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Endlich wieder Updates?�

Adobe ergänzt seine Kernprodukte einmal mehr mit Aktualisierungen und Neuerungen. Zügig ausgebaut wird die Unterstützung der neuen Windows-Touchgeräte. Zwei neue Produkte buhlen um Aufmerksamkeit, andere werden aus dem Nichts fallen gelassen.

Andreas Burkard Die rasante Updatemaschinerie der Adobe Creative Cloud, geht in die Runde CC 2015 2.0. Der Hersteller setzt vor allem auf neue Trends, wie die Unterstützung von Touchgeräten, verspricht erweiterte Einsatzgebiete der Cloud-Bibliotheken und versucht mit neuen verzahnten Lösungen die Ausdrucksweise im Grafik-Design zu erweitern.

Gesten über alles

Wer mit Gesten arbeiten will, benötigt ein entsprechendes Gerät oder Tablet. Microsoft unterstützt mit den Windows 8-Tablets diese Technologie und bietet mit dem Microsoft Surface Pro Laptop und Tablet in einem Gerät. Ein druckempfindlicher Stift gehört zur Grundausstattung des Surface Pro. Ein integrierter USB-Anschluss markiert die im iPad oft vermisste Offenheit. Unterstützt wird ferner das touch­fähige Grafiktablett Wacom Cintiq. Weitere Hersteller werden folgen.

Durch intensive Zusammenarbeit mit den führenden Anbietern bieten nun unter anderem InDesign, Illustrator, Photoshop, Acrobat volle Touch­unterstützung auf entsprechenden Geräten. Man kann somit in diesen Programmen über einen eigenen Touch-Arbeitsbereich sowohl mit den Fingern und diversen Gesten, als auch mit dem Stift arbeiten.

Shaper-Tool in Illustrator CC

Das neue Shaper-Tool in Illustrator zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Doch ein sinnvoller Einsatz ergibt sich wohl nur auf den Touchgeräten. Auf dem Desktop-Programm mit Maus- und Tastatureingabe wirkt das Shaper-Werkzeug als Fremdkörper.

Mit dem Shaper-Tool kann man Formen erstellen, indem man beispielsweise nur ansatzweise eine entsprechende Bewegung macht. Mit einer runden Mausbewegung ergibt sich auf dem Desktop-Programm automatisch ein Kreis oder eine Ellipse. Gleiches entsteht mit dem Finger auf den Touchgeräten. Auch Rechtecke, Dreiecke und Polygone können so nur mittels Andeutung erstellt werden.

Überlagerte Formen wandelt das Shaper-Tool mit einer Zackenbewegung, wie dem Schreiben eines W, automatisch in eine Shaper-Group um. Eine Shaper-Group ist gewissermassen ein zusammengesetzter Pfad, welcher die Innenformen stanzt. Die Shaper-Group hat mit der interaktiven Malgruppe Gemeinsamkeiten. Man kann mit dem Interaktiv-malen-Werkzeug und dem Interaktiv-malen-Auswahlwerkzeug die Shaper-Group-Bereiche mit Farben füllen.

Gesten unterstützen auch das Rückgängigmachen oder das Wiederherstellen von Arbeitsschritten und Pathfinderfunktionen. Doch da treten einige Besonderheiten auf. Eine Shaper-Group kann man in der Steuerung umwandeln. Dann entsteht daraus ein gruppiertes Element. Hebt man die Gruppierung auf, so geschieht bei Formen mit einer Kontur Eigenartiges. Diese Kontur wird vom Rest, welcher als zusammengesetzte Pfadform dargestellt wird, herausgelöst. Doch es gibt noch mehr Merkwürdiges zu berichten. Eine umgewandelte Shaper-Group zeigte in der Steuerung irritierend den Zustand Rechteck an. In den Dokumentinformationen > Objekte hingegen wird der Formzustand korrekt als ein Zusammengesetzter Pfad ausgeführt. Diese ungewohnte Information in der Steuerung kann auch auftreten, wenn man eine zusammengesetzte Form aus Rechtecken erstellt.

Bis jetzt bot die Steuerung im linken Bereich stets eine zuverlässige Information über ausgewählte Objektzustände. Man konnte so beispielsweise sehr schnell und einfach erkennen, dass es sich bei einem ausgewählten Objekt um einen zusammengesetzten Pfad oder eine Schnittmaske handelt.

Dynamische Symbole

Illustrator unterscheidet nun beim Erstellen eines Symbols zwischen statisch und dynamisch. Die herkömmlichen statischen Symbole können als Instanzen verwendet werden und sind dem Master-Symbol untergeordnet.

