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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


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Das neue Zeitalter des Tablet Publishing

Mit den Werkzeugen des Desktop Publishing lassen sich nicht mehr nur Druckerzeugnisse erstellen, sondern auch Dokumente und Publikationen für immer mehr Tablets. Der Weg auf diese Wiedergabegeräte war noch nie so einfach wie heute.

Jürgen Franck Mit dem letzten Artikel dieser kleinen Zeitreise durch die Entwicklung des Publishing sind wir beim jüngsten Coup des elektronischen Publizierens angekommen, dem Tablet Publishing. Wer diesen Begriff so nicht kennt: Oft wird auch die etwas unglückliche Bezeichnung Digital Publishing verwendet, die aber nach Auffassung des Autors genauso wenig geeignet ist, wie sich Desktop Publishing als Bezeichnung für die Herstellung von digitalen Druckvorlagen aufdrängt … Idealerweise würde man bei der Benennung immer auch das Ausgabeziel verwenden: Das wäre dann Print Publishing, Web Publishing (dieser Begriff wird tatsächlich verwendet) und eben Tablet Publishing.

Den Begriff Digital Publishing für die Ausgabe von Dokumenten auf Tablets zu verwenden, ist auch deshalb nicht ideal, weil Adobe diesen bereits für ihre Tablet-Publishing-Gesamt­lösung verwendet (Digital Publishing Suite, kurz DPS) – und weil solche Dokumente und Apps ja nicht nur via InDesign erstellt werden können. Denn es gibt sogar eine ganze Reihe von Technologien und Programmen, die das Veröffentlichen von Dokumenten auf einem Tablet ermöglichen.

Wirrwarr bei den Formaten

Zum einen existieren die offenen Formate wie PDF (.pdf = ISO 32000-1:2008) und ePUB (.epub = Standard für E-Books des International Digital Publishing Forum [IDPF]). Diese Formate haben den Vorteil, dass sie auf allen Tablets dargestellt werden können. Ein PDF-Dokument wird entsprechend auf das Bildschirmformat skaliert, ein ePUB-Dokument passt die Satzbreite automatisch an das Tabletformat an. Weiter existieren proprietäre, also von den Herstellern nicht offengelegte Dateiformate. Dazu zählen die Formate .iBooks von Apple, .folio von Adobe und .ave von Quark.

ePUB mit Vorteilen

Am sympathischsten ist das ePUB-Format. Dieses Format ist nicht nur offengelegt und basiert auf Webstandards wie XHTML und CSS, es lässt sich auch gerade deshalb aus sehr vielen unterschiedlichen Programmen erzeugen und in der Konsequenz ebenso auf sehr vielen unterschiedlichen Geräten abbilden. Sogar mit den Open-Source-Paketen OpenOffice oder Libre­Office ist es möglich, ePUB-Dokumente zu erstellen, sofern die Programmerweiterung Write2ePub installiert ist. Auch Microsoft Word oder Apple Pages können Dokumente im ePUB-Format exportieren. Dann kann das Dokument nicht nur auf PCs und Macs, sondern auch auf einer Vielzahl von anderen Geräten wie Smartphones, eReadern und Tablets abgespielt werden. Der Vorteil des Formats ist neben der geringen Datenmenge die Tatsache, dass der Anwender ein Stück weit über das Aussehen entscheiden kann – zumindest was die Schriftgrösse oder auch die Schrift selbst angeht. Zudem kann das Format auch auf dem Desktop-Rechner mit entsprechenden Readern angeschaut werden – wie beim PDF muss aber eine Reader-Software wie etwa der kostenlose eBook-Reader Adobe Digital Editions für Mac und Windows oder die zusätzlich noch für Linux zur Verfügung stehende Software Calibre (calibre-ebook.com) installiert sein.

