektive jedoch die Nase vorn. Die Objektiv-Brennweite beziehungsweise der Brennweitenbereich lässt sich vergröbert mit dem Begriff optischer Betrachtungsabstand umschreiben. Niedrige Brennweiten – beispielsweise 20, 14 oder noch darunter – charakterisieren weite Winkel und einen entsprechend «panoramigen» Blick auf das Motiv. Hohe Brennweiten – 100, 200 oder noch höher – holen das Motiv hingegen nah heran. Und eignen sich infolgedessen gut, Dinge abzubilden, die weit entfernt sind.

Ergänzend hinzu kommen zwei weitere Parameter. Der erste ist die eingestellte Normalmenge für die Belichtung. Neben Normalbelichtungen ermöglichen viele Kameras auch Unter- oder Überbelichtungen. Abweichungen von der Normaleinstellung können sowohl situationsbedingt als auch unter kreativen Aspekten sinnvoll sein: Unterbelichtungen beispielsweise mit dem Hintergedanken, die entsprechend dunkler ausfallenden Aufnahmen später in Photoshop kompensieren, sprich aufhellen zu können. Zweite Tuning-Möglichkeit ist der ISO-Wert. Anders als in der analogen Fotografie kennzeichnet dieser zwar nicht mehr die Grobkörnigkeit des Trägermaterials. Der Effekt höherer ISO-Werte – entsprechend gröbere und mit mehr Bildrauschen versehene Aufnahmen – hat sich jedoch auch im digitalen Bilderworkflow erhalten.

Technische Fototipps

Welche Regeln lassen sich aus alldem für die Praxis ableiten? Aus technischer Warte zuallererst die, dass Sie sich vergewissern sollten, welche technischen Möglichkeiten Ihre Kamera beziehungsweise Ihr Kameratyp unterstützt.

Richtige ISO-Wahl. Die Schönwetterwerte 100 und 200 liefern die feinkörnigsten Ergebnisse und sind darum, wo möglich, vorzuziehen. Spätestens dann jedoch, wenn es mit dem Licht knapp wird (konkret: die Aufnahme entweder eine zu lange Belichtungszeit benötigt oder eine zu grosse Blende), hilft alles nichts. Um ungehindert fotografieren zu können, sollten Sie die ISO-Werte Ihrer Kamera hochstellen. Automatik- oder Motivprogramme tun dies gegebenenfalls automatisch – etwa bei Nachtaufnahmen.

Blitzen oder nicht blitzen? Die meisten Kameras enthalten interne Blitzfunktionen; professionelle Studios und Profi-Ausstattungen zusätzlich externe Blitzgeräte. Warum dies also nicht nutzen – wo die Nebeneffekte wie zum Beispiel rote Augen teils sogar schon von Kameras erkannt und beseitigt werden? Professionell eingesetzt, ist gegen Blitz-Equipment wenig einzuwenden. Situativ und aus ästhetischer Warte allerdings schon. Bei Veranstaltungen etwa werden Blitzlichtgewitter eher als Störfaktor angesehen. Auch aus ästhetischer Warte ist die künstlich erzeugte Lichtpower durchaus fragwürdig. Überlegen Sie, ob Blitzen in der konkreten Situation – oder für das Endergebnis, das Sie anvisieren – unbedingt nötig ist. Unterbelichten sowie das Heraufdrehen der ISO-Zahl ermöglicht selbst auf Konzerten sowie in der Dämmerung leidlich gute, scharfe Aufnahmen. In der Studiofotografie sind Blitze nur ein Hilfsmittel von vielen. Entsprechend kommen sie nur da zur Anwendung, wo es wirklich schummrig ist – etwa beim Fotoshooting für eine Gastronomie-Neueröffnung.

Unter- und Überbelichtung. Unterbelichtung um ein bis zwei Stufen bringt nicht nur ein Weniger an Belichtungszeit und so potenziell mehr Bildschärfe. Unterbelichtung ist eines der wenigen Aufnahmemankos, die sich via Bildbearbeitung problemlos korrigieren lassen. Plus: Insgesamt mehr Spiel beim Fotografieren – vor allem da, wo es mit dem Licht eng wird.

