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HDR: 32 Bit f�r die Bildbearbeitung der Zukunft

Hochdynamische Bilder mit 32 Bit Farbtiefe gelten schon heute als Bildstandard der Zukunft. Obwohl die Technologie noch in den Anfängen steckt, liefert insbesondere die De-Luxe-Version Photoshop CS3 Extended bereits wirkungsvolle Bearbeitungsbefehle.
 

GÜNTER SCHULER Was hat es mit dem derzeitigen HDR-Boom auf sich? In die Sprache der digitalen Bildbearbeitung übersetzt, bedeutet HDR das Generieren und Bearbeiten von Bilddateien mit 32 Bit Farbtiefe. In der Theorie ist die Vielfalt der Töne, die dadurch ermöglicht wird, deutlich höher als diejenige alter analoger Verfahren. Das grundsätzliche Problem beim Bearbeiten von HDR-Bildern mit 32 Bit Farbtiefe besteht allerdings darin, dass sehr wenig Aufnahmegeräte sie aufzeichnen, kein Monitor sie darstellen und kein Druckverfahren sie gegenwärtig reproduzieren kann. Die Theorie klingt somit wenig ermutigend. In der Praxis sieht das anders aus. Aufgrund spezieller Bearbeitungsverfahren lohnt sich das Arbeiten mit High Dynamic Range Images, kurz HDR-Bildern, bereits heute. Die klassische Prozedur besteht darin, Einzelbilder oder Bildserien in 32-Bit-Bilder umzuwandeln, die Ergebnisse in 32 Bit zu optimieren und die optimierte Version schliesslich in eine ausgabefähige Farbtiefe (16 oder 8 Bit) zurückzukonvertieren. Da bei diesem Rückkonvertierungsschritt oft erst die eigentliche HDR-Optimierung ansetzt, hat sich dafür ein spezieller Fachbegriff etabliert: das Tone Mapping.

Etabliert haben sich auf 32 Bit basierende Bearbeitungsverfahren vor allem in zwei Bereichen: erstens als Lösungsstrategie für die Aufbereitung von Bildmotiven mit einem sehr hohen Kontrastbereich, zweitens als künstlerisches Verfahren für die Darstellung oder die Forcierung von mehr Bilddetails. Als so genannter HDR-Look hat vor allem die zweite Variante Furore gemacht. Zugegeben – HDR-Bilder mit ihrem manchmal fast psychedelisch wirkenden Look haben künstlerisch gesehen durchaus ihren Reiz. Der Hyperrealismus dieser Bilder ist allerdings oft erkauft durch einen Verlust an herkömmlichem Kontrast und an räumlicher Tiefenwirkung. Nichtsdestoweniger profitieren auch konventionelle Optimierungsverfahren von den neuen HDR-Techniken. Als Königsweg gilt hier aktuell das Zusammenfügen unterschiedlich belichteter Bildvarianten zu einer HDR-Datei. Der Vorteil: Jede Aufnahme einer solchen Serie enthält optimale Tonwerte für bestimmte Bereiche. Unterbelichtete Bilder enthalten durchgezeichnete Lichter, überbelichtete hingegen Tiefen, aus denen sich sämtliche Details hervorarbeiten lassen.

HDR «classic»: Belichtungs-serien zusammenfügen

Wie sieht eine «klassische» HDR-Optimierung in Photoshop CS3 aus? Das Verfahren sieht folgendermassen aus: Über den Befehl Zu HDR zusammenfügen werden durch Anklicken des Buttons Durchsuchen im ersten Schritt die Bilddateien der Belichtungsserie ausgewählt. Das Aktivieren der Option «Quellbilder nach Möglichkeit automatisch ausrichten» ist ebenfalls empfehlenswert. Sie versucht zusätzlich, eine möglichst pixelgenaue Positionierung der Bilddateien vorzunehmen und ist selbst dann sinnvoll, wenn die Belichtungsserie (was der Normalfall sein sollte) mit einem Stativ aufgenommen wurde. Das im Anschluss erscheinende Feature zeigt das Ergebnis der Zusammenführung. In der linken Bildleiste lassen sich für das Gesamtergebnis unbrauchbare Bilder deaktivieren. Über den Regler links unterhalb des Histogramms lässt sich schliesslich der Weisspunkt einstellen. Ist der Weisspunkt festgelegt, kann das Zusammenfügen der Bilder durch Bestätigen mit OK abgeschlossen werden.

