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Mehr Funktionen � neues Gewand

Eine neue Version der Creative Suite ist soeben lanciert worden. Von besonderem Interesse – wie immer – der neue Photoshop. Der vorliegende Bericht basiert auf der Betaversion; auch so wird deutlich, was auf Bildbearbeiter Neues zukommt.

Günter Schuler Wie jede neue Photoshop-Version hat auch die unter dem Arbeitstitel «Stonehenge» laufende Version CS4 im Vorfeld für jede Menge Gerüchte gesorgt. Viele News, die in Foren und auf Webseiten unters neugierige Volk gebracht wurden, erweisen sich auch diesmal als nicht ganz falsch. Allerdings: Wie meist lieferte die Webgerüchteküche auch im Fall Photoshop CS4 mehr sensationsheischende Spotlights als ein reelles Bild von dem, was zu erwarten war. Als zutreffend herauskristallisiert hat sich immerhin das Gerücht, dass Photoshop CS4 lediglich für Windows als 64-Bit-Version erscheint. Für die Mac-Plattform war diese, so Adobe, zwar ebenfalls geplant. Allerdings wurde die 64-Bit-Portierung zugunsten des Erscheinungstermins zurückgestellt. Die gute Nachricht: Auch auf älteren Power-PCs läuft die neue Photoshop-Version ohne Beanstandung.

Wie immer stecken hinter derlei Diskussionen Hoffnungen auf mehr Programmgeschwindigkeit, mehr paral­leles Arbeiten, also mehr Effizienz. Dass Geschwindigkeit viel mit der allgemeinen Hardwarearchitektur zu tun hat, zeigte vor zwei Jahren die Kombination von Intel-basierenden Macs und Photoshop CS3. Umgekehrt heisst dies allerdings auch, dass atemberaubende Temposteigerungen im Alltag eher die Ausnahme sind. In der Praxis bringt die vorliegende Beta so eher moderate Geschwindigkeitszuwächse. Der Geschwindigkeitsunterschied bei einer Testaktion mit Bildvergrösserung und diversen Filtern beträgt rund acht Prozent. Auch wenn die finale Version hier erfahrungsgemäss noch den einen oder anderen Prozentpunkt drauflegt, die Schnelligkeit von Photoshop fördern (oder drosseln) nach wie vor vor allem das Rechnermodell sowie der zur Ver­fügung stehende RAM.

Flexibilisiert: das Interface

Deutlicher als sonst verändert hat sich in Photoshop CS4 das Interface. Dies beginnt bei der Optik. Werkzeuge und Buttonminiaturen verzichten weitgehend auf Umrahmungen. Die grafische Gesamtüberarbeitung ist noch stärker auf «leicht» getrimmt. Da Photoshop von Version zu Version mehr Funktionen bekommt, ist dies insgesamt ein recht angenehmer Effekt. Eine neue Funktionseinheit findet sich direkt unterhalb der Menüleiste: ein zusätzlich zur Steuerungsleiste implementiertes Reglerpult namens Application Bar (englische Betaversion). Schwerpunkt der hier präsenten Befehlsbuttons sind die Bereiche Navigation und Arbeitslayout-Steuerung. Enthaltene Befehle: ein Button zum schnellen Ansteuern des Bilddatenbrowsers Adobe Brigde, ein Button zum Ein- und Ausblenden der Extraanzeigen, jeweils ein Button für die Aktivierung von Hand- und Zoomwerkzeug sowie zwei implementierte Miniaufklappfelder für das Arrangieren geöffneter Dokumente und für den Wechsel des Darstellungsmodus. Wichtigste Neuigkeit dabei ist, dass sich Dokumente nunmehr auch tabförmig ineinander verschachteln lassen. Bei mehreren geöffneten Dokumenten ist das zweifelsohne eine praktische Option.

Ein weiterer Helfer für die flexiblere Einrichtung der Photoshop-Arbeitsumgebung ist der ebenfalls im Menü Fenster gelegene Punkt Application Frame. Ist er aktiviert, unterlegt Photoshop den Arbeitshintergrund mit einer grauen Fläche. Deren Farbe wiederum lässt sich über die Voreinstellungen richten, ebenso wie die Schattierungen von Paletten sowie weiterer Komponenten. Flankiert werden die aufgeführten Funktionen durch einige zusätzliche Befehle im Menü Fenster > Anordnen. Erster Eindruck: Die in die Application Bar sowie den Punkt Application Frame gepackten Dokumentanordnungslayouts und Darstellungsmodi sowie die Möglichkeit, Dokumente in Tabs zu verschachteln, sind zweifelsohne faszinierend. Allerdings werden User, die auf bestimmte Arbeits- und Darstellungsgewohnheiten fest eingestimmt sind, sich mit den neuen Funktionen (und Möglichkeiten) eingehender vertraut machen müssen.

