Cover_19-6_gruen_low

Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


Heft-Archiv >> 2015 >> Publisher 2-15 >> Publishing >> Feedback sorgt f�r Entwicklung

Feedback sorgt f�r Entwicklung

Das Leben ist kein Wunschkonzert – oder doch? Quark hat für die neue Version ­überwiegend Wünsche der Anwender berücksichtigt – ohne dabei die strategische Ausrichtung auf HTML5-basierte digitale Publikationen aus den Augen zu verlieren.

Detlev Hagemann Auf die 8 folgt die 9 – auf die 9 folgt die 10 oder das lateinische X – und was folgt dann? Diese zählende Nomenklatura für neue Programmversionen ist langweilig und auf Dauer wenig verkaufsfördernd. Dies vor allen Dingen in Zeiten, in denen sich das Publishing radikal verändert.

Quark wählt für die Version 11 die Namensgebung mit Jahreszahl: also QuarkXPress 2015. Und befindet sich damit in bester Gesellschaft: Microsoft, Adobe und auch immer wieder Apple nehmen aus Marketinggründen häufig die Jahreszahl in den Produktnamen auf. Wer wird denn im Jahr 2017 noch mit einer Software arbeiten wollen, die CC 2014 oder QX 2015 heisst?

Mit dem Wechsel in der Benennung wurden auch die langjährigen Produktfarben Grün-Schwarz gegen Orange-Rot getauscht. Sind das einfach nur neue Kleider, die dem Programm von Marketing und Entwicklung übergestülpt wurden?

Alles 64 Bit

Keinesfalls und hiermit die wichtigste Botschaft: Es gibt keinen alten Code mehr in XPress, denn das Programm ist nun komplett in 64-Bit-Architektur aufgebaut.

War das hoch talentierte Quark​ XPress 10 mit seiner «alten» 32-Bit-Architektur während des aktiven Layoutens in einigen Produktionsfällen leider zu sehr mit dem Verwalten von Cache und Speicherplatz beschäftigt, so ist dieses Verhalten bei der von uns getesteten Betaversion von QuarkXPress 2015 nicht mehr zu entdecken – genügend Speicher vorausgesetzt. Das erstmalige Öffnen «alter» XPress-Dateien erfordert wegen der ge­­änderten Grafikengine und der nun sehr hohen Vorschauqualität aber weiterhin mehr Zeit, als wir es beispielsweise von XPress 9 gewohnt sind.

Schnell dabei

Die Umstellung auf 64-Bit-Architektur bedingt natürlich auch, dass alle XTensions komplett angepasst werden müssen. Bekannte und leistungsfähige Plug-in- und XTension-Entwickler wie Em Software, Badia oder JoLauterbach sind schon auf den Geschwindigkeits­zug aufgesprungen und werden dieses Mal sofort oder ganz knapp nach Erscheinen von QX 2015 ihre Programmerweiterungen anbieten.

Rasend schnell gebaut

Seit Jahren gibt es den QuarkXPress-Server, der in dynamischen Publishing-Umgebungen bei Verlagen und grossen Agenturen die automatische Layouterstellung für gedruckte und digitale Medien übernimmt. Die Leistungsfähigkeit der neuen 64-Bit-Architektur in XPress ermöglicht jetzt, dass immer mehr Funktionen, die bisher nur im Server abgearbeitet werden konnten, direkt in die Layoutsoftware integriert werden können, so zum Beispiel das Platzieren grosser Excel-Tabellen. Dazu gibt es in QuarkXPress 2015 eine dritte Art, Tabellen zu bauen:

  • mit althergebrachten Tabulatorttabellen mit Ab-satz- und Zeilenschaltung,
  • mit Zellentabellen, die aus einzelnen Bild- und Textboxen zusammengesetzt werden,
  • mit dem neuen Objektbefehl Inline-Tabelle ein­fügen für Excel-Tabellen.

Dieser Importbefehl steht zur Verfügung, wenn ein Textrahmen mit dem Textinhaltswerkzeug selektiert ist. Beim Import der Tabelle wird direkt auf die Mithilfe durch eine moderne Excel-Version gesetzt. Benötigt Excel viel Zeit, um die Tabellen­datei zu öffnen, kann XPress nicht eine Sekunde schneller sein. Aber dann ist XPress im Handling der Tabellen unglaublich rasant. Bei unserer Testdatei mit einer Tabelle mit über 7000 gefüllten Zellen über 75 Seiten ist der Wechsel von einem aufwendigen Tabellenstil auf einen anderen in nur einer Sekunde erledigt. Ist in Excel die Tabellendatei nach dem Import parallel geöffnet, kann das Aktualisieren geänderter Inhalte ebenfalls mit Turbo durchgeführt werden.

