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Freistellen im H�rtetest

Photoshop und GIMP sind inzwischen derart mit Funktionen und Optionen überladen, dass es nicht immer leicht ist, die richtige Funktion zu finden und sie richtig einzusetzen. Freistellen geht leicht von der Hand, wenn man weiss, wo man ansetzen muss.

CHRISTOPH SCHÄFER und Peter Jäger Es ist noch nicht lange her, dass man als Auswahlhilfen in Bildbearbeitungsprogrammen nur eher primitive Werkzeuge wie den Zauberstab zur Verfügung hatte und ansonsten sehr viel manuell erledigen musste. Das ist heute zum Glück anders, aber es ist wichtig, die hinzugekommenen Tools für die geeigneten Zwecke zu verwenden.

Voraussetzung für das blitzschnelle Auswählen und Freistellen von Objekten in Bilddateien ist das Vorliegen eines ausreichend deutlichen Helligkeits- oder Farbkontrasts zwischen dem Objekt und seiner Umgebung – ansonsten gerät die Automatik ins Schleudern. Sie wird also mit ziemlicher Sicherheit versagen, wenn etwa eine Person in einem Gruppenbild freigestellt werden soll, auf dem alle abgebildeten Leute die gleiche Uniform tragen.

Auswahl à la Adobe

Die mit Photoshop CS 3 eingeführte Schnellauswahl ist ein erstklassiges Werkzeug zum Auswählen von Objekten. Es ist nicht nur schneller als sein GIMP-Äquivalent, weil seine Anwendung nur wenige Mausklicks erfordert, sondern auch etwas verlässlicher, wenn man es mit niedrigeren Kontrastwerten zu tun hat. Darüber hinaus funktioniert es im Gegensatz zu GIMP auch über Bildebenen hinweg.

Auswahl universell

Die automatische Auswahl in GIMP ist zwar auch schnell, aber dennoch etwas umständlicher, was wohl daran liegt, dass es sich um einen Algorithmus handelt, der im Rahmen eines Forschungsprojektes an der TU Berlin entwickelt wurde, bei dem es um E-Learning ging. Dabei sollte das in GIMP als «Vordergrundauswahl» implementierte Unterprojekt namens SIOX (Simple Interactive Object Extraction) das automatische und dynamische Ausschneiden eines Vordergrundobjekts in Videos (beispielsweise Lehrer vor der Tafel) ermöglichen. In der Folge wurde SIOX nicht nur für den ursprünglichen Zweck eingesetzt, sondern, weil frei implementierbar, auch in der Robotik und freien Grafikprogrammen wie GIMP und Inkscape.

Um die Vordergrundauswahl in GIMP verwenden zu können, muss das entsprechende Symbol im Werkzeugkasten angeklickt werden. Wie in Photo­shop stehen zahlreiche Optionen zur Anpassung zur Verfügung.

Der Mauszeiger verwandelt sich nun in denjenigen für die Freihandauswahl. Anschliessend zieht man um das freizustellende Objekt und seine unmittelbare Umgebung eine grobe Auswahl, die, nachdem Ausgangs- und Endpunkt aufeinandertreffen, mit der Eingabetaste bestätigt wird.

Der nächste Schritt erfordert eine grobe Markierung des auszuwählenden Objekts innerhalb der Auswahl, wozu sich am besten das Pinselwerkzeug eignet, das je nach Bildauflösung angepasst werden muss, um nicht zu viele schmale oder zu wenige breite Striche zu erzeugen. Dies resultiert meist bereits in einer gut brauchbaren Vorauswahl. Sollten der Automatik einige Randbereiche entgangen sein, kann man das Pinselwerkzeug dazu verwenden, diese nachträglich in die Auswahl zu integrieren. Hier kann sich der Geschwindigkeitsnachteil sogar als Vorteil erweisen, denn GIMP hält neben den Pinseleinstellungen eine Reihe weiterer Optionen zur Verbesserung der Auswahl bereit.

Die perfekte Auswahl

Weder Photoshop noch GIMP liefern mit ihren Automatiken eine «perfekte» Auswahl, sodass man etwas nachjustieren muss. Der Weg ist in beiden Programmen sehr ähnlich. Zunächst gilt es, die Auswahl geringfügig zu verkleinern, um störende Pixel-Artefakte aus der Umgebung auszuschliessen. Danach muss die Auswahl als benannter Kanal gespeichert werden. Schliesslich wird dieser Kanal dem Originalbild als Ebenenmaske hinzugefügt.

Um einen optimalen Übergang zwischen dem freigestellten Objekt und seiner zukünftigen Umgebung sicherzustellen, ist es notwendig, die Kanten weichzuzeichnen. In Photoshop geschieht dies über Kante verbessern, während man in GIMP am besten den Gaußschen Weichzeichner nach IIR-Methode verwendet.

Nun lassen sich, je nach vorliegendem Bildmaterial, weitere Verfeinerungen, etwa mittels der Farbwerkzeuge wie Kurven usw., vornehmen.

Schlussschritt

Freistellung ist kein Selbstzweck, denn letztendlich soll das perfekt freigestellte Objekt in ein anderes Bild eingefügt werden. Dabei gilt es zu beachten, dass die Auflösung der Freistellung und die des Zielbildes wenigstens annähernd gleich sind. Ausserdem sollten beide Bilder im gleichen Farbraum vorliegen, weil es ansonsten zu unangenehmen Überraschungen kommen kann.

In Sachen Geschwindigkeit ist Photo­shop auch hier besser, indem es das schnelle Verschieben der Auswahl auf ein neues Hintergrundbild erlaubt. GIMP erfordert ein paar Schritte mehr, aber am Ende liefert das Open-Source-Programm dasselbe Ergebnis wie Photo­shop.

Fazit

Wessen Einkommen von zeit- und kostensparenden Freistellungsfunktionen abhängt, ist momentan mit Photoshop eindeutig besser bedient. Wer diese Operation nicht ständig benötigt und zudem ein grösseres Mass an Kontrolle über den Auswahlmodus behalten möchte, kann bedenkenlos zu GIMP greifen. 

Freistellen in GIMP                             Freistellen in Photoshop