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L�sungen sind greifbar

Im Beitrag von Dieter Herzmann im Publisher 09-1 stand der Mensch im Zentrum der Publishing-Revolution. Nun werden technische Grundprinzipien und verfügbare Lösungen für Corporates, Agenturen, Mediendienstleister und Verlage exemplarisch präsentiert.

DIETER HERZMANN Neben Personen mit dem notwendigen Geschick, dem fantasievollen Umgang mit den entsprechenden Ressourcen und Prozessen verlangt Publishing 3.0 eine optimale Organisation und adäquate Technik.

Der Kunde mit seinen Prozessen rückt ins Zentrum

Publishing 3.0 zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass der Kunde, der interne oder der externe Systemanwender stark ins Zentrum der Betrachtung rückt. Damit wird aber auch vorausgesetzt, dass der Kunde oder der Systemnutzer willens sein muss, Teile seiner Prozesse an den Dienstleister abzugeben oder auf dessen System zu integrieren. Umgekehrt gilt, dass der Dienstleister nach Bedarf Prozesse an seinen Kunden abzugeben hat und damit Nutzer der Kundenlösung wird. Verfolgt man das Ziel einer Gesamtoptimierung der Prozesskette, dann müssen beide Fälle diskutiert werden. Anders gesagt: Wer ist wann in welchem Masse wessen Systemnutzer?

Während das Anbieten von Systemlösungen durchaus in den Köpfen der Dienstleister verankert ist, tun sich die meisten beim Gedanken schwer, nur noch Nutzer kundeneigener Systeme zu sein. Ich meine, dass der Grund dafür im bis zum Exzess betriebenen Thema «Kundenbindung» zu suchen ist. Dies ist heutzutage aber ein überholter Ansatz. Prozessarchitekt, Coach und ehrlicher Begleiter zu sein, ist heute angesagt. Notabene ohne den Hintergedanken, letztlich auch den Druckauftrag zu bekommen. Demgegenüber muss der Agentur- oder Mediendienstleister-Kunde auch willens sein, sich als Teil der Lösung zu sehen. Wenn dafür kein Nutzen aufzuzeigen ist oder der Kunde intern mit grossen Aufwänden oder Hindernissen zu kämpfen hat, wird diese Forderung kaum durchsetzbar.

Dabei scheitern Bestrebungen zur Prozessoptimierung zwischen Kunde und Dienstleister oft an der zu wenig hoch eingestuften Projektpriorität, an der Überlastung der IT-Abteilungen oder schlichtweg an Sicherheitskriterien, welche die IT-Abteilungen ihren Bedürfnisträgern auferlegen.

Aber weshalb muss eigentlich alles immer über irgendwelche Systeme laufen? Unsere Technikgläubigkeit engt durchaus unseren Blickwinkel ein und lässt oft effiziente manuelle Prozesse gar nicht mehr zu.

Wer Daten, Prozesse und Fanta-sie hat, dem gehört die Macht

Durch die Verknüpfung von Systemen verschiedener Parteien ist man mit der Frage konfrontiert, wem denn die Daten gehören, wer für Schnittstellen zuständig ist und wer für welche Prozesse die Verantwortung trägt. Hier tut Verbindlichkeit und Eindeutigkeit not. Zu häufig erlebt man, dass unbedachtes, kreatives Tun (und dabei meine ich nicht die gestalterische Leistung von Werbeagenturen) hoch automatisierbare Prozesse schnell zum Erliegen bringt. Wenn dieses kreative Tun aber in Eskalationsstufen aufgefangen werden kann, welche vorgängig definiert wurden, bleibt der Automatismus erhalten. Ein schönes Beispiel dazu sind vergessene XML-Tags in Layoutdokumenten, die der vollautomatischen Inhaltsauswertung und der gezielten Befüllung von Websystemen dienen sollten.

