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Kreative Farbhilfe

In Sachen Farbharmonien waren Anwender bislang weitgehend auf sich allein gestellt. Mit der Farbhilfe-Erweiterung Kuler liefert die 4er-Version der Creative Suite nunmehr kreatives Know-how.

GÜNTER SCHULER Wie erhalte ich Farbkombinationen, die zueinander passen? Oder, konkret gefragt: Wie erhalte ich beispielsweise ein Farbfelderset, welches aus unterschiedlichen Komplementärfarbenvariationen be-steht? Bis zum Erscheinen der Creative Suite 4 standen Photoshop- und InDesign-Usern drei Lösungswege offen: a) manuelles Zusammenstellen, was notwendigerweise eine gewisse Grundkompetenz in Sachen Farbharmonien und Farbkontraste voraussetzt, b) externe Softwaretools, vor allem in Gestalt entsprechend spezialisierter Webseiten und schliesslich c) das Feature Farbhilfe in Illustrator. Die Farbhilfe-Palette, in Illustrator seit Version CS3 mit dabei, bietet nicht nur ein featuregesteuertes Tool für das Anlegen harmonischer Farbkombinationen und Farbfelderzusammenstellungen. Als Programmerweiterung ist sie seit Version 4 in allen CS-Kernanwendungen mit dabei. Der Name des neuen Features: Kuler.

Online-Erweiterung

Oberflächlich gesehen scheint Kuler nichts anderes zu sein als eine weitere Photoshop-, InDesign-, Flash- oder Illustrator-Palette. Der Ablageort unter dem neuen Punkt Erweiterungen im Menü Fenster deutet allerdings auf eine gewisse Sonderstellung hin. Möglicher Hintergrund: Das Kuler-Bedienfeld steht in mehreren Suite-Programmen zur Verfügung: in Illustrator, Photoshop, InDesign und in Flash. Wesentlicher dürfte jedoch die Online-Anbindung sein. Grundsätzlich gesehen funktioniert Kuler auch offline. Um alle Funktionen nutzen zu können, wird allerdings das Anlegen eines Adobe-Accounts vorausgesetzt. Dieser erfordert eine angelegte Adobe-ID, ist ansonsten jedoch kostenlos. Ist der Account angelegt, baut Kuler eine Verbindung zum interaktiven Servicebereich von Adobe auf. Mittels des Durchsuchen-Reiters werden abgespeicherte Farbkombinationen anderer Community-Teilnehmer zugänglich. Umgekehrt können eigene Farbzusammenstellungen via Upload zur Verfügung gestellt werden.

Das eigentliche Highlight ist allerdings der Webdienst Kuler. Er befindet sich im Adobe-Servicebereich und liefert eine Reihe zusätzlicher Optionen und Gestaltungsmöglichkeiten. Insbesondere jene Anwender, die gern Internetservices und Fachforen zu Hilfe ziehen, finden hier die passende Umgebung. Doch damit nicht genug. Flankiert wird die Adobe-eigene Lösung zum Zusammenstellen harmonischer Farben durch ein zusätzliches Desktop-Widget. Da alle vier Varianten – Farbhilfe in Illustrator, Kuler-Programmerweiterung, Kuler-Webdienst und Kuler-Desktop­anwendung – auf dem gleichen Prinzip basieren, im Folgenden als erstes eine Beschreibung der Urvariante: der Farbhilfe in Illustrator. Sie beinhaltet nicht nur alle wesentlichen Kuler-Features, sondern ist in einigen Bereichen quasi eine erweiterte Version davon.

Farbhilfe in Illustrator

Seit Version CS3 können Illustrator-Anwender auf einen neuen Funktionsbereich zugreifen. Er dient speziell dem Anmischen von Farbzusammenstellungen nach kreativen und farbharmonischen Kriterien. Wie alle Bedienfelder lässt sich auch die Farbhilfe über das Fenstermenü ein- und ausblenden. Im Zentrum der Palettenoberfläche befindet sich ein Raster mit unterschiedlichen Farbabstufungen. Wie viele Farbabstufungen das Raster enthält, auf welchen Grundfarben es basiert und nach welcher Systematik die Farbabstufungen erzeugt werden, lässt sich auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Der zugrunde liegende Farbbasispool lässt sich über ein Pop-up-Menü auswählen, welches sich über den linken Button in der Bedienfeldfussleiste aufklappen lässt. Mögliche Optionen hier: die aktuell zur Verfügung stehenden Farbsets im Illustrator-Vorgabenordner (zum Beispiel «Erdfarben» oder «Haut»; über den Unterpunkt «Farbtafel» kann auch eine Pantone- oder HKS-Farbbibliothek ausgewählt werden), die aktuell im Dokument vorliegenden Farbfelder – oder gar keine Beschränkung.

