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Schweizer Fachzeitschrift
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Auf den Zahn gef�hlt

Adobe hat kürzlich die Digital Publishing Solution als Nachfolger der Digital Publishing Suite lanciert. Der neuen Lösung ist anzusehen, dass man aus den Kundenwünschen und den Mobile-Publishing-Projekten der vergangenen fünf Jahre gelernt hat.

Dieter herzmann «Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt» kann sicherlich als Sinnspruch für die Erfahrungen der letzten Jahre im Mobile Publishing verwendet werden. Der Endkunde bestimmt mit seinen Bedürfnissen und seinem Nutzungsverhalten, was er von den Lösungsanbietern, den Informations- und Inhaltsdistributoren erwartet, was ihm gefällt und was im nicht gefällt. Hierfür sind die Analysewerkzeuge, die zum Standard im Mobile Publishing gehören, Gold wert.

Erfahrungen

Es hat sich gezeigt, dass die verschiedenen Altersgruppen Informationen sehr unterschiedlich konsumieren un dass die Nutzung jeweils auch stark vom Anwendungsfall abhängig ist. Dass etwa die Verfügbarkeit neuer Smartphones mit grösseren und höher auflösenden Bildschirmen plötzlich zu vermehrtem Informationskonsum auf den Smartphones statt den Tablets führt. Oder dass der Konsument aufgrund der verbesserten Netzerschliessung zunehmend mehr und permanent multimediale Inhalte erwartet. Dass alle Inhalte aber auch bitteschön online und offline verfügbar sein sollen. Dass sehr wohl zwischen schnellen, kurzen und ausführlichen, zeitlich anders getrimmten Informationshappen unterschieden wird. Dass das vom Print Publishing her bekannte Publizieren einzelner Ausgaben im Mobile Publishing überholt ist und eine andere Choreografie und Kadenz der Inhalte notwendig wird. Dass sich die Grenzen des Kaufverhaltens von digitalen Inhalten ständig verschieben. Dass dem Nutzererlebnis in den verfügbaren Zeitfenstern höchste Bedeutung beigemessen werden muss. Dass die Verknüpfung von Print-, App- und Webinhalten richtig kuratiert sein will. Dass das Inserategeschäft grundlegend zu überdenken ist. Und so weiter und so fort. Hier könnte man fast endlos mit weiteren Erfahrungswerten aufwarten.

Migration zu DPS 2015

Diese Erfahrungen führten bei Adobe dazu, Konzept und Technik der Digital Publishing Suite grundlegend zu überdenken. Herausgekommen ist mit der Digital Publishing Solution (DPS 2015) eine vollständig neu entwickelte Lösung, die in einer kurzen Betaphase von über 4000 Nutzern getestet wurde. Erste Unternehmen, Agenturen und Verlage stellten anlässlich der Präsentation der DPS 2015 Ende Juli in New York auch schon Apps mit der neuen Lösung vor. Wie zu erwarten war, wird die «alte» DPS noch eine ganze Weile parallel zur DPS 2015 betrieben.

Zur Zeit gibt es kein definiertes Enddatum. Kunden, die einen bestehenden DPS-Vertrag haben, bekommen ohne Aufpreis auch Zugriff auf die neue Technologie. Mit der Möglichkeit, über einen Migrationsassistenten Inhalte von der DPS zur DPS 2015 zu übertragen, ist eine elegante Migration gegeben. So lassen sich erste Tests mit bestehenden Inhalten durchführen, und dem Endkunden kann ein neues Nutzererlebnis präsentiert werden. Aber aufgepasst: InDesign CC 2014, CC und CS 6 unterstützen die DPS und die DPS 2015. InDesign CC 2015 unterstützt nur noch die DPS 2015.

Natürlich lassen sich neben pixelgenau aufgebauten InDesign-Inhalten auch adaptive HTML-Informationen mitsamt eingebetteten JavaScript-Funktionalitäten verarbeiten. Und all das lässt sich über vorgeschaltete Web-Content-Management- oder Redak-tionssysteme einspeisen. Die Anbindung an solche Drittsysteme kann ebenfalls übernommen werden, da die meisten APIs der DPS 2015 denjenigen der DPS entsprechen.

