Cover_19-6_gruen_low

Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


Dossiers >> Large Format Printing >> Fachartikel >> Im Kampf mit dem Foto

Im Kampf mit dem Foto

Wo Inkjetdrucke aus der Nähe betrachtet werden – ob Fine Art oder P.o.S. –, machen ihnen tradierte Sehgewohnheiten das Leben schwer. Erwartet wird Fotoqualität. Auf Papier und Folien ist das dank hoch entwickelter Tinten und Beschichtungen geschafft.

SONJA ANGERER Bilder gab es beinahe seit Anbeginn des PC-Zeitalters: Schon in den frühen Achtzigern kitzelten Computerkids die ersten Grafiken aus ihren Commodore-64ern und druckten diese auf Nadel- oder Typenraddruckern aus. Die konnten allerdings nur Schwarzweiss, und bestenfalls in extrem grober Rasterung, doch die Marschrichtung war klar: das fotorealistische Bild, direkt aus dem Computer. Als Mitte der Achtziger tonerbasierte Laserdrucker und zum Ende des Jahrzehnts die ersten Inkjetsysteme auf den Markt kamen, war dies der Hauptgrund für die schnelle Verdrängung von Nadel- und Typenraddruckern. Bis heute gibt es zwei unterschiedliche Basistechnologien für den Inkjetdruck: das von HP, Canon und Lexmark favorisierte thermische bzw. Bubblejet- sowie das von Epson und den meisten Herstellern von Wide- und Super-Wide-Format-Inkjet-Dru­ckern eingesetzte Piezoverfahren. Von der Basistechnologie hängt es noch immer ab, wie die verwendete Tinte zusammengesetzt werden kann: Da die Tinte im thermischen Verfahren stark erhitzt werden muss, sind wärmeempfindliche Inhaltsstoffe wie leicht flüchtige Lösemittel nicht verwendbar. Es sind aber vor allem Lösemittel, die Tinten wasserfest und unempfindlich gegen Abrieb machen (siehe Publisher 1-10). Thermoköpfe werden deshalb fast ausschliesslich für Anwendungen in Innenräumen eingesetzt, da in ihnen nur wasserbasierende Tinten verwendet werden können, eine Ausnahme bildet nur die HP-Latextechnologie. Die in Piezoköpfen verwendeten Rezepturen erlauben mehr Spielraum, weil das Herausschleudern der Tröpfchen über eine an einen Piezoquarz angelegte Spannung bewerkstelligt wird, was die Inhaltsstoffe weniger belastet. In Piezoköpfen können sowohl wasserbasierende, wie auch lösemittelhaltige, ölbasierende und UV-härtende Tinten verspritzt werden. Doch egal ob in Thermo- oder Piezoköpfen, im Innenraum werden hauptsächlich wasserbasierende Tinten eingesetzt. Diese unterteilen sich in farbstoff- (bzw. dye-) und pigmentbasierte Tinten.

Farbstoffe oder Pigmente?

Die in Farbstofftinten verwendeten Farbstoffe sind sehr klein und in der Tintenflüssigkeit aufgelöst. Deshalb dringen die Farbstoffe verhältnismäs­sig tief in das Papier bzw. die Deckschicht ein und lagern sich nach dem Verdunsten der Trägerflüssigkeit – zu 60 bis 80 Prozent Wasser, aber je nach Rezeptur etwa auch Glyzerin und Glykol – an den Papierfasern bzw. in der Trägerschicht an. So verschwinden sie sehr gleichmässig in der Oberfläche, wodurch sich, besonders auf glänzenden Papierqualitäten, eine besonders gleichmässige Lichtreflexion und damit ein brillanter Glanz entwickelt. Farbstoffbasierte Tinten bieten eine sehr grosse Farbintensität, sie sind meist günstiger als pigmentbasierte Tinten und sie verstopfen die Druckköpfe weniger. Allerdings haben sie auch zwei entscheidende Nachteile: Sie trocknen langsamer und sind empfindlicher gegenüber Verschmieren und Feuchtigkeit als pigmentbasierte Tinten. Die grosse Oberfläche der vielen winzigen Farbmoleküle erhöht zudem die Empfindlichkeit gegenüber UV-Strahlung und Umwelteinflüssen.

