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Sternstunden f�r Last-Minute-Festtagsgr�sse

Mit dem Jahreswechsel kommt die Zeit des Besinnens, der Beziehungspflege. Während ­Millionen SMS zu Silvester dem einen Moment gelten, sind alt­modische Postkarten fast schon von über­irdischer Sinnlichkeit.

Ralf Turtschi Gedruckte Postkarten scheinen etwas aus der Mode gekommen zu sein. Wer schickt noch Postkarten aus dem Urlaub, die gut drei Wochen unterwegs sein können, wo doch die Selfies oder andere Handy­bildchen kostenlos und in Echtzeit übermittelt werden können? Millionenware als Wegwerfgedanken – wie sinnlicher sind doch Postkarten, wie authentisch doch die Wahl, der Kauf, die Gedanken und Gespräche beim Schreiben, die Erinnerung, wenn sie einem an der Kühlschranktür entgegenlächeln …

Karten der besonderen Art hat Speck Print AG, Baar, diesen November produziert. Die Idee dahinter war, Kunden und weiteren Kreisen ein Geschenk in Form spezieller Grusskarten A6 zu überreichen, die im Verbund mit Kooperationspartnern die Hochwertigkeit von Print aufzeigen sollen.

Die Planung eines solchen Vorhabens lässt sich kaum lehrbuchmässig durchziehen. Wer Kooperationspartner gewinnen will, muss überzeugend aufzeigen, wie das Mailing aussehen wird. Also gilt es, zuerst einmal ein paar Ideen zu visualisieren, um damit auf Partnersuche zu gehen. Aber schon bei der Ausgestaltung einer dreidimensionalen Verpackung stellt sich die Frage, wie schwer der Inhalt werden wird und wie dick 15 Postkarten, die teilweise mit einer Blindprägung versehen und beflockt sind. Dies zu einem Zeitpunkt, an dem weder die Papierwahl getroffen, noch die Gestaltung vorhanden ist. Es bleibt vieles im Unschärfebereich und muss aus der Erfahrung der Kooperationspatner heraus geschätzt werden. Aus Zeit- und Budgetgründen wurde auf Probedrucke verzichtet. Die Gestaltung musste so angelegt werden, dass eine gewisse Abweichung von der Vorstellung in der Produktion einfach drinliegt, ohne dass man wieder auf Feld eins beginnen muss.

Veredlung entsteht im Kopf

Der Entwurf von Veredlungsvorhaben ist sehr anspruchsvoll, denn die wenigsten Techniken lassen sich während der Kreationsphase auf dem Bildschirm simulieren. Glanzlack liegt völlig ausserhalb der Möglichkeiten, auch eine Folienprägung kann man vergessen. Alles, was mit Metalleffekten zu tun hat, ist auf dem Bildschirm nicht zu haben, weder eine Heissfolienprägung noch ein aluminiumbedampftes Papier. Wenn dann noch Kreativpapiere mit ihrer Haptik verwendet werden, ist der Gestaltungsprozess so ziemlich anders, als wenn man für den normalen Druck gestaltet. Sehr hilfreich für das Vorstellungsvermögen sind die diversen Papiermusterkollektionen, die von allen Papierlieferanten angeboten werden – noch besser, wenn diese Kollektionen entsprechende Veredlungsbeispiele aufweisen.

Inspiriert von Veredlungseffekten auf Kreativpapieren gehe ich nun konkret an die Aufgabe, ein Weihnachtsmailing zu kreieren. Ein Gedankenblitz lässt die Headline entstehen, aus der sich anschliessend die Motive entwickeln lassen: Sternstunden für Last-Minute-Festtagsgrüsse. Ist es nicht so, das viele Leute bis zur letzten Minute warten, um jemandem eine Freude zu bereiten? All diesen wollen wir eine Sternstunde bereiten. Sterne sind visuell gut umzusetzen, passen zu Weihnachten und sind positiv konnotiert. Sternstunden ist aber auch im übertragenen Sinn als Erleichterung zu verstehen, eine Anzahl hochwertiger Grusskarten für die Liebsten oder Bekannten zu erhalten, die man im gelieferten Kuvert versenden oder Geschenken beilegen kann.

