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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


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Eine Spielwiese f�r die Zukunft des Publishing

Anfang März hat der Gründer Martin Spaar den PUBLISHER in die Hände von drei Jungunternehmern übergeben. In einem Interview stellen sie sich und ihre Ideen vor.

Martin Spaar: Das ging nun auch für mich ziemlich rasch mit der Übergabe des ­PUBLISHER an euch – darum jetzt nochmals ganz von vorne: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Verleger zu werden?

David Maissen: Wir arbeiteten alle drei bei Schwabe, beziehungsweise den Medienmachern in Muttenz und hatten dort den PUBLISHER abonniert. Laurent hatte im September deinen Aufruf im Editorial bezüglich Nachfolgeregelung gesehen und mich darauf angesprochen. Wir fanden, dass das ganz interessant tönt: also lasst uns den Martin Spaar mal anrufen!

Unmittelbar nach dem ersten Treffen mit dir waren wir uns eigentlich einig: Das wird wohl nichts! Das klassische Zeitschriften-­Geschäftsmodell basierend auf Abos und Inseraten schien uns nicht zukunftsträchtig. «Da verbrennen wir uns nur die Finger», war unsere erste Bilanz.

Laurent Gachnang: Wir haben dann aber die Zeitschrift näher analysiert und deine Unterlagen studiert. Beim Stichwort «Zukunftslabor» ist der Funke dann gesprungen! Wir machten uns daran, ein Konzept auszuarbeiten und dabei wuchs die Begeisterung für das Projekt rasch: Mit neuen technischen Möglichkeiten experimentieren und Konzepte für die digitale Transfor­mation einer Fachzeitschrift erarbeiten und leben – das ist doch genau unser Ding!

David: Richtig! Wir hatten ja eben erst bei der Schwabe AG den Change-Prozess des produzierenden Teils der Firma unter dem neuen Auftritt «Die Medienmacher» mit ­vorangetrieben. Das hatte uns als Team zusammengeschweisst und extrem motiviert.

Laurent: Da ist viel Drive entstanden, gleichzeitig haben wir aber auch gesehen, dass es schwierig ist, eine grössere Firma mit gewachsenen Strukturen in kurzer Zeit zu agilisieren. Da verspricht der PUBLISHER als ­Micro-Verlag viel mehr Freiraum und behandelt zugleich technische sowie organisatorische Veränderungen der Branche im Tagesgeschäft. Beim PUBLISHER ist das Aufzeigen von neuen Wegen prioritär; bei einem Druckdienstleister sind die Zielsetzungen auf den Alltag ausgerichtet. So reifte der Entscheid, mit dem PUBLISHER den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.

Benjamin Schenk: David kam eines Tages zu mir und verkündete: «Ich werde Verleger!» Bald darauf fragte er mich an, ob ich mit von der Partie wäre. Ich solle aber auf jeden Fall noch darüber schlafen und dann Bescheid geben.
David: Benjamins Antwort kam aber postwendend: «Ich bin dabei!»

Ich meinerseits war sehr überrascht, dass sich auf meinen Aufruf ausgerechnet drei Digital Natives als angehende Zeitschriftenverleger gemeldet haben. Eigentlich hatte ich mit meinem Aufruf nur einen ­Produktmanager gesucht, der innerhalb eines bestehenden Verlags den PUBLISHER weiterführen würde. Ihr hättet eure Experimentierlust sicher auch rein digital ausleben können, aber ihr setzt jetzt mit dem PUBLISHER auf eine gedruckte Fachzeitschrift. Wie ist euer Verhältnis zu Print?

Laurent: Print wird immer wieder tot geredet. Da entgegne ich jeweils: «Ach so, ich wurde aber noch nie zu einer ­offiziellen ­Beerdigung eingeladen!» Print hat viel zu bieten, was das Digitale nicht kann. Es geht also darum, Print und Web je mit ihren Stärken zu kombinieren. Ich halte das auch in meinem privaten Nutzerverhalten so: Romane lese ich als E-Books, als Gastrosoph liebe ich jedoch grossformatige, hochwertige Kochbücher mit grossen Bildstrecken, die Lust auf das Kochen machen.