Bildbearbeitung und Camera Raw

Soliden Zugewinn liefert Photoshop CS4 auch diesmal im Bereich der klassischen Bildbearbeitung. Es kristallisieren sich hier zwei separate Bearbeitungsumfelder heraus, wobei das eine jeweils mehr und mehr Funktionen des anderen übernimmt. Camera Raw 5 ermöglicht nunmehr auch lokale Bildbearbeitungen, Photoshop CS4 liefert im Gegenzug ein neues Feature für Farbsättigung «à la Camera Raw». Für das Vornehmen lokaler Bildkorrekturen offeriert Camera Raw zwei neue Werkzeuge – einen Anpassungspinsel und einen so genannten Verlaufsfilter. Beide dienen ähnlichen Zwecken. Mit dem Anpassungspinsel lassen sich Korrektureinstellungen direkt ins Bild hineinmalen. Die Korrektureinstellungen selbst erscheinen bei aktiviertem Anpassungspinsel im rechten Fensterbereich. Einstellen lassen sich dort zum einen Grösse, Weichheit und Dichte des Pinsels, zum anderen die Korrektureinstellungen, die mit dem Pinsel aufgetragen werden. Der Verlaufsfilter liefert für diese neue Form lokaler Bildkorrekturen eine zusätzliche Methode. Die lokalen Korrekturen werden hier via Verlauf über das Bild gezogen.

Zuwachs bekommen hat auch die Gruppe der Anpassungsbefehle in Photoshop. Erfreute CS3 mit einem neuen Schwarzweisstool, enthält CS4 ein Feature, mit dem sich die Farbsättigung unter Einbeziehung der Camera-Raw-Eigenschaft Dynamik regulieren lässt. In der Betaversion wird das Vibrance genannt. Auch dieser neue Befehl liegt parallel als Einstellungsebene vor. Insgesamt erfreulich ist, dass die Photoshop-Entwickler weitere Anpassungsbefehle mit Pop-up-Menüs für mitgelieferte und benutzerdefinierte Einstellungssets aufgetunt haben: Tonwertkorrektur, Farbton/Sättigung und Selektive Farbkorrektur. Von diesem Luxus weiterhin unberührt bleibt hingegen Farbbalance – ein Feature, dessen Wichtigkeit die Adobe-Entwickler offensichtlich anders bewerten als viele User.

Das eigentliche Highlight im Bereich Bildbearbeitung sind allerdings zwei neue Paletten: Adjustments (deutsch übersetzt: Einstellungen) und Masks. Aus dem Stand gelungen ist vor allem Adjustments. Es ermöglicht nicht nur buttongesteuertes Anlegen und Verwalten von Einstellungs- und Füll­ebenen, sondern – über ein zweites Interface – auch das direkte Regulieren der entsprechenden Features. Masks ist im Grunde genommen ein korres­pondierendes Bedienfeld. Es stellt eine leicht handhabbare Oberfläche für das Verändern von Ebenen- und Vektormasken zur Verfügung. Eng eingebunden sind hier zudem auch die beiden Auswahlbefehle Farbbereich und Kante verbessern. Sowohl für sich genommen als auch im Zusammenspiel erleichtern die beiden Neuzugänge das Arbeiten mit Einstellungsebenen, Auswahlen und Ebenenmasken zum Teil beträchtlich.

Übersichtlicher gruppiert wurden im Zuge der Interface-Aufräumaktion auch die Befehle für die Bildbearbeitung unter Anpassungen. Die drei Autokorrekturbefehle findet man nunmehr im Hauptmenü Bild. Unter Anpassungen aufgeführt sind gruppenweise zuerst die Helligkeits- und Kontrastbefehle, anschliessend die Farbbefehle, als drittes Tiefen/Lichter und Variationen und zum Schluss die Spezialbefehle wie zum Beispiel Umkehren und Tontrennung.

Panorama und Montage

Weitere Detailverbesserungen wurden in Photoshop CS4 auch in einem Bereich vorgenommen, der bereits in der letzten Programmversion stark überarbeitet wurde, nämlich Photomerge sowie die beiden flankierenden Bearbeiten-Befehle Ebenen automatisch ausrichten und Ebenen automatisch füllen. Photomerge enthält eine neue Layoutoption namens «Spherical». Zusätzlich wartet Photomerge mit zwei weiteren Feineinstellungen auf für den Zusammenfügeprozess – eine für das Korrigieren von Bildvignettierungen und eine zur Korrektur geometrischer Verzerrungen. Zusätzliche Optionen enthält auch der für die manuelle Montage zuständige Befehl Ebenen automatisch füllen. Er ermöglicht nunmehr die Unterscheidung zwischen Panoramamontage und dem Zusammenmontieren eines Bildes aus mehreren Aufnahmen.