Exemplarisch möchte ich nachfolgend Lösungsbeispiele für die eingangs erwähnte adäquate Technik aufführen. Als Kriterium bei der Wahl der Beispiele habe ich grundsätzliche Technologiekon­zepte ausgewählt, die die einzelnen Lösungen zu Trendsettern des Publishing 3.0 machen und von denen ich tiefere technische Kenntnisse habe.

Für Corporates: censhare – All-in-one-Lösung

Sobald Lösungen Kommunikationsbedürfnisse von international tätigen Firmen abdecken sollen, deren Kern die äusserst dynamische Darstellung von Strukturen und Inhalten aus einer Quelle ist, muss ein System wie cen­share vorausgesetzt werden. censhare basiert auf der Verwaltung von Assets und bildet die Beziehungen zwischen diesen Assets, deren individuelle Ausprägungen und die zugehörigen Workflows in einer zentralen Lösung ab. Als Asset werden dabei nicht nur Inhalte wie Bilder, Videos oder Artikel verwaltet, sondern eben auch Strukturelemente wie Kampagnen, Terminpläne, Kalender, Seitenbereiche, Varianten usw. Darüber hinaus versteht sich censhare in einmaliger Weise auf die Befüllung unterschiedlicher Medienkanäle aus einem zentralen Datenbestand heraus. Voraussetzung dafür ist die hochkonfigurierbare Transforma­tions­technologie mit entsprechendem Regelwerk.

So ist es beispielsweise möglich, auf der Basis zentraler Assets und Rechtevergabe neben der Print-Publikation direkt aus censhare und ohne zusätzliches CMS die Website zu befüllen und zu pflegen. Damit entfällt das aufwendige Umsetzen von Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Systemen. Der Transformationsmechanismus wird beispielsweise auch bei folgender Aufgabe augenfällig: Eine komplexe Excel-Tabelle ist mit einer SAP-Datenquelle verbunden. Die Tabelleninhalte sollen auszugsweise in anderer grafischer Aufbereitung in InDesign so geführt werden, dass Änderungen an Tabelleninhalt oder -struktur automatisch im InDesign-Dokument nachgeführt werden. Das heisst beispielsweise, dass die 1 Punkt dicke Zeilentrennlinie aus Excel automatisch in 0,5 Punkt in InDesign umgesetzt werden soll. Auch soll die Tabelle intelligent auf die Breite des Satzspiegels in InDesign gezogen werden, oder negative Zahlen erhalten automatisch die drucktechnisch korrekte rote Farbe in InDesign.

Ich behaupte, dass es momentan am Markt kaum ein System gibt, das wie censhare in der Lage ist, sehr hohe Komplexitäten im Medienumfeld zu managen. Gerade wegen der Komplexität stehen für den betrieblichen Alltag komfortable Monitoring-Werkzeuge zur Verfügung.

Für Agenturen und Mediendienstleister: ISY3

Agenturen und Mediendienstleister haben eines gemeinsam: Sie sind sich gewohnt, Daten auf ihren Fileservern in Ordnerstrukturen abzulegen und die Inhalte zu veredeln und aufzubereiten. Gleichzeitig besteht aber der Wunsch, Kunden gezielt und nach klar definierten Spielregeln auf Teile der Datenbestände zugreifen zu lassen. Diese Forderung setzt voraus, dass sich ein Datenbanksystem einerseits darum kümmert, was sich auf dem Filesystem des Servers verändert (Event-Handling), und andererseits Rollen, Rechte, Status, aber auch Erscheinungsbild des Webzugriffs, zuschaltbare Funktionsmodule verwaltet. Zudem muss die Arbeit mit dem System sehr intuitiv per Drag&Drop funktionieren. Die Kategorisierung der Assets und das Anlegen individueller Benutzeroberflächen pro Mandant soll möglich sein. Ausserdem muss das System jederzeit modular erweiterbar sein – beispielsweise für Web-to-Print, Übersetzungsmanagement und das Product Information Management. Darüber hinaus ist wegen der beschränkten Serverkapazität eine Archivverwaltung gefordert. Schliesslich soll das Asset Management System von einem Mitarbeiter der Agentur oder des Mediendienstleisters in zwei, drei Tagen so weit beherrschbar sein, dass sofort erste Kunden eingebunden werden können.

