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Wenn Acrobat am Ende ist?�

Adobe Acrobat liegt in der Werkzeugkiste des Publishers ganz oben. Das Universal­instrument für die Arbeit mit dem Portable Document Format wird jetzt mit der neuen Version der PDF-Toolbox um interessante Aspekte ergänzt.

Christoph SteffensNeben dem Betrachten gehört das Prüfen, Reparieren und Aufbereiten von PDFs zum Fachgebiet von Acrobat. Wozu benötigt man dann noch ein zusätzliches Programm?

Die PDF-Toolbox der Berliner Softwareschmiede Callas will am Arbeitsplatz des professionellen Publishers Acrobat nicht ersetzen, kann diesen jedoch sinnvoll ergänzen und spielt seine Asse aus, wenn Automatisierung und Verarbeitung grösserer Datenmengen im Vordergrund stehen.

Wie das Programm tickt

Den Zugang zum Programm findet man schnell, wenn man das Konzept des «Profils» verstanden hat. Die gute Nachricht ist, dass Callas eine grosse Anzahl praxistauglicher und erprobter Profile zum Programm dazugepackt hat. Mit diesen kann man schon eine Menge alltäglicher Probleme lösen. Die mitgelieferten Profile kann man dann ganz einfach duplizieren und den eigenen Anforderungen anpassen. Die schlechte Nachricht ist, dass es die Profile in sich haben. Man benötigt eine ganze Menge Know-how, um eine neues Profil von Grund auf anzufertigen, das die gewünschte Aufgabenstellung dann auch erfüllt.

In der PDF-Toolbox findet sich zudem jeder schnell zurecht, der mit dem Acrobat-eigenen «Preflight» vertraut ist. Die Konzepte sind die gleichen. Das ist kein Zufall, denn Adobe hat vor einigen Jahren einen Teil der PDF-Toolbox lizenziert und in Acrobat eingebaut. Seitdem kümmert sich Callas um die Pflege und Weiterentwicklung des Acrobat-Preflights.

Das Profil

Profile sind dazu gedacht, Prüfungen und Korrekturen miteinander zu verbinden. Man prüft zum Beispiel, ob ein PDF Objekte enthält, die in einem bestimmten Farbraum vorliegen. Mit einer Korrektur ändert man diesen Farbraum dann gegebenenfalls. Oder man prüft, ob die Seiten im PDF alle gleich gross sind oder ob das PDF auch tatsächlich PDF/X-4-konform ist …

Ob auf die Prüfung eine Korrektur folgt, hängt natürlich vom konkreten Bedarf ab. Oder es erfolgt Korrektur A, wenn das Prüfergebnis positiv ist, und Korrektur B, wenn das Prüfergebnis negativ ist. Das alles vollautomatisch.

Die Möglichkeiten, Prüfungen und Korrekturen zu gestalten, sind schier unendlich. Man merkt sehr schnell, dass die PDF-Toolbox von absoluten Nerds entwickelt wird, denn bis man an eine Ecke der PDF-Technologie stösst, die mit der PDF-Toolbox nicht abgedeckt wird, muss man lange suchen. Die PDF-Toolbox wird ausserdem ständig erweitert und den aktuellen Industriestandards angepasst.

Die Prozesspläne

Die Prozesspläne sind ein weiterer Grund, warum man mit der PDF-Toolbox arbeiten möchte, obwohl man Acrobat auf dem Rechner hat. In Prozessplänen lassen sich Schritte in aufeinander abgestimmten Sequenzen zusammenstellen. In diesen Sequenzen können neben Profilen, Prüfungen und Korrekturen auch Aktionen und Variablen berücksichtigt werden.

Die Sequenzen können Wenn-dann-Anweisungen verarbeiten. Etwa die, was jeweils geschehen soll, wenn eingestellte Parameter zu verschiedenen Meldungen führen – zum Beispiel neben Erfolgen auch Warnungen, Fehler und so fort. So lassen sich aufeinander abgestimmte Abläufe zusammenstellen.

Administration

Verwaltet werden Profile in Bibliotheken. Zudem kann man sie exportieren, um sie an weitere Arbeitsplätze weiterzugeben. Profile kann der Administrator mit Passwort vor unsachgemässer Manipulation absichern.

Werfen wir einen Blick auf die Produktfamilie: Da wäre zum einen pdfToolbox Desktop, ein eigenständiges Programm, das auch ein Acrobat-Plug-in installiert, sofern dieser auf dem Rechner vorhanden ist. Man kann die Funktionalität also auch direkt in Acrobat nutzen. Zudem gibt es den pdfToolbox Server. Das ist quasi die Hotfolder-Variante, die bei der Automatisierung hilft.

Die beiden Varianten pdfToolbox CLI und pdfToolbox SDK seien hier nur der Vollständigkeit halber genannt. Mit diesen ist die Integration der PDF-Toolbox in hoch performante Automatisierungsumgebungen möglich.

Acrobat-Ergänzung oder -Ersatz?