Deshalb wird in vielen Inkjetdruckern, mit denen lange haltbare Bilder hergestellt werden sollen, pigmentbasierte Tinte eingesetzt – sowohl die Canon-Lucia- wie die Epson-Ultrachrome-K3-Tinte, aber auch viele (aber nicht alle!) HP-Vivera-Varianten gehören dazu. Pigmente sind ein Konglomerat von Farbmolekülen, jedes einzelne kann bis zu 1000-mal grösser sein als die Partikel in dyebasierten Tinten. Dadurch sinken sie nicht besonders stark in das Papier ein und die Tinte trocknet schneller. Durch die geringe Oberfläche sind die Pigmente verhältnismässig widerstandsfähig gegenüber UV-Licht, aggressiven Gasen, Wärme und Feuchtigkeit, allerdings etwas empfindlicher, was den Abrieb betrifft. Die relativ grossen Moleküle bringen weitere Probleme mit sich. Weil sie sich kaum in der Trägerflüssigkeit lösen, entmischt sich die Tinte nach einiger Zeit, sodass angebrochene Kartuschen innerhalb von maximal einem Jahr aufgebraucht werden sollten. Auch die Düsen verstopfen beim Verdrucken von Pigmenttinte schneller. Die unebene Oberfläche, die sich ergibt, weil die Pigmentmoleküle nicht im Trägermedium einsinken, erhöht die Gefahr von Metamerie- und Bronzingeffekten und vermindert Farbumfang und die maximal zu erzielende Dichte. Zudem ist der Glanzgrad stark von der Menge der aufgetragenen Tinte abhängig. Trotzdem gelten pigmentbasierte Tinten speziell für Fine-Art-Anwendungen und alle länger haltbaren Inkjetdrucke als Goldstandard. Allerdings wurden sowohl Farbstoff- wie Pigmenttinten in den letzten Jahren von allen Herstellern erheblich weiterentwickelt. So wurde der Farbumfang bei beiden Sorten durch den Einsatz von weiteren Primärfarben wie Rot, Blau und Grün erweitert. Die Bronzing- und Metamerieprobleme bei den pigmentbasierten Tinten sind weitgehend behoben, Epson bietet in einigen Druckermodellen einen Gloss-Optimizer, der die unterschiedlichen Glanzgrade egalisiert. Bei den Farbstofftinten wurde an der Haltbarkeit gearbeitet, sodass HP für manche Papier-Tinten-Kom­binationen eine Haltbarkeit von acht bis zehn Jahren im Innenraum angibt.

Im Vergleich zu Inkjetdruckern sind toner- und feststofftintenbasierte Systeme heute stark ins Hintertreffen geraten, einzig für P.o.S.-Anwendungen kommen sie manchmal zum Einsatz. Trotzdem hat Océ mit dem Colorwave-System 2008 eine aufwendige Neuentwicklung lanciert: Beim sogenannten «Crystal Point»-System wird mit wachsartigen Tonerkügelchen gearbeitet, die im Druckkopf geschmolzen und dann als Gel verspritzt werden. Da die Tintentröpfchen auf der Oberfläche stehen bleiben, wird kein speziell beschichtetes Papier für fotorealistische Ausdrucke benötigt. Allerdings zielt das System stärker auf technische als auf grafische Märkte.