ISY3 ist für dieses Szenario deshalb ein ideales Tool, weil es den Spagat zwischen einfacher Handhabung und hinreichend komplexer Prozessabbildung schafft. Verantwortlich sind dafür drei technische Konzepte: Erstens das Event-Handling auf dem Server-Filesystem, zweitens ein konsequent umgesetztes Plug-in-Konzept und drittens die «sexy» Benutzeroberfläche in Adobe-Flex-Technologie für die intui­tive Arbeit mit dem System. Ergänzt durch einen Adobe-AIR-Client, wird Drag&Drop direkt in die Zielapplikation möglich.

Ist bei vielen Web-to-Print-Lösungen das Erstellen von Templates mit entsprechend hinterlegtem Regelwerk eine aufwendige Arbeit, die unter Umständen die daraus resultierende Optimierung wieder zunichte macht, so ist dies eine Stärke von ISY3: Ich lege eine InDesign- oder QuarkXPress-Datei mit den notwendigen Inhalten auf den Fileserver. Wird der Ablageort über das Modul DocEdit überwacht, steht die Datei sofort für das Editieren von Textboxen, echten Tabellen und Bildern via Webbrowser bereit. Dies ohne komplizierte Regelvergabe oder XML-Tagging. Hat der Benutzer das Recht, so kann er sich problemlos auch ein High-Res-PDF zur Verfügung stellen lassen.

Für Verlage: ClassWizard

Als Planungs-, Umbruch- und Ausgabesystem mischt momentan ClassWizard den Markt gewaltig auf. Die Eigenheiten dieses komplett in Java und XML umgesetzten Systems machen es zu einer prädestinierten Publishing-3.0-Anwendung. Dies vor allem auch deshalb, weil die Einsatzmöglichkeiten derart mannigfaltig sind und auch ausserhalb des Verlagsumfeldes beispielsweise bei Mediendienstleistern zu finden sind. Nach dem Motto «XML + PDF-Teilelemente + Regelwerk + PDF Renderer + Output Management = zur Laufzeit dynamisch zusammengesetzte Seitenstrecken mit allem vorstellbaren druck- und strukturtechnischen Schnickschnack» lässt sich ClassWizard als Bindeglied zwischen Anzeigenbuchung, Anzeigenproduktion und redaktionellen Inhalten einsetzen. Die Stärke von ClassWizard liegt in der vollständigen Dynamisierung auf Basis komplexer Regelwerke: Mit wenigen Mausklicks einen Strukturwechsel in der Publikation vollziehen, automatisches Erzeugen von Inhaltsverzeichnissen, automatische Generierung komplexer Seiten- und Rubrikenköpfe, flächenoptimierte Platzierung von Anzeigen und Füllern, automatisiertes Setzen von horizontalen und vertikalen Trennlinien, Anzeigenbeschneidung in Abhängigkeit der Randlage, Bundaussparung bei Panoramaseiten, umfangreiche Teilseitenvererbungen für Regionalisierungen, Direkteinbindung von Layoutprogrammen und Redaktionssystemen und viele weitere Funktionen.

Da alle Informationen in einer XML-Datei zusammengefasst sind, spielt ClassWizard seine Flexibilität z.B. auch beim Belegversand oder bei der Erscheinungskontrolle von Anzeigen aus. Zu diesem Zweck füttert man das führende kommerzielle System mit der XML-Datei, damit dieses den publizierten Inhalt mit den Buchungen vergleicht. Gerade damit wird ClassWizard zum Überflieger in Sachen Return on Investment.