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Was darf man mit Schriften?

Die Frage, was man alles mit Schriftfonts machen darf, ist in der professionellen Medienproduktion Dauerthema. Ein neuer Report von Extensis gibt Auskunft über das typische Anwenderverhalten.

günter schuler Wie verhält sich ein durchschnittlicher Nutzer von Schriftfonts – beispielsweise in einer Werbe­agentur, als Freelancer bei der Auftragsabwicklung oder in einem Servicebetrieb? Laut einer vom Fontverwaltungssoftware-Hersteller Extensis in Auftrag gegebenen Umfrage tauscht die überwiegende Mehrheit Schriftfonts mit anderen aus, lädt darüber hinaus kostenlose Schriften aus dem Internet und liest die Lizenz­bestimmungen beim Erwerb einer Schrift gar nicht, nur gelegentlich oder nur teilweise. Ebenfalls Teil des Um­frageergebnisses: 78 Prozent verstehen den Inhalt von Schriftlizenzen nicht, nicht wirklich oder allenfalls teilweise und 60 Prozent wissen entsprechend auch nur bruchstückhaft, was sie im Rahmen einer Schriftlizenz mit der lizenzierten Schrift tun dürfen.

Dschungel Schriftlizenzen

Die Frage, wie man digitale Schriften korrekt nutzt, ist im digitalen Produktionsworkflow Dauerthema. Streit um Schriftentwürfe, um Plagiate sowie eine ungenügende Beteiligung der Schriftschöpfer gab es zwar auch schon zu früheren Zeiten. Im 19. Jahrhundert etwa waren Rechte, die sich aus designerischen Entwürfen ableiteten, so gut wie unbekannt. Erst ein Jahrhundert später hat sich der Wert des designerischen Entwurfs allenthalben durchgesetzt. So gab es einige in Sachen Entwurfsoriginalität und Designerrechte bedeutsame Auseinandersetzungen – beispielsweise um die Bauer-Schrift Candida oder den rechtlichen Status alter Berthold-Schriften. Normale Anwender tangierten diese Streite allerdings wenig. Für Mac- und PC-User entpuppte sich das Zeitalter des computergestützten Satzes als schrifttechnisches El Dorado. Die Verfügbarkeit war frei wie nie. Und die Auswahl steigt seither stetig weiter.

Wie viele digitale Schriften derzeit existieren, ist allenfalls noch grob schätzbar. Eine sechstellige Anzahl käme sicher heraus – wobei unklar ist, ob diese Menge nur die echten, von Entwerfer-Foundries und grossen Labels herausgebrachten Fonts für den professionellen Einsatz beinhaltet oder alle. Denn: Hochwertige Brot-Satzschriften sowie üppig ausgebaute Schriftsippschaften sind ebenso im Angebot wie Fun-Schriften sowie amateurhafte Nachstellungen bereits bestehender Muster. Eine Situation, die die Lage nicht gerade übersichtlich macht. Auch nicht in Bezug auf das Rechtsempfinden. Typisches Beispiel: Die auf Freeload-Portalen bereitliegenden Amateurfonts gelten zwar gemeinhin als «frei». Tatsächlich jedoch unterliegt auch das Gros der Billig- und Umsonst-Schriften irgendeiner Lizenz – entweder einer Creative-Commons-Lizenz oder einer Einschränkung dergestalt, dass zwar die private, nicht jedoch die kommerzielle Nutzung umsonst ist.

Bei kommerziell erstandenen Schriften rücken die in der Lizenz festgehaltenen Nutzungsrichtlinien noch stärker in den Mittelpunkt. Im Unterschied zu den anonymen Free-Portalen betreffen sie weniger den Erwerb einer Schrift als solcher (die Lizenzgebühr wurde schliesslich ordnungsgemäss entrichtet). Das Gros der Auseinandersetzungen dreht sich vielmehr um das, was man mit dem lizenzierten Font darf. In der Vergangenheit sorgten vor allem zwei Punkte für Diskussionen: a) die Weitergabe von Fonts an Druckdienstleister zwecks Ausbelichtung offener Daten, b) das Einbetten von Fonts in PDF-Dateien. Mobile Daten und Anwendungen sowie der aktuelle Stellenwert von Webfonts haben zwar das juristische Terrain noch zusätzlich aufgefächert. Nach wie vor sind es jedoch die Klassiker, die immer wieder für Diskussionsbedarf sorgen – die Nutzung klassischer Desktop-Fonts im Bereich Print und PDF.

Schriften: Dos and Don’ts

Ein Grossteil der Missverständnisse ist auf das weit verbreitete Missverständnis zurückzuführen, eine lizenzierte Schrift sei «gekauft». Tatsächlich wird beim «Kauf» einer Schrift lediglich eine Lizenzvereinbarung getroffen. Konkret: Der Schrifthersteller erteilt dem End-User eine Nutzungslizenz und stellt ihm ergänzend die Schriftfont-Dateien zur Verfügung. Der genaue Inhalt der Nutzungslizenz ist in der so genannten EULA geregelt, dem End User Licence Agreement. Vom Charakter her entspricht der Inhalt grob den Lizenzvereinbarungen beim Erwerb von Bildern.