Bearbeitungsmethoden

Im zweiten Schritt wird das nunmehr generierte HDR-Bild mit den üblichen Bearbeitungsbefehlen optimiert. Photoshop CS2 sowie Photoshop CS3 in der normalen Variante bieten unter Anpassungen lediglich einige wenige Befehle. Weiter gehende Bearbeitungsmöglichkeiten in 32 Bit ermöglicht die Programmversion Photoshop CS3 Extended. Zwar sind auch hier längst nicht alle Anpassungen-Befehle zugänglich. Dafür besteht allerdings die Möglichkeit, Einstellungsebenen, Ebenen plus Füllmethoden, Auswahlen sowie Ebenenmasken einzusetzen. Die Optimierung mit den zur Verfügung stehenden Bearbeitungstechniken ist jedoch nur eine Möglichkeit, Kontraste, Helligkeit und Farben der vorliegenden HDR-Datei zu verbessern. Sehr wirkungsmächtige Optimierungsfunktionen enthalten insbesondere die Rückkonvertierungsoptionen. Ohne weiteres Zutun werden sie in dem Augenblick aktiviert, in dem das vorliegende 32-Bit-Bild über Modus in konventionelle 16 oder 8 Bit zurückkonvertiert werden soll. Für diesen Vorgang, den HDR-Bildbearbeiter auch als Tone Mapping bezeichnen, stellt Photoshop insgesamt vier Methoden zur Verfügung. Die erste, Belichtung und Gamma, entspricht im Wesentlichen dem Anpassungen-Befehl Belichtung. Sie enthält zwei Regler für die Feinjustierung der Belichtungs- und Gammawerte. Die zweite Methode, die Lichterkomprimierung, staucht die Helligkeitswerte in den Lichtern zusammen, indem sie alle Werte ausser Reinweiss abdunkelt. Ebenso wie Lichterkomprimierung läuft auch Histogramm equalisieren ohne weitere Einstellungsmöglichkeit ab. Der Algorithmus verteilt die vorgefundenen Helligkeitswerte gleichmässig über das gesamte Tonwertspektrum und entspricht somit am ehesten dem Anpassungen-Befehl Tonwertangleichung.

Interessant: lokale Anpassung

Die interessanteste und auch vielfältigste Methode ist indes Nummer vier: lokale Anpassung. Ihre Vorgehensweise erinnert stark an den Anpassungen-Befehl Tiefen/Lichter. Lokale Anpassung offeriert zwei Regler: Radius für den Radius, innerhalb dessen Details verstärkt hervorgehoben werden sollen, und Schwellenwert für die Dosierung der Detailhervorhebung. Das in der Ausgangsposition dargestellte Bild­ergebnis verdeutlicht recht gut die Vorgehensweise dieser Konvertierungsoption: Um mehr Tonwertunterschiede zu generieren, kehrt sie die Bildfarben weitaus deutlicher hervor als herkömmliche Verfahren. Will man wieder normale Helligkeits- und Kontrastunterschiede erhalten, muss man zunächst die unter Toning-Kurve und Histogramm liegende Gradationskurve aktivieren. Im Anschluss kann über eine normale Gradationskurve der Schwarzpunkt neu bestimmt werden (am besten am linken Histogrammende). Über den Kurvenverlauf lässt sich auch das Finetuning von Helligkeit und Kontrast vornehmen. Wird anschliessend mit OK bestätigt, erzeugt die Konvertierung ein konventionelles 16- oder 8-Bit-Bild, das entweder weiterbearbeitet oder final abgespeichert werden kann.

Voller Dynamikumfang ohne HDR

Die Konvertierungsmethode lokale Anpassung liefert zwar, wie dargestellt, interessante Optionen für die Hervorhebung von Bilddetails. Da mit Lichter indess bereits ein ähnlicher Befehl existiert und für die Bildbearbeitung von 32-Bit-Bildern eigentlich nur Photoshop CS3 Extended wirklich ausgerüstet ist, stellt sich die Frage, ob die beschriebene Prozedur tatsächlich nötig ist, wenn man unterschiedlich belichtete Bildversionen zusammenmontieren will. Die Antwort lautet: nein. Eine alternative Verfahrensweise kommt gänzlich ohne 32-Bit-Bildbearbeitung aus. Methode: Die unterschiedlich belichteten Bilddateien werden in einer Bilddatei als Ebenen übereinandergelegt. In der Regel genügen zwei Versionen. Beispiel: eine normal belichtete mit normal durchzeichneten Tiefenbereichen, dafür jedoch komplett ausgebrochenen Lichtern, und eine unterbelichtete mit akzeptabler bis guter Durchzeichnung der Lichterbereiche, dafür jedoch komplett zuge­laufenen Tiefen.

