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Zum Geburtstag viel Gl�ck �

Ein ganz spezieller Festanlass, zum Beispiel ein runder Geburtstag, erfordert eine adäquate Einladungskarte. Ein Querschnitt aus der Adobe Creative Suite zum Nachmachen.

Ralf Turtschi Die runden Geburtstage sind oft für die Betroffenen weniger erfreulich, das Älterwerden geht immer einher mit hässlichen Verlustgedanken. Wie man seiner Liebsten solche Gedanken wenigstens etwas versüssen kann, zeigt diese Arbeit.

Grundlage bildete die Idee, das Ambiente des Festlokals mit der jubilierenden Person zu verbinden. Anstatt zwei Photoshop-Bilder zu kombinieren, wollte ich das Porträt flächig in Illustrator umsetzen, um eine Vektorgrafik zu erhalten, die beliebig «manipuliert» werden kann: Die kleinen netten Fältchen, die keine Frau gerne sieht, können so besser weggezaubert werden, als dies Botox oder Photoshop können. Frauen haben anscheinend generell Probleme mit ihren Porträts. Ich bin noch keiner Frau begegnet, die kritiklos ihrem Konterfei gegenübersteht. Eine Illustrationsgrafik von sich hat sie jedoch mit Sicherheit noch nicht gesehen und findet daran weniger herumzumäkeln, da es sich ja nicht um eine gewöhnliche Fotografie handelt, sondern um ein «Kunstwerk». Und Kunstwerke schmeicheln, Fotos entblös­sen. Die Illustration ist zudem vielseitiger einsetzbar als ein fotografiertes Bild, weil die Daten vektorisiert sind.

Ich benötigte für meinen Zweck eine Bildvorlage, die das Gesicht mit Licht/Schatten schön moduliert. Am besten sind Porträts, bei denen das Licht seitlich einfällt, also nicht Fotos, die mit Blitz frontal von vorn fotografiert wurden. Die Auflösung spielt keine so ­grosse Rolle – Bilder aus Handys genügen für diesen Zweck vollkommen, weil wir sie nur als Vorlage benützen.

In Photoshop liefert der Kunstfilter Tontrennung & Kantenbetonung die visuelle Vorlage für die zeichnerische Umsetzung. Die Vorlage wird in Illustrator importiert, die Deckkraft etwas zurückgenommen, sodass mit dem Pfadwerkzeug Schritt für Schritt das Gesicht und die Figur aufgebaut werden können. Dabei arbeite ich grundsätzlich nur mit Flächen, nicht mit Konturen, das vereinfacht alle späteren Korrekturen. Man könnte selbstverständlich auch mit dem Pinsel arbeiten und die Flächen ausmalen.

Die Umsetzung bedarf einer Bildinterpretation, man darf das fotografische Bild nicht sklavisch und akribisch genau umsetzen – die Kunst besteht im Weglassen. Für die Erkennbarkeit muss nicht jede Unebenheit nachgezeichnet werden. Details können auch später noch ergänzt werden. Ich beginne bei Augen, Nase und Mund, halte mich erst einmal an die groben Umrisse. Die Augen sind etwas schwierig, weil sie im fotografierten Bild oft dunkel erscheinen und Iris, Pupille und Glanzlichter stark interpretiert werden müssen. Deshalb zeige ich die Augen hier etwas vergrössert. Es ist ganz erstaunlich, wie wenig genau man arbeiten muss, um die Gesichtszüge trotzdem erkennbar herauszuschälen. Schon nach dem Zeichnen von Nase, Augen und Mund kommt Freude auf, und die abstrahierte Figur ist der Vorlage ähnlich. Die Motivation steigt, ein attraktives Resultat zu erzielen. Ich lege nun für die Haut- und Haartöne geschlossene Flächen an, die in Helligkeit und Farbwert deutliche Unterschiede aufweisen, und trage Schicht um Schicht auf. Damit die Flächen korrigierbar bleiben und der Überblick nicht verloren geht, weise ich pragmatisch Ebenen für Augen, Nase, Ohren und Haare und Körper zu. Die Farben bestimme ich manuell nach Bauchgefühl. Man darf durchaus frech in den Farbtopf langen, nur ja nicht fotorealistisch gestalten! Pupillen und Iris halte ich kreisrund, alles andere ist mit der Feder frei gezeichnet. Die Charakteristik der Haare und die Frisur lassen sich mit angedeuteten Haarsträhnchen und «Glanzreflexen» gut simulieren. Zum Schluss werden drei Verläufe eingesetzt: in der linken Gesichtshälfte, im Haar rechts des Scheitels und im Dekolleté. Nach etwa vier Stunden ist das Werk vollbracht.

Vom Festlokal habe ich ein paar Aufnahmen hergestellt, die ich nun mit der Illustration kombiniere. Die Szene wurde ab Stativ ohne Blitz fotografiert, um die Stimmung einzufangen; der gelbliche Farbstich ist so erhalten geblieben. Das Bild auf der zweiten Seite entstand mit 2 Sekunden Belichtungszeit bei bewegter Kamera.

Die Gestaltung des Textes ist bei einer solchen Bildumsetzung eher schlicht zu halten, eine üppige Typografie könnte den Bildeffekt dominieren. Die kleine Auflage ist geschaffen für den Digitaldruck, der auch eine Personalisierung der Eingeladenen auf der Titelseite zulässt: Einladung für Simone und Matthias. Die Transparenttonertechnologie von Canon (siehe Umschlag Publisher 1/2009) erlaubt einen Lack­effekt, womit subtil die Zahl 50 in einem «luftigen Hauch» aufgedruckt wird.

Die Vektordaten der Illus­tration bieten sich geradezu für weitere Anwendungen an. Illustrator verfügt in der Palette Farbhilfe unter Optionen –> Farben bearbeiten über ein spielerisches Tool, Farben generell zu manipulieren (s. Abbildung). Damit lassen sich zum Beispiel alle Hauttöne zu Magentatönen und alle Haartöne zu Grüntönen umrechnen. Gleich dem Vorbild ­Andy Warhol können so Namensschildchen mit anderen Farben ausgedruckt werden. Ein weiterer Vorteil von Vektordaten besteht darin, dass sie auflösungsunabhängig sind. Wer über genügend Kleingeld verfügt, kann daraus Riesenposter drucken lassen und die Hausfassade damit schmücken. Unsereins begnügt sich mit einem Poster als Wanddekoration. Dazu steht die Ink-jet-Technik zur Verfügung. Heute lassen sich damit nicht nur Papiere bedrucken, es gibt auch Dienstleister, die das Bild auf Leinwand ausgeben und auf Keilrahmen aufspannen. Eine aparte Geschenkidee. Für das Poster kombiniere ich die Illustration mit anderen Grafikelementen, es soll weniger mit dem Festsaal zu tun haben, eher Lebensfreude durch Farbe vermitteln.

Eine andere Möglichkeit, die ich ins Auge fasse, ist die direkte Ausgabe auf eine 5-mm-Forexplatte, damit erspare ich mir das Aufziehen. Mit einem Flachbettdrucker können heute feste und flexible Materialien mit bis zu 5 cm Dicke und 2,5 m Länge bedruckt werden: Dibond, Blachen, Wellkarton, Stoffe oder Plexiglas für den Standbau oder für Beschriftungen aller Art. Mit einem Schneideplotter wird die Figur aus der dicken Forexplatte ausgeschnitten. Die lebensgrosse «Pappkameradin» im Saal wird als Klon für garantierte Ahs und Ohs unter den Gästen sorgen.