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Spiegellos in der Praxis

Spiegellose Systemkameras versprechen eine fortschrittliche Alternative zu den DSLRs. Im zweiten Teil unseres Typenvergleichs verraten wir, wie sich die spiegellose Panasonic Lumix GH2 im Praxistest gegenüber den DSLRs Canon EOS 60D und Nikon D7000 schlägt.

MARKUS ZITT  Ohne Spiegel lassen sich Kameras für Wechselobjektive kompakter und leichter bauen. Überhaupt sind ein Spiegel und ein optischer Sucher im Digitalzeitalter nicht mehr nötig. Das elektronische Sucherbild (Live-View) zeigt nicht nur Ausschnitt und Fokussierung, sondern auch eine Vorschau auf das Bild mitsamt der Wirkung diverser Einstellungen. Dagegen erscheint eine Spiegelreflex von gestern, zumal für die modernen Funktionen wie Live-View und Videoaufnahme ihr Spiegel erst hochgeklappt werden muss.

Dies ist die Ausgangslage und der Grund, weshalb wir das fortschrittlichste Modell unter den Spiegellosen näher angesehen und mit zwei DSLRs verglichen haben. Ausführlich ist dies in der letzten Ausgabe nachzulesen.

Während wir im ersten Teil den Vergleich auf theoretischer Ebene mit Beschreibungen der Eigenarten samt Vor- und Nachteilen beider Kameratypen begonnen haben, kommen im zweiten Teil die Erfahrungen aus der Praxis hinzu.

Die Kameras

Die drei Kameras dieses Tests wurden im Herbst vorgestellt. Die spiegellose Systemkamera Panasonic Lumix GH2 war dann aber erst im Dezember lieferbar. Zur Erinnerung, die GH2 ist das Flaggschiff im Panasonic-Sortiment und die wohl vielseitigste unter den spiegellosen Systemkameras. Die GH2 zeigt, wohin die Entwicklung geht und wie weit dieser Kameratyp eine echte Alternative zu DSLRs darstellt. Durch ihre Konzeption als Bridgekamera ist die Panasonic GH2 den DSLRs hinsichtlich Bauform und Platzierung der Bedienelemente sehr ähnlich. Ihr haben wir die Canon EOS 60D und die Nikon D7000 gegenübergestellt, die mit ähnlichen Spezifikationen aufwarten.

Kamera-Handling

Alle drei Kameras machen visuell und haptisch einen wertigen Eindruck, wenngleich ihre Gehäuse überwiegend aus Kunststoff bestehen. Nur bei der Nikon wurde etwas Metall verbaut und die Kamera gegen Umwelteinflüsse abgedichtet.

Die Kamerabodys sind nicht allzu gross, wobei die Panasonic systembedingt am kleinsten und die Canon am grössten ist. Die DSLRs liegen recht gut in einer kräftigen Männerhand, könnten jedoch eine grössere Griffwulst aufweisen. Die Panasonic wirkt dagegen etwas verloren, bietet aber dank ihrem gummierten Griff ausreichend Halt.

Die drei Kameras sind ähnlich aufgebaut, wobei die Canon und die Panasonic wegen dem Gelenk des ausklappbaren LCDs auf der linken Rückseite keine Tasten aufweisen. Die wichtigsten Bedienelemente sind bei allen Kameras gut zu erreichen.

Bei der Canon ist das Betriebsarten- bzw. Modusrad leider gesichert und so umständlich zu verstellen. Erschwerend kommt hinzu, dass es viele Positionen (15 Belichtungsprogramme) und zwei Anschlagsenden besitzt. So muss der Benutzer manchmal das Rad um bis zu 340 Grad drehen, um den Videomodus am anderen Ende zu aktivieren. Das Modusrad der Panasonic besitzt noch mehr Positionen bzw. Modi als die Canon, wogegen die Nikon gerade mit halb so vielen auskommt. Das Modusrad der Panasonic enthält drei Positionen, unter denen Benutzer eigene Einstellungen abrufen können. Die Nikon hat deren zwei, die Canon eine.