Inline-Tabellen verhalten sich im Textrahmen wie ein einziger verankerter Rahmen, auch wenn die Tabelle dann über viele Seiten umbricht. Der vorhin angesprochene Geschwindigkeitsrausch wird in XPress dadurch erreicht, dass keinerlei Eingriffe in die Inhalte der Inline-Tabellen möglich sind und die Steuerung der Breiten und Höhen der einzelnen Zellen nur indirekt über Inline-Tabellenstile vorgenommen wird. Die Tabellen können sich automatisch in der Breite an den Text­rahmen anpassen, in den sie eingefügt werden. Linienstärken, wechselnde Hintergrundfarben und Typografie nach verschiedenen Regeln – all das ist ebenfalls Sache von XPress. Aber prozentuale Spaltenbreiten und die Text- und Bildinhalte sind alleine Sache der Excel-Datei. Die neue Inline-Tabellen-Funktionalität macht Appetit auf einen weiteren Ausbau.

Zwischen den «Nullern»

Die Aufzählung der neuen Funktionen von QX 2015 (Version 11.0) gegenüber XPress 10.0 bleibt unvollständig und zeigt nicht die Entwicklungstendenz von XPress auf, wenn man nicht auch die neuen Features der Zwischenversionen beschreibt, die es bei Quark schon seit XPress 6.5 kostenlos gibt.

Mit 10.1 wurde die Beschränkung des Einzoom-Faktors von 800 auf 8000 Prozent verzehnfacht – ein Spitzen­wert im Grafikdesign. Schrift-Vektor-Kombinationen fürs Web führe ich deshalb mittlerweile am liebsten in XPress aus, weil auch ein sehr guter PNG- oder JPEG-Export von Auswahlen oder ganzen Seiten zur Verfügung steht. Das Ausrichten von Elementen zueinander und gegenüber der Layoutfläche wird durch «dynamische Hilfslinien» (1) – ähnlich zur Funktionalität in Apples Keynote – wesentlich vereinfacht. Quark-typisch ist die Aufteilung der Sichtbarkeitsfunktionen in mindestens zwei Bereiche: generelles Ein- und Ausschalten sowie Optionen dafür, was denn genau angezeigt werden soll.

Mit 10.0 wurde die alte Buchfunktion zu Grabe getragen – mit 10.1 gab es eine Wiedergeburt: Alle Krokodilstränen waren umsonst geflossen. Na ja, fast. Die alte Buchfunktion wird nicht wieder unterstützt, sondern es wird nun konsequent mit der auch in normalen XPress-Dateien vorhandenen Job-Jacket-Technologie gearbeitet, sodass XPress-Buchdateien nun in XPress-Server- und Redaktionssystem-Umgebungen eingesetzt werden können. Aber nicht nur das: Man nimmt nicht mehr eine XPress-Datei ins Buch auf, sondern die Layouts einer Datei (2) – eine sehr effiziente Erweiterung des Projektgedankens von XPress.

Hat es Klick gemacht? Sie arbeiten beispielsweise mit nur einer XPress-Datei, die mehrere Layouts enthält – vielleicht sogar mit unterschiedlichen Seitengrössen. Nun nehmen Sie nur diese Datei mit all ihren Layouts ins Buch auf, dann können Sie mit der XPress-Buchdatei die Layouts verwalten und zum Beispiel ein gemeinsames PDF über alle Layouts schreiben …

Weiterhin kann in den Voreinstellungen das grundsätzliche Farbspiel des User-Interface (3) von XPress den eigenen Farbvorstellungen angepasst werden – eine vorsichtige Herangehensweise sei hier empfohlen.

Neu sind für das AppStudio Animationen in HTML5 – dieses Feature ist in QX 2015 wesentlich ausgebaut worden.

