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Iconic Turn

Bilder beherrschen zunehmend unseren Alltag. Auf Instagram, Facebook, Youtube oder Skype gehts frühmorgens schon los, Plakate oder die seichten Peoplemagazine kommen nicht ohne aus. Internetplattformen leben von Bildern, und auch die seriösen Zeitungen wenden sich mehr und mehr grossformatigen Fotos zu. Die Wissenschaft spricht vom «Iconic Turn», damit wird die sich ändernde Kommunikation vom Text hin zum Bild angesprochen.

Bilder sind gerade in der Geschäftswelt zum wichtigen Medium geworden, weil sie es schneller schaffen, Informationen mit Wünschen zu verknüpfen, als dies bei einem langatmigen PR-Text der Fall ist. Aus den Internetseiten sind Bilder nicht mehr wegzudenken, solche von Geschäftsleitung oder Mitarbeitenden, aber auch solche von Produkten oder Referenzobjekten. Die Wichtigkeit von glaubwürdigen Bildern ist unbestritten und wissenschaftlich hinreichend belegt. Umso erstaunlicher ist es, mit welcher Stiefmütterlichkeit Fotos auf Webseiten und Printprodukten behandelt werden. Beim Formulieren von Text scheuen Chefs, Marketing- oder Personalbeauftragte keinen Aufwand, missliebige Wörter zu streichen, und mit beschönigenden Sätzen den Inhalt in ein goldenes Licht zu tauchen. Na gut, manchmal ist das Formulieren von Texten auch nicht jedermanns Sache und will gelernt sein. Bei den Fotos scheint tüchtig Luft nach oben vorhanden zu sein. Mit Handys im Neonlicht ein Porträt zu machen: Das wird nichts. Auch wenn die Protagonisten noch so lieb dreinschauen. Wer Anzeigen, Flyer, Plakate oder Internetseiten selber bastelt, darf sich nicht wundern, wenn sie nichts bewegen. Man macht gescheiter das, was man kann, und überlässt das andere den Profis. Algorithmusgrafik ist zwar sehr bequem und sehr günstig – wenn alle auf den gleichen Strassen marschieren, siehts halt irgendwie uniform aus. Nicht das, was der Einzelne wirklich will.

Während die falsch montierte Lampe über dem Esstisch zuhause wenig stört, haben veröffentlichte Bilder eine Wirkung. Sie können einerseits Fröhlichkeit, Kompetenz, Sympathie, Schaffenskraft, Vertrauen ausstrahlen – anderseits Mief, Rückständigkeit, Unorganisiertheit, Inkompetenz. Was gute und schlechte Bilder sind? Wenn dein Bauchgefühl sagt, deine eigenen Bilder auf der Webseite seien schon okay, solltest du nicht annehmen, dass das Publikum ebenso denkt. Ein Fotograf weiss um die Wirkung von guten Bildern und wird es verstehen, die positiven Seiten der Firma ins beste Licht zu rücken.

Unglaublich naiv sind auch unprofessionelle Porträts auf Wahlplakaten mit aufgesetzter Zuversicht, von rotgesichtig über gelbhäutig bis hin zu unscharf oder zugeflasht. Nicht immer kann Photoshop retten, was vorher angerichtet wurde. Ich betrachte es als fahrlässig, die Kommunikationsfähigkeit von Bildern zu unterschätzen und diese als notwendige Beilage anzusehen, für die es kein Budget gibt. Das jugendliche Porträt des ergrauten Chefs wird spätestens nach der persönlichen Begegnung entlarvt. Auch Bilder haben ein Ablaufdatum.

Wir leben in einer Zeit, in der alles schnell funktionieren muss. Die Betrachtungsdauer von Bildern liegt etwa zwischen einer halben und drei Sekunden. Dann muss alles «gesagt» sein. Ich würde mich hier nicht aufs Bauchgefühl verlassen.