Das richtige Papier

Für den hochauflösenden Fotodruck muss das Trägermaterial mit einer Tintenaufnahmeschicht versehen werden, da die Drucke sonst flau und wenig brillant wirken. Dabei werden drei Klassen von Druckmaterialien für den Innenraum unterschieden: Fotopapiere, Fine-Art-Materialien sowie Filme und Folien. Bei den Fotopapieren sind heute drei Arten gebräuchlich. Die mikro- oder nanoporöse Beschichtung besteht aus sehr fein gemahlenem Keramikpulver. Darin versickert die Tinte schnell, sodass der Druck rasch trocken und relativ wasserfest ist. Fotopapiere mit mikro- oder nanoporöser Beschichtung eignen sich besonders für Pigmenttinten, da dyebasierte Tinten in der porösen Schicht schlecht geschützt werden und relativ schnell ausbleichen. Für sie sind aufquellende Beschichtungen, so genannte «Gelatinepapiere» besser geeignet. Diese bestehen aus Polymeren, die beim Auftreffen von Wasser aufquellen und die Tinte ins Innere der Beschichtung leiten, wo diese verkapselt und so vor Ausseneinflüssen geschützt wird. Quellbare Beschichtungen sind für Pigmenttinten meist schlecht geeignet, es kann zu Trock­nungsproblemen kommen. Sowohl unter der porösen wie auch bei der aufquellenden Beschichtung wird auf das eigentliche Trägerpapier meist eine wasserundurchlässige Sperrschicht aufgetragen, die verhindert, dass die Tinte in den Papierkörper eindringt und sich das Papier wellt («Cockling»). Bei den RC-Papieren (RC = Resin Coated) wird die Sperrschicht beidseitig aufgetragen, sodass das Papier von den Kunststoffschichten eingekapselt wird. Das entspricht in etwa dem Material für den klassischen Fotoabzug, sodass sich ein solcher Druck auch ähnlich anfühlt. RC-Papiere gibt es mit quellbarer und mikroporöser Oberfläche.

Typische Fine-Art-Materialien sind Künstlerpapiere, etwa Bütten- und Hadernpapiere, sowie Canvas. Auch sie müssen mit einer, meist kieselsäurehaltigen, porösen Schicht für die Tintenaufnahme präpariert werden. Die bei den Fotopapieren üblichen Kunststoffsperrschichten entfallen jedoch, da sie den Charakter des Materials zerstören würden. Während Fine-Art-Materialien meist matte Oberflächen aufweisen, sind Fotopapiere zusätzlich mit hochglänzendem und seidenmattem Finish auf dem Markt. Hochglänzende Papiere lassen sich dabei leichter mit farbstoffbasierten Tinten bedrucken, während matte eher für Pigmenttinten geeignet sind. Hersteller wie Sihl haben jedoch Spezialbeschichtungen entwickelt, die diese Beschränkungen weitgehend eliminieren.

Auch Folien, ob opak oder hochklar, müssen vor dem Druck mit wasserbasierenden Tinten mit einer Aufnahmeschicht versehen werden. Dabei handelt es sich meist um eine poröse oder mikroporöse Beschichtung, die sowohl für farbstoff- wie pigmentbasierende Tinten geeignet ist. Für hinterleuchtete Bilder wird oft auf der Rückseite gedruckt, während für SK-Folien hier die Klebeschicht aufgebracht wird. Diese kann zur Steigerung der Opazität grau gefärbt sein.

Trend Textildruck

Beim «echten» Textildruck dringt die Tinte in die Faser ein und bleibt nicht, wie beim UV-Druck, darauf haften. Deshalb sind die meisten Textiltinten wasserbasierend. Grundsätzlich unterscheidet man Sublimationstinten, die auf Transferpapier gedruckt und mit einer Heisspresse vorwiegend auf Polyesterstoffe, aber auch auf andere polyesterbeschichtete Materialien, übertragen werden können, und Direktdrucktinten. Zu Letzteren gehören die Dispersionstinten für beschichtete und unbeschichtete Kunstfasern. Damit diese waschfest werden, müssen sie mit Hitze oder Dampf fixiert werden. Die Reaktiv- und die Acid-Tinten sind für Naturfasern gedacht. Während Reaktivtinten vor allem auf Baumwolle und Wolle eingesetzt und hitzefixiert werden müssen, verlangen Acid-Tinten, die vor allem bei Seide und Seidenmischgeweben zum Einsatz kommen, zusätzlich ein alkalihaltiges Kaltbad. Bei beiden Tintenarten muss ausserdem die überschüssige Farbe ausgewaschen werden. Relativ neu sind pigmentierte Textiltinten mit Binder. Sie lassen sich auf fast allen Stoffen einsetzen. Die Haltbarkeit der Farben ist sehr hoch. Auch hier muss hitzefixiert werden, ein Waschgang ist nicht zwingend erforderlich. Obwohl prinzipiell auf unbeschichteten Textilien gedruckt werden kann, benötigt man für hochaufgelöste Motive im Direktdruck meist speziell beschichtetes Material. Die Beschichtung kann für kleinere Mengen auch vom Dienstleister selbst, etwa mit einer Sprühdose, aufgebracht werden. Textildruck etabliert sich derzeit für viele Anwendungen im Innenraum, etwa Messestellwände oder Leuchtkästen, als umweltschonende Alternative zum Druck auf PVC, speziell wenn auf Ökotex-100-zertifizierten Materialien gedruckt wird. Derzeit wird von einigen Herstellern und Dienstleistern überprüft, inwieweit auch bedruckte Textilien das Ökotex-100-Zertifikat erreichen können. Solche Drucke wären dann bedenkenlos für Heimtextilien oder Bekleidung zu verwenden.

