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Drucken im Zeitalter Digital

Mit «touch the future» haben die Veranstalter den passenden Slogan für eine Branche gefunden, die einem so intensiven Transformationsprozess unterliegt wie selten zuvor. Deshalb soll die Drupa 2016 eine Plattform für Zukunftstechnologien sein.

Michael Seidl Mit einer neuen strategischen Ausrichtung, einer kürzeren Dauer von elf Messetagen, neuem Erscheinungsbild und einem auf drei Jahre verkürzten Turnus wird die Weltleitmesse Drupa am 31. Mai mit rund 1650 Ausstellern aus über 50 Ländern an den Start gehen. Die Drupa wird eine Plattform für Zukunftstechnologien wie Print, Packaging Production, Multichannel, 3D-Printing, Functional Printing oder Green Printing sein.

Claus Bolza-Schünemann, KBA-CEO und zugleich Vorsitzender des Drupa-Komitees kann sich freuen. Laut dem aktuellen Konzernergebnis weist man einen zwar kleinen, aber dennoch Gewinn aus. In einer Aussendung meinte er dazu, dass sein Unternehmen dem strategischen Ziel, die Umsätze in den Wachstumsmärkten Verpackungs- und Digitaldruck zu steigern und dadurch die Abhängigkeit vom zyklischen Sicherheits- und medienorientierten Publikationsdruck zu reduzieren, ein gutes Stück näher gekommen sei. Bei Neumaschinen liegt der Verpackungsanteil bei KBA inzwischen bei ca. 70 Prozent. Damit liegt das Unternehmen voll im Verpackungstrend, der auch auf der Drupa spürbar zu sehen sein wird.

Packaging: weltweites Wachstum

Unverpackte Lebensmittel verderben schnell. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit 1,3 Milliarden Tonnen jährlich in den Abfall wandern, weil sie auf dem Weg zum Verbraucher schlecht werden. Je nach Region sind es 20 bis über 40% der verfügbaren Lebensmittel, die mangels adäquater Verpackung verderben. Die Konservierung in folienbeschichteten Kartons, in Kunststofffolien, Dosen oder auch Flaschen kann einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung von Hunger leisten und Erkrankungen infolge von mangelnder Hygiene vorbeugen. Auch nicht verderbliche Waren werden durch Verpackungen vor Beschädigungen geschützt, die ihren Wert mindern oder sie gar unverkäuflich machen.

Neben dieser ureigensten Funktion können Verpackungen sehr viel mehr. So dienen sie als Kommunikationsoberfläche. Patienten entnehmen ihnen wichtige Informationen über Medikamente. Logistiker finden auf Kartons Informationen zum Inhalt. Und Hersteller können über Verpackungen Marketing-Botschaften an ihre Kunden übermitteln. Mit aufgedruckten QR-Codes lassen sich diese Botschaften multimedial einbetten. Solche informativen, edel gestalteten Verpackungen leisten einen wichtigen Beitrag zum Produkterlebnis. Ihr Design prägt das Bild, das sich Verbraucher von einer Marke machen. Eine positive, hochwertige Anmutung der Verpackung sendet am Point-of-Sale häufig den entscheidenden Kaufanreiz aus. Und sie trägt Untersuchungen zufolge in erheblichem Mass zur Markenbindung bei. Wo Produkte ausgereift und Wettbewerber unter Qualitätskriterien kaum noch unterscheidbar sind, kommt es mehr denn je auf das Äussere an. Drucktechnik, in Verbindung mit neuen Materialien und Tinten, veredelt Verpackungen nicht nur optisch, sondern auch haptisch.

Der steigende Bedarf an Verpackungen wird aktuellen Prognosen zufolge zwischen 2013 und 2018 ein Umsatzwachstum um 187 Milliarden US-Dollar auslösen, durch das der globale Packaging-Markt auf 975 Milliarden US-Dollar wachsen wird. Treiber sind der dringende Bedarf an haltbaren Lebensmitteln, das steigende Bewusstsein für Hygiene und zunehmende Konsumbereitschaft der wachsenden Mittelschichten in Schwellen- und Entwicklungsländern. Gerade um diese neue Kundschaft langfristig an ihre Marken zu binden, nutzen Hersteller edel anmutende Verpackungen. Auf der Drupa werden praktisch alle Hersteller digitaler Drucksystem entweder neue oder verbesserte Systeme zeigen:

Epson zeigt die Druckmaschine SurePress L-6034VW mit Single-Pass-Technologie, PrecisionCore-Linien­druckkopf und LED-härtender UV-Tinte. Eine digitale Inline-Lackierung steht dabei ebenso zur Verfügung wie eine hochdeckende weisse Tinte. Zum SurePress-Sortiment gehört auch die SurePress L-4033AW mit Sieben-Farben-Tintenstrahltechnologie – gedacht für Etiketten, die in kleiner Auflage hergestellt werden. Vielfältige Substrate wie strukturiertes Papier sowie Kunststoff- und Metallic-Folien werden unterstützt.

