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Kreative Neujahrskarten

Um sich mit besten Kartenwünschen zu empfehlen, vergessen wir einmal alles, was wir über Standards wissen. Ein Making-of.

Ralf Turtschi Zum Glück gibt es noch Unternehmen, die finden, ihre Kunden seien mit einer hochstehenden kreativen Neujahrskarte wert­zuschätzen. Die Agenturtschi, visuelle Kommunikation, Adliswil, wurde von dem Software-Unternehmen Docucom in Rapperswil beauftragt, innerhalb des bestehenden Erscheinungsbildes eine besondere Neujahrskarte zu gestalten.

Die digital gedruckten und personalisierten Karten sollten mit Lack und einer Laserstanzung zu einem stimmungsvollen Ganzen zusammengebracht werden. Beim Digitaldruck ist Glanzlack noch immer ein grosses Hindernis, weil bei verschiedenen Drucksystemen auch verschiedene Farben verwendet werden. Die Haftung von Lack auf Tinte oder Toner mit einem bestimmten Papier ist eben keine Standardsache. So liegt der Reiz in der aufeinander abgestimmten Technik.

Die erste Idee war, das Logo des Kunden mit dem Laser auszustanzen. Lochstreifen, wie wir sie von Parkhaus­tickets noch kennen, haben eine gewisse Affinität zur IT generell. Die Jahreszahl 2012 schien als Kartengruss dann aber geeigneter als das Logo. So zeichneten wir in Illustrator ein regelmässiges hellblaues Punktmuster aus neun Stockwerken für die Seite 1. Die Zahl 2012 färbten wir dunkelblau ein, so wie dies oben sichtbar ist. Die 2012 sollte ausgestanzt sichtbar werden, wenn die Karte aus dem Kuvert genommen wird. Dies bedeutet, dass die 2012 durch alle vier Seiten hindurch ausgestanzt wird, vorne seitenrichtig und hinten seitenverkehrt. Die Punkte ausserhalb der dunkelblauen Ziffern sind so angelegt, dass sie sich bei geschlossener Karte gegenseitig abdecken.

Als Lack wird mit gleichen Punktmustern die Schweiz als Fläche gezeichnet – in Rapperswil, dem Domizil des Kunden, kreuzen sich rote Bänder. Das Papier musste sowohl digital bedruckt als auch gelasert werden können, wer weiss da schon Bescheid? Unsere Wahl fiel auf Chromolux in zwei Varianten: Rot metallic und Chromglänzend. Eine der grossen Herausforderungen ist es, sich vorzustellen, wie die Kombination am Schluss wirken wird. Denn weder Chrompapier, noch Lack, noch Stanzung lassen sich auch nur annähernd simulieren und proofen. Die ausführende Druckerei Gutenberg Druck AGin Lachen und der Spezialist für Papierweiterverarbeitung und Veredelung, Sonderegger AG in Wil, zeigten sich bereit, einige Probeexemplare und Varianten als Gut zum Druck herzustellen, denn ohne ist eine spätere Fertigung ein Blindflug. Im Digitaldruck ist es möglich, verschiedene Papiere in Kleinstauflagen zu bedrucken, und die Laserstanzung ist ebenfalls eine computergesteuerte Einzelfertigung.

Um einen Matt-Glanz-Effekt zu erzielen, wurden die Karten nach dem Druck auf der Aussenseite mattlaminiert. Die glänzende Papieroberfläche wird dadurch matt-glänzend, was ebenfalls ganz toll aussieht. Die anschlies­sende digitale Glanzlackierung mit einem tintenstrahlähnlichen Verfahren bringt den hohen Glanz partiell wieder zurück. Nun kann ausprobiert werden, wie sich mit Laminage, Lack und Papier in anderer Kombination andere Effekte erzielen lassen. Es ist nicht einfach, zwischen Silber und metallisch Rot je glänzend und matt zu entscheiden.

Wir liessen nach der Begutachtung der Probeexemplare die Finger von der Schweiz – weniger ist mehr. Dafür zogen wir einen Lackverlauf ein und durchsetzten ihn mit ein paar Sternen, etwas kitschig darf es schon sein. Ein kleines Making-of-Movie kann auf www.agenturtschi.ch angesehen werden.

Neue Veredelungstechniken in Zu­sammenhang mit der Digitaldrucktechnik öffnen neue Wege für verblüffende Effekte. Man muss jedoch die Techniken kennen und vor der Gestaltung die Ratschläge der Anbieter sowie eventuell zur Verfügung stehende Muster zu Herzen nehmen.

Der Autor

Ralf Turtschi ist Typograf und dipl. PR-Berater. Er führt in Adliswil die Agenturtschi, visuelle Kommunikation. Der Verfasser von Büchern, Broschüren und zahlreichen Fachartikeln tritt auch als Referent und Schulungsleiter auf.