Referenz für die Farbkombinationszusammenstellung ist in der Regel die eingestellte Vordergrundfarbe in der Werkzeugleiste. Wurde als Beschränkung ein Farbset ausgewählt, in der diese nicht vorkommt, nimmt Illustrator hilfsweise den Helligkeitswert oder den Farbton der Vordergrundfarbe. Die zweite Einstellungsmöglichkeit betrifft die Feinmaschigkeit des dargestellten Farbrasters. Sie findet sich im Bedienfeldmenü unter dem Punkt Farbhilfeoptionen. Das im Anschluss erscheinende Feature Variationshilfe beinhaltet zwei Einstellungen: ein Eingabefeld zum Festlegen der angezeigten Rasterfelder und einen Regler zum Festlegen der Variationsvielfalt. Während die Einstellung für Stufe die angezeigten Nuancen erhöht oder verringert, wirkt sich die Reglereinstellung darunter lediglich auf die Nuancenvielfalt der erzeugten Zwischentöne aus. Die dritte wichtige Einstellung befindet sich in der Liste über dem Farbtonraster. Klappt man sie auf, findet man unterschiedliche Farbkontrast- beziehungsweise Farbharmonietypen; komplementär, teilkomplementär, analog und so weiter. Aufschlussreich ist diese Liste auch deswegen, weil die Anzahl der hier offerierten Kontrasttypen über diejenige der Kuler-Kontrasttypen in anderen CS4-Programmen deutlich hinausgeht.

Farbzusammensetzung

Ob Kuler oder Illustrator-Farbhilfe: Der ausgewählte Harmonietyp wirkt sich umgehend auf die Farbzusammensetzung im Raster aus. Um die erzeugten Farben im Programm als Farbfelder zugänglich zu machen, gibt es zwei Möglichkeiten. Die gängige ist die, auf den Speichern-Button auf der rechten Seite der Bedienfeldfussleiste zu klicken. Die Farben des aktuell eingestellten Kontrasttyps werden in einem separaten Ordner abgelegt, als so genannte Farbgruppe. Nachteil: Bei dieser Form der Speicherung werden lediglich die drei bis sieben Farbfelder im Kontrasttypfenster gespeichert. Möchte man alle Farbübergänge im Raster oder Teile davon, empfiehlt sich eine alternative Vorgehensweise: gewünschte Rasterfelder markieren und ins Bedienfeld Farbfelder herüberziehen.

Farbhilfe optimieren

Die bislang vorgestellten Farbhilfe-Funktionen stellen lediglich die Basic-Variante dar. Klickt man nämlich auf den Zahnrad-Button rechts unten neben dem Speichern-Button, erscheint ein zusätzliches Feature zum Modifizieren der aktuellen Farbkombination. Basis ist der eingestellte Farbpool; ansonsten erscheint auch hier die Liste mit den Harmonietypen. Im Mittelpunkt von Farbtöne bearbeiten steht ein Farbkreis ähnlich wie beim Farbwähler von Mac OS X. Über ein Liniengerüst mit unterschiedlichen Farbton-Points lässt sich das aktuelle Harmoniemuster farblich modifizieren. Zusätzlich zur Verfügung stehen drei Regler zum Verändern von Farbton, Sättigung und Helligkeit, ein Regler zum Verändern der globalen Farbtonhelligkeit sowie – auf der linken Seite unter dem Farbrad – drei Buttons zum Verändern des Darstellungsmodus. Über die Buttons über der «Farbgruppen»-Liste im rechten Bereich können neue Farbgruppen angelegt, Änderungen in der aktuellen Farbkombinationen gesichert und nicht mehr benötigte Farbgruppen gelöscht werden.