Am Anfang der Prozesskette stand die Papierwahl im Zusammenhang mit allen möglichen Veredlungstechniken. Mit Druck und Papier allein ist heute eben kein Staat zu machen. So gelang es, sechs Kooperationspartner (s. Kasten) zu finden, die ihren Teil an der Produktion beitrugen, im Gegenzug eine Anzahl Sets der Karten erhielten.

Als Verpackung der A6-Karten diente ein beflockter Umschlag im Format C5, der als Schutz und Türöffner gleichzeitig dient. Mit Papyrus (Schweiz) AG konnte ein Partner gefunden werden, der mit Kreativpapieren gut ausstaffiert ist. Diesen Edelpapieren hängt jedoch das Etikett an, besonders teuer zu sein. Das Argument ist nicht ganz stichhaltig, denn 2000 A6-Karten ergeben 32 Nutzen auf einem 70/100er-Bogen. 70 Bogen zu einem (angenommen) «teuren» Stückpreis von 5 Franken sind 350 Franken, die das Papier ausmachen. Das ist aus meiner Sicht kein Killerkriterium, auf luxuriöse Papiere zu verzichten, wenn man dabei den visuellen und haptischen Gewinn in Betracht zieht, die solche Papiere erzielen. Eintönig glatt ist nur der Bildschirm. Ein Kartengruss auf «einfallslosem» Papier versandt, gleicht einer SMS. Viel interessanter ist doch der haptische, visuelle und olfaktorische Zauber, der mit hochwertigem Papier vermittelt werden kann.

28 einzelne Bestandteile

Ein Mailing mit 28 Einzelbestandteilen ist auch eine logistische Herausforderung. Einerseits waren vom Startschuss Mitte Oktober bis zur Auslieferung gerade mal sechs Wochen Produktionszeit vorhanden. In dieser Zeit mussten Kooperationspartner gefunden werden, die natürlich wissen wollten, was ihr Part werden würde. Also mussten die Karten zuerst kreiert werden, um die Veredlungsvarianten abzusprechen.

Eine logistische Aufgabe

Die meisten Karten sind Offset CMYK bedruckt und anschliessend veredelt worden. Dies ergab mehrstufige Arbeitsgänge, die je nach Karte anders verliefen. Der Umschlag zum Beispiel wurde erst bei A Schwarz/Pantone bedruckt, dann bei B beflockt, bei A gestanzt, bei C konfektioniert. So nahm jede Karte einen anderen Weg. Insgesamt stecken 28 Teile in diesem Mailing, die alle zeitgerecht bei einem Dienstleister zum Konfektionieren angeliefert werden mussten.

Kooperation – geht doch!

Wenn von Kooperation die Rede ist, meint man damit heute die enge Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen, die gemeinsam einen Maschinenpark betreiben. Eine andere Art der projektorientierten Kooperation bietet sich wie bei dem hier vorgestellten Mailing. Unter der Federführung von Speck Print AG geben alle Partner Know-how und Arbeitsleistung ein und erhalten im Gegenzug eine Anzahl Mailings zur eigenen Verwendung. Die Kooperationspartner:

Speck Print AG, Baar: Gesamtleitung, Kreation, Druckvorstufe, Offsetdruck, Stanzung, Blindprägung

Stewag Stanzformen AG, Affoltern: Entwicklung Stanzrisse und Bau der Stanzformen für Umschlag, Transparentpapier und A6-Karten

Stalgra AG, Regensdorf: Laserstanzung, Heissfolienprägung, Blindprägung

Bastcolor, Solothurn: Flockdruck von Umschlag und A6-Karte

Inscreen AG, Cham: Siebdruck, Duftdruck, Glanzlack

Papyrus (Schweiz) AG, Thalwil: Beratung und Sponsoring Papiere

Der Autor

Ralf Turtschi ist gelernter Schriftsetzer, Buchautor und Publizist. Er ist Inhaber von Agenturtschi und Marketingleiter bei Speck Print AG, Baar. Der Autor schreibt im Publisher seit Jahren praxisbezogene Beiträge zu Themen rund um Desktop-Publishing.

E-Mail: turtschi@agenturtschi.ch