Die PDF-Toolbox kann Acrobat ersetzen: an Arbeitsplätzen, die wiederhol- und standardisierbare Arbeiten mit PDFs durchführen – zum Beispiel in der Auftragsannahme von Druckereien. Administratoren können dafür sorgen, dass die Kollegen mit passwortgeschützten Profilen PDFs prüfen, korrigieren und mit entsprechenden Protokollen weitergeben.

Visualisierung der Probleme

Das Switchboard bietet Symbole, die als Abkürzung zu wichtigen Funktionen der PDF-Toolbox dienen. Ein Klick darauf und sofort wird das aktive PDF-Dokument verarbeitet: von der Transparenzreduzierung über Text-to-Outlines und das Hinzufügen von Druckermarken bis hin zur Konvertierung von Farben.

Die PDF-Toolbox kann Seitenobjekte, die fehlerhaft sind, visuell darstellen. Beispiele dafür sind eine zu hohe Flächendeckung, Bilder mit zu geringer Auflösung, Separationsprobleme oder zu kleine Textgrössen. Die Problemstellen werden direkt im PDF eingefärbt dargestellt, sodass leichter zu entscheiden ist, wie schwerwiegend der jeweilige Fehler ist, ob er korrigiert werden kann oder ob die Erzeugung einer neuen PDF-Datei erforderlich ist.

Die Möglichkeiten der Visualisierung durch die PDF-Toolbox helfen auch dabei, Unterschiede innerhalb zweier PDF-Dateien zu erkennen.

Öffnen Sie einfach die beiden Versionen der PDF-Datei und die Vergleichsfunktion zeigt die Unterschiede auf, indem diese farbig markiert werden. Mit der Lupe können Sie hineinzoomen, um auch sehr kleine Details zu untersuchen. Sie können dieselbe Technologie aber auch in einem Pre­flight-Profil verwenden, um Original und Ergebnis einer PDF-Datei nach den durchgeführten Korrekturen zu vergleichen. Zusätzlich können Farbauszug, Farbauftrag oder Bildauflösung visualisiert werden, um die Beurteilung der Daten zu vereinfachen.

Einzelne Separationen beziehungsweise Schwarz- und CMY-Auszüge lassen sich per Tastaturkürzel begutachten. Man kann sich auch den prozentualen Farbverbrauch aller verwendeten Druckfarben anzeigen lassen. Auch für Objekte, die nahe am Seitenrand stehen, gibt es eine schnelle optische Anzeige, genauso wie für sehr kleine Objekte und feine Linien.

Ausschiessen

Die PDF-Toolbox verfügt über eine eigene, sehr mächtige Ausschiessfunktionalität, die bei der Herstellung von Broschüren oder Nutzenkopien in Preflights integriert werden kann. Zusätzlich können sogar Doppelseiten in einzelne Seiten aufgeteilt werden. Darüber hinaus beinhaltet das Produkt zahlreiche kompliziertere Ausschiessschemata, die individuell anpassbar oder von Grund auf erstellbar sind.

Word und Konsorten

Dateien aus Microsoft Word, Excel, PowerPoint, Project, Publisher und Vision können von der PDF-Toolbox in PDF-Dateien konvertiert werden. Dazu müssen die Dateien nur auf das Dokument-Fenster gezogen werden. OpenOffice- (Mac, Windows und Linux) sowie Pages-Dokumente werden unterstützt. Die PDF-Toolbox behandelt alle Probleme und Farbumwandlungen, die nötig sind, um einen korrekten Druck dieser Dateien zu gewährleisten. So werden insbesondere Beschnittzugaben und Schnittmarken hinzugefügt, um die Weiterverarbeitung zu vereinfachen.

Unterstützt werden solche Konvertierungen von der Möglichkeit, Dateien im Batch abarbeiten zu lassen. Viele Dateien in gleicher Weise zu verarbeiten, hilft, neben Zeit auch Geld und Nerven zu sparen.

Exotisches

Die PDF-Toolbox bietet viele ungewöhnliche Funktionen, die man nicht erwarten würde und auf die man in Acrobat vergeblich hoffen wird.

So wird die Arbeit im Grossformatdruck dadurch unterstützt, dass man eine umfangreiche Funktionalität zum Einrechnen von Markierungen für das Platzieren von Ösen findet oder dass eine riesige PDF-Seite in Kacheln aufgeteilt wird, um sie in Teilen zu drucken. Und die Funktion Silhouetten hilft dabei, basierend auf vorhandenen Seitenobjekten neue zu errechnen. Das ist nützlich beim Erzeugen von Lack- oder Stanzformen.