Auch hier ist en détail geregelt, was der Endnutzer mit dem Bild darf und was nicht, und auch hier differieren die von der Lizenz abgedeckten Verwendungsmöglichkeiten erheblich. Zwar kommen die EULAs – leider – in derselben trockenen Juristensprache daher wie Software-Lizenzen. Via FAQ-Seiten zu den rechtlichen Aspekten oder Info-Broschüren versuchen die Schriftdistributoren jedoch schon seit Jahren, die Dos and Don’ts bei der Verwendung digitaler Fonts zu erläutern. Explizit auf die EULA hingewiesen wird der End-User im Verlauf des Kaufprozesses. MyFonts etwa, einer der grössten Schrift­distributoren im Internet, präsentiert die Lizenzen zweigleisig. Einmal unter dem Tab «Licensing» bei den Infoangaben zur jeweiligen Schrift. Zusätzlich hinzu kommt ein Link auf die genaue EULA von Font XY und – wie beispielsweise bei der abgebildeten klassizistischen Carmen des katalanischen Kleinlabels Typerepublik – jede Menge repräsentatives Anschauungsmaterial.

Was erlauben, was untersagen typische Font-Nutzungsbedingungen nun genau? Im Detail variiert dies. Einige Hersteller etwa untersagen das Einbetten von Schriften in PDFs grundsätzlich, andere lediglich die Einbettung in offen zugängliche PDFs oder das Einbetten des kompletten Fonts. Ähnlich unterschiedlich sieht die Praxis im Hinblick auf die Weitergabe im Rahmen offener Daten für die Ausbelichtung aus. Sehen wir uns die Dos and Don’ts im Detail an.

Erlaubt ist:

  • die Nutzung auf einem bis fünf Rechnern im eigenen Betrieb. Wichtig dabei: Gezählt wird stets die Person oder Firma, mit der die Lizenzvereinbarung getroffen wurde. Eine Weitergabe an Dritte ist damit ausgeschlossen. Für das Unternehmen oder den Service-Betrieb bedeutet die anzahlmässige Beschränkung: Sollen mehr Rechner dauerhaft Zugriff haben auf Font XY, wird eine erweiterte Service-Lizenz fällig.

In der Regel erlaubt ist beziehungsweise toleriert wird:

  • die Einbettung in für den Druck bestimmte PDF-Daten. Die Regeln in diesem speziellen Punkt sind ebenfalls nicht einheitlich. In der Praxis wird diese Form der Einbettung allerdings toleriert – sofern nicht der komplette Font eingebettet wird, sondern Untergruppen.
  • die Weitergabe von Fonts für die Ausbelichtung. Das Thema war lange hochstrittig. Am besten lässt sich die Situation hier mit dem Begriff «praktisches Tolerieren» bezeichnen. Allerdings: Mittlerweile ist der früher wichtigste Stein des Anstosses weitestgehend gegenstandslos geworden – da die allermeisten Druckereien zwischenzeitlich sowieso PDF-Daten bevorzugen. Gängiges «Nadelöhr» vor der PDF-Ära: das Schreiben von Druck-Dateien im PostScript-Format.
  • die Verwendung einer Schrift im Rahmen sehr hoher Auflagen. In der Praxis kann die ein oder andere EULA in dieser Beziehung einschränkende Restriktionen enthalten.
  • die Entwicklung von Logos oder ähnlichen Markenzeichen. Beanstandungslos ist die kundenseitige Weiterverwendung von Logos und Ähnlichem dann, wenn die Zeichen-Outlines zuvor in Pfade umgewandelt wurden.

Teilweise oder grossteils untersagt ist:

  • das öffentliche Zurverfügungstellen im Rahmen von PDF-Dateien. Je nach EULA ist entweder eine sehr rigide Form des Embeddings vonnöten sowie das Sorgetragen, dass das PDF nicht editierbar ist. Oder aber die Zeichen müssen in Pfade umgewandelt werden.
  • das Zugänglichmachen des Schriftfonts im Rahmen von e-Books, Apps und ähnlichem.
  • das Erstellen eines modifizierten Ablegers besagter Schrift – etwa mit einem Fonterstellungsprogramm wie Fontographer oder Font Lab.

Untersagt sind:

  • die Weitergabe an Dritte,
  • die Weitergabe an Freelancer sowie andere beauftragte Sub-Dienstleister,
  • die Weitergabe an Kunden oder Auftraggeber,
  • allgemein: die öffentliche Zurverfügungstellung.