Fokussieren. Der richtige Fokus, also die «Markierung» des Motivs, ist das A und O jeder Aufnahme. Konkret bedeutet dies: Wenn die Person im Vordergrund scharf erscheinen soll, sollten Sie sicherstellen, dass vor dem Drücken auf den Auslöseknopf die Person fokussiert, also scharfgestellt wurde – und nicht der Hintergrund. Ob Sie dabei lieber auf die Kamera- beziehungsweise Objektivautomatik zurückgreifen oder manuell fokussieren, ist letztlich Einstellungssache. Wie bereits erwähnt, bringen die meisten Automatiken zufriedenstellende Ergebnisse. Manuelles Fokussieren empfiehlt sich vor allem da, wo man möglichst genaue Kontrolle haben möchte über den Bild-Spot – beispielsweise bei der Makro-Fotografie.

Verwackelungen vermeiden. Die meisten aktuellen Kameras enthalten mittlerweile zwar Bild-Stabilisatoren. Belichtungszeiten für verwackelungsfreie Aufnahmen sind jedoch extrem kurz (Faustregel: ab 1/60 Sekunde wird es kritisch), empfiehlt es sich, die Aufnahme zusätzlich gegen Verwackelung zu schützen. Bewährte Hausmittel sind beispielsweise: eine die Kamera abstützende Körperhaltung, das Ausnutzen vorhandener Stützen (Wände, Pfeiler, Tische, eine Mauer und so weiter) oder – grundsätzlich zu empfehlen beim Fotografieren in Wind und Wetter – ein Stativ. Spiegelreflexkameras bieten zusätzlich die Option, die Sperrverriegelung für die Blende separat zu öffnen. Ergebnis: zwei Klicks anstatt einem, die minimale Erschütterung beim Öffnen des Verschlusses entfällt hier jedoch ebenfalls.

Blende versus Belichtungszeit. Grundsätzlich gilt: Bei Landschaftsaufnahmen mit einer möglichst grossen Durchzeichnung empfehlen sich kleine Blenden (Werte also: 11, 16 oder noch höher). Bei Tageslicht oder gar Sonnenschein sind die damit verbundenen höheren Belichtungszeiten kein Problem. Wird es kritisch, muss man austarieren beziehungsweise Prioritäten setzen. Grosse Blenden (also niedrige Werte wie 4, 2.8 oder noch geringer) warten zwar mit dem Vorteil geringer Belichtungszeiten auf. Schärfetechnisch liefern sie allerdings nur Spot-Schärfe. Hier gibt es kein passendes Rezept. Der Fotograf muss sich entscheiden: Schärfe ohne Wenn und Aber, inklusive Trimmen (über ISO-Wert oder Unterbelichtung) oder mehr unscharfes Umfeld und damit mehr Spiel bei der Zeit?

Einfrieren und kreative Unschärfe. Die unterschiedlichen Blende/Zeit-Kombinationen werden unter anderem genutzt, um bestimmte kreative Gestaltungen umzusetzen. Extrem kurze Belichtungszeiten bringen bekanntlich Wasserfälle und Springbrunnen zum «Stehen», der Moment wird sprichwörtlich eingefroren. Insbesondere in der Sportfotografie, wo es um das Einfangen schneller Bewegungen geht, ist dieses Einfrieren ein wesentliches Gestaltungsmittel. Der umgekehrte Effekt ergibt sich durch das Mitziehen. Der Fotograf verfolgt beim Auslösen die Bewegung des Fahrradfahrers mit. Effekt: Fahrer und Rad erscheinen scharf, der Hintergrund versinkt in Unschärfe. Tipp: Schärfe und Unschärfe sind in der Fotografie eines der wesentlichen Gestaltungsmittel – und werden von erfahrenen Fotografen entsprechend genutzt.

Die richtige Brennweite. Die Brennweite des Objektivs sorgt nicht nur für «nahen» oder «fernen» Abstand. Beim Fokussieren, der Frage, wie flächenscharf ein Bild wird und wie verwackelungsgefährdet eine Aufnahme ist, redet sie ebenfalls entscheidend mit. Grundsätzlich gilt: Festbrennweite-­Objektive sind qualitativ oft höherwertiger als Zoom-Ojektive, dafür weniger flexibel. Auch Zoom-Objektive kaprizieren sich meist auf einen bestimmten Abstandsbereich. Darüber hinaus gilt: Weitwinkelobjektive sind insbesondere in der Landschafts- und Architekturfotografie stark gefragt, Teleobjektive sind die Spezialisten da, wo man auf Abstand fotografieren muss oder möchte (etwa in der Tier- oder auch Sportfotografie). Bei Porträtaufnahmen sind eher Normalbrennweiten im leichten Telebereich gefragt (Brennweite-Wert: um die 60) sowie Festbrennweiten. Grund: Da das In-Unschärfe-Tauchen des Hintergrunds hier oft mit beabsichtigt wird, ist man mit den niedrigen Blendenbereichen von Festbrennweite-Objektiven am besten bedient.