Die neuen dynamischen Symbole erlauben Änderungen einer Instanz und diese Änderungen bleiben erhalten, auch wenn man das Master-Symbol ändert. Man kann somit die Form und andere visuelle Eigenschaften einzelner Symbolinstanzen beliebig ändern und trotzdem bleibt die dynamische Verknüpfung mit dem Master-Symbol erhalten.

Verlagerte Prioritäten

Wirklich innovative Neuerungen und Verbesserungen sind im erneuerten Illustrator jedoch rar. Was zählt, ist die Unterstützung von Trends, Mainstream und natürlich die Einbindung in Cloud-Prozesse durch stets neue Funktionen in den Creative Cloud Libraries. So tauscht Illustrator nun über die Cloud Libraries Absatz- und Zeichenformate mit InDesign und Photoshop aus. Hingegen können im neuen Einstiegsfenster wohl die wenigsten Anwender einen Sinn entdecken. Dies ist eher als ausgeklügeltes Heranführen einer kom­menden vollständigen Einbindung in die Cloud zu betrachten.

Als eine der wichtigsten Aufgaben wäre sicherlich die Diagrammfunktion zu lösen. Bei den Diagrammen herrscht der gleiche unglaubliche Stillstand wie seit über 20 Jahren. Die Vorgängerversion hatte ein Werkzeug für einfache cloudbasierende Charts. Das Werkzeug ist nun weg. Als Anwender wünscht man sich auch keine cloudbasierenden Charts mit dauernden Änderungen und weiteren Abhängigkeiten, sondern zeitgemässe, «fassbare» Werkzeuge, um Werte grafisch darstellen zu können.

Weiterhin müssen sich Anwender bei Verbesserungen der 3D-Funktionen gedulden. Hier ist Potenzial für erweiterte Funktionen auszumachen oder zumindest das Eliminieren einiger Berechnungsfehler.

Nebst den erwähnten 3D-Funktionen und den Diagrammen könnte besser auf spezifische Verwendungsbereiche eingegangen werden. Dazu gehört beispielsweise die Verpackungsindustrie und auch die Modeindustrie mit einer Vielzahl von Anforderungen im Bereich Stoffdesign und -druck. Die Pipette sollte die Farbwerte aus einem Vektorobjekt mit Verläufen, Mustern, Grafikstilen oder Symbolen herauslesen können. Oder zumindest sollten diese Werte im Bedienfeld Separationsvorschau mit eingeschalteter Überdruckenvorschau überprüfbar sein, so wie Acrobat dies in der Ausgabevorschau kennt. Der Winkel von Verläufen sollte im Aussehen wählbar sein und auch als Grafikstil erhalten bleiben.

Die Verlagerung der Prioritäten hin zu Touchunterstützung, Gesten und dem aufgedrängten Arbeiten mit der Cloud hat mittlerweile groteske Züge angenommen. Im Voreinstellungsfenster des neuen Illustrator CC werden diverse Texte und Dropdowns falsch dargestellt. Überfällige Anwenderwünsche werden weiter ignoriert. Dennoch ist Illustrator ein grossartiges Programm. Hoffentlich bleibt Adobe trotz der Wolke auf dem Boden.

InDesign und Publish Online

Im neuen InDesign werden Alternativen von Zeichen aus erweiterten OpenType-Schriften nicht nur im Bedienfeld Glyphen angezeigt, sondern direkt auch im Text. Dazu fährt man mit der Maus über einen entsprechenden Buchstaben und kann mögliche Alternativen sehen und auch auswählen.

Doch die herausragendste Neuerung im Update von InDesign CC ist Publish Online. Damit kann man InDesign-Dokumente in die Adobe Cloud laden und diese via generiertem Weblink im Browser auf Desktop und Tablet betrachten. Den Betrachtern kann man im Hochladenfenster den Download einer Druck-PDF-Datei erlauben.

Erfreulicherweise wertet diese Methode auch die interaktiven Funktionen von InDesign auf. Wobei nicht ganz alle interaktiven Funktionen unterstützt werden und im Browser auf Desktop und Tablet teilweise leicht unterschiedlich dargestellt werden. Video und Audio müssen im MPEG4- oder MPEG3-Format vorliegen.