Kuler als Erweiterung in CS4-Programmen

Da das Farbhilfe-Feature lediglich in Illustrator zur Verfügung steht, wird die ausführliche Beschreibung möglicherweise den einen oder anderen Leser irritieren. Die beschriebenen Funktionen stehen jedoch keinesfalls nur in Illustrator zur Verfügung. Vielmehr bilden sie das Grundinstrumentarium der programmübergreifenden Erweiterung Kuler. Lediglich Illustrator nimmt in Sachen Kuler eine Sonderrolle ein: Da die Kuler-Funktionen bereits in der Farbhilfe-Palette zur Verfügung stehen, beschränkt sich die Illustrator-Version von Kuler auf die Online-Funktionssektoren: das Suchen nach und das Anzeigen von Farbzusammenstellungen aus dem Adobe-Servicebereich. Neben einschlägigen Funktionen zum Durchforsten der dort abgelegten Farbsets ermöglicht die Anzeigeliste natürlich auch das Übernehmen ausgewählter Farbsets in die Farbfelderpalette. Vorgehensweise: gewünschtes Farbset markieren und über das Minidreieck rechts den Punkt Zum Farbfeldbedienfeld hinzufügen auswählen.

Anders als die Kuler-Variante in Illustrator enthalten die Kuler-Bedienfelder in den restlichen CS4-Kernanwendungen zwei Funktionsbereiche anstatt einen. Der Durchsuchen-Bereich, ansteuerbar über den mittleren Button oben, entspricht den zuvor dargestellten Kuler-Funktionen in Illustrator. Der rechte Button mit der Bezeichnung Erstellen ist funktionstechnisch gesehen eine Basic-Variante des Farbhilfe-bearbeiten-Features in Illustrator. Einige Details fehlen – beispielsweise die unterschiedlichen Darstellungsmodi für den Farbwähler. Auch die Liste der Harmonietypen beschränkt sich auf sieben. Die wichtigen Funktio­nen für die Farbseterzeugung stehen jedoch zur Verfügung. Die Übertragung angelegter Farbkombinationen in das Farbfelder-Bedienfeld erfolgt übrigens nicht über den Button Farbschema speichern. Betätigt man ihn, landet die gerade erstellte Farbkombination in der Rubrik «Gespeichert» im Erstellen-Bereich. Für selbst erstellte Nuancen auf Vorrat ist das ganz praktisch. Möchte man ein Set allerdings direkt in die Farbfelderpalette übertragen, klickt man auf den Button rechts daneben: Dieses Farbschema zu Farbfeldern hinzufügen.

Kuler als Webservice und Widget

Als umfassende Illustrator-Farbhilfe sowie als kompakte Erweiterung in den restlichen CS-Hauptprogrammen dürfte Kuler die meisten gängigen Verwendungszwecke abdecken. Da die Faktoren Interaktivität, Webservice und Community auch unter Kreativen einen hohen Stellenwert geniessen, hat Adobe seine Kuler-Farbhilfe mit einem gleichnamigen Webdienst komplettiert. Ansteuern lässt sich dieser auf zwei Arten: zum einen durch Eingabe der Zeile http://kuler.adobe.com in der Adresszeile des verwendeten Webbrowsers oder durch Anklicken des rechten Buttons in der Kuler-Fussleiste: Farbschema in Kuler hochladen. Die Pendants der beiden Funktionsbereiche Erstellen und Durchsuchen heis­sen hier Create und Themes. Hinzu kommen drei zusätzliche Bereiche: Community, Pulse, ein alternativer Farbgenerator, der sich jedoch noch im Betastadium befindet, und eine Seite mit themenbezogenen Links.