Die optimale Farbtiefe. Eindeutige Antwort: 16 Bit, also RAW-Format. Die Verarbeitung von RAW-Bildern ist bildbearbeiterisch gesehen keine Herausforderung mehr. Wenn Sie Ihren Aufnahmen etwas Gutes tun möchten: Spendieren Sie ihnen die bestmögliche Farbtiefe!

Gestalterische Fototipps

Das kreative Gestalten von Fotoaufnahmen ist ein weites Terrain. Bester Tipp vorab: Decken Sie sich mit geeigneter Fachliteratur ein. Platzbedingt können in diesem Beitrag leider nur die allerwichtigsten Fotoregeln behandelt werden.

Drittel-Regel. Immer die Mitte, voll auf das Motiv – in gestalterischer Hinsicht meist gar nicht gut. Ebenso wie bei Gemälden, bei Filmen oder auch bei Magazinlayouts gelten auch bei Fotoaufnahmen im Grossen und Ganzen die Harmonielehre-Grundsätze, die bereits in der Renaissance entwickelt wurden. Die Wichtigste ist die Goldene-Schnitt- oder Drittel-Regel. Sie besagt, dass der Bildmittelpunkt nicht in der Bildmitte liegen sollte (in der Regel wird dies als langweilig und undynamisch wahrgenommen), sondern – ungefähr – auf den Drittel-Schnittpunkten. Ergebnis: visuelle Dynamik, die aufgrund der vermittelten Spannung Aufmerksamkeit weckt. Dies gilt ebenso für vertikale und horizontale Linien. Horizonte also: wenn möglich, nicht in der Bildmitte, sondern entweder entlang der oberen oder entlang der unteren Drittellinie.

Porträts: nicht auf die Nase! Der Mittelpunkt-Anfängerfehler tritt vor allem bei Porträtaufnahmen besonders unvorteilhaft zu Tage. Direkt auf den Kopf halten und den Auslöser drücken ist vom Impuls her zwar verständlich, aus fotografischer Warte jedoch falsch. Besser ist es, das Kinn als Bildmittelpunkt zu nehmen oder – je nach Aufnahmeabstand – den Oberkörper.

Bildführung. Als allgemeine Grund­regel gilt: Der Betrachter hat keine Ahnung, was Sie ihm vermitteln möchten; er muss also entsprechend durchs Bild geführt werden. Mittel, dem Betrachter die «Dechiffrierung» einer Aufnahme zu erleichtern, sind Linien, Quadrate und Kreise. Vor allem Linien – horizontale wie Horizonte oder Diagonalen, an denen der Blick zum Mittelpunkt hin entlanggleitet – sind für die optische Bildgliederung fast unabdingbar. Die gute Nachricht ist, dass die entsprechenden Grundfiguren in Motiven so gut wie immer präsent sind; man benötigt lediglich Erfahrung als Fotograf, um sie zu erkennen.

Grenzen Sie ein! Insbesondere Postkarten mit Landschaften warten oft mit ihnen auf: Bild-Accessoires wie Baumäste, Hauswände, Laternenpfähle und Ähnliches, die ein Bild begrenzen. Abgrenzungen im Motiv sind zwar nicht unabdingbar. Wo sie erkennbar sind, helfen sie allerdings, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen – auch den Bildbereich von der (ausserhalb des Bilds liegenden) Umgebung.

