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Ausgeflasht

2020 wird Adobe Flash Geschichte sein, obwohl diese Technologie eigentlich 2011 schon tot war. Das sind gute Neuigkeiten für die Nutzer des Webs. Doch für die ­Kreativen und die Publisher bleibt eine bittere Pille zu schlucken. 

Matthias SchüsslerEs hat lange gebraucht, bis bei Adobe die Einsicht reifen konnte, dass der Schlussstrich unumgänglich ist. Es hat viel Druck von aussen gebraucht: von den Browser-Herstellern, aber auch von Facebook. Doch in einem Blog-Beitrag vom 25. Juli 2017 hat Adobe – nach viel Lob über die eigenen Verdienste für die Kreativität im Netz – das Ende von Flash angekündigt. Ende 2020 ist es endgültig so weit: Dann wird der Flash-Player nicht mehr aktualisiert und ausgeliefert.

Im Juli 2017 war die Technologie eigentlich schon seit Jahren tot. Firefox und Chrome, aber auch der Edge-Browser von Microsoft, haben sie immer weiter zurückgebunden. Seit einiger Zeit müssen die Nutzer die Inhalte manuell autorisieren. Die meisten Flash-Elemente werden heute geflissentlich ignoriert – es sei denn, sie enthalten essenzielle Informationen.

Dabei hätte es ganz anders kommen sollen. Adobe hat 2005 das Unternehmen Macromedia übernommen, weil es im Webbereich ein starkes Produktportfolio hatte: Nicht nur die beiden Programme Dreamweaver und Fireworks, die ähnlichen Zwecken dienten wie Adobes eigene Programme GoLive und Photoshop/Illustrator, sondern eben auch die Authoring-Werkzeuge Flash und Shockwave.

Die Zukunft sollte «rich» sein

Diese Werkzeuge boten viel weiter­gehende Multimedia-Möglichkeiten als die Webstandards. Entsprechend hatte schon Macromedia von «Rich Media» gesprochen. Anders als dröge Textinhalte enthielten diese «angereicherten Inhalte» Animation, Audio und Video und umfangreiche interaktive Möglichkeiten. Die Botschaft von Macromedia war eindeutig: Flash sollte das textorientierte, langweilige Web mittelfristig ablösen und zu einem wirklich modernen Medium machen.

Diese Botschaft – man könnte auch von einer Allmachtsfantasie sprechen – machte sich Adobe nur zu gerne zu eigen: Welcher Manager lässt sich nicht von der Vorstellung verzücken, die Schlüsseltechnologie für ein globales Massenmedium zu liefern?

Angesichts der Euphorie wurden die Nachteile von Flash nur zu gerne übersehen. Eine Flash-Anwendung war monolithisch und entsprechend schwieriger zu pflegen als eine gewöhnliche, aus einzelnen Dateien bestehende Website. Es war nicht möglich, auf spezifische Teile einer Seite zu linken oder einen bestimmten Bereich auszudrucken.

Flash-Websites waren behäbig, und viele Webentwickler bevorzugten HTML und CSS. Auch deswegen, weil es offene Webstandards waren, die von den Browsern ohne zusätzliche Plug-ins angezeigt wurden. Richtig erfolgreich war Flash nur in einem Bereich: Beim Video. Die Videoplattform Youtube, deren Erfolg ab 2006 und der Übernahme durch Google nicht mehr aufzuhalten war, lieferte die Videos über lange Zeit via Flash aus.

Bei den Nutzern hatte Flash nicht das beste Ansehen. Das lag nebst den erwähnten Gründen auch daran, dass Flash abgesehen vom Video vor allem bei der Online-Werbung zum Einsatz kam. Das brachte es mit sich, dass Anwender mit der Aufforderung zur Flash-Installation konfrontiert wurden, nur um dann ungefragt mit Werbung bedient zu werden.

Flash hatte zudem einen miserablen Ruf in Sachen Sicherheit. Eine grosse Zahl von schädlicher Software fand den Weg über die Browser-Plug-ins in das System. Da stand Adobe nicht allein in einem schiefen Licht da, weil auch Oracle mit Java und Microsoft mit ActiveX entsprechende Angriffspunkte boten. Doch Adobe hatte mit Flash und dem Reader gleich zwei Technologien im Angebot, die die Webnutzer einerseits einem Risiko aussetzten und andererseits regelmässige und zeit­intensive Updates nötig machten.

Auf dem iPhone keine Chance

Der eigentliche Todesstoss wurde Flash im April 2010 versetzt. Damals veröffentlichte Apple-Chef Steve Jobs seinen berühmten offenen Brief «Thoughts on Flash»: Er nannte sechs Gründe, weswegen Flash zu verdammen und von den mobilen Geräten wie dem iPhone und dem iPad fernzuhalten sei: Er erwähnte unter anderem die Abstürze und die negativen Auswirkungen auf die Batterielaufzeit. Und er erklärte, dass er garantiert kein «geschlossenes und proprietäres Produkt auf seine Plattform lassen würde.

Damit war Flash in der mobilen Welt erledigt und Adobe hatte die Entwicklung von Flash für die mobilen Geräte denn auch schon 2011 eingestellt. Für diese war der offene HTML5-Standard definitiv die bessere Wahl.

Für die Nutzer ist das Ende von Flash eine gute Nachricht: HTML5 ist alles in allem pflegeleichter und mit weniger Nachteilen behaftet.

Grund für Trauer

Doch es gibt auch Grund zur Trauer: All die kreativen Flash-Entwickler und -Programmierer, die die Technologie ihren Mängeln zum Trotz sinnvoll und kreativ eingesetzt haben, müssen feststellen, dass ihr Know-how schon jetzt nichts mehr wert und spätestens 2020 völlig obsolet sein wird. Und die Zehntausenden von liebevoll gestalteten Flash-Anwendungen – vom Game über interaktive Bücher bis hin zu Lern-Programmen – gehören auch zum alten Eisen und werden in ein paar Jahren nur schwer oder überhaupt nicht mehr zugänglich sein.

Das ist eine bittere Lehre für die Erzeuger von digitalen Inhalten: Wenn man auf das falsche Pferd setzt – und selbst wenn dieses Pferd Marktführer ist – dann haben die Werke eine viel kürzere Halbwertszeit als ein Buch, ein Magazin, ein Dia oder ein Film auf Zelluloid. ↑