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Das PDF der n�chsten Generation

Im Mai 2017 fanden die «PDF Days Europe» in Berlin statt. Im Rahmen dieser, von der PDF Association organisierten Veranstaltung, wurde die neue Generation des «PDF» präsentiert. Wie geht es weiter mit dem Portable Document Format? 

Christoph SteffensStephan Jaeggi schrieb in seinem Blog zum 20. Geburtstag des «Portable Document Format» am 20. September 2011: «Vor zwanzig Jahren stellte der Adobe-Gründer John Warnock auf der Seybold-Konferenz in San Jose das Konzept von PDF zum ersten Mal öffentlich vor. [...] Ich erinnere mich noch gut, wie Warnock die Titelseite der ComputerWeek auf dem Mac in eine Datei druckte, diese auf eine Diskette kopierte und dann in einem Programm namens «Carousel» (der Codename von Acrobat) auf einem Windows-Rechner geöffnet hat. Und die Seite sah auf dem PC dank der eingebetteten Fonts identisch aus wie auf dem Mac. Damals war das eine Sensation, denn ein plattformübergreifender Datenaustausch von gestalteten Seiten galt als unmöglich.»

Seit Mitte 2008 ist PDF als ISO 32000-1:2008 ein offener Standard und damit ist die Weiterentwicklung des Datenformats nicht mehr von den Interessen von Adobe abhängig, sondern von den Anforderungen der Anwender.

Vertreten werden die Anwender (und natürlich die Industrie) von der PDF Association. Dieser Herstellerverband hat erkannt, dass sich die Anforderungen an das Datenformat geändert haben. Die Sensation von 1991 ist Alltag geworden. Heute ist die Herausforderung, Inhalte auf unterschiedlich grosse Endgeräte zu bringen. Die Nutzer wollen Daten auch auf dem Smartphone konsumieren. Und da bringt ein PDF mehr Probleme als Lösungen. Um das gerade erworbene Flugticket oder die Eintrittskarte per PDF auf dem iPhone zu begutachten, muss man zoomen und pinchen, bis das Display qualmt.

Von diesem Problem wissen wir Pub­lisher schon lange, weswegen wir zunehmend mit HTML5 publizieren. Mit dieser Technologie ist Responsivität kein Problem. Nun hat die PDF Association dem PDF 2.0 ein erweitertes Tagging spendiert und damit das PDF-Datenformat ertüchtigt, ebenfalls responsiv zu werden.

Das Ergebnis, der erste nicht von Adobe entwickelte PDF-Standard, wurde im Mai in Berlin vorgestellt: Er trägt die Nummer 32000-2. Das bedeutet also, dass der Begriff PDF 2.0 nicht bloss ein Business-Buzzword wie Industrie 4.0 ist, hinter dem nichts Konkretes steht. PDF 2.0 wird in den nächsten Versionen von Acrobat, InDesign und Co. zur Verfügung stehen.

Killerfeature

Tags und Strukturen in PDFs sind zwar ein alter Hut und der eine oder andere Leser hat auch schon ein PDF gesehen, das den Textumbruch verändert, wenn das Fenster von Acrobat verkleinert wird. Mit PDF 2.0 wird diese Funktionalität jedoch komplett überarbeitet und umgebaut.

13 Strukturelemente werden entfallen, dafür kommen acht neue Elemente hinzu. Die Beschreibung, Attribute und Funktionalität der bestehenden Tags wurden überarbeitet und das aus HTML bekannte Modell von Namensräumen wird aufgegriffen. Ferner werden MathML und anderen Nicht-PDF-Struktur-Elemente in den Standard aufgenommen.

Nutzen können dies dann Publikationen, die höhere Anforderungen an die Gestaltung haben und deswegen gerne PDF sein möchten, aber auch auf kleinen Geräten bequem konsumierbar sein wollen. Vorteile ergeben sich für die Hersteller und die Konsumenten von barrierefreien PDFs. Aber auch die Erschliessbarkeit von PDFs für Internet-Suchmaschinen verbessert sich durch ein konsequentes und konsistentes Taggen von PDF-Inhalten und deren Metadaten enorm.

New Generation PDF

Um diese Taggingtechnologie vollumfänglich zu nutzen, muss der Publish­er allerdings noch etwas warten. Es wird nicht ausreichen, «nur» ein PDF 2.0 zu exportieren, wenn das dereinst möglich ist. Zusätzlich müssen Standards angepasst werden, beispielsweise das barrierefreie PDF/UA, um die Regeln diesbezüglich festz ulegen. Auch daran werkeln die Arbeitsgruppen schon, aber ein Veröffentlichungstermin wurde nicht genannt. Im Rahmen der PDF Days wurde angekündigt, dass ein Angriff auf das bekannte ePUB-Format erfolgen wird. Einige Probleme rund um dieses Format und dessen Weiterentwicklung könnten mit PDF 2.0 gelöst werden.

Neue Features

Die Liste der neuen Features ist nicht lang, die Details haben es aber in sich:

  • Verbessert wurden beispielsweise die Verschlüsselungsmöglichkeiten. Das war zu erwarten, da sich diese Technologie stetig weiterentwickelt.
  • An der Kommentarfunktion wurde gewerkelt, so stehen weitere Audio- und Videokommentare zur Verfügung.
  • Die Sicherheit der PDF wird durch aktuelle Signaturtechnologie erhöht.
  • Die Unterstützung von angehängten Dateien wird verbessert, beispielsweise durch die Möglichkeit, Vorschauen anzuzeigen.
  • 3D-Daten (PRC-Format) werden besser unterstützt
  • Es werden einige proprietäre Technologien aus dem Standard entfernt und durch offenen (Web-)Technologien ersetzt.
  • Und die Drucktechnik?