Neu in Version 10

Im Mai erschien Version 10 der PDF-Toolbox. Sie wartet mit einer Reihe von Innovationen auf:

  • Bisher war die PDF-Toolbox lediglich in der Lage, Objekte (Bilder, Texte, Vektorobjekte …) an sich zu prüfen. Version 10 setzt Objekte nun in Beziehung zur Seite oder zu anderen Objekten. So war es zum Beispiel bisher nur prüfbar, ob schwarzer Text auf Überdrucken steht oder nicht. Nun kann man prüfen, ob sich überhaupt andere Objekte unter dem Text befinden, die das «Überdrucken» nötig machen. Schwarzer Text, der nicht auf Überdrucken und auf der weissen Seite steht, verursacht keine Probleme. Mit dieser Technologie ist es zum Beispiel auch möglich, Objekte aus dem PDF zu löschen, die komplett von anderen Objekten überlagert werden. Unter Umständen kann man damit die Komplexität einer PDF-Datei und damit deren Weiterverarbeitungszeit extrem reduzieren.
  • Schon länger unterstützt die PDF-Toolbox anpassbare Preflight-Protokolle, bei denen Design und Inhalt über Templates steuerbar sind. Zudem können ebenfalls schon länger im Protokoll die gefundenen Fehler markiert werden. Leider war es bisher allerdings nicht möglich, diese beiden Prüfergebnisse in einer Datei auszuliefern. Dieser Mangel wurde nun behoben.
  • Alle PDF-Toolbox-Anwender, die mit umfangreichen Prozessplänen gearbeitet haben, werden die neuen Möglichkeiten begrüssen, aus einem Prozessplan heraus einen weiteren Prozessplan aufrufen zu können. Hört sich in der Theorie kompliziert an, ist in der Praxis eine grosse Erleichterung für den Prozessplan-Gestalter.

Quick, not dirty

Die neue QuickCheck-Funktion liefert in Sekundenbruchteilen grundlegende Informationen über ein PDF. Dies können die verwendeten Farbräume, die Seitenanzahl oder die Seitengrösse sein. QuickCheck ist ein eigenes Programm, dass kleiner und agiler ist als der grosse Dampfer «pdfToolbox». Hier ein Beispiel, wie QuickCheck sinnvoll angewendet werden kann:

  • Wird ein QuickCheck an den Start eines Profils gesetzt, kann geprüft werden, ob es RGB-Objekte im PDF gibt. Nun nehmen wir einmal an, dies ist nicht der Fall. Wenn es im weiteren Verlauf des Profils darum geht, RGB-Objekte zu verarbeiten, dann kann das Profil in unserem Beispiel schon direkt nach dem QuickCheck abgebrochen werden. Das verspricht eine Beschleunigung von Prüf- und Modifikationsprozessen und wird von denjenigen PDF-Toolbox-Anwendern sicher begrüsst werden, die sehr viele PDFs mit sehr vielen Seiten verarbeiten müssen.
  • Bei der Kreation von komplexen Prozessplänen wird die Feinjustierung der einzelnen Schritte schnell sehr kompliziert. Der neue Testmodus verwendet nur eine Kopie der PDF-Datei und minimiert das Risiko eines Datenverlusts. Der Anwender muss somit nicht immer wieder raus aus dem Profileditor, um das Profil zu testen, und wieder rein, um Änderungen am Profil vorzunehmen. Anwendung und Änderung finden im gleichen Fenster statt.
  • Pfiffig ist die Idee, innerhalb von Verarbeitungsschritten auf eine PDF-Datei-Version zurückzugreifen. Ein Beispiel ist, dass Sie in einem Prozessplan versuchen, ein PDF/X zu erzeugen, dabei aber feststellen, dass es nicht geht, weil Schriften fehlen. Nun möchten Sie alternativ die Seiten in Bilder umwandeln. Diesen Schritt möchten Sie aber nicht mit der PDF-Version durchführen, die bis zu diesem Schritt erzeugt wurde, sondern mit der Original-PDF-Datei, die in den Prozess hineingeschoben wurde. Somit greifen Sie bei diesem Prozessschritt auf die ursprüngliche Version der PDF-Datei zurück.
  • Sehr hilfreich ist die Funktion, die Trefferliste zu «invertieren». Ein Beispiel ist die Suche nach Dateien, die keine Sonderfarbe «Pantone 123» enthalten. Bisher konnten Sie nach dieser Sonderfarbe in PDFs suchen, bekamen aber keinen Treffer, weil die Sonderfarbe eben nicht enthalten war. Wenn Sie in der PDF-Toolbox 10 nun die Trefferliste «invertieren», haben Sie einen Treffer, wenn eines der PDFs diese Farbe enthält. Ein anderes Beispiel ist der Wunsch, alle anderen Sonderfarben ausser «Pantone 456 C» nach CMYK zu konvertieren. Sie suchen also nach der Pantone-Farbe und invertieren die Trefferliste. Sogleich haben Sie alle anderen Objekte und können diese dann konvertieren.

Fazit

Die PDF-Toolbox ist ein Profiwerkzeug, um PDFs zu erstellen oder zu verarbeiten. In Bezug auf Automatisierung macht dem Werkzeug keine andere Lösung etwas vor – schon gar nicht der Ausbaustufe mit dem PDF-Toolbox-Server. ↑

Christoph Steffens begleitet das Publishing seit vielen Jahren als Anwender, Autor, Referent und Standortleiter der InDesign User Group Stuttgart. Er arbeitet in einem grossen deutschen Verlag.

christoph.steffens@gmail.com