Im Vorfeld mit viel Aufmerksamkeit bedacht wurde ein Befehl, der angeblich eine weitgehend verlustfreie Vergrösserung von Bildern ermöglichen sollte. Was in der Gerüchteküche als neue Interpolationsmethode gehandelt wurde, erweist sich in der Beta lediglich als eine spezielle neue Transformierenmethode. Anders als Vergrösserun-gen über den Befehl Bildgrösse oder den herkömmlichen Skalierungsbefehl vermeidet der im Menü Bearbeiten gelegene Befehl Content-Aware Scale (übersetzt etwa: inhaltsschonendes Skalieren) zwar die mit Vergrösserungen zwangsläufig einhergehende Weichzeichnung. Die hierfür vorgenommene Neugewichtung der Bildproportionen allerdings fällt meist sehr eigenwillig aus; die Generierung der Kanten erinnert an die «Scharfzeichnen-durch-Versetzen-Methode», die vor Jahren Aufmerksamkeit erregte. Prognose: Content-Aware Scale wird vermutlich zu der Herumtüftel- und Ausprobierfunktion der neuen Photoshop-Version schlechthin avancieren – gute Überraschungen dabei nicht ausgeschlossen.

Extended und der Rest

Auch die Funktionen, die lediglich für die Nutzer der erweiterten Programmversion Photoshop Extended zur Verfügung stehen, wurden von den Adobe-Entwicklern aufgestockt. Mit einigen neuen Funktionen erweitert ist das Menü Analyse. Mit enthalten ist ein Measurement Scale Marker, über den sich Parameter für die Beschriftung mit Text einstellen lassen. Den Löwenanteil hat indes der Bereich 3D spendiert bekommen. 3D-Werkzeuge zum Manipulieren von Ansicht und Position von 3D-Objekten stehen nunmehr auch in der Werkzeugleiste zur Verfügung. Neu in Photoshop Extended ist ein eigenes Menü namens 3D. Neben den bereits vorhandenen Befehlen zum Positionieren, Formen und Texturieren von 3D-Objekten enthält es auch ein eigenes Untermenü für das Bemalen von 3D-Objekten.

Insgesamt fällt am neuen CS4-Paket auf, dass Adobe noch stärker als bislang auf die beiden Faktoren Internet und Adobe-Community setzt. Unter dem Punkt Fenster > Extensions hat Photoshop CS4 zwei ganz spezielle Gimmicks eingebaut. Während Connection unmittelbar dazu dient, sich in bestimmte Onlinezusatzservices und Angebote von Adobe einzuloggen, offeriert Kuler ein Tool für die intuitive Erstellung harmonischer Farbzusammenstellungen. Um Farbsätze im Internet zu laden oder eigene Farbsätze mit anderen Usern auszutauschen, ist Kuler ebenfalls mit Onlinefunktionen ausgestattet. Allerdings lässt sich das stark von der Farbhilfe in Illustrator CS3 abgeleitete Tool auch offline verwenden – um damit eigene Farbzusammenstellungen anzulegen und in die Farbfelderpalette zu übernehmen.

Über die aufgeführten Features, Erweiterungen und Neuzugänge hinaus finden sich in der CS4-Beta eine Reihe kleinerer Detailveränderungen. Die neuen Interface-Komponenten etwa werden, wie bereits erwähnt, von entspechenden Voreinstellungspunkten flankiert. Grafisch übersichtlicher, in Tabs untergliedert und mit einem Navigationsbutton versehen, präsentiert sich nunmehr auch das Metadaten-Feature Dateiinformationen – da Metadaten in der Bildbearbeitung generell eine immer wichtigere Rolle spielen, ebenfalls keine schlechte Sache. Für Nachrichten von Anwender zu Anwender gibt es eine neue Palette namens Notizen. Das Ansicht-Menü enthält zwei neue Proof-Modi für Farbenblinde, das Untermenü Scripten unter Datei zwei neue Scripten-Befehle für das Flachrechnen von Ebeneneffekten und Masken. Last but not least: Detailveränderungen finden sich auch im Menüpunkt Drucken.