Layoutzentrische Produkte

Soll das Ergebnis des Dokuments jedoch durch den Entwickler/Gestalter einer Publikation festgelegt werden, ist die Schrift bestimmt oder sind typografische Eingriffe notwendig, dann müssen andere Tools her und auch andere Formate verwendet werden. Die Formate .ibooks, .folio oder .ave sind konzeptionell anders als ePUB, sie ermöglichen die Ausgabe von gestalteten Dokumenten. Die Platzierung von Text, Grafik und Bild wird 1:1 auf dem Tablet wiedergegeben. Die leistungs­fähigsten Werkzeuge sind hier die beiden DTP-Programme Adobe InDesign und QuarkXPress. Das Programm iBooks Author von Apple ist anders positioniert – damit lassen sich ebenfalls gestaltete Dokumente erstellen, die gestalterischen und typografischen Möglichkeiten sind aber auf einem tieferen Level. Das Programm hat Apple exklusiv für die Herstellung von iBooks entwickelt, weshalb die Dokumente leider nur in der dafür vorgesehenen App dargestellt werden können. Schade, denn die Software ist sehr einfach zu bedienen und vor allem ist sie kostenlos im App Store erhältlich.

Apps von den Profi-Tools

Für professionell gestaltete Dokumente sind daher die neusten Versionen der Layoutprogramme zu empfehlen. Bis zu den heutigen Versionen war es ein teils steiniger Weg, von dem glücklicherweise nicht mehr viel zu spüren ist. Mit den gleichen Tools, die auch für die Erstellung interaktiver Dokumente verwendet werden, können Dokumente für Tablets erstellt werden; Flash bzw. Dateien im .swf-Format sowie .flv-Videos bleiben jedoch aus firmenpolitischen Gründen auf den iOS-Geräten aussen vor.

Die Rolle der Cloud

Der Hauptunterschied zwischen dem Tablet und dem Print Publishing ist jedoch an einem ganz anderen Ort. Die digitalen Ausgaben können nicht mehr wie im Printbereich «ausgetragen» oder physisch verteilt werden. Die Drehscheibe der virtuellen Tabletdokumente ist eine grosse Festplatte irgendwo im Internet, was gerne als Cloud bezeichnet wird. Diese digitale, virtuelle Wolke ist der neue Dreh- und Angelpunkt des Tablet Publishing. Die vielen Clouds sind dann so etwas wie eine Art iTunes der digital verfügbaren Bücher und Dokumente. Doch so wie die Musikindustrie und auch die Filmindustrie nicht ganz zufrieden sind mit dem noch immer sehr jungen Absatzkanal, so sind auch die Verlage in der Bredouille. Denn der Vertrieb, der gerne von Apple, Google oder Amazon übernommen wird, knabbert an den Margen der Verlagshäuser. Dafür, so das Gegenargument, haben Verlage überhaupt erst eine zusätzliche Einnahmequelle und müssen sich weder um Abwicklung noch um Akquise kümmern.

So kann man es auch sehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Fronten langfristig entwickeln. Gleiches gilt für die unterschiedlichen Geschäftsmodelle beim Verteilen der digitalen Publikationen. Soll heissen: Die technischen Pflöcke sind fürs Erste eingeschlagen; nun fehlt eine Verbesserung im Sinne der Verlagswelt und der Printmedienindustrie. Und trotz dieser relativ grossen Fortschritte im technischen Bereich ist auch die aktuelle Art des Publizierens nicht der Weisheit letzter Schluss.

Tablet Publishing: eine Frage des «Formats»

Grundlegend anders im Vergleich zum Print Publishing ist die entgangene Freiheit beim Format. Statt eines beliebigen (Papier)Formats entscheidet bei den heutigen Ansätzen die Monitorgrösse des Tablets über das Format der Publikation. Die derzeitige Situation ist trotz dieser Einschränkung komplex, wenn Informationen für verschiedene Tablets aufbereitet werden sollen. ­Produkte wie iPad, iPad mini, Galaxy Tab, PlayBook, Kindle, Nook etc. unterscheiden sich zudem nicht nur im Format, sondern auch in der Auflösung des Monitors; auch muss überlegt werden, ob eine Publikation für das Hoch- oder das Querformat – oder für beide Formate – erstellt werden soll.

Der Autor

Der gelernte Schriftsetzer Jürgen Franck verfolgt seit vielen Jahren und mit sehr grossem Interesse die Ent­wicklungen rund um das «Digital Publishing». Der Autor ist hauptberuflich als Lehrer an der Berufsschule für Gestaltung Zürich in der Grund- und Weiter­bildung tätig.