Wichtiger im Einsatz ist jedoch die Lage und Erreichbarkeit der Einstellräder. Die Canon und die Nikon besitzen zwei – für Zeigefinger und Daumen. Die Panasonic begnügt sich dagegen mit nur einem, was beim manuellen Einstellen von Blende und Zeit ein Manko darstellt, obwohl das Rad durch Drücken einfach umgestellt werden kann, um beispielsweise bei Zeitautomatik erst die Blende und dann die EV-Korrektur einzustellen. Die Benutzung der Einstellräder ist vor allem eine Frage der Gewöhnung. In der Praxis zeigt sich aber, dass beim Daumenrad der Panasonic allzuleicht die Einstellung ungewollt verändert wird.

Auf der Rückseite jeder Kamera sind neben dem Daumen-Einstellrad die Menütaste sowie weitere Direkttasten untergebracht. Ebenfalls auf der Rückseite bieten die DSLRs eine Taste für den Live-View-Betrieb. Während die Canon über eine simple Drucktaste verfügt, gefällt an der Nikon der wie eine Türklinke zurückschwingende Drehschalter. Bei der Panasonic mit dauerndem Live-View gibt es eine Taste für den Wechsel zwischen Sucher (EVF) und LCD. Das Umschalten kann auch automatisch erfolgen, denn ein Sensor erkennt, wenn sich der Fotograf dem EVF-Okular nähert oder sich entfernt.

Die Informationen zu den Einstellungen werden im Sucher und bei den DSLRs zusätzlich im monochromen Status-LCD auf der Kameraoberseite angezeigt. Alternativ können alle wichtigen Einstellungen zusammen auf dem LCD als Info- bzw. Quickmenü dargestellt und dort rasch über die Navigationstasten verstellt werden. Dieses Menü wird bei der Canon über die «Q»-Taste, an der Nikon über die «Info»-Taste und an der Panasonic über die «Display»-Taste eingeschaltet. Bei der Panasonic gibt es als «Q(uick)-Menü» noch die Möglichkeit, eine Menüleiste im Suchbild anzuzeigen und damit rasch Aufnahmeeinstellungen zu ändern.

Einstellungen lassen sich bei der Panasonic auch am Touchscreen per Fingertippen vornehmen. Das klappt trotz der eher kleinen Schaltflächen recht gut, auch wenn die GH2 nicht mit aktuellen Touchscreen-Handys mithalten kann.

Das beste Handling bietet die Nikon, gefolgt von der Panasonic und schliesslich der Canon. Was den Vergleich zwischen Spiegelloser und DSLR betriftt, sind die Unterschiede grösstenteils marken- oder modellspezifisch.

Akku

Als Energieversorgung kommt bei allen Kameras ein proprietärer Akku zum Einsatz. Die Akkus von Nikon und der Panasonic sind übrigens verdongelt, um den Einsatz von Fremdakkus zu verhindern.

Die versprochene Akku-Reichweite liegt bei mehreren hundert Bildern, wobei die Panasonic lediglich rund 300 Aufnahmen verspricht, was dem dauernden Live-View auf dem LCD oder im EVF geschuldet ist. Dies machen auch die Zahlen zur Akku-Reichweite der Canon deutlich. Auch sie will im Live-View-Betrieb nur 300 Fotos, im klassischen DSLR-Betrieb dagegen bis zu 1100 schaffen. Ein optischer Sucher verbraucht halt keinen Strom, von seinen Sucheranzeigen abgesehen.

Während unseres Praxistests gab es mit der Canon und der Nikon keine Energiekrisen. Hingegen mussten einige Aufnahmesessions mit der Panasonic abgebrochen werden, weil der mitgelieferte Akku nicht durchhielt. Oft schaffte die GH2 gerade mal 200 statt der versprochenen 300 Aufnahmen – trotz zurückhaltender Benutzung von Blitz und Videofunktion.

Den ersten Platz beim Energieverbrauch teilen sich Canon und Nikon, während die Panasonic hier klar abfällt. Die geringere Reichweite ist ein klarer Nachteil von spiegellosen Systemkameras und deckt sich auch mit Beobachtungen bei anderen Spiegellosen.

Actionfotos und Autofokus

Die Nikon D7000 ist mit 6 Fotos pro Sekunde (fps) die schnellste, besitzt aber einen geringen Pufferspeicher – eine absurde Kombination. Die minimal langsamere Canon mit nominell 5,3 fps macht hier die Sache besser und hält ihr Tempo länger durch. Die Panasonic verfügt ebenfalls über eine Serienbildfunktion mit 5 fps und zusätzlich noch über einen Hispeed-Modus. Dann schiesst sie in reduzierter Auflösung 40 Fotos pro Sekunde – leider nur für eine Sekunde, in der man das Motiv optimal einfangen muss.