Mit Publish Online reagiert der Hersteller mit seiner vereinfachten Methode relativ spät auf die immer beliebteren digitalen Publishing-Plattformen, unter anderem von Issuu oder FlippingBook. Im Unterschied zu diesen Plattformen, welche in der Regel über den PDF-Upload veröffentlichen, lädt Publish Online direkt ein statisches oder interaktives InDesign-Dokument in die Adobe Cloud. Man kann davon ausgehen, dass Publish Online zügig weiterentwickelt wird. Einsatzgebiete gibt es viele.

Publish Online ist im Abo der Creative Cloud enthalten. Das heisst, es entstehen keine zusätzlichen Kosten für das Hochladen und für die Veröffentlichung des Adobe-Links. Ob dies so bleibt ist alles andere als gesichert. Publish Online kann auch als weitere künftige Einnahmequelle betrachtet werden, mit Veröffentlichungsgebühren oder Gebühren bei der Nutzung erweiterter Funktionen. Bis hin zur Werbefinanzierung werden hier alle Möglichkeiten geöffnet. Doch im Moment kann man sich an einem einfachen cloudbasierten Veröffent­lichungsweg erfreuen.

Vertrauensverlust bei DPS

Auf der anderen Seite bleibt bei der Veröffentlichung von digitalen Magazinen mit der Digital Publishing Solution (DPS) kein Stein mehr auf dem anderen. Nicht nur der Folio Builder zum Hochladen der für Mobile gestalteten InDesign-Dokumente ist weg, auch eine Folio-Vorschau gibt es nicht mehr. Mit vielen nicht nachvollziehbaren Entscheidungen hat Adobe selbst dazu beigetragen, dass viele Anwender und Agenturen das Vertrauen in die Adobe DPS erst einmal verloren haben.

Die erste Irritation erfolgte, als die im Abo enthaltene Single Edition plötzlich eliminiert wurde. Mit der Single Edition aus der frühen ersten DPS wurde von Adobe ein wichtiger Anreiz geschaffen, digitale Magazine auf dem iPad zu veröffentlichen. Eine weitere Verstimmung erfolgte mit dem InDesign-Release CC 2015 1.0, als dann der Folio Builder über viele Monate hinweg die Meldung zeigte, dass demnächst etwas folgen werde. Da die Vorgängerversion bei der Installation einfach deinstalliert wurde, konnten Agenturen Projekte auf Eis legen und bei bestehenden Magazinen keine Aktualisierungen mehr vornehmen.

Adobe hat das Vertrauen vieler Anwender in diesem Bereich strapaziert. Da helfen auch einzelne Vorzeigeprojekte und die Beteuerungen, wie toll das alles in einer DPS2 wieder werden soll, wenig. Zu viele Änderungen und Strategiewechsel erwecken nun mal eher den Eindruck einer permanenten Baustelle als einer glaubwürdigen, langfristig ausgelegten und kundenfreundlichen Erstellungs- und Veröffentlichungsmethode aus einer Hand.

So halten denn auch viele Anwender nach alternativen Lösungen Ausschau und werden unter anderem fündig bei Woodwing, Twixl Media oder App Studio. In diesen Lösungen wird InDesign nach wie vor als Design-Werkzeug verwendet, doch die Veröffentlichung ist nicht an Adobe gebunden. Auch Apple ist in diesem Bereich mit iBook Author erfolgreich und solide unterwegs und kann als einheitlicher Anbieter hochwertig gestaltete RichMedia-Magazine für iPad sowie iPhone erstellen und über den App-Store veröffentlichen.

Wahrscheinlich hat sich die DPS von Adobe nicht als die Umsatzmaschinerie entpuppt. Eine zunehm­ende Konkurrenz macht sichtlich zu schaffen. Zu viele Medienkanäle buhlen inzwischen um Aufmerksamkeit. Trotz weiterführender Lösungen für Auswertung, Zielgruppenmarketing oder Überwachung wird dieses Segment für Adobe eine Knacknuss bleiben.

In früheren Jahren hatte Adobe mit LiveCycle diverse skalierbare Lösungen für den Enterprise-Bereich. Dieser Bereich hatte sich nicht erwartungsgemäss entwickelt. Adobe hat LiveCycle daher aufgegeben, um sich vermehrt dem kreativen Bereich zu widmen. Es würde nicht wundern, wenn der DPS das gleiche Schicksal ereilt.

Edge bereits am Zyklusende

Wie kurz Produktzyklen sein können, zeigen die Edge-Produkte. Edge Reflow, Edge Inspect und Edge Animate werden von Adobe nicht weiter entwickelt. Noch vor Kurzem wurden diese Produkte gross propagiert, nun ist bereits wieder Schluss. Auch die Synchronisationseinstellungen (CreativeSync) von Photoshop, Illustrator und InDesign wurden bereits wieder eingestellt. Für die Erstellung von Animationen für HTML5 und andere Plattformen wird Adobe Animate CC folgen.