Fujifilm hat eine LED-UV-Inkjet-Digi­taldruckmaschine für den Druck von flexiblen Verpackungen angekündigt. Die Maschine soll eine Druckgeschwindigkeit von bis zu 50 Meter pro Minute bei Fünffarbendruck (CMYKW) erreichen. Da sie mit einem LED-UV-Härtungs- und -Trocknungssystem ausgestattet ist, wird das Substrat durch die geringe Wärmeeinstrahlung weniger belastet, wodurch die Druckmaschine für eine Vielzahl von flexiblen Substraten geeignet ist.

HP wird erstmals als Hersteller von digitalen Systemen den grössten Stand haben. Das Unternehmen möchte diese Dominanz auch mit neuen Produkten und Services untermauern. Digitaldruck ist etwas, mit dem HP Indigo gross geworden ist, und so soll es auch bleiben. Diese Geisteshaltung bekam man kürzlich in Israel recht deutlich zu spüren, als das Unternehmen acht neue Anlagen vorstellte, die auf der Drupa präsentiert werden und zudem schnell auch vermarktet werden sollen. HP Indigo hat an den vorgestellten Anlagen massive Verbesserungen in punkto Geschwindigkeit, Qualität und Farbkontrollmanagement durchgeführt, die das Drucken anhand der gezeigten Beispiele und Möglichkeiten auf eine neue Ebene heben.

Bei den neuen Systemen handelt es sich um fünf HP-Indigo- und drei HP-PageWide-Maschinen. Auf Basis der seit mehr als 20 Jahren eingesetzten Liquid Electrophotography Technologie (LEP) wird das Bogenportfolio mit den HP Indigo 12 000, 7900 und 5900 erweitert. Mit Sicherheit eine Überraschung ist die Duplex-Rollenmaschine im B1-Format HP Indigo 50 000 und die superschnelle Narrow-Maschine HP Indigo 8000 für den Etikettenmarkt. Neu ist auch die HP Indigo WS6800p Digital Press für Foto-Spezialanwendungen. Die HP Indigo 20 000 und 30 000 erhalten zudem markante Upgrades.

Auf der Messe wird das neue Digitaldrucksystem Heidelberg Primefire 106 Weltpremiere feiern. In weniger als zwei Jahren hat das Unternehmen zusammen mit Fujifilm ein neues Angebot für den industriellen Digitaldruck entwickelt. Nach der Vorstellung auf der Messe ist der Verkaufsstart für das Jahr 2017 vorgesehen.

Die Branche wird gespannt auf die Produkte von Landa blicken, verbunden mit der Frage, ready (und verkaufsbereit) or not? Sicher ist, dass Landa mit der W10 Nanographic Printing eine Druckmaschine für flexible Verpackungen zeigen wird. Die ein Meter breite Hochgeschwindigkeitsanlage wird bis zu acht Farben auf Kunststoffverpackungsfolien, Papier, Karton und Aluminiumfolie drucken können. Die Geschwindigkeit liegt bei 200 Metern pro Minute. Die Maschine soll erschwingliche kleine bis mittlere Auflagen in Tiefdruckqualität ermöglichen. Laut dem Unternehmen sollen Kosten und Produktivität dem Flexodruck Konkurrenz machen. Vorgestellt werden zudem Nanographic-Printing-Bogendruckmaschinen, einschliesslich der Landa S10 für Faltschachtelkarton und POP sowie die Landa S10P Wendemaschine für Akzidenzdruck. Gezeigt wird mit der Nano-Metallography eine neue Technologie. Dabei soll es sich um ein Zero-Waste-Metallisierungsverfahren handeln, das die Kosten von metallisiertem Druck um die Hälfte reduzieren soll.

Xeikon setzt auf die Fusion-Technologie, die das Bedrucken und Veredeln von Etiketten und Verpackungen im Vollfarb-Produktionsdruck in einem Durchgang ermöglichen soll. Die Technologie richtet sich an Hersteller von Premium-Etiketten und -Verpackungen. Sie umfasst eine Reihe von Veredelungsmodulen. Voll ausgereift dürften diese allerdings noch nicht sein und erst nach und nach auf den Markt gelangen. Sie werden nicht inline zur Druckmaschine installiert, sondern sind Komponenten eines neuen modularen Systems. Zu den potenziellen digitalen Veredelungsformen gehören Heiss-/Kaltfolienprägungen, Siebdruck in Weiss, Strukturlacke und partielle Spotlackierungen sowie ein Braille-Modul für Blindenschrift.