Bridge: Next Step

Mit deutlich sichtbaren Veränderungen wartet nicht nur Photoshop selbst auf, sondern auch der Dokument- und Bilddatenbrowser Bridge, der mittlerweile fest zum erweiterten Photoshop-Inventar zählt. Auch in Brigde CS4 findet man in der Fensterkopfleiste nunmehr eine Application Bar mit Icons für einige wichtige Befehle. Auffällig auf den ersten Blick ist das noch schnittiger wirkende Fenster-Outfit. Beim zweiten Blick bemerkt man, dass auch die Bridge-Oberfläche einem etwas eingehenderen Relaunch unterzogen wurde. Die Buttons mit werkseingestellten und userdefinierten Arbeitslayouts finden sich nicht mehr im Fenster, sondern im Menü Fenster unter dem Punkt Arbeitsbereich. Die Fensterfussleiste enthält nur noch Buttons zur Ansteuerung der grundsätzlichen Darstellungsmodi (darunter einen neuen, der das Leuchttischlayout mit einem Linienraster unterteilt) sowie den Regler zur Einstellung der Darstellungsgrösse. In der Kopfleiste, direkt unter den neuen Toolbar-Befehlen, finden sich wie bisher Icons für unterschiedliche Arbeitsbefehle.

Darüber hinaus hat der Dokument­browser der Creative Suite zwei neue Reiter erhalten: Inspektor und Kollektionen. Während sich mir der Sinn von Inspektor in der vorliegenden Beta­version nicht ganz erschliessen konnte, bietet Kollektionen eine recht praktische Möglichkeit, ausgewählte Bilder in anwenderdefinierten Kollektionen zu organisieren. Zusätzlich möglich ist darüber hinaus das Anlegen so genannter Smart-Kollektionen – intelligenter Bildzusammenstellungen, deren Kriterien sich ähnlich festlegen lassen wie diejenigen intelligenter Ordner unter Mac OS X oder intelligenter Listen etwa in iTunes.

Fazit

In Sachen Bildbearbeitung bietet die ins Haus stehende neue Photoshop-Version soliden Funktionszuwachs. Lokale Bearbeitungsmöglichkeiten beim Camera-Raw-Bildimport, ein Feature zur Einstellung dynamischer Farbsättigung und Einstellungssets in allen wesentlichen Bildbearbeitungsfunktionen sind auch für jene Anwender ein praktischer Zugewinn, die das Programm eher auf konservative Weise einsetzen. Die beiden neuen Paletten für Einstellungsebenen und Masken sind gelungen und sicherlich eines der Highlights der neuen Programmversion. Die Kuler-Palette ist ein Tool von der Art, wie es sich Kreative wünschen. Die zusätzlichen Funktionserweiterungen im Bereich Panorama und Montage sorgen für Detailverbesserungen in einem Bereich, der bereits zu den Highlights der CS3-Version zählte. Deutlich zugelegt hat darüber hinaus vor allem die Extended-Programm­variante. Zwar ersetzt auch Photoshop Extended kein professionelles 3D-Programm wie beispielsweise Cinema 4D oder Maya. Das 3D-Menü stellt jetzt jedoch eine solide Funktionssektion zur Verfügung, über die sich Verpackungsdesigns sowie ambitioniertere 3D-Effekte umsetzen lassen. Kritisch zu bewerten ist das Fehlen zusätzlicher Funktionen für die HDR- und die 32-Bit-Bildbearbeitung. Einerseits steht Photoshop in dem Bereich seit CS3 ganz passabel da, andererseits bleibt für kreative Fine-Art-Printer und HDR-Bildgestalter ein zusätzliches Tool wie etwa Photomatix Pro wohl auch weiterhin unverzichtbar.

Einen nicht hundert Prozent glücklichen Eindruck hinterlässt schliesslich eine der Hauptbaustellen der CS4-Version – die stark ausdifferenzierten und erweiterten Darstellungs- und Anordnungsmodi. Hier liegen die Prob­leme weniger in der Sache an sich als vielmehr im Detail der Ausführung. Zum einen tangieren die neuen Optio­nen recht spürbar althergebrachte Arbeitsroutinen. Nicht ganz schlüssig harmonierten in der Beta insbesondere die beiden Faktoren «Dokumente als Tabs angeordnet» und Zoomstufen. Kurzum – es hakelt noch etwas. Wichtig, auch hinsichtlich der Anwenderakzeptanz, wäre hier eine kurze und bündige Dokumentation, welche das Arbeiten mit den ausdifferenzierten Darstellungsmodi einfach und nachvollziehbar erklärt. Stärker noch als Photoshop betrifft die aufgeführte Detailkritik einige umgestellte Befehle in Bridge, insbesondere die aus dem Browserfenster ins Menü ausgelagerten Arbeitslayouts. Nehmen allerdings die Adobe-Entwickler hier einen letzten Check in Sachen Schlüssigkeit vor und sorgen für besagte Dokumentation, könnte sich die stark flexibilisierte Dokumentanordnung und -darstellung sogar als eines der Highlights der CS4-Programmversion entpuppen.