Benjamin: Als gelernter Polygraf komme ich aus der Druckvorstufe, daher habe ich immer noch ein grosses Interesse an Printprodukten. Ich stelle bei mir ab und zu eine digitale Übersättigung fest, beispielsweise beim Thema E-Mail. Ich lese eher Werbung, welche per Post kommt, als die per Mail. Bei der Wahl des Mediums kommt es immer darauf an, welchen Zweck ein Produkt erfüllen soll. Zuhause sind aktuell Kinderbücher hoch im Kurs…

David: Ich bin einerseits sehr stark digital unterwegs, lese E-Books sowie Blogs und Forenbeiträge im Web. Andererseits liebe ich Bücher und habe zuhause eine kleine Sammlung spannender Romane. Ein einschlägiges Wirtschaftsblatt lese ich sogar noch immer in Form einer Zeitung.
Was Print betrifft, seid ihr ja stramm auf einer Linie. Sonst seid ihr aber sehr ­unterschiedliche Typen. Wie würdet ihr euch gegenseitig ­charakterisieren?

Benjamin: David ist unser Informatik- und Technik-Nerd, automatisierte Workflows sind seine Berufung. Mit seinem Know-how bringt er dafür alles Nötige mit. Das passt zu unserem Ansatz, mit dem PUBLISHER nicht nur über technische Innovationen zu schreiben, sondern diese in der Praxis zu leben.

David: Während Benjamin und ich aus dem klassischen Publishing kommen, ist Laurent als E-Book-Pionier in der digitalen Welt zuhause. Er hat Verlagserfahrung und ist ein kommunikativer, leidenschaftlicher Netzwerker. Das prädestiniert ihn, als Chefredaktor den grossen Stab an freien Autoren zu betreuen.
Laurent: Benjamin ist als Polygraf sehr nahe an den Inhalten des PUBLISHER dran. Er ist immer gut drauf und treibt uns mit seinem beispiellosen Optimismus vorwärts – wie der Hase aus der Werbung eines Batterie­produzenten, der nie stillsteht!

Jetzt seid ihr drei also das neue ­Publisher-Team. Wie geht es ­weiter?

Laurent: Wir wollen nicht gleich alles auf den Kopf stellen, sondern auf den bestehenden Stärken des PUBLISHER aufbauen. Dazu gehört der Showcase-Gedanke, der bis jetzt vor allem mit den Covers sehr stark gelebt wurde. Dies wollen wir in andere Richtungen ausbauen, vor allem auch ins Digitale.
Unsere mittelfristige Planung sieht verschiedene Phasen vor: Zuerst die Einarbeitung: da stecken wir jetzt mitten drin. Wir führen viele Gespräche mit allen Beteiligten – von den Lesern über die Autoren bis zu den Inserenten. Dabei wollen wir soviel lernen und aufsaugen wie möglich. Jetzt kommen wir in eine zweite Phase, in welcher wir neue Konzepte ausarbeiten, die wir dann in einem weiteren Schritt lancieren wollen. Das alles nach agiler Vorgehensweise, also in kleinen Schritten mit Test- und Umsetzungsphasen.

David: Viel Handlungsbedarf sehen wir bei der Website. Guter Content ist zwar da, aber viel zu wenig attraktiv präsentiert! Wir arbeiten aktuell mit Hochdruck an einem völlig neuen Auftritt.

Benjamin: Auch der praktische Nutzen der Website für die Abonnenten soll stark gesteigert werden. Sie sollen ihr Abo selbst verwalten können und es soll ein einheitliches Login für alle Bereiche inklusive Shop geben. Dies ist ein Wunsch, den ich auch im Kontakt mit den Lesern zurecht immer wieder höre.

Was sind denn umgekehrt eure Wünsche an die Leser?

Laurent: Wir wünschen uns weiter eine offene Feedback-Kultur, wie wir sie jetzt schon erleben durften. Und dann gerne auch etwas Geduld!

David: Ja, es tun sich doch bezüglich Social Media, Website etc. einige Baustellen auf…

Benjamin: …und als kleines Team sind wir im Tagesgeschäft auch schon ganz gut gefordert. Vieles ist für uns neu. Parallel das Bestehende weiter zu entwickeln ist eine doppelte Herausforderung.
Wenn mal die wichtigsten Schritte in Richtung digitale Transformation getan sind, was kommt dann? Was ist eure Vision? Wie sehen die neuen Geschäftsmodelle aus?

