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Photoshop wird sch�rfer

Die Creative-Suite-Programme migrieren in die Creative Cloud. Mit ihnen auch Photo­shop. Die übrigen Neuerungen der neuen Version: mehr Schärfe, mehr Camera-Raw-Features sowie bedingte Aktionen.

günter schuler Creative Suite goes Creative Cloud: Ab Photoshop CC wird Photoshop nicht mehr als einmalig zu lizenzierende Software ausgeliefert, sondern im Rahmen eines Abo-Modells. Die neuen Konditionen sorgen allenthalben für Kritik. Gespeist wird diese Kritik unter anderem von Unsicherheit. Obwohl Adobe mit günstigen Einstiegskonditionen lockt, wirft die neue Form der Distribution grundsätzliche Fragen auf. In Sachen Cloud-Distributionsmodell sieht die Situation wie folgt aus: Die herkömmlichen CS-Programme und Programmbundles bleiben bis auf Weiteres im Handel, werden allerdings nicht mehr weiterentwickelt. Als Nachfolgeversionen bietet Adobe die entsprechenden CC-Versionen an. Zu den Kosten: Das Photoshop-Abo wird monatlich etwa 28 Franken kosten, das für alle CC-Programme rund 70 Franken. Anwender von gültigen CS-Programmversionen lockt Adobe mit ermässigten, preislich etwas mehr als die Hälfte betragenden Upgrade-Abogebühren. Zeitlich sind diese jedoch auf ein Jahr befristet; danach wird die volle Cloud-Gebühr erhoben. Die Installation der einzelnen Anwendungen erfolgt wie gehabt lokal: Die Programme werden von der Adobe-Webseite heruntergeladen und im Anschluss auf dem eigenen Rechner installiert. Die Cloud selbst umfasst ausser den bekannten Creative-Suite-Anwendungen und Hilfstools weitere Applikationen sowie Zugriffsberechtigungen auf Dienste im Bereich der Adobe-Community. Photoshop selbst wird nur noch in der bisherigen Extended-Variante ausgeliefert. In der CC-Version enthält es entsprechend auch deren 3D-Features, Animationsfeatures und so weiter – ein Punkt, der sicherlich für jenen Teil der Anwenderschaft interessant ist, der bislang nur mit der Normalversion arbeitete. Last but not least wird die Creative Cloud auch veränderte Upgrade-Zyklen mit sich bringen. Anstelle der bisherigen 12-bis-18-Monats-Zyklen plant Adobe kleinere Intervalle mit kontinuierlichen Verbesserungen.

Neue Scharfzeichnungs- und Skalierfunktionen

Ein Highlight der neuen CC-Version ist zweifelsohne der neue Scharfzeichnungsfilter Verwackelung reduzieren. Eigentlich müsste man ihn Informationsrestaurier-Filter nennen. Ruft man ihn auf, erscheint ein bildschirmfüllendes Feature, dessen Aufbau stark an Camera Raw oder den Objektivkorrektur-Filter erinnert. Anders als herkömmliche Scharfzeichnungsfilter analysiert der neue Filter das Bildmaterial. Aus den gewonnenen Ergebnissen berechnet er Richtung und Breite der Verwackelung. Die Analyse erfolgt anhand eines ausgewählten Bildbereiches. Vorgehenstechnisch ermöglicht der Filter zwei Wege: erstens die Verwendung des erzeugten Bereichs aus der Bildmitte als Grundlage, zweitens das Festlegen eigener Weichzeichnerschätzbereiche – so der Adobe-Name dieser Analysefelder. Die Scharfzeichnung selbst erfolgt über drei Regler, wobei zwei davon der Rausch- und Artefaktunterdrückung dienen. Welche Verbesserungen der Filter bringt, hängt a) von der Stärke der Verwackelung, ​b) von der getätigten Einstellung ab. Der neue Filter bewirkt zwar keine Wunder: Wo keine Bildinformationen vorhanden sind, kann auch ein Filter nichts mehr retten. Allerdings bewirkt Verwackelung reduzieren selbst bei deutlich verwackelten Aufnahmen spürbare Verbesserungen.

