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Konstruiere dir ein Logo

Um ein Logo zu entwerfen, ist nicht unbedingt eine Skizze erforderlich. Aus einem Quadrat als Grundform lassen sich alle Buchstaben für ein Logo geometrisch entwickeln.

RALF TURTSCHI Konstruierte Schriften, ich sags gleich vorneweg, sind nicht leserlich. Deshalb ist diese Anleitung, sich ein Alphabet zu zeichnen, auch nicht für einen Lesetext gedacht, sondern um ein Wortzeichen zu entwerfen. Eine solche Übung dient Polygrafen in der Ausbildung dazu, genau arbeiten zu lernen, Weissräume zu erfahren, die optische Mitte kennen zu lernen und Buchstaben auszugleichen. Man kann damit aber auch in einer Schnupperlehre oder in der ersten Hälfte der Polygrafenlehre eine Ausbildungslektion einbauen.

Konstruierte Fonts haben eine lange Geschichte. Bekannt wurde der Versuch des Bauhauses in den 1920er-Jahren, die Buchstabenformen wie die Formgebung in der Architektur zu minimalisieren und geometrische Formprinzipien anzuwenden. Die frühen Formen der Futura basierten auf Geometrie, sie wurde aber erst ab 1927 eine Erfolgsgeschichte, als Paul Renner die Buchstaben «humanisierte». Andere Schriften, die geometrisch anmuten, sind die Avant Garde Gothic oder die DIN-Schrift. Es gibt sehr viele Schriftzüge, die einem solchen Konstruktionsprinzip folgen, zum Beispiel die Logos von Porsche, WE oder Wemf.

Eine konstruierte Schrift missachtet jedoch die visuellen Formgesetze, nach denen unser Auge empfindet. Zum Beispiel liegt die optische Mitte etwas höher als die geometrische Mitte. Bei a, e, 8 oder s müssen die unteren Weissräume also geringfügig grösser gehalten werden als die oberen, damit das Ganze harmonisch aussieht. Mit anderen Worten: Man kann Buchstaben zwar konstruieren, muss aber immer nach visuellen Kriterien nachbessern. Es braucht ein gutes Auge für die Formgebung.

Konstruierte Schriften oder Pixelschriften gibt es im Internet zuhauf zum Gratis-Download, man kann sich also auch da bedienen, um ein Logo zu kreieren. Als Grundform dient in unserem kleinen Lehrgang ein Quadrat, genauer die Linie, die das Quadrat bildet. Wir arbeiten hier mit zwei Einflussgrössen, der Liniendicke und der Eckenrundung. In Illustrator (InDesign geht auch) ziehen wir mit gedrückter Shift-Taste ein Qua­drat auf und bestimmen die Linien­dicke. Der Binnenweissraum sollte etwa drei- bis viermal so dick sein wie die eigentliche Linienstärke. Bei zu dünner Linienstärke wird das spätere Logo zu dünnbrüstig, zu wenig kräftig. Es wird im Umfeld untergehen. Wenn die Strichstärke zu dick angelegt wird, dann werden später die Binnenräume zufallen. Die Eckenrundung ist ebenfalls wichtig, je grösser der Radius angelegt wird, desto anmutiger und weicher werden die Buchstabenformen sein. Es gibt da keine Regel, die hier aufgeführten Beispiele können als Anhaltspunkt dienen. Aus drei Strichstärken und fünf Kurvenradien ergeben sich 15 Grundbausteine für Gestaltungsvarianten. Diese Grundbausteine werden nun mit dem Pfadwerkzeug in Eckelemente und gerade Linien zerschnitten. Maximale Vergrös­serung und höchste Genauigkeit sind angesagt, denn Fehler werden sich später kumulieren. Um herauszufinden, ob die Konstruktion später funktioniert, ist es empfehlenswert, aus den Grundbausteinen ein kleines s zu zeichnen. Beim s treffen Rundungen und Geraden aufeinander und man merkt sofort, wenn die Strichstärke oder der Eckenradius zu gross sind.

Schwierig zu zeichnen sind schräge Buchstaben wie A, V, W oder K, weil hier bei Gross- und Kleinbuchstaben jeweils andere Winkel zum Tragen kommen. Zudem gilt es, zwischen ähnlichen Formen wie u und v zu unterscheiden. A oder V müssen nicht unbedingt mit schrägen Stammstrichen konstruiert sein, es stellt sich aber die Frage der Differenzierbarkeit von ähnlichen Buchstabenformen wie v und u. Wer ein ganzes Alphabet zeichnet, der muss solche Überlegungen anstellen, wer ein bestimmtes Wortzeichen entwirft, dem kanns egal sein, wenn solche Buchstaben nicht vorkommen.

Die Grundform für die Konstruktion in unserem Beispiel ist das Quadrat. Es ist aber nicht sinnvoll, alle Buchstaben in ein Quadrat zu zwängen, denn m oder w haben drei Abstriche, i oder l nur einen. Deshalb sollte es verschiedene Buchstabenbreiten geben. Wie viele es sein sollen, hängt ganz vom Urheber ab.

Wie visuelle Gesetzmässigkeiten funktionieren, habe ich bereits am Beispiel der optischen Mitte gezeigt. Beim s im Beispiel mit der orangen Umrandungslinie sieht man, wie empfindlich das Auge auf gewisse Besonderheiten anspricht. Die erste Form steht im Quadrat, der Buchstabe scheint überbreit. Die mittlere Form ist etwas schmaler, sie scheint vornüberzukippen, obwohl Bogen und Anstriche vorn und hinten gleich lang sind. Bei der dritten Form sind die Anstriche gekürzt. Jetzt scheint das s plötzlich besser dazustehen. Es hilft dabei, dass der untere Weissraum geringfügig grösser gehalten wurde. Eine solche Vorgehensweise ohne Skizze ist eine Möglichkeit, das lernende Auge zu schulen. Das ist natürlich wiederum nur dann möglich, wenn ein Berufsbildner unterstützend hilft, solche Details zu erarbeiten und zu korrigieren. Und es sind wie bei vielen Dingen in der Typografie die Details, welche zusammen schliesslich zu einer hohen visuellen Qualität führen.