Kunden, Externe, Workarounds

Bei der Auftragsabwicklung mit Kunden oder bei der Zuhilfenahme externer Kräfte sind Schriften ein ernst zu nehmender Konfliktstoff. Kommt etwa bei einem Auftrag eine vom Kunden gewünschte Schrift zur Anwendung, gibt es abrechnungstechnisch drei Möglichkeiten: a) die Designagentur verbucht die Schrift als eigene Ausgabe, b) die Agentur berechnet den Schrifterwerb dem Kunden in voller Höhe (da sonst der Auftrag nicht hätte realisiert werden können), c) die Agentur legt die Schriftlizenz teilweise auf den Kunden um. Kalkulatorisch haben alle drei Optionen ihre Berechtigung. Problematisch wird es allerdings da, wo der Kunde nun seinerseits ein Recht ableitet, die (schliesslich von seinem Geld erworbene) Schrift weiterhin zu nutzen. Diese Form der Weitergabe ist von der Schriftlizenz eindeutig nicht abgedeckt. Grundsätzlich muss sich der Kunde – obwohl er die Schrift bereits «bezahlt» hat, um eine eigene Schriftlizenz bemühen.

Ein weiterer problematischer Punkt ist die Praxis der Schriftweitergabe an Freie. Die Lizenzen sind in diesem Punkt eindeutig: Nutzen darf die Schrift nur das Unternehmen, das sie auch lizenziert hat. Umgekehrt besteht natürlich die Möglichkeit, dass beauftragte Freie die Schrift lizenzieren und dem Unternehmen später in Rechnung stellen. Eindeutig nicht abgedeckt durch die EULA ist die Praxis des «Erst testen und bei kommerziellem Einsatz lizenzieren». Einerseits: Auch Kreative kaufen ungern die Katze im Sack. Andererseits: Die Typo-Labelsliefern mittlerweile viel Anschauungsmaterial auf aktuellstem technischem Niveau. MyFonts etwa ermöglicht das Eingeben anwendergetexteter Musterzeilen im Browser. Darüber hinaus stellen viele Labels repräsentative Muster-PDFs zur Verfügung – wie beispielsweise das – auch im FontShop- und Linotype-Angebot mitvertretene – Designerlabel TypeTogether.

Was tun? Schriftverwaltungssoft­ware-Anbieter Extensis bietet als Lösung die Verwendung seines Universal Type Server an. Der Mehrwert: Die für den Einsatz in grösseren Unternehmen konzipierte Software überwacht den Schrifteinsatz auch hinsichtlich der für Font X und Font Yvorliegenden Lizenzbestimmungen. Allerdings bieten auch die normalen Programm-Workflows im Zweifelsfall Möglichkeiten, einen nicht lizenzgemässen Umgang mit Schriften zu vermeiden. Beispiel: das Umwandeln von Schriften in Pfade, falls die Lizenz ein Einbetten nicht erlaubt oder der Schriftfont dieses sogar verunmöglicht.

Hier ein Tipp bezüglich Adobe InDesign: Müssen Sie ein mehrseitiges Dokument in Pfade umwandeln, genügt es, auf den Dokument- oder Musterseiten ein Objekt mit Pro-Forma-Transparenzattributen (etwa: 0,1 Prozent Deckkraft) zu platzieren. Im Anschluss wird eine spezielle Transparenzreduzierungsvorgabe angelegt mit der Vorgabe, alle Textelemente in Pfade zu konvertieren. Beim PDF-Export schliesslich wird ebendiese Vorgabe als Richtlinie verwendet – unter dem Punkt Erweitert. Nachteil dieser Technik: Das Hinting einer Schrift, welches für ihre optimale Darstellung auf niedrig aufgelösten Medien wie zum Beispiel Monitoren sorgt, geht beim Umwandeln in Outlines verloren.

Fazit

Ähnlich wie bei Audio-, Video- und Fotodateien tangiert auch der laxe Umgang mit Schriftlizenzen weit mehr als lediglich juristische Feinheiten. Im Grunde geht es um zwei Dinge: a) die prinzipielle Frage, ob die User designerische Entwürfe als Kulturgut anzusehen bereit sind und ihnen den entsprechenden Respekt entgegenbringen, b) die Frage der Bezahlung für eine erbrachte Leistung (in dem Fall: den Designentwurf einer Schrift inklusive der dazugehörigen handwerklichen und softwaretechnischen Feinzurichtung).

Auch für Schriften gilt: Ähnlich wie gute Fotos, Musikstücke oder Ähnliches bestehen sie zu 10 Prozent aus Kreation und zu 90 Prozent aus Transpiration. Im Klartext: Schriftentwerfer sitzen an gut ausgebauten Textschriften oft Jahre. Setzt man den mühsamen Schöpfungsprozess in Relation zu dem massenhaften Angebot, der Ästhetik und Strapazierfähigkeit einer guten Schrift sowie heute üblichen Preisen, sollte man sich als Designer überlegen, inwieweit man selbst vielleicht durch eigene Praxis dazu beiträgt, die branchenschädigende Billigspirale hin zu immer weniger Preis für Leistung mit zu befördern. Dass umgekehrt auch Schriftanbieter gut damit beraten sind, verständliche und nicht allzu komplizierte Nutzungsbedingungen zu offerieren, liegt ebenso auf der Hand. Ein halbes Dutzend einfach nachvollziehbarer (und eventuell in die wichtigen Landessprachen übersetzter) Standard-Lizenztypen könnte nicht unwesentlich mit dazu beitragen, den Dschungel und die Dauerärgernisse rund um das Thema Schriftlizenzen zu lichten.