Megatrend Print 4.0

Claus Bolza-Schünemann sieht zudem die fünf Buchstaben der Drupa als die Trendmarker der Branche. «D» steht für Digitalisierung der Drucktechnik, das «R» für Rapid Manufacturing und auch 3D-Druck, das «U» für Utilities in Bezug auf neue Verbrauchsmaterialien, Substrate etc., das «P» steht für Packaging und last but not least das «A» für Applications im funktionalen und industriellen Druck.

Der Megatrend auf der Drupa 2016 wird Print 4.0 sein, so Claus Bolza-Schünemann: «Print 4.0 ermöglicht die Individualisierung und Personalisierung im Digitaldruck. Für hochwertige Verpackungen oder für die rasch wachsende Vielfalt von Lösungen im industriellen und funktionalen Druck ist diese digitale Vernetzung von Maschinen und Systemen die Lösung und gleichzeitig Garant für Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit.» Mit dieser Aussage bestätigt er einen Trend, der wie in anderen Branchen schon vor Jahren mit der zunehmenden Digitalisierung begonnen hat. Nur jetzt haben Systeme Lösungen, die wirklich miteinander kommunizieren können und dem Anwender das Produktionsleben erleichtern. Der Bogen, der sich dabei spannen lässt, wird immer grösser und reicht von der intelligenten und automatisierten Produktionsplanung über intelligente Kommunikation mit dem Kunden bis hin zur Kontrolle der Maschine und zur vorbeugenden Wartung.

Mit «Simply Smart» möchte Heidelberg zeigen, wie man sich die digitalisierte Zukunft der Printmedien-Industrie vorstellt. Dabei geht es um die anhaltende Notwendigkeit von Druckereien, die eigene Effizienz zu steigern und immer schneller und flexibler auf die globalen Anforderungen der Endkunden zu reagieren. Dazu müssen Druckereien die Digitalisierung des eigenen Geschäftsmodells gestalten und ihre Kunden in diesen Prozess einbeziehen. Die hochflexible Produktion von immer mehr individualisierten Printprodukten wird zum Standardprozess. Künftig werden Druckereien noch stärker in eine digitale Lieferkette mit Kunden und Lieferanten eingebettet sein, und es werden Zusatzdienstleistungen wie Versand oder Multimedia-Vermarktung erwartet.

Auf jeden Fall lässt sich jetzt schon absehen, dass die Cloud für die Abwicklung der Prozesse und Tools auch in der Druckmedien-Industrie immer wichtiger wird. Als gutes Beispiel mag dafür das neue PrintOS von HP herhalten. Es ermöglicht durch den Einsatz verschiedener Applikationen, die Produktionen besser zu planen, zu steuern, zu verwalten und zu organisieren. Darüber hinaus soll die Kommunikation mit den Kunden verbessert und die Fehlerquoten auf ein Minimum gesenkt werden. Ausgewählte Unternehmen, die in den letzten Monaten damit arbeiteten, äusserten sich durchaus zufrieden mit dem System.

Auch Agfa präsentierte bei seiner Drupa-Pressekonferenz in Mortsel mit «PrintSphere» eine Weblösung, über die Kunden und Drucker eine gemeinsame Plattform zum Datenaustausch haben.

Wenn das «D» bei der Drupa für Digitalisierung steht, so betrifft dies den Digitaldruck auch. Sehr wohl bringen auch andere Anbieter neue Anlagen und Verbesserungen von bestehenden Systemen. Canon zeigt neben den kürzlich vorgestellten Bogensystemen das Inkjet-Endlosdrucksystem Océ Color­Stream 6000 Chroma, ein weiteres Mitglied der ColorStream-Familie, von der bereits 450 Systeme in Europa installiert sind.

Bei Konica Minolta sollen die Produktionsdrucksysteme bizhub PRESS 1250e und die offizielle Markteinführung der B2-Maschine KM-1 die wichtigsten Attraktivitäten sein. Das Unternehmen hat kürzlich bekannt gegeben mit PLS Print Logistic Services Germany GmbH den ersten Beta-Kunden für die UV-Inkjet-Bogendruck­maschine gefunden zu haben.

Kodak hat nicht nur angekündigt, den Prosper-Geschäftsbereich verkaufen zu wollen, sondern möchte auch mit Ultrastream die nächste Generation seiner Inkjet-Technologie zeigen. Darüber hinaus wird man mit der Nexpress ZX3900 die neueste Variante der Digitaldruckproduktionsanlage präsentieren.