Wie die meisten Filter lässt sich auch Verwackelung reduzieren als Smart Filter anwenden. Die Smart-Filter-Option bestand und besteht auch beim Selektiven Scharfzeichner – einem High-End-Scharfzeichnungsfilter, der schon länger im Programm mit dabei ist. Für Photoshop CC hat der Selektive Scharfzeichner eine deutliche Überarbeitung erfahren. Die separaten Reiter Tiefen und Lichter sind nunmehr ins Haupt-Interface integriert, der Modus Erweitert nicht mehr nötig und entsprechend gecancelt. Funktional enthält der Filter zwei Neuerungen: a) die Möglichkeit, zusätzlich einen Wert für Rauschreduzierung einzustellen, b) zur früheren, nicht ganz so hochwertigen Arbeitsweise des Filters umzuswitchen. Mehr Schärfe als bislang enthalten auch zwei weitere Funktionen. Funktion eins ist der komplett generalüberholte Bildgrösse-Dialog. Neuigkeit eins: Bildgrösse offeriert nunmehr eine Bild-Vorschau. Der Dialogbereich ist merklich entschlackt. Die Parameterangaben der alten Version wurden zusammengefasst auf drei Eingabefelder: Breite, Höhe und Auflösung. Highlight ist allerdings eine neue Berechnungsmethode für das Vergrössern von Bildern: Details erhalten (vergrössern). Vergleicht man die unterschiedlichen Methoden über die Ansicht im Vorschau-Fenster, sieht man, dass die neue Interpolations­methode zusätzlich eine Bildschärfung vornimmt. Um deren Auswirkung in den Flächenbereichen zu steuern, enthält der Dialog einen neuen, zusätzlichen Regler zur Steuerung der Rauschunterdrückung.

Camera Raw: Filter und Funktionen

Eine vierte neue Scharfzeichnungsfunktion offeriert Photoshop CC in einem weiteren neuen Filtermodul: dem Camera-Raw-Filter. Dahinter steckt die Idee, die bekannten Camera-Raw-Bearbeitungsfeatures auch in Photoshop selbst zur Verfügung zu stellen. Das Interface des Camera-Raw-Filters sowie die Funktionen zum Einstellen decken sich weitgehend mit denjenigen in Camera Raw selbst. Von einigen Spezialfeatures abgesehen, bietet der Dialog dieses Filters alle bekannten Camera-Raw-Einstellungsoptionen – inklusive Kurven, Scharfzeichnung, Effekte und Objektivkorrektur. Sinn macht das Feature vor allem dann, wenn man auch herkömmliche JPEG- und Tiff-Dateien «nach Camera-Raw-Art» bearbeiten möchte. War zuvor hier etwas Finetuning bei den Voreinstellungen und der Weg über Camera Raw selbst erforderlich, genügt nunmehr das Aufrufen des Filters. Wie alle Photo­shop-Filter kann auch dieses Modul als Smart-Filter angewendet werden – mit der Folge, dass sich unterschiedliche Instanzen auf nichtdestruktive Weise anlegen lassen.

In Camera Raw 8 hat sich ebenfalls einiges getan. Highlight hier: neue Automatikfunktionen für die Perspektivkorrekur. Zu finden sind sie im Reiter Objektivkorrektur unter dem Punkt Manuell. Zusätzlich zu den bereits zuvor vorhandenen Reglern für das manuelle Entzerren und Begradigen stehen nunmehr vier Buttons zur Verfügung, die diese Aufgabe automatisch besorgen. Der erste bewirkt eine eher ausgleichende, moderate Perspektivkorrektur, der zweite fokussiert auf die Horizontbegradigung und der dritte auf diejenige stürzender oder fliehender Linien. Der vierte Button schliesslich bewirkt eine Radikalkorrektur, die sowohl vertikale als auch horizontale Linien mit einbezieht. Zweiter Funktionszuwachs in Camera Raw 8 sind neue Bearbeitungsoptionen für den Bereichsreparaturpinsel. Wesentliche Neuerung hier: Ähnlich wie in Photo­shop können Korrekturen nunmehr nicht nur in punktförmiger Form aufgetragen, sondern auch aufgemalt werden. Bei Bedarf können zusätzlich die Quellreferenzen verschoben werden. Alles in allem: eine nützliche Sache. Dritte Camera-Raw-Funktionsneuerung ist ein neuer Radial-Korrekturfilter für lokal abweichende Bildbearbeitungs-Einstellungen. Das neue Feature funktioniert nach demselben Prinzip wie der Korrekturpinsel. Der Unterschied: Anders als dort wird die neue Einstellung nicht mit dem Pinsel aufgetragen, sondern in Form einer Ellipse aufgezogen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit zu definieren, ob sich die neue Einstellung innerhalb oder ausserhalb der Ellipse auswirken soll.