    PDF 2.0 unterstützt «Black Point Compensation», eine weitere ISO-Norm (18619:2015). Dies verspricht eine verbesserte Darstellung von Details in Schattenbereichen von Abbildungen.

    Aktuelle PDF-Formate und damit auch Standards wie PDF/X erlauben lediglich einen Output-Intent pro Datei. Der Ersteller muss der Druckerei also eine PDF-Datei für den auf der Bogendruckmaschine zu druckenden Umschlag geben und eine weitere für den Inhalt, der auf Rolle gedruckt werden soll. PDF 2.0 erlaubt nun Output-Intent pro Seite. So kann das komplette Werk in einem PDF weitergegeben werden. Jede Seite liesse sich theoretisch auf einem anderen Gerät ausgegeben.

    Leider hat man die Chance nicht genutzt, gleich Output-Intents pro Objekt zu erlauben. Dann hätte man Anzeigen aus unterschiedlichen Quellen mit verschiedenen Ausgabeprofilen auf einer Seite in ein PDF packen können.

    Fazit

    Wir Publisher müssen nun abwarten, wann und wie die Hersteller unsere Werkzeuge anpassen.

    Insbesondere für InDesign wird es interessant, wie die Taggingtechnologie implementiert wird. Aktuell wird die Dokumentstruktur in einem InDesign-Dokument noch stiefmütterlich integriert. Seit InDesign CS4 hat Adobe an der Stelle nichts mehr weiterentwickelt. Vielleicht ein Zeichen, dass in der nächsten Version die notwendigen Schritte getan werden, die dann auch einen PDF-2.0-Export ermöglichen. ↑

    Ein «Next Generation PDF» für die Publishing-Industrie

    Stephan Jaeggi ist die internationale Instanz in Sachen PDF (pdf-aktuell.ch). Er war in dem Arbeitskreis tätig, der sich über das «Next Generation PDF» Gedanken gemacht hat. Schon 1991 war Jaeggi «Augenzeuge» bei der Geburt von PDF, als Adobe das Projekt Camelot vorgestellt hatte.

    Publisher: Was erwartet die Publishing-Industrie durch «Next Generation PDF»?

    Das aktuelle PDF ist ein statisches Format mit fester Seitengrösse. Dieses ist für mobile Geräte mit kleinen Bildschirmen eher ungeeignet. Eine Zeitungsseite lässt sich auf einem Mobiltelefon äusserst schlecht lesen. Deshalb suchen viele Publisher nach alternativen Datenformaten (Apps, ePub, HTML5) für ihre digitalen Publikationen. Viele Vorteile von PDF (Gestaltungstreue, guter Druck, ...) gehen dabei verloren. Eine Verknüpfung der Vorteile von PDF und HTML5 in einer einzigen Datei ist daher verlockend.

    Welche Auswirkungen wird das neue PDF auf unsere Arbeit haben?

    Zur Erzeugung einer «Next Generation PDF»-Datei werden zwingend Dokumentstrukturen in Form von Tags benötigt (wie zum Beispiel für PDF/UA). Heute sind die meisten Publikationen nach meiner Erfahrung nicht für den Export von (korrekten) Tags vorbereitet. Ein nachträgliches Hinzufügen von Tags ist eine Sisyphusarbeit und daher nicht zu empfehlen. Man wird in Zukunft mehr Arbeit in die Planung und Strukturierung einer Publikation investieren müssen.

    Warum ist es so wichtig, dass das PDF seit 2007 ein ISO-Standard ist?

    Die Übergabe der Rechte am PDF an die ISO durch Adobe hat eine grosse Bedeutung für diejenigen ISO-Standards, die auf PDF basieren (PDF/X, PDF/A, PDF/UA, PDF/E), da keine Abhängigkeit von einer einzelnen Firma mehr besteht und die Bedürfnisse unterschiedlicher Branchen berücksichtigt werden können. Auch «Next Generation PDF» soll zu einem ISO-Standard werden.

    PDF Association und PDF Days

    Das Ziel des Herstellerverbandes Association for Digital Document Standards e.V. mit Sitz in Berlin ist es, PDF-Anwendungen für digitale Dokumente zu fördern, die auf offenen Standards basieren. Derzeit sind mehr als 100 Unternehmen und zahlreiche Experten aus mehr als 20 Ländern Mitglied der PDF Association. Neben Herstellern können auch Anwender Mitglied werden.

    Die PDF Days Europe richten sich in erster Linie an Anwender. Es wird gezeigt, wie die PDF-Technologie zur Lösung von Geschäftsproblemen beiträgt. Keine andere Veranstaltung bietet eine derartige Fülle an Informationen rund um das Portable Document Format. Sie adressiert in erster Linie IT-Manager, ECM-Strategen, Entscheider und Entwickler von PDF-Anwendungen. Sie können sich in nur zwei Tagen aus mehr als 35 Beiträgen ihr persönliches Wissenspaket rund um PDF als weltweiten Standard schnüren. Ausserdem haben Sie Gelegenheit, ihr Netzwerk mit Experten und Anwendern zu erweitern. Die aktuellen Vorträge stehen auf der Website zur Verfügung. www.pdfa.org

    Christoph Steffens begleitet das Publishing seit vielen Jahren als Anwender, Autor, Referent und Standortleiter der InDesign User Group Stuttgart. Er arbeitet in einem grossen deutschen Verlag. christoph.steffens@gmail.com