Bei Ricoh soll die Inkjet-Endlosdruckplattform Pro VC60000 mit neuen Features und Verbesserungen für mehr Leistung und Produktivität präsentiert werden. Dazu zählen unter anderem eine höhere Druckgeschwindigkeit auf 150 Meter pro Minute. Damit ist sie 25% schneller als zuvor, gewährleistet jedoch weiterhin eine gute Druckqualität. Diese Leistungserweiterung sorgt für eine einzigartige Kombination aus Produktionskapazität und Druckqualität.

Xerox bringt mit der Bogendruckmaschine Brenva HD Production Inkjet Press sowie der Endlosmaschine Trivor 2400 Inkjet Press zwei Produktionsdrucksysteme. Das Unternehmen zielt mit der Brenva auf den Bereich, der von InfoTrends als die «Zone of Disruption» charakterisiert wird. Das System füllt die Lücke zwischen hochvolumigen tonerbasierten Produktionsdrucksystemen und Inkjet-Einstiegsmodellen. Das neue Drucksystem kombiniert die Rentabilität des Inkjet-Drucks mit der Flexibilität eines Bogendrucksystems.

Mit der Trivor 2400 Inkjet Press bietet das Unternehmen seinen Kunden eine Maschine, die mit deren Business mitwachsen kann – ein Drucksystem, skalierbar in Bezug auf Geschwindigkeit, Volumen und Anwendungsvielfalt. Die Anlage kombiniert Leistungsfähigkeit mit einer höheren Geschwindigkeit (168 Meter pro Minute beim Farb- und 200 Meter pro Minute beim Schwarzweissdruck) auf geringer Stellfläche. Mit diesem Drucksystem können Druckereien ihr Portfolio um Kataloge, Magazine und farbige Bücher erweitern und so flexibler auf Kundenanforderungen reagieren.

Rapid Manufacturing / 3D-Druck

Die Drupa 2016 widmet dem 3D-Druck erstmals einen eigenen Schwerpunkt. Live-Demonstrationen, in denen vor Ort kleine Give-Aways für die Besucher ausgedruckt werden, sind angekündigt. Zudem wird hier über Möglichkeiten und Grenzen der additiven Fertigung aufgeklärt. Experten trauen der jungen Technologie gravierenden Einfluss auf industrielle Wertschöpfungsketten zu. Neben dieser industriellen Dimension bergen additive Verfahren auch im Endverbrauchermarkt ein nicht zu unterschätzendes Marktpotenzial, das Raum für neue Geschäftsmodelle schafft. So melden 3D-Druck-Dienstleister eine rasant steigende Nachfrage von Hobby-Modellbauern, Schmuckdesignern und anderen Kreativen. Auch hier etabliert sich bereits ein digitaler Workflow.

Utilities – Vielfalt der Substrate und Verbrauchsmaterialien

Direktdruck auf Flakons und Flaschen aus Glas, auf Kunststofffolien, Metall, Laminat, Armaturen und einer grossen Vielfalt weiterer Substrate ist heute an der Tagesordnung. Um die wachsende Vielfalt der Substrate stets in höchster Präzision und Taktgeschwindigkeit zu bedrucken, schreitet auch die Entwicklung der Druckfarben voran. Gerade der industrielle Digitaldruck ist ein Treiber der Entwicklung. Ein Beispiel ist der Inkjet-Druck auf Fliesen. Schon jede zweite weltweit gefertigte Fliese wird im Inkjet-Verfahren bedruckt. Die dafür eingesetzten Maschinen verarbeiten bis zu einer Tonne Tinte pro Woche.

Auch im grossformatigen Textildruck sind digitale Verfahren im Vormarsch. Maschinen mit Hunderten Druckköpfen bringen darauf individuelle Muster und Farben in höchster Präzision auf. Die Wahl der Tinte hat dabei hohe Bedeutung. Chemie und Nanotechnologie gelten als Schlüsseltechnologien im zukünftigen Druck, um die Adhäsionseigenschaften, Viskosität und Trocknung der Tinten exakt auf die jeweilige Anwendung abzustimmen. Der Inkjet-Tintenmarkt weist jährliche Zuwächse von 10 – 15% auf. Besonders die Nachfrage nach wasserlöslichen und UV-härtenden Tinten steigt rasant.

Das Umsatzvolumen des industriellen Drucks wird sich laut Prognosen der Marktforscher von PIRA bis 2020 auf über 100 Milliarden US-Dollar verdoppeln. Vielfach liefern Druckmaschinenbauer in diesem Markt Druckmodule für die jeweilige Anwendung, die andere Anlagenbauer dann dank abgestimmter Schnittstellen reibungslos in ihre Anlagen und somit in die Prozesswelt ihrer Kunden integrieren können.