Mit der Version 10.2 wurden die Verankerungsgrenzen von Rahmen in Rahmen aufgehoben: Es geht nun unbegrenzt – dies gilt auch für Tabelle in Tabelle … Weiterhin: Die Vorschauqualität von Bildern lässt sich für einen Geschwindigkeitsgewinn wieder verschlechtern, und Trennausnahmen lassen sich nun endlich importieren und exportieren (im offenen XML-Format). Die Notiz- und Änderungserweiterungen aus der Redaktionssystemwelt werden seit dieser Version auch «normalen» XPress-Anwendern spendiert.

Weitere Grenzen fallen

Bisher waren XPress-Layoutflächen auf knapp über 1,2 Meter im Quadrat begrenzt, nun lassen sich Poster und Messestellwände bis zu einer Grösse von fast 5,7 mal 5,7 Metern (5) im Massstab 1:1 herstellen. Die Anzahl der vorgeschlagenen festen Layoutformate (Seitengrössen) wurde verringert und durch die Möglichkeit ersetzt, sich beliebig viele eigene Layoutformate mit Namen wie einen Stil abzuspeichern und aufzurufen (6). Der Skalierungsfaktor für Bilder wurde nochmals auf nun maximal 5000 % erweitert.

In QX 2015 wird nun endlich der PDF/X-4-Export integriert. Die Callas-Engine, die auch in den Adobe-Produkten enthalten ist, übernimmt die Überprüfung und die Zertifizierung.

Für die Erstellung von Fachbüchern und Fach-E-Books stand schon lange eine Fussnotenverwaltung auf der Wunschliste der XPress-Anwender – ihr Flehen wurde erhört. Passend dazu wurden auch die Fähigkeiten der Inhaltsvariablen stark ausgebaut. Standen bisher nur Seitenzahlen zur Verfügung, kann nun automatisch auf Kapitelüberschriften, Datumsangaben, Seitenverweise, statische Texte und selbst definierte Variablen (beispielsweise wiederkehrende «Textbrocken») zurückgegriffen werden. Im Zusammenspiel mit den mehrfach nutzbaren Inhalten steht nun ein riesiges Spektrum an Textautomatismen zur Verfügung.

Der Projektgedanke mit mehreren Layouts in einer Datei erhielt durch die erweiterte Sammeln für Ausgabe-Funktion einen grossen Kick: Es lassen sich nicht mehr nur einzelne Layouts eines Projektes sammeln, sondern nun alle Layouts mit Bildern und Fonts.

Fixed-Layout-E-Pub und HTML5

Waren in XPress 10 die Funktionen der HTML5-Palette (Animationen, Video und Audio, Schaltflächen, Bildershows etc.) in E-Book-Layouts noch ausgegraut, stehen die Funktionen für die elektronischen Devices in QX 2015 immer mit einer angepassten Funktionalität zur Verfügung. Denn aus XPress lassen sich jetzt Fixed-Layout-E-Pubs exportieren, neben Kindle- und Reflow-E-Books. Für diesen HTML5-Export der animierten Elemente wird kein kostenpflichtiger Service mehr benötigt. Perfekt gelöst: Reflow- und Fixed-Layout-E-Books befinden sich im selben Layout-Typ, die Entscheidung fällt erst unmittelbar vor dem Export.

Neuer Bedienkomfort

So wie sich seit geraumer Zeit das Aussehen des User Interface in XPress verändern lässt, so können jetzt auch in den Voreinstellungen die Kurzbefehle am Mac den eigenen Bedürfnissen angepasst werden und in Tastenkürzelgruppen (4) für verschiedene Zwecke organisiert werden. Extrem praktisch ist auch, dass jetzt in Paletten gesucht werden kann. Der Verwendungsdialog bietet sofort deutlich mehr Informationen über benutzte Elemente und erlaubt das Neuverlinken auch von Bildern mit Status OK. Textformatierungen können nun mit dem Format-Painter auch über mehrere Textrahmen hinweg übernommen werden – ohne dafür Stilvorlagen bemühen zu müssen. Neu eingeführt wurde am Mac die typisch einfache Drag-&-Drop-Installation.

Auch der Unterschied zwischen Mac und Windows wird kleiner: Windows-Benutzer erhalten ebenfalls die andockbaren Paletten.

Der Autor

Detlev Hagemann ist Autor zahlreicher Artikel und Bücher über XPress, PDF-­Erzeugung und die Medienproduktion im Allgemeinen. Er konzipierte für Ringier und die SMI Schulungskonzepte. Heute berät und betreut er Verlage.