Punkto Autofokus ist die Panasonic zwar schnell, dennoch hinkt sie bei Actionfotos deutlich hinter den DSLRs her und liefert eine geringere Ausbeute an scharfen Bilden. Im Live-View- und Film-Betrieb ist der Kontrast-AF der Panasonic dagegen jenen der DSLRs überlegen. Die Kontrast-AF der beiden DSLRs vermögen nur bedingt zu überzeugen. Vor allem jener der Canon ist recht langsam.

Bildqualität

Die Aufnahmen, die wir mit der Panasonic GH2 mit den Standardeinstellungen machten, zeigten eine leicht grünliche Tendenz. Die Aufnahmen waren scharf und boten eine hohe Detailwiedergabe, wobei die Schärfe zum Rand hin abnimmt. Die beste Schärfe ergab sich mit dem 14 – 140mm-Objektiv bei Blende 1:5.6 und 1:8.0, wobei mit Blende 5.6 ein deutlicher Schärfeabfall zum Rand hin feststellbar ist, so dass Blende 8 meist die optimale Wahl sein dürfte. Bei Blende 11 nahm die Schärfe gesamthaft geringfügig ab, bei Blende 16 etwas stärker.

Die Panasonic GH2 neigt zu etwas knapper Belichtung und bekundet etwas Mühe bei kontrastreichen Fotomotiven. Optimale Ergebnisse erhält man durch die Entwicklung der RAW-Dateien.

Bei niedrigen Empfindlichkeiten von ISO 160 bis ISO 400 sind die Aufnahmen einwandfrei, wenn auch bei ISO 400 ein leichtes Helligkeitsrauschen wahrnehmbar wird. Auch bei ISO 800 sind die Bilder noch sehr gut, erst darüber beginnen sie richtig körnig zu werden. Während ISO 3200 noch brauchbare Bilder liefert, wird bei höheren ISO-Werten der Verlust an Detailwiedergabe durch Rauschen und Gegenmassnahmen stark.

Auch die Canon EOS 60D liefert knackige Bilder, die optimal belichtet und farbneutral sind. Allerdings zeigten sich an kontrastreichen Kanten leichte Farbsäume und ein erhöhter Kontrast sowie Artefakte. Der Weissabgleich arbeitet zuverlässig, nur bei Kunstlicht fielen die Aufnahmen zu warm aus, was sich aber durch eine Konfiguration des Weissabgleichs anpassen lässt.

Was die Bildqualität bei verschiedenen ISO-Werten anbelangt, so ermöglicht die 60D notfallmässig ISO 12 800. Sehr gute Ergebnisse erhält man bei niedrigen ISO-Werten und kann bedenkenlos bis ISO 3200 fotografieren, wo sie mehr Details erhält als die Panasonic.

Die Nikon D7000 liefert im Vergleich die weichsten Bilder, was aber an der Nikon-typisch zurückhaltenden Schärfung liegt. Die Aufnahmen sind kühl-neutral. Die Belichtung ist zuverlässig, tendiert jedoch bei Aussenaufnahmen zu reichlicher Belichtung.

Die Nikon ermöglicht ISO-Werte bis 25 000, doch in der Regel empfiehl es sich, ISO 6400 nicht zu überschreiten. Unter den drei Kameras liefert sie bei hohen ISO-Werten die besten Bilder, dicht gefolgt von der Canon, die zu auffälligerem Farbrauschen tendiert, während bei der Panasonic viele Details durch die nicht abschaltbare Rauschminderung verloren gehen.

Video-Filmerei

Alle Kameras filmen in Full-HD mit 1980 × 1080 px und 1280 × 720 px und damit jeweils in 16:9. Darüber hinaus sind mit allen Kameras Videos in geringerer Auflösung möglich.

Für die Videoaufnahmen wird jeweils die volle Breite des Fotosensors verwendet, und das Videobild auf die eingestellte Auflösung herunter skaliert. Im Fall einer Full-HD-Aufnahme werden 18 bzw. 16 Mpx auf rund 2 Mpx verkleinert. Die GH2 kann aber auch nur einen zentralen Bereich des Sensors zum Filmen nutzen, so dass ein Sensorpixel einem Videopixel entspricht. Dadurch steht dem Filmer eine Extra-Telefunktion mit Faktor 4,8 zur Verfügung. Die Canon bietet einen solchen «Telekonverter» nur bei niedriger Video-Auflösung.