Adobe Fuse

Mit der neuen Creative Cloud sind zwei neue Produkte im Angebot. Eins davon nennt sich Adobe Fuse CC und erstellt im Wesentlichen 3D-Figuren für Photo­shop- und Mixamo-Projekte. Die 3D-­Figuren-Technologie hat Adobe bei der Firma Mixamo im Sommer 2015 eingekauft, welche nun Teil der Adobe-Familie ist. Mixamo bietet erweiterte kostenpflichtige Animationen.

In Fuse CC können ohne grosse Vorkenntnisse 3D-Figuren in allen möglichen Variationen erstellt werden. Eine schier unglaubliche Anzahl an Reglern kann jedes erdenkliche Detail steuern. So sind für Gestik, Mimik und Bekleidung beinahe keine Grenzen gesetzt.

Der Austausch erfolgt über die Creative Cloud Libraries direkt zu Photoshop CC. Dort können im 3D-Bedienfeld und in den Eigenschaften weitere Einstellungen vorgenommen werden, beispielsweise die gewünschte Perspektive, das Setzen der Lichtquelle oder sogar Animationen. Die unzähligen Variationen bieten viel Flexibilität für die exakt gewünschte Darstellung im Design.

Die synthetischen Figuren mit Adobe Fuse werden sich wahrscheinlich aber schnell abnützen. Zu oft wird dies schon bald im Grafik-Design zu sehen sein. Zu unbedacht werden wohl manche Figuren eingesetzt. Doch Fuse hat weiteres Potenzial im Prototyping. Man denke dabei an MockUps, also an Posen und Gesten mittels eines Avatars für Präsentationszwecke, bei welchen darauffolgend die eigentliche Aufnahme mit echten Models erfolgen kann. Im Adobe-Workflow mit enger Verzahnung zu Photoshop kann dies alles eine Bereicherung sein.

Photoshop CC 2015.1

Das neue Update beschert Photo­shop vor allem Verbesserungen in der Handhabung von Zeichenflächen und Cloud Libraries sowie in der Unterstützung der Touchgeräte. Weiter hielt der Ölfarbenfilter wieder Einzug. Dieser ist nun als Stilisierungsfilter aufgeführt, benötigt jedoch eine aktuelle OpenGL-Unterstützung.

Was der Hersteller als «verbessertes Exporterlebnis» bezeichnet, ist letztlich ein neues Exportfenster im Befehl Exportieren als  … mit umfangreichen, zusammengefassten Einstellungen der Formate PNG, JPG, SVG und GIF.

Ein Suchfeld bei den Schriften, die Bestimmung von Favoriten sowie das Ablegen von häufig verwendeten Zeichen im Bedienfeld Glyphen sind weitere sinnvolle Nachbesserungen.

Adobe Character

Character Animator wird zusammen mit Adobe After Effects installiert. Damit kann man in Illustrator oder Photoshop entworfene Trickfiguren zum Leben erwecken. Das Programm erfasst die eigene Mimik und zeichnet einen Dialog oder die Stimme auf. Man kann den Figuren die Bewegungen vormachen, indem eine Webcam die eigenen Bewegungen registriert. Mit einem Doppelklick auf die Figuren gelangt man wieder zu den Erstellerprogrammen Illustrator oder Photoshop und kann dort die Figuren bearbeiten.

Adobe Character ist witzig. Doch die Einsatzgebiete müssen sich erst noch entwickeln. Im Moment macht die Software vor allem durch Instabilität auf sich aufmerksam. Sie wird, wie übrigens auch Fuse CC, als «Preview» bezeichnet. Damit werden die zahlenden Anwender als Testpersonen in die Creative Cloud eingebaut – auch eine Möglichkeit, wie man Software entwickeln kann. Hauptsache man kündigt Neues an und bleibt so im Gespräch. Zurzeit befindet sich jedoch bei Adobe auffallend viel in «Preview» und in Ankündigung. Was letztlich morgen sein sollte, kann heute dann schon wieder von gestern sein.

Der Autor

Andreas Burkard erstellt als Grafik-Designer Konzepte für Print, PDF und interaktive Medien. Seit vielen Jahren ist er in der Publishing-Ausbildung und deren Work-flow engagiert. Er unterstützt zudem Firmen in Konzeption und Schulung beim Aufbau ihrer eigenen Projekte.www.BurkardPublishing.ch