Sonstige Funktionen

Das Aktionen-Panel ist nicht unbedingt der Ort, der bei der breiten Anwenderschaft im Fokus des Interesses steht. Für all diejenigen, die ihren Bildbearbeitungs-Liebling gern via Aktionen und Stapelverarbeitungen effizienter gestalten, führt Photoshop CC eine lang ersehnte Funktion ein: bedingte Aktionen. Zu finden ist der neue Punkt im Paletten-Menü des Aktionen-Bedienfeldes. Definierbar sind eine Bedingung, eine Aktion für den Fall, dass die Bedingung zutrifft und eine Aktion für den Fall, dass die Bedingung nicht zutrifft. Im Werkszustand wartet die neue Funktion mit rund zwanzig unterschiedlichen Bedingungen auf – etwa Bild gleich Querformat, Dokumentmodus gleich Graustufen, Dokument enthält Alpha-Kanäle, und so weiter. Sicher bietet die neue Schnittstelle einiges an Potenzial für Weiterentwicklungen – etwa zusätzliche Bedingungen oder zusätzliche Optionen für die Ausführung. Doch schon jetzt liefert das neue Feature eine praxisfähige Grundlage, den Sektor Aktionen und Aktions-Abarbeitung noch flexibler zu gestalten, als das bislang schon der Fall ist.

Die restlichen Neuerungen fallen eher in die Rubrik «Verbesserung von Bestehendem» als in den Bereich «Neufunktion». So lassen sich die drei Weichzeichnungsfilter der Weichzeichnergalerie nunmehr auch in verlustfreier Form als Smart Objekt anwenden – was in Version CS 6 noch nicht möglich war. Bei den beiden Standard-Vektorformen stehen im Eigenschaften-Panel nunmehr Illustrator-vergleichbare Bearbeitungsoptionen zur Verfügung. Die so genannten Liveform-Eigenschaften umfassen je nach Form Linienattribute wie zum Beispiel Strichelung, Verlauf, Konturdicke und so weiter. Auch bei den Typo-Features ist das eine oder andere optimiert worden. Der 3D-Bereich aus dem ehemaligen Photoshop Extended wartet mit neuen Malmöglichkeiten auf. Darüber hinaus stellt Photoshop CC optimierte Workflows in Richtung Webseiten-Layouts zur Verfügung – so zum Beispiel die Möglichkeit, CSS-Code für Designelemente zu generieren.

Fazit

Funktionstechnisch fallen vor allem die Neuerungen im Bereich Bildschärfe ins Gewicht. Implementiert sind sie gleich an vier Stellen: im Filter Selektiver Scharfzeichner, im neuen Highlight-Filter Verwacklung reduzieren, im überarbeiteten Bildgrösse-Dialog sowie im Camera-Raw-Filter, dessen Scharfzeichnungs-Funktion nunmehr auch in Photo­shop zur Verfügung steht. Der neue Camera-Raw-Filter ist eine rundum gute Sache. Einerseits erleichtert er das Anwenden der Camera-Raw-Bildbearbeitung auf Nicht-RAW-Bilder. Andererseits erweitert er die Möglichkeiten für kreative Bildeffekte immens. Praktisch sind auch die Funktionszuwächse in Camera Raw selbst – vor allem die neue Ausricht-Automatik im Bereich Objektivkorrektur. Ebenfalls praktisch: die nunmehr als Smart Filter zur Verfügung stehenden Kreativ-Weichzeichner aus Photo­shop CS 6. Die bedingten Aktionen werden in der Berichterstattung über CC vermutlich etwas untergehen. Für all diejenigen, die ihrer Bildbearbeitung gern mit Makros auf die Sprünge helfen, werden die neuen Bedingungen sicher ein Quell spriessender Freude sein.

Hauptpunkt bei der Entscheidung, auf Photoshop CC umzusteigen, ist sicherlich die Frage «Cloud oder nicht»? Vorteil: Anders als im Bereich Layout spielt die Frage der Abwärtskompatibilität im Bereich Bildbearbeitung keine so grosse Rolle. Dessen ungeachtet dürfte CC auch für Bildbearbeiter interessant sein. Nicht nur mit preislichem Vergünstigen und der (negativen) Perspektive, ohne Cloud irgendwann den Anschluss zu verlieren. Davon abgesehen winkt Adobes neues Abo-Modell auch mit zusätzlichen Tools und Funktionen, die sich nur im Rahmen der Cloud sinnvoll nutzen lassen. Euphorisch könnte man die Frage so stellen: Sind Sie bereit für die Cloud? Wer geneigt ist, sich vertrauensvoll in die neue Zukunft der Mediengestaltung à la Adobe zu stürzen, hat mit Photo­shop CC einen weiteren guten Grund. Wer eher vorsichtig upgradet und Für und Wider gründlich abwägt, wird das auch diesmal tun – vielleicht mehr als sonst. Sicher ist es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass Adobe sich perspektivisch auf einen ähnlichen Weg begibt wie Quark. Allerdings: Markttechnisch gesehen ist Photoshop in der Cloud alles andere als unangreifbar. Im Gegenteil. Sollte die Akzeptanz für den Bildbearbeitungsstandard spürbar sinken, könnte am Ende des Wegs durchaus ein Konkurrenzprodukt auf dem Markt auftauchen. Die Entwicklung im Bereich digitale Bildbearbeitung bleibt somit weiterhin spannend.