Alle Kameras filmen in einer Cinema-Framerate mit 24 Vollbildern pro Sekunde, beherrschen aber auch andere Bildraten.

Spontanes Filmen lässt die Canon nicht zu. Das klappt mit der Nikon und am einfachsten mit der Panasonic, die einen Videoauslöser hinter dem Fotoauslöser besitzt. In jedem Modus kann mit der Panasonic sofort losgefilmt werden. Die optimale Kontrolle beim Filmen erhält man jedoch nur, wenn das Modusrad auf Filmen steht. Dann kann man bei Bedarf Blende und Zeit manuell einstellen, den Cinema-Modus mit 24 fps und mit bester Output-Qualität von 24Mbs nutzen oder in variablem Tempo filmen.

Die Panasonic zeichnet Videos wahlweise als grosse Datei im Motion-JPEG bis 720p (MOV-Dateicontainer) oder für Full-HD im effizienteren AVCHD-Standard auf. AVCHD basiert auf dem H.264-Codec, den die Canon und Nikon nutzen. Allerdings legt die Panasonic ihre AVCHD-Aufnahmen nicht wie die DSLRs als .MOV-Dateien im Fotoordner ab, sondern versteckt sie tief verschachtelt im separaten AVCHD-Ordner als .MTS-Dateien mit eigener Dateinummer. Das macht das Dateihandling unnötig kompliziert.

Während die Canon und die Nikon nur Mono aufnehmen, besitzt die Panasonic ein Stereomikrofon, das vorne auf der Frontkappe platziert ist und einen guten Ton liefert. Die Kamerabedienung ist allerdings bei allen drei Kameras auf der Tonspur des Videos hörbar, so dass man besser ein externes Mikrofon verwendet.

Die Panasonic bietet die vielfältigsten Videoeinstellungen und liefert die schärfsten Videos, während sich die Canon und die Nikon hinsichtlich der Videoqualität den zweiten Platz teilen.

FaZitt

In den meisten Aufnahmesituation vermag die spiegellose Panasonic Lumix GH2 mit den DSLRs mitzuhalten. Wer gängige Motive unter optimalen Bedingungen fotografiert und nicht in Grenzbereichen arbeitet, wird mit der funktionsreichen Kamera glücklich.

Professionellen Ansprüchen wird die GH2 nicht gerecht, da stösst man mit ihr schneller an Grenzen. Die beiden DSLRs von Canon und Nikon sind zwar ebenfalls keine Profikameras, können da jedoch eher mithalten. In den DSLR-Paradedisziplinen Actionfotos und Available-Light-Fotografie distanzieren die beiden ihre spiegellose He­rausforderin noch deutlich. Dafür aber triumphiert die Spiegellose bei den Videoaufnahmen.

Alles in allem ist die Spiegellose durchaus eine Alternative, wenn auch nicht für Profis und leistungshungrige Hobbyfotografen. Für gewisse Anwendungen wie Reisen sind Spiegellose generell attraktiv und die GH2 ganz besonders. Sie ist für Hobbyfilmer und Multimediaschaffende zu empfehlen und ist für manchen Hobbyfotografen eine Alternative zu den DSLRs.

Testresultate

Panasonic
Lumix DMC-GH2
Canon
EOS 60D
Nikon
D7000
Funktionen:Foto/Video 5.0 / 5.5 5.0 / 5.5 5.0 / 4.5
Handling 5.0 4.5 5.5
Bild:Farbe/Schärfe/ISO 4.5 / 5.5 / 4.5 5.0 / 5.5 / 5.0 5.0 / 5.0 / 5.5
Vorteile kompakt, viele gute Videofunktionen, schwenkbares LCD, guter elektronischer Sucher, konfigurierbare Tasten, praktischer Touchscreen schwenkbares LCD, gleichmässige und gute Bildqualität auch bei höherer ISO, gute Videoausstattung, grosser Puffer für Serienfotos hohe ISO möglich und
gut, zwei SD-Slots,
robust, abgedichtet,
effiziente Lichter-/
Schattenoptimierung, Intervallfunktion
Nachteile Akkureichweite, nur ein Einstellrad, Menü mit vielen Seiten, LCD «nur» 460 000px langsamer AF bei Live-View kleiner Puffer (Serie), sehr langes Menü