Auch in der Webversion von Kuler sind die Bereiche für das Anlegen neuer und das Anzeigen bereits vorliegender Farbsets am wichtigsten. Während Themes lediglich eine etwas opulentere Oberfläche für das Durchforsten der im Onlinebereich abgelegten Farbkombinationen zur Verfügung stellt, bietet Create ein paar nette zusätzliche Features. Create-Variante eins, zu erreichen über den Menülink From A Color, offeriert ein monitorfüllendes, mit zusätzlichen Details aufgetuntes Feature zum Erstellen neuer Farbsets. Anders als in den Kuler-Programmerweiterungen lässt sich jede einzelne der fünf Setfarben über Farbregler auspegeln. Für numerische Eingaben nach RGB-, CMYK-, HSV-, Lab- oder Hexadezimal-Werten befindet sich unter jedem Reglerfeld ein Eingabefeld. Die Farbregeln sowie das Linienmodell darauf funktionieren wie in der gleichnamigen Erweiterung. Möchte man lediglich krea­tiv herumspielen oder Farbvarianten ausprobieren, funktioniert auch Web-Kuler ohne ID. Möchte man hingegen Farbsets im privaten oder öffentlichen Bereich abspeichern oder diese im ase-Austauschformat auf der eigenen Festplatte speichern, kommt man um das Einloggen mit einer Adobe-ID und Passwort nicht herum.

Auf Bildern basierende Farbsets

Zusätzlich zu den beschriebenen Anlegemöglichkeiten für harmonische Farbzusammenstellungen hat die Webvariante von Kuler noch eine weitere Option in petto: das Erzeugen von Farbsets aus hochgeladenen Bildern. Die Vorgehensweise ist einfach: Über den linken Button unter dem Bildschema kann zum einen ein eigenes Bild hochgeladen werden. Die zweite Möglichkeit: Man wählt die Bildreferenz aus den Bildbeständen des Fotoportals Flickr aus. Auch bei dieser Erzeugungsmethode stehen unterschiedliche Optionen zur Auswahl: zum einen das obligatorische Liniengerüst zum Verändern der Punktpositionen, zum anderen fünf spezielle Modi für das Setzen farblicher Schwerpunkte: Colorful, Bright, Muted, Deep und Dark. Ist man eingeloggt, lassen sich auch diese Farbsets im Kuler-Bereich ablegen oder als ase-Datei auf dem heimischen Rechner speichern.

Der Vollständigkeit halber wäre schliesslich noch die Widget-Version von Kuler zu erwähnen. Sie funk­tio­niert wie ein klassisches Desktopprogramm. Downloadbar ist sie im Adobe-Ser­vice­bereich unter der URL http://www.adobe.com/de/products/kuler/. Im Wesentlichen bietet das Widget eine kompakte Version des Themes-Servicebereichs. Wer sich Farbzusammenstellungen ansehen möchte, ohne gleich ein CS4-Programm oder den Webbrowser zu starten, findet hier eine passende Applikation. Als kompakter Farbbrowser für den virtuellen Schreibtisch ist dieses Tool ganz nett. Funktionstechnisch gesehen ist es allerdings eher ein Appetitanreger als ein vollwertiges Arbeitsinstrument.

Fazit

Mit den unterschiedlichen Kuler-Varianten hat Adobe eine softwarebasierte Lösung für ein kreatives Dauerproblem entwickelt. Umfang und Art der unterschiedlichen Varianten mögen einigen vielleicht etwas überdimensioniert daherkommen. Feature in einem Programm, Extension in den anderen, zusätzliche Webvariante hier und Widget da: Die Frage ist, ob man das alles benötigt. Die Antwort hängt von den eigenen Vorlieben und den Arbeitsschwerpunkten ab: Wer öfter bis regelmässig ein paar passende Farben zusammenstellen möchte, ist mit der Programmerweiterung Kuler gut bedient. Wer die Angelegenheit richtig systematisch angehen möchte,ist bei der Illustrator-Farbhilfe am besten aufgehoben. Sie liefert hier das umfangreichste Know-how. Wer hingegen gern mit Webservices und communitybasierten Hilfen arbeitet, ist bei der Webvariante von Kuler am besten aufgehoben.

Sicher ist Kuler kein Ersatz für Farben, die nach designerischen Kriterien zusammengestellt sind. Hier fehlt schon allein der Faktor Wissen – ein Aspekt, den eine Softwarelösung naturgemäss nur schlecht liefern kann. Kreative Intelligenz und designerisches Fachwissen kann natürlich auch eine ausdifferenzierte Lösung wie Kuler nicht ersetzen. Für Anwender, die Farben nach harmonischen Regeln zusammenstellen möchten, und für Profi-Kreative, die ihre Umsetzungslösungen verfeinern möchten, ist Kuler jedoch ein grosser Schritt nach vorn.