Nimmt man das normal belichtete Bild mit den ausgebrochenen Lichtern als Ausgangsdatei, gestaltet sich das Zusammenmontieren wie folgt: Bildversion zwei mit den durchzeichneten Lichtern, aber zugelaufenen Tiefen kopieren und als Ebene in die erste Bilddatei einsetzen. Weitere Schritte: mit dem Lasso-Werkzeug die Lichterbereiche grob einrahmen, über Auswahl umkehren die getroffene Auswahl invertieren, Befehl Kante verbessern aufrufen und bei Weiche Kante den Wert 250 eingeben. In früheren Photoshop-Versionen: Befehl Weiche Auswahlkante aufrufen und Radiuswert 250 eingeben. Ergebnis: eine Auswahl, welche die zu dunkel geratenen Mittelton- und Tiefenbereiche komplett erfasst – allerdings mit so weichen, kontinuierlichen Übergängen, dass ihr Weglöschen keine sichtbaren Kanten erzeugt, sondern organische, nicht bemerkbare Übergänge zu der in der Ebene darunter liegenden Bildversion. Vorteil: Während in der unteren Ebene das «ganze» Bild mit ausgefransten Lichtern liegt, komplettiert die Ebene darüber das Gesamtwerk mit gut durchzeichneten Lichterbereichen. Wer grundsätzlich Ebenenmasken den Vorzug gibt, kann für die obere Ebene natürlich auch eine Ebenenmaske generieren und die Auswahl im Maskenkanal mit schwarzer Farbe füllen.

Pseudo-HDR

Da sich das klassische Ziel von HDR-Bearbeitungen – eine verbesserte Detaildarstellung in Tiefen und Lichtern bei Bildern mit hohem Kontrastumfang – auch ohne den Umweg 32 Bit erreichen lässt, stellt sich die Grundsatzfrage, ob nicht auch Einzelbilder für HDR-Bildbearbeitungsverfahren geeignet sind. Die Antwort lautet: grundsätzlich ja. Gangbar ist so auch ein dritter Lösungsweg: die 32-Bit-Optimierung eines einzelnen Bildes. Da durch die Konvertierung eines normalen Bildes in 32 Bit der Dynamikbereich lediglich hochinterpoliert wird (also keine tatsächliche Dynamikumfangerweiterung stattfindet), spricht man in diesem Fall auch von so genanntem Pseudo-HDR. Nichtsdestoweniger können auch in 32 Bit hochkonvertierte Einzelbilder durchaus von den 32-Bit-Bearbeitungstechniken profitieren. Dies beginnt bereits bei den normalen Anpassungen-Befehlen, von denen viele in diesem Farbtiefemodus anders funktionieren als bei herkömmlichen Farbtiefen. Als besonders aussichtsreiches Feature für die Neuausrichtung von Bildhelligkeit und Kontrast erweist sich schliesslich die Rückkonvertierungsmethode lokale Anpassung.

Geeignet ist diese Optimierungsvariante nicht nur als Alternative zu den beiden zuvor vorgestellten. Insbesondere für das Kreieren von Bildern im so genannten HDR-Look eignet sich das Feature lokale Anpassung recht gut. In Sachen Einstellungsmöglichkeiten für das Tone Mapping bietet die Spezialanwendung Photomatix Pro von Industrial Light & Magic allerdings deutlich mehr Möglichkeiten. Als Lieblingsspielzeug für HDR-Kreative dürfte Photomatix Pro nicht unwesentlich mitverantwortlich sein für den Kreativ-Hype, den das Thema HDR ausgelöst hat.

Das Optimieren mit zwei oder mehr unterschiedlich belichteten Bildvarianten auf Ebenen ist auch dann möglich, wenn keine Belichtungsserie existiert. In diesem Fall können unterschiedliche Belichtungen auch mit bildbearbeiterischen Mitteln generiert werden – beispielsweise dem Importmodul Camera Raw. Vorgehensweise: Als Erstes wird eine Bildversion generiert, die intakte Tiefenbereiche enthält, unabhängig davon, was mit den Lichtern passiert. Als Zweites wird eine Bildversion erstellt, welche durchzeichnete Lichterbereiche enthält. Die anschliessende Verfahrensweise deckt sich mit derjenigen, die im Abschnitt «Voller Dynamik­umfang ohne HDR» beschrieben ist: Ebenen übereinanderlegen und bei der dunkleren Bildversion oben Mittelton- und Tiefenbereiche über eine weiche Auswahl weglöschen.

Weitere HDR-kompatible Techniken

Wie bereits erwähnt, steckt das Arbeiten mit HDR-Techniken aktuell noch in den Kinderschuhen. Ungeachtet der derzeitigen Limitierungen hat Photoshop bereits heute ein beachtliches Befehlsinstrumentarium in petto, um mit hohen Dynamikumfängen zu arbeiten. Dies gilt insbesondere für die aktuelle De-Luxe-Version CS3 Extended. Nutzen lassen sich beim Arbeiten mit Belichtungsserien nämlich nicht nur die beschriebenen Befehle und Optionen, sondern auch ein ganz anderer, parallel neu aufgegleister Programmsektor. Grob umschreiben könnte man ihn mit verbesserten Montagealgorithmen. Zugute kommen diese nicht nur der klassischen Panoramamontage, sondern allgemein dem Erstellen einer optimalen Bildversion aus mehreren durchschnittlichen. Was es mit den neuen Montagemethoden auf sich hat, erfahren Sie im dritten Teil dieser Photoshop-Expertenreihe.