Laurent: Solche Fragen werden uns jetzt häufig gestellt. «Wo steht der PUBLISHER in fünf Jahren?» etc. Unsere Antwort: «Wir wissen es nicht!» Das Ziel ist also noch nicht definiert, der Weg aber schon: Wir wollen den PUBLISHER im Dialog mit der Publishing-Community weiterentwickeln. Und da gehören alle dazu: also die Leser, die Autoren, die Inserenten und die Verbände.

Was gibt euch den Optimismus, dass das gelingt und euch nicht auf halbem Weg die Luft ausgeht?

Laurent: Der PUBLISHER hat ein riesiges Potenzial. Du hast in 26 Jahren eine starke Marke geschaffen – und ganz wichtig – die Unabhängigkeit gewahrt. So sind wir nur der Community verpflichtet und können uns als Kleinverlag und Jungunternehmer agil am Markt bewegen. Und das mittelfristig nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland. Da sehen wir vor allem im ­Lesermarkt grosse Wachstumschancen.

David: Und dann ist ja auch die ganze Publishing-Branche super spannend und dynamisch. Neue Web-Services bieten ein riesiges Potenzial, die Publishing-Abläufe zu automatisieren. Und mit dem Inkjet-Digital­druck rollt auch im Print nochmals eine ­Revolution an. Hier können wir der Branche Anstösse geben und neue Wege aufzeigen.

Benjamin: Ja, auch Print bietet noch ein riesiges Potenzial für Experimente: warum nicht einmal ein ganz anderes Format wählen, oder verschiedene Papiere…

Laurent: Genau, wir sind neugierig und hungrig und das treibt uns drei an. Das war schon in unserer gemeinsamen Zeit bei Schwabe so und jetzt können wir das nicht nur selber leben, sondern in die Publishing-Community tragen. Wir sind dabei nicht der Meinung, dass wir all diese Innovationen selber stemmen müssen. Wir wollen den PUBLISHER noch mehr zur offenen Plattform machen, zur Spielwiese, auf der man beim Experimentieren auch mal auf die Nase fallen darf. Dann heisst es aufstehen, den Staub abklopfen und rein ins nächste Abenteuer! ↑

Benjamin Schenk

Der 32-jährige Laufentaler ist gelernter Polygraf und arbeitet seit fünfzehn Jahren auf seinem Beruf. Durch seine Vielseitigkeit konnte er sowohl im Digitaldruck, direkt an der Maschine, sowie im Bereich ­Lithografie, Web-Publishing, E-Book-Herstellung, Personalisierung, Web-to-Print und in leitenden Rollen der Medienvorstufe viele Erfahrungen sammeln. Zuletzt arbeitete er als Projektleiter im Team Publikationslösungen der Medienmacher AG. Benjamin ist verheiratet und hat zwei Kinder. Neben dem ­Publishing ist er leidenschaftlicher Musiker der Band Last Leaf Down.

Laurent Gachnang

Der 33-jährige Laurent Gachnang ist Gründer des E-Book-Dienstleisters ­mbassador GmbH und seit über 15 Jahren in der Medien- und Unterhaltungsindustrie tätig. Er gilt als Experte für digitales Publizieren und Online Marketing. Zuletzt arbeitete er beim Basler Medienunternehmen Schwabe AG als Marketingverantwortlicher und hat den neuen Auftritt der Medienmacher AG entwickelt. Zudem war er massgeblich an der Lancierung eines Change-Prozesses beteiligt. Als Gastdozent ist er an diversen Fachhochschulen sowie ehrenamtlich als Mentor bei der Startup Academy Basel tätig. Laurent ist verheiratet und Vater einer 2-jährigen Tochter.

David Maissen

Der 31-jährige Aargauer hat seine gesamte berufliche Laufbahn in der grafischen Branche absolviert und kann auf fünfzehn spannende Jahre als Polygraf zurückblicken. Zusätzlich zu seiner Erfahrung in den Bereichen Publishing und Digitaldruck hat er durch seine Ausbildung im Bereich Informatik das Skripten und Konzipieren von Workflows für sich entdeckt. Nebst diesen eher technischen Aspekten begeistert er sich aber auch für gutes Design und Themen wie «User Experience».