Dreidimensional fotografieren! Fotografierte Motive sind zwar in aller Regel dreidimensional. Der Clou gelungener Aufnahmen ist allerdings, dass sie diese Eigenheit dem Betrachter auch beweisen. Geeignete Mittel, die Dreidimensionalität fotografierter Wirklichkeit optisch unter Beweis zu stellen sind: Wege, die zum Bildmittelpunkt hinführen, ein Gegenstand im Vordergrund sowie allgemein eine proportional gut erfasste Komposition aus Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund. Eine Regel, die übrigens auch für Texturen (reliefhafte Wirkung) oder Personenaufnahmen (Hintergrund: verschwommen-unscharf) gilt. Allgemeiner Tipp an der Stelle: Fotografieren Sie nicht nur – trauen Sie sich zu inszenieren!

Konzentration auf das Motiv! Mittelpunkt eines Bilds ist das, was Sie eigentlich fotografieren wollen: das Gesicht, oder das einsame Haus hinten in der Landschaft. In vielen Fällen ist der Aufmerksamkeitsspot nicht so einfach zu bestimmen. Doch auch bei durchkomponierten Raum- oder Landschaftsaufnahmen gibt es meist einen Blickfänger, der das Auge anzieht. Regel auch hier: Rücken Sie das Wichtige in den Mittelpunkt. Und haben Sie den Mut zur Lücke. Nicht alles ist gleich wichtig. Angedeutetes, Einrahmendes, Unscharfes drumherum wertet das Eigentliche, das Motiv oft zusätzlich auf.

Der richtige Bildausschnitt. Die Frage nach dem richtigen, angemessenen Bildausschnitt mag in Zeiten von Photoshop obsolet sein. Nichtsdestotrotz: Passende Ausschnitte beim Shooting und gegebenenfalls unterschiedliche Aufnahmen ersparen nicht nur hinterher Arbeit am Rechner. Sie «erziehen» auch dazu, stets fotografisch (mit) zu denken. Darüber hinaus sind Speicherkapazitäten heutzutage kaum noch ein Problem. Fotografieren Sie also ruhig drauflos.

Schärfe versus Unschärfe. Technisch gesehen sind Schärfe und Unschärfe eine der grössten Herausforderungen in der Fotografie. Kreativ gesehen ermöglichen sie geradezu unendliche Gestaltungsmöglichkeiten. Egal ob in Unschärfe getauchter Hintergrund bei einer Landschaftsaufnahme oder ein Personenfoto, bei dem die Augen scharf sind, der Rest jedoch unscharf. Gute Fotografie ist, beide Elemente miteinander zu vereinen.

Farben: nicht immer hilfreich. Fotofreunde werden es vermutlich bemerkt haben: Die Kamerafunktionen zum Farbabgleich wurden in diesem Beitrag nicht thematisiert – mit gutem Grund: Neutrale Farbgebung ist ein weites Terrain. In vielen Fällen möchte der Anwender nicht neutrale, sondern vielmehr natürlich wirkende Farben. Aber was ist natürlich? Grundsätzlich gilt, dass Farbspots, zueinander passende Farben oder allgemein eine passende Farbstimmung eine Aufnahme immens aufwerten können. Umgekehrt können disharmonische oder beliebige Farben die Bildwirkung kaputt machen. In vielen Fällen – etwa bei situationsbedingten Aufnahmen – hat man nicht wirklich die Wahl. Was tun? Oft mag ein beherzt eingesetzter Photoshop-Filter im Nachhinein für Stimmung sorgen. Oder es ist vielleicht die Überlegung angebracht, auf Schwarzweiss zurückzugreifen. Wobei Sie bei dieser speziellen Konstellation ruhig auf Photoshop vertrauen – und in Farbe aufnehmen – sollten.

Fazit

Die technischen Möglichkeiten haben sich seit dem Aufkommen der Digitalfotografie sicherlich vervielfacht. Die gestalterischen Herausforderungen indes sind gestern wie heute dieselben geblieben – auch wenn Hersteller und Anbieter gern die Illusion erwecken, im Prinzip genüge es, auf den Auslöserknopf zu drücken. Die Fotografie als solche ist im Grossen und Ganzen das geblieben, was sie in den Jahrzehnten zuvor bereits war: eine riesengrosse, potenziell lebenslang währende Herausforderung und Leidenschaft. Die grosse Errungenschaft unserer Zeit besteht so auch eher in einem anderen Punkt: dass sie diese Herausforderung und Leidenschaft jedem und jeder zugänglich macht. Der Rest ist, wie auch früher schon: 10 Prozent Inspiration, 90 Prozent Transpiration.