Die Zukunft: Universaltinten und einheitliche Coatings

Bereits seit Jahren gibt es Bestrebungen, wasserbasierende Tinten für eine breitere Anwendungsbasis zu entwickeln. Die 2009 vorgestellten Sawgrass-M-Tinten sollen sich auf allen Textilien im Direktdruck einsetzen lassen, ausserdem auch auf vielen anderen Oberflächen wie Leder, Papier und Vinyl. Sie sollen sehr abriebfest sein und versprechen in Tests auch eine Aussenhaltbarkeit von drei Jahren. Bereits seit einigen Jahren ist die wasserbasierende Pigmenttinte Lumocolor Jet von Staedtler Inkjet auf dem Markt, auch sie lässt sich auf vielen unbeschichteten Medien einsetzen, darunter auch Glas oder Metall. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das österreichische Unternehmen Sepiax Ink Technology. Es bietet wasserbasierende Tinten für Piezosysteme in acht Farben. Diese eignen sich für nichtsaugende Oberflächen, aber auch für Textilien und verschiedene Bannermaterialien, wobei keine Beschichtung notwendig sein soll. Die Tinten sind durch ihre hohe UV-Stabilität ebenfalls für den Aussenraum geeignet.

Auch bei den Beschichtungen soll künftig mehr Einheit herrschen. Die Color-Alliance (CA) ist bestrebt, Coating-Lösungen zu entwickeln, die unverändert auf verschiedenen Anlagen und Medien genutzt werden können. Derzeit gibt es CA-Coatings für wasserbasierende, alle lösemittelhaltigen und UV-härtenden Tinten sowie Sublimationstinten. Die einheitlichen Coatings ermöglichen auf allen Oberflächen einen identischen Farbeindruck, was die für das Farbmanagement benötigten Profile drastisch verringert. Zur Allianz zählen bereits grosse Medienhersteller wie Neschen, Erfurt (Tapeten), Heytex, Mitsubishi International und Bamberger Kaliko sowie der Rip-Hersteller Colorgate.

Künftig kann man wohl davon ausgehen, dass die Grenzen zwischen innen-und aussenraumtauglichen Tinten und Medien weiter verschwimmen, wobei wasserbasierende Tinten für Textilien, Papier und andere Materialien schon aus Gründen der Umweltschonung neben den UV-härtenden und den Latextinten an Bedeutung gewinnen werden. Die vereinzelt auch noch für Innenraumanwendungen anzutreffenden lösemittelhaltigen Tintenarten werden dort wohl weitgehend verschwinden. Mit Auflösungen von bis zu 5800 dpi im A3+-Format und bis zu 1440 dpi im Wide-Format-Bereich genügt die Bildqualität auf geeigneten Medien selbst in nahem Betrachtungsabstand längst auch dem anspruchsvollen Betrachter. Allenfalls beim Textildirektdruck wird zum Teil noch kein ganz fotorealistischer Eindruck erzeugt – aber wer hat je ein echtes Foto auf Textilien gesehen?