Artikel stehen im Zentrum

Macht man die ersten Gehversuche in DPS 2015, fällt das neue Konzept schnell auf: Artikel als kleinste Informationseinheiten stehen im Zentrum. Diese werden zum Beispiel mit Bannern und Metadaten ergänzt und mithilfe von Sammlungen (Collections) dem Kommunikationsbedarf entsprechend zusammengefasst. Mit dieser Technik werden auch Menüs aufgebaut. Verschachtelungen wie Sammlungen in Sammlungen sind ebenfalls möglich. Auf Karten (Cards) werden die Artikel- und Sammlungsvorschauen dem Anwender präsentiert. Die Karten wiederum liegen auf einem Anordnungsraster (Layouts), das die unterste Strukturebene darstellt. All dies wird innerhalb einer App zur Verfügung gestellt. Organisatorisch ist die App einem Projekt zugewiesen, in welchem verschiedenen Personen in ihren Rollen mit unterschiedlichen Berechtigungen ihre Aufgaben erledigen. Erreicht wird damit, dass die Präsentationsebene flexibler wird, dass Inhalte unterschiedlich zusammengesetzt präsentiert werden können und vor allem auch, dass die meisten Elemente über Metadaten beispielsweise nach Relevanz, nach Aktualität oder nach Wichtigkeit steuerbar und automatisierbar werden. Das sind somit allerbeste Voraussetzungen, Continuous und Discontinuous Mobile Publishing parallel zu betreiben und das ganze effizienter und damit kostengünstiger zu machen.

Neue Flexibilität

Die Elemente Projekte, Rollen, Sammlungen, Karten und Layouts erlauben einen völlig anderen Umgang mit den Informationen als bisher. Sei es auf Ebene des Einstiegsbildschirms, bei der Navigation, bei Social-Sharing-Mechanismen oder beim Vertrieb kostenpflichtiger Inhalte. Die alte ausgabenorientierte Sichtweise wird zugunsten eines modernen Vermittelns von Informationseinheiten aufgegeben. Die beste Voraussetzung für Unternehmen, Agenturen, Mediendienstleister und Verlage, mobiles Publizieren mit DPS 2015 als zentrale Methode für die On- und Offline-Kommunikation einzusetzen. Zugegeben, diese neue Technologie will erlernt und in ihren konzeptionellen Grundzügen verstanden sein. Es hilft deshalb, dass man sich zuerst mit den Strukturelementen wie Projekt, Sammlungen, Karten oder Layouts auseinandersetzt, diese in den Kontext des jeweiligen Anwendungsfalls bringt und daraus eine durchdachte Navigation und Inhaltspräsentation entwickelt, bevor man sich mit weiteren technischen Details der DPS 2015 auseinandersetzt. Dabei hilft der Griff zu Bleistift und Papier meist mehr als der direkte Einstieg in die Software. Nicht vergessen sollte man dabei, dass in naher Zukunft auch Veränderungen seitens Apple, Google oder Microsoft weiteren Einfluss auf das mobile Publizieren haben werden. So fällt unter iOS 9 der Zeitungskiosk (Newsstand) weg und wird durch eine News-App mehr oder weniger ersetzt. Dafür stellt Apple auch die Software News Publisher zur Verfügung. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese neue Technik im Vergleich zu den ungleich flexibleren und umfassenderen Einsatzmöglichkeiten der Digital Publishing Solution durchsetzt.

Einsteigen bitte

Wer bisher noch nicht mit der DPS auf Tuchfühlung gegangen ist, sollte dies nachholen. Die Voraussetzungen dazu waren nie besser als heute. Es stehen dafür alle Zutaten zur Verfügung: Die Software, die Dokumentation, die Anbindung an Drittsysteme, die App Stores, die Netzwerke, die Endgeräte und nicht zuletzt genügend Wissen für Training und Projektunterstützung. Schnuppern Sie rein in erste Lösungen, welche mit DPS 2015 erstellt wurden: bit.ly/madewithdps.

Der Autor

Dieter Herzmann ist Partner bei der Topix AG und hat über sechs Jahre Erfahrung mit Mobile-Publishing-Projekten. Die Topix AG ist ­europaweit einer der wenigen zertifizierten Adobe-DPS-Experts.

dieter.herzmann@topix.ch

Tel. +41 71 313 80 40